Die Aufklärung
(Geistige Epoche des 17. Und 18. Jhs.; Schwerpunkt zwischen 1750 – 1780).
Mit ihr beginnt die Vernunft (und nicht mehr der Glaube oder Traditionen) zum entscheidenden Urteilskriterium in allen Lebenslagen zu werden. Sie nahm Einfluss auf alle Bereiche unserer Zivilisation, Kultur und die Formen unseres sozialen Zusammenlebens. Letztlich war sie eine Fortsetzung der in der Renaissance begonnenen Diskussionen, jetzt aber in den durch die Kirchspaltung geschaffenen Freiräumen.
Die Bereiche der Aufklärung betrafen die
Religion (Metaphysik):
Die Reformation hatte ab 1520 die europäischen Bündniskonstellationen verändert. Es entstand eine Tendenz zum säkularisierten Nationalstaat.
In England stellten sich kirchlich orientierte Gruppen gegen den König als Oberhaupt der dort entstandenen Landeskirche und veränderten – nach einer Militärdiktatur – das dortige Verhältnis von Parlament, Regierung und Kirche. Letztere verlor zunehmend an Einfluss.
Die Begegnung mit anderen Kulturen führte zu Forderungen nach mehr Toleranz. Die Trennung von Religion und Staat wurde diskutiert. Man begann nach einem rationalen Kern in allen Religionen zu fragen und lehnte jede Metaphysik ab.
(Im 19. Jh. setzten dann im Materialismus und Positivismus die Versuche ein, die historischen Religionen völlig zu ersetzen).
Staatstheorien:
Die Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat und die Fragen nach einer freien Religionsausübung führten zur Frage nach den persönlichen Freiheiten eines Individuums allgemein. Im Zentrum der Überlegungen stand die Frage nach dem „Naturzustand“ des Rechts. Man glaubte an die Einsichtsfähigkeit des Menschen und entwarf Modelle für ein zukünftiges zivilisiertes Zusammenleben.
(Bereits 1712 wurden erstmals Modelle für eine Europäische Union diskutiert).
Damit verbunden waren große Erwartungen an eine neue Erziehung der Menschen.
Erörtert wurden auch die bestehenden Formen von Bestrafungen: u.a.
- die Hexenverfolgung (besonders in den protestantischen Gebieten),
- die Formen öffentlicher Bestrafungen.
Naturphilosophien:
In ihrem Zentrum stand zunächst die Medizin. Bis ins 17. Jh. ging man in ihr von einem Säfteungleichgewicht im Körper aus.
In den damaligen naturwissenschaftlichen Experimenten suchte man vorrangig nach Wundern in der Natur (bis ins späte 18. Jh. spielten die Experimente nur eine geringe wissenschaftliche Rolle; noch 1652 wurde in Schweinfurt eine „Academia Naturae Curiosorum“ gegründet). Die vielen in dieser Zeit gegründeten nationalen Akademien dienten vorrangig einem Gedankenaustausch. Im Laufe der Zeit nahm das Interesse am Suchen nach „Curiositäten“ ab, und man begann seine Beobachtungen verstärkt auf die Suche nach kausalen Naturgesetzen auszurichten. Erst nach 1760 mit der Erkenntnis, dass naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes fördern können, begann der moderne Wissenschaftsbetrieb wie wir ihn kennen.
Während der Aufklärungszeit gab es auf ihrem Weg zu den modernen Naturwissenschaften zwei Gruppen, die beide ihre Erkenntnisse vom Wissen in der Bibel zu trennen versuchten: Die
- Rationalisten,
die von der Natur aus auf die Vollkommenheit Gottes schlossen
(u.a. Descartes, Spinoza, Leibniz),
- Empiristen,
die ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse allein auf ihre Beobachtungen zu stützen versuchten
(u.a. Locke, Hume, Newton).
Unterstützt wurde diese Entwicklung durch eine Reform der Universitäten. Die bisherigen vier klassischen Fakultäten (Theologie, Jura, Medizin und Philosophie (als Sammelfakultät auf alle übrigen Studienbereiche)) wurden zunehmend durch Wissenschaftszweige abgelöst, die jeweils für die Wirtschaft eines Landes wichtig waren (bei zusätzlicher Integration der neu entstandenen Geisteswissenschaften).
Insgesamt entwickelte sich die Aufklärung in den einzelnen Ländern und in diesen in den einzelnen Bereichen verschieden:
England (seit dem 16. Jh.):
vorwiegend religiös und politisch orientiert
(u.a. Francis Bacon, Hobbes, Locke, Hume).
Frankreich (seit dem 17. Jh.):
gesellschaftlich und moralisch orientiert
(mündete 1789 in die franz. Revolution,
u.a. Descartes, Rousseau, Montesquieu, Diderot, Voltaire),
Deutschland (seit dem 18. Jh.):
Selbstbesinnung der Philosophie, auf sich selbst bezogen.
(u.a. Wolff, Lessing, Thomasius, Friedrich d. Gr.,
Kant (der zugleich zu ihrem Überwinder wurde)).
In der Kritik warf man der Aufklärung vor: u.a.
Rousseau:
Er forderte an Stelle eines vernunftgesteuerten Menschen jemanden, der sich am Idealbild eines natürlichen Verhaltens orientierte.
Hegel:
Er glaubte nicht an eine moralische Verbesserung des Menschen durch die Aufklärung. Er sah das Problem eines Abgleitens in eine „absolute Freiheit“, die den Menschen orientierungslos mache.
Nietzsche:
Er warf der rationalen Erkenntnis ein Verlassen der ganzheitlichen Wahrnehmung der Welt vor, eine Reduktion des Zugangs zu ihr (durch das Ausblenden des Sinnlichen, desemotionalen Bezuges).
Marc u. Engels:
Sie sahen in ihr eine Entwicklung in den Interessen des Bürgertums.
Weber:
Er befürchtete durch sie die Gefahr einer Intellektualisierung unserer Lebensumwelt.
Horkheimer:
„Die Menschen bezahlen die Vermehrung der Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie Macht haben“.
Gewöhnlich teilt man die Philosophen der Aufklärung ein in
Empiristen (vorwiegend Engländer):
Für sie sind allein ihre Sinneswahrnehmungen entscheidend. Sie ziehen ihre Schlüsse aus induktiven Vorgehensweisen. Aus der Fruchtbarkeit ihrer Gedankenansätze entwickelten sich die Naturwissenschaften und weitgehend auch unsere Freiheitsvorstellungen.
Rationalisten (vorwiegend Franzosen):
Sie versuchen den Aufbau unserer Wirklichkeit rational zu erfassen, von der Vollkommenheit Gottes auf die Schöpfung zu schließen. Ihre Vorgehensweise ist deduktiv.
Viele von ihnen beschäftigen sich auch mit Rechts- und Staatsfragen.
Die wichtigsten Empiristen (und Rechtsphilosophen) waren:
Hobbes, Thomas (1588 – 1679):
Er orientierte sich in seinem Denksystem allein an den Naturwissenschaften und der Mathematik. Alle Phänomene hätten sich aus Ursachen entwickelt. Damit sei jede Entwicklung, alles Wollen determiniert.
Der Naturzustand des Menschen würde von seiner Selbstsucht bestimmt. Deshalb sei er auf einen Herrscher angewiesen, dem er sich zu unterwerfen habe und der für seinen Schutz sorgt.
Eine Religion entspringe der Angst der Bevölkerung vor unsichtbaren Mächten.
(Eine Religion wird vom Staat anerkannt. Erfolgt dies nicht, handelt es sich um einen Aberglauben).
Jede Erkenntnis erwachse aus der Erinnerung, jedes Denken sei ein Verbinden und Trennen von Namen.
Puffendorf, Samuel v. (1632 -1694; er baute auf Grotius und Hobbes auf):
Das Naturrecht ist aus der Vernunft abzuleiten (wie das Sittengesetz beruht es auf dem Willen Gottes). Es ist das Ergebnis des Geselligkeitsbedürfnisses und des Selbsterhaltungstriebes des Menschen. Ohne dieses würde er in einer Welt der Unsicherheit leben. Um dies zu vermeiden, lebe er in einem schützenden Staat.
Locke, John (1632 – 1704; er beeinflusste über Gershom Carmichael (1672 ? – 1729, dem „Begründer der schottischen Philosophie“) das Denken von David Hume und Adam Smith)):
Nach ihm muss sich jedes Wissen an Erfahrungen orientieren und kontrolliert werden können. Er untersuchte die Ursprünge des menschlichen Wissens und die Gründe des Glaubens. Dabei lehnte er ein Vorhandensein angeborener theoretischer Ideen ab. Erst durch die Erfahrung gelange man zu seinen „Ideen“. Körper besäßen „primäre“ (unabtrennbare) und „sekundäre“ Qualitäten, die durch die Einwirkung unsichtbarer Partikelchen auf unsere Sinne einwirken und von uns wahrgenommen werden. (Ein Gedankenansatz den Kant später nutzte). Jedes Wissen sei begrenzt. Wir orientierten uns deshalb weitgehend nach Wahrscheinlichkeiten, die wir aus unseren Erfahrungen ableiten würden.
Zu seiner ethischen (praktischen) Philosophie gehört alles, was der Mensch zur Erreichung eines Ziels einsetzt, besonderes zu seinem Glück. Er unterschied dabei drei Arten moralischer Gesetze: Das
- göttliche Gesetz,
- bürgerliche Gesetz,
- Gesetz der öffentlichen Meinung (= des persönlichen Rufes).
In seiner Staatsphilosophie ging er von einem anfänglichen Naturzustand der Menschen aus, dem zur Sicherung von Naturrechten (z.B. Leben, Freiheit, Besitz) im Rahmen von Gemeinschaften ein Gesellschaftsvertrag folgen müsse. Um eine Gewaltherrschaft zu vermeiden, forderte er eine Gewaltenteilung. In religiösen Angelegenheiten solle sich der Staat nicht einmischen.
Locke setzte sich für ein Privateigentum ein. Es entstehe durch die Arbeit und würde der Natur abgewonnen. Wenn man weniger verbrauche als man erarbeite, käme es zu Besitzanhäufungen, die zu ungleichen Besitzverteilungen führe.
Shaftesbury, Antony (1671 – 1713):
Shaftesbury betonte die Unabhängigkeit der Moral gegenüber der Religion. Das Sittliche sei in der Natur des Menschen angelegt. Strafen könnten einen Menschen nur bändigen, ihn aber nicht sittlich machen. Entscheidend sei ein harmonisches Verhältnis zwischen den persönlichen und den sozialen Neigungen. Das höchste Ideal sei eine vollendete ästhetische Harmonie in der Lebensführung.
Shaftesbury hatte einen großen Einfluss, u.a. auf Winckelmann und Goethe.
Berkeley, George (1685 – 1753):
Obwohl Theologe, gab es für Berkeley keine vom Wahrnehmen und Denken unabhängige Außenwelt. Real existierten für ihn nur der Geist, die Seele und das Ich. Unsere Wirklichkeiten seien nur durch den göttlichen Geist geprägte Vorstellungen.
Hume, David (1711 – 1776, bedeutendste Philosoph der englischen Aufklärung):
Nach ihm entsteht das Denken aus den Verbindungen von Wahrgenommen. Der Mensch gewinne seine Gottesidee, indem er seine Möglichkeiten über seine Grenzen hinaus steigere. Erkenntnisse gäbe es nur aus wiederholten Erfahrungen als Kausalgesetzt (keine ursächlichen a priori). Die höchste Erkenntnis sei, sie in ihrer Mannigfaltigkeit zusammenzufassen. Ein Schluss von empirisch Gegebenem auf Transzendentes sei nicht möglich. Religiöse Wahrheiten glaube man, man wisse sie nicht.
Substanzen entständen für uns durch die Zuordnung von Vorstellungen und dem Geben eines Namens. Die Seele sei keine Substanz sondern das Ergebnis wechselnder Gefühle.
In unseren Handlungen seien wir deterministisch vorbestimmt. Dabei entspringe unser Tun unseren Neigungen. Die Vernunft lehre uns, was wahr oder falsch sei.
Smith, Adam (1723 – 1790):
Wie Hume leitete er moralische Wertungen vom Gefühl ab. Man billige Handlungen, wenn man ihnen mit seinen Gefühlen zustimme. Man komme so – durch deren Verallgemeinerung – zu einem System allgemeingültiger moralischer Urteile.
„Handle so, dass ein unparteiischer Beobachter mit dir sympathisieren kann“.
(Damit stand er den Kantschen Grundsätzen nahe).
Smith gilt als der Begründer der modernen Nationalökonomie (Teil der Volkswirtschaftslehre). Er glaubte, dass die wirtschaftliche Befolgung von Eigeninteressen letztlich auch zu einer Förderung des Gesamtwohls führen würde. Die Grundlage eines Wohlstandes sei
- die Arbeit,
- die Produktivität,
- die Arbeitsteilung,
- der Warentausch.
Mit seinen Thesen legte Smith viele Paradigmen (Wertmaßstäbe) des Wirtschaftsdenkens fest.