Das Erkennen

Das Erkennen

Wir können „unsere“ Welt

  • über unsere Sinne intuitiv als Ganzheit erfassen oder
  • in Einzelphänomene zerlegt rational.

In beiden Fällen ist es nur ein Ausschnitt des tatsächlichen Seins. Beim ganzheitlichen Erfassen auf Grund unserer Wahrnehmungsgrenzen beschränkt, beim kausalen Bezug auf  Grund der jeweiligen inhaltlichen Berücksichtigung unserer Bezugsgrößen innerhalb unseres angewandten Logiksystems. Wir erfahren unsere rationale Welt als die wirkliche Welt unserer Kultur und als eine deterministische Größe, die von uns in einem sozial akzeptierten Rahmen subjektiv ausgewählt wurde und die uns glauben lässt, objektiv zu sein.

Wir können die Welt nur erfahren,

  • denkend,
    d.h. abstrakt, auf ein kausales System reduziert, erfasst in den Logikabfolgen unserer jeweiligen Kultur, beginnend

    • in den neuronalen Ausprägungen unseres Gehirns,
    • in unseren kulturell übernommenen Bedeutungsmustern,
    • in dem Logiksystem unserer Sprache in dem wir denken.
      Das dabei erfasste Bild von der Welt kann immer nur
      + abstrakt sein,
      + auf bestimmte Ausschnitte von ihr konzentriert sein.
      Es vermittelt uns immer nur ein Bild von ihr in den Perspektiven unserer Kultur und gibt unseren Wahrnehmungen nur eine jeweils über diese vermittelte Bedeutung.        
  • empfindend,
    d.h. mit Hilfe der Sinnen komplex wahrzunehmen. Alle Eindrücke unserer Gesellschaft fließen in uns ein und schaffen in uns ein sinnliches Bild von ihr, das wir in seiner tiefsten Erfassungsebene als religiös bezeichnen können. Wir erfahren darin ein ganzheitliches Bild von der Welt, allerdings nur ein ganzheitliches „Bild“ in den evolutionären Grenzen unseres Gehirns.

Beide Erfassungsformen vermitteln uns Bilder von unserer Welt, aber beide nur im Rahmen der menschlichen Grenzen. Diese Grenzen werden uns vorgegeben durch

  • unsere persönlichen Grenzen,
  • die Grenzen der menschlichen Erfassungswelt (wir versuchen ihr durch unsere logischen Abstraktionssysteme zu begegnen). Jeder kann sie erahnen
    • in der Welt zum Großen bis hin zu den „Grenzen“ des Universums,
    • in der Welt des Kleinen bis hin zu den Quarks,
    • in der Welt des Komplexen, z.B. dem Aufbau unseres Gehirns.      

Die von einem Menschen erahnte, erfahrene Welt kann immer nur ein beschränktes Bild von ihr darstellen, nur ein Bild von ihr, dass uns in unserer Orientierung in ihr hilft, letztlich nur ein Bild, an dessen Wirklichkeit wir glauben.

Es scheint so zu sein, dass unsere Umweltwahrnehmungen auf zwei Vorgaben beruhen,

  • zum einen auf unseren von unserer Kultur vorgegebenen Orientierungssetzungen, die uns weitgehend über unsere Erziehung vermittelt werden,
  • zum anderen angeborenen, inneren, unser Denksysteme begleitende Orientierungsinhalte, die Kant seiner Zeit als Kategorien bezeichnete.

Unser Erkennen ist von zwei Voraussetzungen abhängig, seinen

  • biologischen: Dazu gehören sein / seine
    • Wahrnehmungsorgane,
    • Gehirn und Nervensysteme,
    • Stoffwechsel
  • prägende:  Dazu gehören seine
    • Umwelt (z.B. Bezugspersonen, Naturbezüge),
    • Kultur (u.a. seine
      • Sprache,
      • abstrakten Orientierungssysteme (z.B. Logiken, Mathematik, Symbole),
      • Rituale),
    • Erfahrungen

Wir haben für unsere Orientierung zwei Zugangsweisen. Eine

  • ältere, instinktive, über die wir die Welt intuitiv erfassen, d.h. als Orientierungsinhalt ganzheitlich, holistisch,
  • jüngere, auf die wir als evolutionäres „Mängelwesen“ bewusstseinsmäßig hauptsächlich angewiesen sind, eine rationale Erfassung der Welt, d.h., deren Wahrnehmungsinhalte als Einzelelemente kausal in Beziehung zu setzen und uns darüber zu orientieren.

Bewusstseinsmäßig erleben wir beide verschieden, das

  • eine Mal als eine ganzheitliche Beziehung,
  • das andere Mal als rationale Erkenntnis.

Erst das rationale Bewusstsein erlaubt uns ein überlebensfähiges, zielorientiertes Verhalten.

Unsere persönliche Erkenntnis wird von drei Ebenen her eingeschränkt,

  • der Verschiedenheit unserer
    • jeweiligen rationalen Erkenntnisfähigkeit,
    • ganzheitlichen (intuitiven) Erkenntnisfähigkeit.
  • den Grenzen unserer Wahrnehmung
    • im Rahmen unserer neuronalen Vorgaben uns unserem Stoffwechsel,
    • der Bereiche außerhalb unserer Sinne im Minimalen, Maximalen und Komplexen.
  • unseren Orientierungsbindungen (Setzungen) als
    • Logiksysteme,
    • Fragmentierung,
    • Wertbindungen

Sie alle deuten auf eine Begrenztheit des menschlichen Denkens gegenüber einer absoluten  (= vollständigen) Wahrheit hin.

Die erste Grundsatzentscheidung,  die man für sein Denken treffen muss, ist dessen Ausgangsansatz, ob man die Welt

  • monistisch
    (im Sinne der Einheit allen Seins, der Einheit von Gott und der Natur, der Identität von Geist und Materie) oder
  • dualistisch (als Gegensatz von Geist und Materie, Leib und Seele oder erkenntnistheoretisch von Sinnlichkeit und Verstand)

sehen will.

Beides kann unter der Vorstellung einer letzten holistischen Einheit, einer Ganzheit allen Seins erfolgen.

Die wichtigste Grundlagendisziplin der Philosophie ist die Erkenntnistheorie (bei Descartes war es noch die Metaphysik). Sie und die Wissenschaftstheorien waren und sind spezifische Formen der Sophistik, angereichert durch persönliche Setzungen herausragender Philosophen, die dann oft zu sozialen Paradigma wurden. Alle unsere Erkenntnisse sind ein Ausdruck

  • sozialer Perspektiven und menschlichen Gemeinschaftswissens,
  • der individuellen Grenzen eines Menschen
    (d.h., seiner neuronalen Gehirnbeschaffenheit und seines Stoffwechsels).

Jede Erkenntnis ist damit abhängig von einer vorangegangenen Programmierung,

  • einer persönlichen Wahrnehmungsprogrammierung
    (d.h. der Programmierung und der Fähigkeit der persönlichen Sinne),
  • einem persönlichen Gehirn
    (d.h.,

    • seiner biologischen Programmierung  im Verlauf seiner Evolution,
    • seiner sozialen Programmierung über seine Kultur,
    • seiner persönliche Programmierung durch seine Erfahrung),

Biologisch sind wir programmiert auf

  • bestimmte Dimensionen
    (u.a. bestimmte Zeitfolgen, die wir in ihrer Kausalität wahrnehmen,
    h. einer Abhängigkeit des Geschehenen vom Vorangegangenen),
  • verinnerlichte soziale Setzungen
    (z.B. von der Sprache und ihrer Grammatik, von unseren kulturellen Werten).

Unser Erkennen ist auf eine mittlere Wahrnehmungswelt, einer materiellen Dimension unserer Wahrnehmungsorgane bezogen. Unsere Makro- und Mikrowelt kennen wir nur über Hilfsmittel für unsere Sinne. Sie öffnen uns den Zugang zu einer völlig fremden Welt. So ist ein Bienen-, Spinnen- oder Ameisenkopf 200-fach vergrößert ein Symbol für eine uns fremde aber doch nahe Welt, ein monströses Gebilde oder ein Kunstwerk für uns. Wir erkennen „unsere“ Welt nur aus „unserer“ Grundprogrammierung heraus. Erst danach spielen Erkenntniskategorien, d.h. Ordnungssysteme eine Rolle.

Alles Zugrundeliegende benötigt, um gedacht zu werden, für uns sinnliche Bezüge der Anschauung. Erst über eine Wahrnehmung werden für uns Gegenstände erkenntnismäßig verfügbar. Kants Kategorien können weitgehend den biologischen Voraussetzungen zugesprochen werden, z.B. Kants

  • „a priori“ auch einem instinktiven Mitbekommen
    (wahrscheinlich besitzen wir oft vor einer rationalen Sinngebung instinktiv eine intuitive Erkenntnis),
  • Kategorien in ihren Ordnungsfunktionen für unsere sinnlichen Erfahrungen,
  • Kausaldenken als apriorische Gegenstandserfahrung, einem fundamentalen Orientierungsprinzip des Menschen.

Wittgensteins Erkenntnishinweise gehören dagegen weitgehend allein in den Kulturell-sprachlichen Bereich   

Von den menschlichen Erkenntnissen glaubte man einst,

  • dass sie zunächst über die Welt unserer Erfahrungen gewonnen werden.
  • Danach erkannte man die abstrakte Bedeutung der „Welt der Begriffe“ für sie.
  • Heute glauben wir, sehen wir als ihren Hintergrund unsere neuronale Programmierung.

Der einzelne Mensch ist damit nicht frei, sondern weitgehend an in ihm festgelegten Vorstellungen gebunden. Er kann im Rahmen seiner Setzungen sich seine Welt erklären, das gesamte Dasein in seiner Komplexität aber bestenfalls nur intuitiv verstehen. Die Welt seiner Objekte ist nur eine Welt seiner Vorstellungen. Sie ruhen als ein „Ort“ im Universum in sich und bewegen sich mit diesem in ihrer „Zeit“. Der Mensch beobachtet in Ausschnitten deren Kausalität und kann sich über diese in seiner Welt orientieren.

Die Philosophie fragt immer nach den letzten Wahrheiten, den letzten Hintergründen der menschlichen Existenz. Hinter diesem Bedürfnis steht das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit für seine Orientierungsvorgaben. Man glaubt sie über eine widerspruchsfreie Deckungsgleichheit der Aussagen mit den

  • Sinneswahrnehmungen,
  • logischen Denksystemen

auf Fragen an ein wahrgenommenes oder gedachtes Objekt zu erzielen. Als wahr gilt eine Folgerichtigkeit in einem paradigmatischen Logiksystem. D.h., sie steht damit auch immer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Setzungen und faktischen Vorgaben. Für die Realisten ist die Wahrheit immer eine Frage der Übereinstimmung einer Wahrnehmung mit einem Sachverhalt, für einen Nichtrealisten deren Übereinstimmung mit einer Theorie (z.B. einer Hypothese). In beiden Fällen geht es dabei um eine Identität mit einem Sachverhalt.

Wir kennen drei Formen der Wahrheit. Die

  • subjektive:
    Sie ist an den Standort und die Zeit eines Individuums gebunden, d.h., seiner evolutionären Entwicklung, Prägung und Erfahrung.
  • soziale:
    Sie wird als richtungsgebende Setzung von sozialen Gemeinschaften festgelegt, – früher vorwiegend in den Religionen, heute in denParadigma der jeweiligen Wissenschaften. Sie sind die Ausdrucksformen einer jeweiligen Kultur.
  • objektive:
    Sie ist dem Menschen in seinen Grenzen nicht zugänglich. Sie ist ein „Ergebnis“ der letzten Gesetze denen ein Objekt folgt. Nach Hegel ist nur das „Ganze“ die Wahrheit. Ihr erkennen steht außerhalb der menschlichen Möglichkeiten.

Jede Objektivität, Wahrheit stützt sich auf Argumente. Alle Argumente bauen auf Setzungen. Alle Wahrheiten sind damit relativ.

Unsere Realität ist das Dasein, wie wir es von unserem Standort in dessen spezifischer Komplexität erleben. Sie wird von unserem „Zugang“ zu den Objekten bestimmt. Über unsere Wahrnehmungen schaffen wir einen Bezug zu ihnen, d.h.

  • über unsere Anschauung,
  • über die Logiksysteme unseres Denkens (die Verbindungssysteme unserer Synapsen) und
  • unseren Stoffwechsel

entsteht in uns ein Bild von einem Objekt,

  • wird es zu einem Besitz unseres Bewusstseins,
  • wird es nicht zu einem Gegenstand in seinem Selbstsein innerhalb einer Ganzheit, d.h. einem Gegenstand in seiner Komplexität in einem bestimmten Beziehungssystem.

Kant schuf für diese unsere Realitäten unsere kulturellen Maßstäbe.

Was wir als unser rationales Denken verstehen, ist genau genommen nur ein neuronales Folgen enger kausaler Bezüge. Dabei helfen uns unsere Logiksysteme, die in sich bereits ihre Begrenztheit bergen. Sie bauen zwar auf ein jeweils menschengemäßes Kausalprinzip, können aber von der gegebenen Ganzheit immer nur einen ihnen gemäßen spezifischen Ausschnitt erfassen. Unsere Rationalität basiert auf zwei Vorgaben

  • einem sozial vorgegebenen Logiksystem für unser Denken,
  • dem Zugrundelegen eines kausalen Seins für alle Abläufe.

Eine Folge davon ist, dass wir die Welt immer nur ausschnittweise nach diesen Vorgaben erkennen können. Ihre Wirklichkeit bleibt für uns immer nur ein rationales Konstrukt. Alles darüber hinaus können wir, wahrscheinlich nur innerhalb eines begrenzten Rahmens, nur sinnenhaft erahnen. Es bleibt uns letztlich nur das Bewundern für die Größe allen Seins. Alle unsere inhaltlichen Zuweisungen sind wahrscheinlich oft nur hypothetische Fantasien auf der Grundlage unserer Anmutung.

Durch seine Beschränkung auf kausale Bezüge ist das menschliche Denken allein  an materielle Gegebenheiten gebunden. Seine rein geistigen Inhalte besitzen auch in ihrer Abstraktion für ihre Anschaulichkeit immer einen gegenständlichen Bezug. Alles Sein darüber hinaus entzieht sich seinen Erkenntnismöglichkeiten und ist an fantasiereiche Spekulationen, d.h. kreative Setzungen gebunden, die ihre inhaltlichen Bezüge aus der anthropologen Bedürfnis- und ihrer Anschauungswelt beziehen. Der Mensch kann nur in kausalen Schlüssen denken, immer nur im Rahmen eines Ursache-Wirkung-Prinzips. Seine Kreativität beruht allein auf seiner Fähigkeit, dieses sein Denkprinzip immer wieder aufbauend auf neue Umweltbezüge übertragen zu können. Er schafft dafür seine Logiksysteme, die zugleich für eine soziale Verständigung in einer Sprache, seinen Daseinsabläufen, für den Aufbau seiner Kultur sorgen. Seine Kreativität beruht darauf, dass er diese seine Fähigkeit auf immer neue Situationen übertragen kann. Am deutlichsten wird dies vielleicht in der Bedeutung der Mathematik für ihn, die innerhalb seiner Logiksysteme symbolisch seinem Kausaldenken folgt.

Immer wird die menschliche Orientierung von Setzungen bestimmt. Auseinandersetzungen gibt es dort, wo über sie nur ein begrenzter Konsens besteht. Dieser wechselt oft

  • mit den verschiedenen Individuen,
  • mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen,
  • mit den Zeiten.

Die Ursachen dafür sind:

  • deren unterschiedliche Auswahl (der Orientierungskriterien) und
  • deren unterschiedliche Gewichtung.

Diese Setzungen stellen immer das einem Denken nicht hinterfragte Zugrundeliegende dar (für Platon waren dies die „Ideen“).

Während der Rationalismus von seinen Setzungen ausgeht, von denen er dann deduktiv seine Erkenntnisse ableitet, schaltet der Empirist vor diese seine (in seiner Person begründeten fehlerhaften) Wahrnehmungen, um von diesen dann auf das Ganze zu schließen.

Eingebunden werden diese Setzungen in anthropogene Denk-, d.h. Logiksysteme (bei Kant z.B. auf der Grundlage seiner Kategorien und Anschauungsformen). Alle diese Denksysteme sind an den Menschen in seinen Grenzen gebundene Systeme. Ein Denken in anderen Denkstrukturen würde andere Logiksysteme erfordern und würde evtl. über die neuronalen Möglichkeiten des Menschen hinausführen.

Die Logiksysteme des Denkens finden ihren Ausdruck besonders in der Sprache. Wir können nur erkennen, was diese im rationalen Bereich zulassen. Sie sind die Grundlagen unserer Kommunikation, unseres Wissenserbes und unserer Kultur. Ohne die Sprache gibt es keine Gedanken, ohne Gedanken gibt es für den Menschen nur das Nichts. Jede Sprache besitzt ihre eigene Grammatik und damit ihr eigenes logisches System, ihre eigenen Erkenntnisgrenzen. Wir erfassen über sie unsere Wirklichkeit (Wittgenstein). Sie bildet die Grenzen unserer Welt. Als Fähigkeit ist sie den Menschen angeboren. Sie besteht aus symbolischen Lautzeichen und deren Kombination. Wahrscheinlich entstanden ihre Anfänge vor 100.000 – 200.000 Jahren. Sie ist in sozialen Gemeinschaften das wichtigste Mittel des Informationsaustausches und der Kontaktaufnahme. Zurzeit gibt es auf der Erde wahrscheinlich etwa 6000 Sprachen.

Sprachen bilden das Herzstück aller sozialen Beziehungen. Über sie erlernen wir unsere Setzungen und mit ihrer Hilfe erhalten wir unsere Wertvorstellungen. Ihre Begrifflichkeit vermittelt uns unser Bild von der Welt. Über ihren emotionalen Hintergrund erhalten sie ihre anschaulichen Farben, ihre Begrifflichkeit ihre unterschiedlichen Gewichte. So beinhalten alle Begriffe als sprachliche Symbole ein mehr oder weniger anschauliches Bild in sich. Mathematische Sätze haben nur eine Bedeutung, wenn hinter ihnen ein Orientierungsbild steht. Begriffe, die sich nicht auf Wahrnehmungen beziehen sind Setzungen, deren Bedeutung für uns erst durch die Übertragung von Eigenschaften aus unserer Wahrnehmungswelt auf diese  ihre Bedeutung erhalten. Viele Philosophien stellen letztlich nur Gedanken über sprachliche Denksysteme dar (so z.B. der Streit um die Universalien, Kants Überlegungen, die Hermeneutik oder die Sprachphilosophie).

Der Versuch, die Nachteile unseres kausalen Umweltbezuges zu überwinden, führt uns zum Versuch einer ganzheitlichen Umwelterfassung. Sie kann das Bewusstsein des Einzelnen durchdringen und ihn im Rahmen seiner persönlichen Gehirnentwicklung zu deren spezifischen Zielen führen. Vielleicht kommt dem Bemühen um eine solche Welterfassung der Zen-Buddhismus am nächsten. Ein Problem dabei ist, dass der Zugang zur intuitiven Ganzheit wie alle Begabungen bei den einzelnen Menschen verschieden stark ausgeprägt ist. Mit dem sich Einordnen in die Ganzheit seiner Umwelt ordnet sich der Einzelne in die kosmische Ganzheit ein.

Zum Erkennen des Menschen gehört auch die Selbsterfahrung als Subjekt. Damit beginnt die Suche nach einem rationalen Verstehen des eigenen Ichs innerhalb einer Welt der Gegenüber. In jedem werden durch Begriffe, Symbole eigene Bilder erzeugt, die bei zwei verschiedenen Subjekten nicht identisch sind, da sie die Bilder zweier verschiedener Standorte sind. Dadurch werden auch die Blickwinkel auf die Objekte jeweils andere. Jeder kann sie nur von seinem persönlichen Standort aus erfassen und nicht in ihrer Totalität. Modern ausgedrückt: In jedem sind die neuronalen Schaltungen andere und können deshalb in einem nicht die gleichen Bilder erzeugen. Sie können nur ähnliche schaffen, die dann zur Grundlage sozialer Orientierungen werden.

Die Gegenüber der Subjekte sind die Objekte. Dabei können die Subjekte zu letzteren nur über ihre Sinne, ihre Wahrnehmungen Beziehungen aufbauen, die sich dann im Gehirn des Subjekts je nach dessen Vorprägungen zu Erkenntnissen ausformen können. Die Objekte sind innerhalb ihrer Orte, Räume Träger von Eigenschaften. Jedes von ihnen steht in einer Beziehung zu seiner Umwelt, sei sie physischer, chemischer oder biologischer Art. Zum Bereich des Biologischen gehören aus der Welt der Wahrnehmungen für das menschliche Erkenntnisvermögen wiederkehrende, abstrakte Symbole, die, verbunden mit den ihnen vorgeordneten Setzungen in den jeweiligen Sprachen (als logische Systeme rationaler Erkenntnis), die Bilder unserer Erkenntnis bestimmen. Ein Denken beginnt, wenn unsere Beschäftigung mit dem Objekt sich von seiner unmittelbaren Wahrnehmung dieses gelöst hat.

Objekte repräsentieren sich, befinden sich jeweils an einem bestimmten Ort. Nur so können wir sie wahrnehmen. Denkend können wir sie durch Symbole, Zeichen, Begriffe ersetzen und sie mit Eigenschaften, z.B. einem Sinn befrachten, – d.h. vom Subjekt aus gesehen, sie aus einem bestimmten Blickwinkel sehen. Zwischen einem Subjekt und Objekt

  • steht immer dessen neuronal ausgeformte Erfahrungs-, Orientierungswelt, die weitgehend als kulturelle Setzung oder persönliche Erfahrung des Subjekts vorgeprägt ist,
  • steht immer dessen verinnerlichte Grammatik, immer das in seinem Denken ein logisches System.

Die Summe aller Objekte ist das universale (Da-)Sein. Wahrscheinlich stellen sie eine Einheit dar, aus der wir je nach unserem (stand-)Ort nur Ausschnitte wahrnehmen können. Vielleicht ist das von uns erfasste Sein nur eine universale Schwingung mit einem Anfang und Ende, vielleicht von uns als „Wesen einer mittleren Dimension“ (Heisenberg) nur als Kette kausaler Folgen, evtl. noch als zielgerichtete Erscheinungen erkennbar. Es besteht unabhängig von uns, von der Menschheit. Wir versuchen es über kausale Bezugssysteme zu verstehen und können es so nur als ein System von Strukturen begreifen. Wir erfahren es von unserem Standort aus als materielle Erscheinung. Über dessen Abstraktion wissen wir, dass alle von uns beobachteten Objekte nur Übergangsobjekte in einem zeitlichen Strom sind, alle ein Anfang und ein Ende haben. Alles „Wissen“ darüber hinaus, selbst dieses, ist Spekulation.

Das Sein erlebt der Mensch als eine Masse-Energie-Existenz:

  • Bedingt durch den eigenen Körper und seine Wahrnehmungsorgane zunächst Masse. Ihre Haupteigenschaft ist physisch einen Raum zu füllen
  • Danach aber auch als Energie. Feinstofflich löst sie im Gehirn über Synapsen Reaktionen aus. Aktiviert kann sie über Symbole werden, z.B. eine Sprache. Im Mittelalter bildete sie den Hauptinhalt im berühmten Universalienstreit, d.h. über die Frage nach der realen Existenz nur begrifflicher Inhalte. Losgelöst vom einzelnen Menschen können wir sie als konkretisiertes Gedankengeflecht einer Kultur ansehen.

Durch diesen Umstand ergibt sich für unser Dasein die Dualität von Körper und Geist (Seele), unsere physische und psychische Existenz, das Erleben unseres Quanten-Seins in den beiden für uns erfahrbaren Polen, Extremen.

Dem Sein als solchem können drei Eigenschaften zugeschrieben werden (in der Bevölkerung oft als „Gott“ bezeichnet):

  • eine materielle Existenz (wie immere deren Urform auch aussah),
  • eine gesetzmäßige Existenz (dieses Gesetzmäßige wurde im Laufe der Philosophiegeschichte auch als „Idee“, Geist, bzw. als Seele bezeichnet),
  • eine dimensionale Existenz (der Bereich in dem es sich verwirklicht. Wir können sie sinnenmäßig nur als Raum (Ort, Körper) und Zeit (Bewegung) erfahren.

Welche Verbindungen zwischen diesen bestehen, wissen wir (noch) nicht, werden wir unserer Grenzen wegen vielleicht auch nie erfahren.

Alle Körper sind „Eigenschaften“ in einem Raum. Sie sind strukturierte Formen an einem (Stand-)Ort. Im Sinne von Leibniz sind sie vielleicht Monaden. Auch der einzelne Mensch und die Menschheit in ihrer Ganzheit stellen nur einen solchen Ort dar, sind auch nur für eine begrenzte Zeit in der Weite des Universums ein materielles Objekt. Vielleicht besitzt der Mensch als Besonderheit, im Rahmen der universalen Evolution, die Funktion, eine neue Epoche von Energiebeziehungen als eine in der Materie angelegten Möglichkeit auf der Erde einzuleiten. Die sich abzeichnende digitale Informationsrevolution könnte eine solche sein, bzw. sie ankündigen.

Jeder Umweltbezug eines Menschen erfolgt bereits über ein Weltverständnis, über ein gewachsenes neuronales Beziehungssystem unseres Gehirns. Das Dasein stellt sich darin als eine kausale Folge von Strukturen und Symmetrien das. Die Materie ist im Universum wie der Schaum des Wassers in einem Ozean und der Mensch darin wie eine unbedeutende Blase. Der einzelne ist darin nur wichtig, weil er es selbst auf sich bezogen glaubt (und es für sich auch ist). Er füllt innerhalb des gewaltigen Universums, das er als eine sich selbst organisierende Energieeinheit erlebt, als Existenz, nur einen einsamen, winzigen (Stand-)Ort aus, mit dem er sich in einer Bewegung befindet, die er als Zeit erlebt. Wir selber haben darin als Abschnitt, als Subjekt nur einen Anfang und ein Ende, wie alle Phänomene, die sich in einer Bewegung befinden, wie alle unsere Kulturen, deren Teil wir nur sind, wie unsere Erde, unser Sonnensystem und unsere Galaxie. Für die Philosophie (und unsere Naturwissenschaften) sind sie der Ausgangspunkt für unsere Fragen:

  • Was stand an ihrem Anfang?
  • Nach welchen Gesetzen organisiert sich die für uns wahrnehmbare Welt?
  • Gibt es außer der für uns wahrnehmbaren Welt noch andere Phänomene?
  • Wohin steuern wir?
  • Auf welches Ziel hin entwickelt sich alles?
  • Was wird unser, von allem das Ende sein?

Wir stehen heute in der Philosophie vor einer kopernikanischen Wende. Die Fülle der Informationen, die mit den digitalen Techniken zur Verfügung stehen, die Vielzahl der verschiedenen Wissenschaftler auf der ganzen Welt, die Schnelligkeit des Informationsaustausches lassen uns  heute viele historische Religionen und Ideologien, aber auch Philosophien als Orientierungsmythen durchschauen und die Fragen nach dem Sein in seiner Ganzheit und seinen Anfängen neu aufwerfen. Die bisherigen Antworten, besonders auf die metaphysischen Fragen, neigten alle stark zum Sophismus, während unsere heutigen Antworten verstärkt nach empirische belegten Orientierungen verlangen. Während früher oft persönliche Anschauungen charismatischer Persönlichkeiten als „Wissen“, „Wahrheit“ hingestellt wurden, ist es heute in einer pluralistischen Gesellschaft viel schwerer, konsensfähige, intersubjektive Orientierungsleitlinien zu finden. Wir befinden uns in unserer Zeit vor der Situation, unsere bisherigen Orientierungsmodelle durch neue ersetzen zu müssen, doch niemanden zu haben, der uns solche konsensfähig anbieten kann. Wir stehen vor der Situation, Altes zerbrechen zu müssen, um schöpferisch Neues entstehen lassen zu können. Wir alle sind durch unsere neuronalen Prägungen zu stark dem Alten verhaftet, um dem Neuen einen leichten Zugang zu gewähren. Eine zukünftige Philosophie wird

  • ihre historischen Vorstellungen entstauben müssen,
  • der Menschheit ein neues Zielmodell aufzeigen müssen,
  • die verschiedenen Wissenschaften wieder unter einem Dach vereinen müssen
    (besonders die Geistes- und die Naturwissenschaften),
  • ein neues soziales Orientierungssystem entwerfen und rational begründen müssen
    (d.h., ein neues Ethik-, Regierungs- und Staatsmodell schaffen müssen).

Unsere Welt ist diejenige, von der wir mit Hilfe unserer instinktiven Vorgaben, kulturellen Setzungen uns unseren Erfahrungen glauben, dass sie so ist, wie wir sie uns vorstellen. Wir denken nicht daran,

  • dass sie völlig anders sein kann (obwohl sie bereits unser nächster Nachbar anders sehen kann
  • dass sie ihren Weg völlig unabhängig von uns geht,
  • dass sie ihren eigenen Gesetzen folgt.

Jede Kultur drückt die geistigen Möglichkeiten einer Gruppe von Menschen aus, jede Zivilisation ihre technischen. In der ersteren werden die Werte vorgegeben, die alle menschlichen Daseinsebenen steuern. Ein Einzelner kann nur im Rahmen seiner Sinneswahrnehmungen zu eigenen Erkenntnissen gelangen. In einer Kultur wird dann die Summe dieser Erkenntnisse gebündelt, die in ihrer Gesamtheit die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen als solchen darstellen. Weitergegeben werden sie als Kulturerkenntnisse, prägen die nächste Generation und schaffen so die Grundlangen für neue eigene Erkenntnisse, neue Orientierungsperspektiven.

Als „Denkender“ macht sich der Mensch selber zum Maß allen Seins. Er kann gar nicht anders. Genau genommen verhält es sich wie ein denkendes, unbedeutendes Darmbakterium (eines von vielen Milliarden), da sich Gedanken über das Sein außerhalb seiner Darmwelt macht. Auf das Universum bezogen, ist der Mensch nicht bedeutender. Der Einzige, der sich im Universum wichtig nimmt, ist er selber. Historisch glaubte er zunächst, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums stände und er die Krone der Schöpfung sei. Heute wissen wir, dass die Erde ein unbedeutender Standort in der Weite des Universums ist und der Mensch darin, – universell gesehen -, auch nur die Bedeutung eines jeden Bakteriums besitzt. Er gibt sich in seiner Bedeutungslosigkeit seine Bedeutung selber. Sie ist ein Konstrukt seines Egos, seines von neuronalen Schaltungen abhängigen Bewusstseins. Er glaubt in seiner Beschränkung über seine zeitlichen Beobachtungen des Werdens zu einem besseren Verständnis des Daseins zu gelangen und dann daraus für sich Orientierungssetzungen ableiten zu können.