3. Wesen und Funktion der Erkenntnis

3.1 Setzungen, Gedanken

  1. Genetisch ist der Mensch innerhalb einer Bandbreite auf eine bestimmte Umwelt hin festgelegt. Er kann sich darin begrenzt extremen Klimabedingungen, Nahrungsangeboten und Sozialformen anpassen.

  2. Seine genetische Festlegung bedingt eine relativ geringe innere Offenheit, die man als eine verminderte Orientierungsfähigkeit, z.B. über die Instinkte, begreifen kann.

  3. Seine geringe biologische Offenheit erzwingt die Notwendigkeit eines sozialen Orientierungsrahmens, d.h. einer Kultur.

  4. Der Hintergrund einer Kultur sind die Ergebnisse eines sozialen „Erfahrungs-“ Prozesses, in dem alle verfügbaren Informationen und Schlüsse zu einem verbindlichen, gedanklichen Antwort- und damit Handlungskatalog zusammengefasst worden sind.

  5. Die Grenzen einer Erkenntnis werden von den Menschen selber bestimmt durch:
    • die Grenzen seiner Wahrnehmungsfähigkeit.
    • die Art seiner genetischen Vorgaben zur Verarbeitung von Informationen.
    • seine sozialen geistigen Strukturvorgaben (einschließlich seinen verinnerlichten Wertvorgaben, seinem Gewissen).
    • die Art und den Umfang der bereits erworbenen Kenntnisse.
    • die Art und den Umfang der erlebten Sanktionen.
    • seine Übungen im Umgang mit dem Wissen,

    d.h., durch seine biologischen und sozialen Vorgaben.

  6. Aufgrund dieser Vorgaben besitzen alle Erkenntnisse einen mehrschichtigen Inhalt. In ihrem Kern sind sie bei zwei Menschen nie identisch. Wir können sie nur im Rahmen eines oberflächlichen Strukturkonsenses weitergeben, z.B. nur mit Hilfe einer Sprache, bei der bereits jeder Begriff individuell unterschiedlich mit Anschauungen befrachtet ist.

  7. Sozial weitergebbare Erkenntnisse repräsentieren damit nur einen verallgemeinerten Konsens, der erst über eine persönliche Beziehung zu einem die Erkenntnis betreffenden Gegenstand individueller Besitz wird, d.h., über eine von Sanktionen begleitete persönliche Arbeit, einem Verinnerlichungsprozess.

  8. Der höchste Maßstab für eine Erkenntnis ist die „Wahrheit“. Sie ist eine ethische Fiktion, bestehend aus einer Summe ideeller, sozialer Setzungen (Normen). Ihre Anerkennung gibt den menschlichen Handlungen ihre Orientierungsrichtung. Verinnerlicht wird sie zum „Gewissen“.