1.1 Setzungen, Gedanken
- Der Mensch ist existentiell ein auf Orientierung angewiesenes Wesen. Einmal trägt er sie (a priori) als genetisches Programm in sich und zum anderen wird sie ihm von außen über eine Kulturgemeinschaft vorgegeben.
- Die Grundlage jeder Kultur sind soziale Setzungen. Auf diesen gründet sich jede Theologie, Kunst, Wissenschaft und jedes Recht. Eine Gemeinschaft ist ohne sie nicht möglich.
- Am Anfang einer sozialen Setzung steht eine Philosophie, d.h. der rationale Versuch einer Umweltorientierung.
- Die Philosophie ist keine Wissenschaft. Sie gründet sich auf einer vorrationalen Orientierungssuche bedingt durch die Diskrepanz zwischen den biologischen Vorgaben eines Menschen und seiner jeweiligen Umwelt. Sie ist damit zunächst immer subjektiv und zeitabhängig.
- Wird eine Philosophie konsensfähig, so geht sie in eine Kultur ein. D.h., dass diese immer eine Summe von Setzungen ist, von Setzungen, die als Ganzes ein geistiges Orientierungssystem ermöglichen. Oder anders ausgedrückt: Jede Kultur ist eine soziale Gesamtheit philosophischer Antworten auf die Probleme einer Zeit.
- Philosophisch vorgedachte Struktursysteme sind die Grundlagen unserer Weltbilder, unserer Ideologien.
- Je weiter eine Kultur sich von der Natur „entfremdet“, je rationaler sie wird, um so abstrakter und hypothetischer werden ihre Setzungen und um so weiter führt sie den Menschen von seinen biologischen Vorgaben fort. (Das gilt besonders für die westliche Kultur, die sich als ein relativ geschlossenes, mathematisch-empirisches Denkmodell weitgehend nur noch abstrakt versteht und deshalb von innen heraus kaum noch hinterfragbar erscheint).
- Die eigentliche Aufgabe der Philosophie ist es, einen Menschen seinen „Standort“ finden zu lassen. Sie ist somit der Inhalt seiner inneren Auseinandersetzungen mit seiner fundamentalen Einsamkeit. Sie bemüht sich, ihm ein Bild seines Da-Seins zu vermitteln, nach dem er sich „rational“ in seiner Umwelt orientieren kann. Psychologisch ausgedrückt, ist es die Suche nach Geborgenheit in einem Umfeld existentieller Grundängste.
- Philosophieren heißt fragen, Fragen nach den Grundlagen der persönlichen Existenz zu stellen, um mit den Antworten Orientierungshilfen für sein Da-Sein, bzw. Strukturangebote für das Zurechtfinden in seiner Kultur zu erhalten.
- In Sprache gebracht, ist die Philosophie immer ein rationaler Versuch der fundamentalen Existenzorientierung (auf der Basis einer vorrationalen Subjektivität).