Gehirn I + II

Das Gehirn  (I)

 Fragen, u. a.:          

  • Was macht die Einzigartigkeit des menschlichen Gehirns aus?
  • Wie entstehen im Geflecht der Neuronen Gedanken?
  • Wie entsteht das Bewusstsein?
  • Wie entsteht aus Materie Geist?
  • Wird es eines Tages möglich sein, ein Gehirn nachzubauen?
  • Was ist das Ich?
  • Gibt es einen freien Willen?
  • Was kennzeichnet das „Böse“?
  • Weshalb ist das Universum; ist die Natur, ist der Mensch da?
  • Kann ein Mensch besser werden, als die Natur ihn geschaffen hat?
  • Welche Gehirnareale sind an Entscheidungen betroffen?
  • Worin unterscheidet sich ein krankes Gehirn von einem gesunden?
  • Wohin wird uns unser Wissen über das menschliche Gehirn eines Tages führen?

(Wird es ausreichen, um den sozialen Körper Menschheit unter Zurückstellung von Egoismen eine humane Zukunftsvision aufzuzeigen?)

Alles Geist, alles befindet sich in einer unaufhörlichen Bewegung und versucht in dieser eine, seine Orientierung zu finden. Die frühen biologischen Organismen versuchten dies zunächst über den Empfang und das Aussenden von chemischen Reizen, dann die ersten Wahrnehmungszentren über genetisch vorgegebene frühe instinktive Erfahrungen. In ihren evolutionären Weiterentwicklungen öffneten sie sich zunehmend für kausale Zusammenhänge. An deren Ende steht zurzeit der Mensch, der zunächst in seiner Entwicklung auf Orientierung gebende Grundanregungen angewiesen ist, die er im Rahmen seiner Erziehung, seiner Prägungen über seine positiven und negativen Sanktionserfahrungen verinnerlicht.

Vor seiner biologischen Existenz besaß das Dasein eine chemische. Durch stoffliche Verbindungen brachte es uns in eine Bewegung auf ein uns unbekanntes Ziel. Nach dem Evolutionssprung ins Biologische und damit einer neuen, spezifischen Energiesuche für die Fortsetzung dieser Bewegung, der Weiterexistenz, behielten zunächst die Individuen ihre Fähigkeit zu einer chemischen kommunikativen Grundorientierung innerhalb ihrer jeweiligen Umwelt als Geruchssinn (olfaktorische Wahrnehmung) erhalten. In unserem Orientierungsverhalten steht er auch heute noch vor unserem Bewusstsein. Er ist der älteste unserer Sinne und hat einen unmittelbaren Kontakt zum limbischen System. Bereits unsere Sexualität (Fortpflanzung) folgt ihm weitgehend (in unserer Partnerwahl, die Spermien auf ihrem Weg zum Veilchenduft der weiblichen Eizelle, das Kleinkind dem Duft der mütterlichen Brust, die Instinkte der Mutter dem „Duft“ ihres Babys).

Das genetische Erbe des Menschen ist das Ergebnis eines evolutionären Ablaufs von Milliarden Jahren mit gewissen, relativ kleinen Veränderungen der letzten 10.000 Jahre. Tief in uns sind wir noch der Einzeller, der Fisch, die Echse, das frühe Säugetier, der frühe Homonide, immer noch auf der Nahrungssuche (deshalb bei unserem Überangebot an Nahrungsmitteln schnell übergewichtig), unserem triebhaften Fortpflanzungsbegehren und den damit zusammenhängenden Verhaltensweisen und Kulturformen (z. B. in der Mode).

Die ersten molekularen Bausteine für unser Nervensystem (Bewusstsein) entwickelten sich bereits bevor es die ersten Tiere gab. Die Evolution führte dann zu immer komplexeren neuronalen Orientierungssystemen. Ihnen folgte die Übersetzung der sensorischen Wahrnehmungen in kognitive und später auch in abstrakte Bezüge (wie man sie auch bei Affen und Delphinen kennt) und danach bei den Homa-Arten zu deren stärkeren Trennung von dem realen Gegenüber zum abstrakten Bild und dessen Erhebung über die Sprache zu einem sozialen Orientierungsbesitz. Damit konnte sich der Mensch von seinen natürlichen Gegebenheiten lösen und anfangen, diese in seinem Sinne zu gestalten, bzw. sich zunehmend unter Beachtung von Naturgesetzen, über eine technisch-kausale Welt sich selber (mehr oder weniger gerichtet) „kreativ“ in den Evolutionsfluss einzubringen.

Die Evolution des Menschen entspricht der Evolution seines Gehirns. Es ist ein Ergebnis seiner Evolution (und besitzt damit als solches auch naturbedingte Grenzen in seiner Erkenntnisfähigkeit) und auch heute noch seine wichtigste Orientierungsinstanz bezogen auf seine Umwelt. Durch dessen Anpassungsfähigkeit konnte er sich in allen Umwelten dieser Erde durchsetzen. Sein Gehirn erlaubt es dem Menschen, sein soziales Umfeld und seine Kultur im Sinne seiner Interessen zu nutzen.

Das menschliche Gehirn

  • hat etwas 100 Milliarden Neuronen (Nervenzellen)

(ein Gewebe von der Größe eines Sandkorns etwa 40.000 Neuronen),

  • zwischen ihnen bestehen 100 Billionen Verbindungen,
  • wiegt etwa 1,4 kg,
  • besteht zu 85 % aus Wasser,
  • verbraucht täglich 20 % der gesamten Körperenergie,
  • verbraucht täglich 75 Liter Sauerstoff,
  • hat eine Energieleistung von 10 – 23 Watt (im Wachzustand),
  • wird täglich von 1200 Liter Blut durchflossen,
  • verbreitet seine Informationen mit einer Geschwindigkeit von 1m/s – 140 m/s)

(abhängig von den Neuronenfortsätzen und den Gliaumhüllungen).

Der Aufbau des menschlichen Gehirns ist eine Folge seiner Evolution. Sie befähigte ihn zu immer komplexeren Neuronenabläufen. Grob dargestellt lassen sich dabei drei Entwicklungsstufen beobachten. Das

  • reptile Gehirn: Es steuert alle unsere Grundfunktionen von unseren

Bewegungen bis hin zu unserem Paarungsdrang. Es ist noch emotionslos,

  • „emotionales“ Gehirn: Es ist das Gehirn unseres Gedächtnisses. Hier treffen rationales Verhalten und Gefühl auf einander, und von hier werden alle nichtverbalen Kommunikationsformen gesteuert wie Lachen, Weinen und unser Sexualverhalten.
  • „denkendes“ Gehirn (Großhirnrinde, äußere Gehirnteil): Zuständig für das Denken, die Fantasie und die Gedächtnisspeicherung.

Das Gehirn stellt bei allen Lebewesen deren wichtigstes Orientierungsorgan dar. Im Laufe der Evolution hat es bei den Standortwechslern (d. h. bei den Tieren und hier besonders bei den Säugern) seine spezifischen Ausprägungen erhalten. Wie das Herz oder die Lunge arbeitet es in seinen jeweiligen Körpern immer. In der Nacht erleben wir diese seine fortdauernde Tätigkeit als Träume und bei seinen bewegungsunabhängigen Tätigkeiten (ohne eine gerichtete Zielorientierung) als Bewusstsein, in dem in uns weiterhin seine freien Bilder und Assoziationen unsere Neuronensysteme durchströmen.

Das menschliche Gehirn entspricht dem typischen Gehirn der Wirbel- und Säugetiere und am Ende der Entwicklung dem der Primatengehirne. Die Evolution seines Geistes erfolgte in Sprüngen über seinen Frontallappen. Im vielleicht letzten Schritt vor ca. 100.000 Jahren über die Entstehung der menschlichen Sprache. Mit dem Wachsen seines oberen, vorderen Gehirnteils zum Großhirn entstand einerseits eine Öffnung zum genetisch Verinnerlichten, allein Evolutionär-Bewährten, vom Instinktiven hin zu einem offenen, zeitlich schneller Angepassten-sich-orientieren. Aber es zwang den Menschen auch zu einem relativ kurzzeitigen Geprägtwerden in seinen ersten Lebensjahren.

Die Besonderheit des Menschen ergibt sich aus

  • der Vielfalt der genetischen Variablen seines Gehirns,
  • dem unvollständig Festgelegtsein in seinem Gehirn

(aus dem sich u. a. seine Kreativität ergibt),

  • seinem Angewiesensein auf soziale Orientierungssysteme

(auf Setzungen, d. h. auf Kultur, die durch ihren zeitlich bedingten Zuwachs einen ständigen zivilisatorischen Fortschritt bedingt).

Dadurch besitzt er mit seinem Gehirn etwas anderes als nur ein, einem Computer vergleichbares Körperteil. Es ist nicht so, wie es Descartes glaubte, dass er sei, wie er dachte. Sondern es denkt von sich aus im jeweiligen Menschen. Es vollzieht sich in ihm etwas neurobiologisch als Folge von genetischen Einwirkungen auf Eiweißmolekülen. Er ist ein Kind seiner Stoffwechselabläufe, weitgehend gesteuert von seinen evolutionären Vorgaben und seinen frühen Kulturprägungen.

Das jeweilige Gehirn repräsentiert einen bestimmten Menschen. In ihm entstehen seine Gefühle. In ihm formt sich seine Persönlichkeit, sein Ich. In früheren Zeiten vermuteten hier viele, losgelöst vom Organischen, den Sitz seiner „Seele“. Wir wissen heute, dass

  • die „Genialität“ des Menschen aus seinem Großhirn erwächst,
  • sein Realbezug aus seinem Kleinhirn und
  • sein Alltagsbezug aus seiner Intuition (seiner neuronalen Komplexität zwischen Bauch und Gehirn).

Ein lebender Mensch ist das Ergebnis seines Gehirns und seines Stoffwechsels. Dabei ist sein Gehirn (wie jedes materielle Objekt) ein Endergebnis der Evolution an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit.

In seiner Evolution hat sich unser Gehirn als die Zentralstelle unseres Nervensystems von den einfachen Hirnen der Wirbellosen (Gliederfüßler und Kopffüßler) zu den komplexen Gehirnen der Wirbeltieren entwickelt. Vielleicht wurde es so in seiner Eigenschaft als eine physische Gegebenheit zu dem komplexesten Gebilde in der Natur überhaupt. Andererseits ist es erst seine Unvollkommenheit, die den Menschen zum Menschen macht, die ihm seine Existenz als Mensch sichert. Nur so kann er seine Gefühle erleben, seine persönlichen Gedanken hegen und ein eigenes Bewusstsein besitzen. Nur so kann er so etwas wie Glück erfahren.

Die Beschäftigung mit dem Gehirn als dem zentralen Körperteil der menschlichen Orientierung bedeutet zugleich auch eine Beschäftigung mit dem „Geistigen“ als solchem, dem „Geist“, der “Seele“ als zentralen Themen der Metaphysik. Immer hat der Philosophie dabei in ihrer frühen Sicht das Immaterielle der Gedanken Probleme bereitet. Sie wurden zu Symbolen des Immateriellen an sich. Man besaß damit etwas, dass es außer dem Materiellen noch gab. Für Platon waren es die „Ideen“, für die Christen die „Seele“, für die mittelalterlichen Philosophen die „Universalien“ und für die Dualisten als Gegenspieler der Materie war es der „Geist“ gewesen. Dieses Immaterielle wurde als Existenz außerhalb des Menschen, sozusagen als eine höhere Kraft, Instanz, als die Ausdruckskraft eines allanwesendes Gottes angesehen.

Fruchtbarer für unsere Zeit dürfte der Gedanke sein, dass der „Geist“ nach dem Biologischen eine neue Evolutionsstufe des Seins an sich darstellt, bzw. darstellen wird, im Sein zwar bereits als Möglichkeit angelegt, in der Evolution aber erst dem Biologischen folgend. In seinen Anfängen ist er zunächst im Menschen als Gedanke, als neuronales Bild geboren, sozial als Kultur zum Ausdruck gebracht und materiell als Zivilisation verkörpert. Unsere heutige Digitalisierung dürfte dann nur die beginnende Stufe einer neuen Form der Evolution sein. So wie in der Quantenwelt das Seine seinen Charakter je nach dem. Blickfeld zwischen seinem Materie- und seinem Energiecharakter wechseln kann, so wechselt auch das Sein im Menschen über dem Gedanken zwischen seinem materiellen Charakter als elektronisch-chemischer Neuronenblitz und einem immateriellen, komplexen, bewusst werdenden Neuronenbild, unseren Gedanken.

Für die Philosophen war die Frage nach der Verbindung von Materie und Geist immer zentral. Ihre Antworten waren u. a.

  • das Dreistufenmodell (Triplexitätsauffassung):

Zwischen Materie und Geist gibt es noch eine dritte, eine verbindende Kraft (bei Aristoteles: Substanz – Form Entelechie).

  • die Kybernetik (Träger-Muster-Bedeutung):

Materielle Träger transportieren neuronale Muster (als Bedeutungsträger) und werden zu geistig-seelischen Werten, die für die Gesamtheit der psychischen Werte stehen.

  • der Dualismus:

Gehirn (Materie, Körper) und Geist sind zwei verschiedenen „Substanzen“, die sich gegenseitig beeinflussen. Historisch ließ er sich weder empirisch noch logisch widerlegen.

  • die evolutionistische Identitätstheorie:

Der Geist ist eine Funktion des Gehirns. Dabei sind dessen physische und psychische Vorgänge nur verschiedene Neuronenfolgen seiner Strukturen. Im Verlauf der Evolution hatte er seinen Besitzern als eine neue Form seiner Orientierungsmöglichkeiten Überlebensvorteile gebracht.

Jede menschliche Wahrnehmung, jedes Gefühl und jedes Denken, Erinnern und Reagieren sind zunächst Vorgänge seines Zentralnervensystems, d. h. seines Gehirns. Zwischen den Gehirnaktivitäten und allen psychischen Verhaltensweisen bestehen enge Beziehungen. Als gesichert können gelten:

  • der Einfluss der Botenstoffe auf die menschliche Persönlichkeit,
  • die psychische Auswirkungen von Gehirnschädigungen,
  • der Einfluss von Drogen auf das Gehirn.

Das Gehirn  (II)

Unser Gehirn ist unser Schicksal. Es bildet die Mauern unserer Welt, das Gefängnis unseres Daseins. In ihm formt sich die Welt zu unserem Bewusstsein. Mit seiner Hilfe schaffen wir uns unsere Realität, unseren Zugang zu unserem Dasein. Es macht uns das Sein (in dessen Grenzen) verständlich und gibt darüber hinaus unserem Ich seine Farbe, seine Identität. Alles außerhalb seiner Wahrnehmungswelt ist genau genommen nur eine Fiktion unserer Kultur (d. . das Ergebnis eines sozialen Gehirns).

Unsere Wirklichkeit ist eine Konstruktion unseres Gehirns. Für viele Bezüge können wir keine rationalen Antworten finden und suchen diese, weil wir sie für unsere Orientierung benötigen, deshalb in unseren Instinktresten, sozusagen über unbewusste Gewissheiten und geraten damit schnell in die Nähe von Ideologien, d.h. esoterische Antworten und Religionen.

Unser Gehirn versucht die Welt für uns nach ihrer jeweiligen Bedeutung zu erfassen und folgt dabei zunächst einem einfachen Schema:

  • für uns positiv (Freund),
  • uninteressant,
  • für uns negativ (Feind).

Dabei werden in ihm die jeweils dafür notwendigen Neurotransmitter produziert und Gehirnareale aktiviert, in der Regel nach dem Freund-Feind-Schema und je nach unserer Persönlichkeit mit einer besonderen Hingabe, bzw. Radikalität. Der Mensch ist auf seine Orientierungsvorgaben angewiesen. In seinem Gehirn verinnerlicht er sie, verbindet sie mit seinen Gefühlen, Erfahrungen und macht sie zu Grundlagen seines Handelns. So wird das Gehirn zum Sitz seiner emotionalen und kognitiven Leitungen.

Wie das Herz und die Lunge arbeitet unser Gehirn immer und in der Regel für uns unbewusst. Seine gesamte Tätigkeit können wir unterteilen in

  • unbewusst, z. B.
    • (unreflektierte) Wahrnehmungen,
    • unkoordinierte Gedankenfolgen,
    • Tagträume,
    • Träume.

indem es

  • unseren Stoffwechsel koordiniert,
  • verschiedene Areale in uns zu einander in Beziehung setzt

(hierher gehören wahrscheinlich passiv unsere Träume).

  • bewusst
  • logisch-rationale Gedankenfolgen

(Relativ gesteuerte Nervenschaltungen, eingebettet in den Logik- und Orientierungssystemen, den Sprach- und Wertesystemen unserer Kultur. Durch Aufmerksamkeitsübungen kann es unterstützt werden. Wir erleben diesen Bereich als Bewusstsein. Wie dieses in seiner Gesamtheit funktioniert und sich von der unbewussten Tätigkeit des Gehirns abgrenzt, wissen wir noch nicht),

indem es

    • unsere Wahrnehmungen filtert,
    • unser Tun begleitet,
    • unsere Kultur in sich als Orientierungshilfe integriert.

Damit wird es zum zentralen Mittelpunkt unserer unbewussten und bewussten Existenz. Grob können wir seine Arbeit in eine Wach- und eine Schlaftätigkeit einteilen und seine Wachtätigkeit wiederum zusätzlich in

  • eine rationale (begrenzt bewusste) Reaktionstätigkeit auf eine vorhandene Umwelt,
  • eine weitgehend abstrakte Denktätigkeit über eine abwesende Umwelt,
  • freie gedankliche Assoziationen

(Wenn es real nicht in Anspruch genommen wird; z. B. Tagträumen, Fantasien. Sie besitzen oft einen irrealen Charakter. Es arbeitet dann nur           noch begrenzt in einer rationalen Abfolge, oft in einem die Realität kompensierenden Fluchtbereich. Wahrscheinlich kann man den „freien“ Gedankenassoziationen bis zu einem gewissen Grade nur über eine bewusste Aufmerksamkeitssteuerung entkommen (z. B. über die Beobachtung des eigenen Atems)).

Auch in seinem Ruhezustand behält das Gehirn eine gewisse Hintergrundaktivität (über die wir noch wenig wissen, = „dunkle Energie des Gehirns“). Sie ist die Ursache für unsere Träume, aber auch, wenn sie aus ihrem „Gleichgewicht“ geraten ist, wahrscheinlich die Ursache für verschiedene neurologische Erkrankungen (z.B. Alzheimer, Schizophrenie). In einem solchen Ruhezustand braucht das Gehirn nur etwa 5 % weniger Energie. Unser Gehirn befindet sich in einem ständigen Arbeitsprozess. Viele Daten werden in ihm an verschiedenen Orten gleichzeitig bearbeitet. Unklar ist z.B. noch, wie deren Ergebnisse dann als Bild in uns zusammenkommen, d.h. ins Bewusstsein rücken. Da sich mit den neuen Erfahrungen auch die Verbindungswege der Synapsen ändern, verändert sich auch das Gehirn ständig. Mit diesen Veränderungen entwirft es auch seine Umwelt ständig neu. In diese neuen Bilder fließen aber weiterhin unsere alten Erfahrungen, Informationen und Erwartungen ein.

Gehirne sind komplexe Verarbeitungszentren von Reizen, d. h. von immer neuen auf sie einwirkenden Informationen. Dabei müssen sie ständig neue Orientierungsentscheidungen treffen. Hilfe erhalten sie von einem festen Orientierungsgerüst. Das können sein    

  • bestimmte Personen (z. B. Familie, Partner, Freunde, Kollegen),
  • eine bestimmte Umgebung (z. B. Heimat, Wohnort, Arbeitsplatz),ein Geflecht sozialer Setzungen, Ideologien (z. B. –ismen, Wertsysteme, Religionen, Wissenschaften).

Unser Zwang uns Orientierungsinhalte  suchen zu müssen, führt uns zu einer Reihe sonst schwer verständlicher Phänomene. Z. B.:

  • der Suche nach sinngebenden Lebensinhalten,
  • dem Einbau von Kompensationsinhalten in die persönliche Biographie,
  • die Flucht in Fantasiewelten,
  • dem Festhalten an rational nicht vertretbaren Inhalten,
  • die Flucht in Religionen.

Die wichtigsten Fähigkeiten des Gehirns sind:

  • sein Gedächtnis, d. h. seine Speicherung von Erfahrungen:
    • genetische und epigenetische über seine Evolution,
    • aus seiner Umwelt,
    • aus seiner Kultur,
  •  
  • seine Kommunikation, d. h. seine Sprache, sein abstraktes Symbolsystem, eingefasst in einem sozialen Logiksystem, in dem er denkt und sich geistig austauscht,
  • seine Handlungsplanung, d. h. seine Reaktion auf
    • die ihm begegnenden Probleme,
    • seine Umwelt.

An unserer existentiellen Orientierung ist unser gesamter Organismus beteiligt. In welcher Form und wie im Einzelnen wissen wir noch nicht:

  • Da ist zunächst das Gehirn, auf das sich zurzeit die gesamte Forschung konzentriert. In ihm fließen wahrscheinlich alle Informationssysteme unseres Körpers zusammen.
  • Da ist der Bauchbereich mit dem Nervensystem des Darms in seiner autonomen Tätigkeit (in den alten indischen Kulturen bereits als das „Sonnengeflecht“ bekannt).
  • Da sind die Muskeln, deren Nervensysteme die Lebendigkeit der anderen Systeme entscheidend mitbestimmen.

Hinzu werden vielleicht noch weitere Zusammenhänge kommen, die wir noch nicht kennen (z. B. unsere Haut als unserem größten Kontaktorgan zur Außenwelt, besonders dem Licht).

Unsere Wirklichkeit ist ein Ergebnis unseres Gehirns, ein Ergebnis

  • unserer verinnerlichten Evolutionserfahrungen,
  • unserer Sozialisation,
  • unserer eigenen Erfahrungen

und entscheidend

  • das Ergebnis unseres neuronalen Stoffwechsels

(bevor wir eine Wirklichkeit erfassen, bestimmen unsere Botenstoffe zunächst wie wir selber zu ihr stehen).

Unsere Schaltkreise im Gehirn sind uns

  • als Instinkte genetisch bereits vorgegeben, beziehungsweise in ihren Anlagen als solche vorgeprägt, oder aber
  • offen, kommunikativ auf die Umwelt bezogen und dabei epigenetisch stark

(Letzteres zeichnet uns evolutionär als Homo sapiens aus. Wir können die Schaltkreise in unserem Gehirn teilweise individuell selbst bestimmen, bzw. in der Form eines sozialen Gedächtnisses als Kultur aus unseren existentiellen Gemeinschaften übernehmen. Als Menschen sind wir dadurch ausgesprochen orientierungsflexibel geworden).

Unsere teilweise offenen neuronalen Gehirnstrukturen bei unserer Geburt erhalten ihre Schließung zunächst durch epigenetische und soziale (kulturelle) Orientierungsinhalte, d. h. besonders über die Einwirkungen von Ideologien auf die genetischen Vorgaben. Später kommen die eigenen persönlichen Erfahrungen und Umwelteinflüsse hinzu.

Das Gehirn ist ein Netzwerk neuronaler Verknüpfungen. Sie bestimmen über ihre Aktivierung, bzw. ihre Reduzierung durch die Botenstoffe innerhalb der Cortexareale, dessen Kreativität. Sie aktivieren in einer jungen Liebe seine Belohnungssysteme und bewirken während der Pubertät durch den Umbau im Stirnhirn die sozialen Anpassungsschwierigkeiten der Betroffenen.

Die wichtigste Eigenschaft des menschlichen Gehirns ist seine Plastizität (sein Lernvermögen) Seine Tätigkeit folgt immer den gleichen Abläufen:

  • die Leitung der Sinneswahrnehmungen zu Zentren im Hinterkopf (Okzipital- und Temporallappen),
  • ihre Analyse im Parietallappen,
  • danach die Prüfung von Alternativen im Frontallappen,
  • dem Fällen einer Entscheidung. (Diese wird beeinflusst von der Großhirnrinde, deren Verschaltungen unsere Gefühle und Gedanken bestimmen und dem Gyrus cinguli (Teil des präfrontalen Cortex)).

Dabei kennt man ihre molekularen Faktoren relativ gut (und glaubt aus diesem Wissen heraus, ideale Lernkonzepte entwickeln zu können, wenn dem nicht das Problem gegenüberstände, dass jedes Gehirn anders geschaltet ist. Man weiß, dass

  • Geist und Bewusstsein ein Ergebnis evolutionärer Naturvorgänge sind,
  • bestimmte psychische Vorgänge mit neuronalen Vorgängen in bestimmten Hirnarealen in einem Zusammenhang stehen,
  • psychische Vorgänge das Ergebnis chemischer und elektrischer Prozesse       sind (d. h. ein Ergebnis von Botenstoffhaushalten),
  • unbewusste Prozesse den bewussten vorausgehen.

Noch weiß man nicht, über welche dieser Prozesse es konkret zu psychischen und geistigen Abläufen kommt.

Jedes Gehirn hat verschiedene genetische Voraussetzungen und entwickelt sich anders. Jedes Gehirn ist damit anders. Jedes folgt verschiedenen Bedürfnissen und verbreitet seine kulturellen Orientierungshintergründe anders. Mit seiner Geburt steht es in einem verschiedenen Dialog mit seiner Umwelt, sei es innerhalb seines prägenden Elternhauses oder später seinem sozialen Umfeld. Im Rahmen seiner Entwicklung entwickelt es sich zu einem riesigen Informationsarchiv, das immer zugleich auch den Hintergrund seiner Umweltbezüge darstellt. Aus ihm fließen

  • unsere Gefühle (die genau genommen jeden Gedanken in einem Vorfeld beeinflussen. Sie verändern die Erinnerungen),
  • seine Erinnerungen (sie brennen sich in die Individuen ein und sind je nach psychischer Stabilität und Bedürfnislage Kompensationsergebnisse, die mit jeder Erinnerung neu geschaffen werden),
  • unsere Überzeugungen.

Letztendlich entscheidet das Gedächtnis, was wichtig oder unwichtig ist.

Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass ein (häufiger) Konsum von Gewaltdarstellungen oder pornographischen Darstelllungen die neuronalen Informationswege im Gehirn nicht beeinflusst und damit auch indirekt Einfluss auf alle nachfolgenden Entscheidungen des betroffenen Menschen nimmt.

Den Menschen zeichnen zwei spezifische Fähigkeiten aus:

  • seine emotionalen, relativ offenen,
  • seine geistigen:

Der Sitz beider ist das Gehirn. In ihrem Spannungsfeld entwickelt sich das Bewusstsein und sozial die Kultur mit ihren Leistungen auf dem Gebiet der

  • Ästhetik (als zunächst subjektive Ausdrücke des emotionalen),
  • Wissenschaft (als Abfolge kausaler Logiksysteme),  
  • Technik,
  • Wirtschaft (als Form eines sozialen Leistungsaustausches).

Die großen anthropogenen Leistungen des Menschen sind möglich durch den Austausch und die Kombination seiner Fähigkeiten und Erfahrungen in sozialen Verbänden über die verbindenden, kommunikativen und abstrakten Logik- und Symbolsysteme (Sprachen).

Dadurch entstehen zwei verschiedene Wirklichkeiten:

  • eine persönliche, die von den Grenzen unseres jeweiligen Gehirns bestimmt wird. Sie ist weitgehend abhängig von unserem genetischen Erbe und unseren Prägungen. Beide bestimmen sie unsere Neuronenschaltungen.
  • eine kulturbezogene, abstrakte, wissenschaftliche, die von den Logiksystemen ihrer jeweiligen Kultur bestimmt wird.

Damit leben wir in zwei, in Zukunft drei verschiedenen Welten.

  • Zunächst in einer Welt der persönlichen Betroffenheit. Die Informationen, die wir aus ihr erhalten, betreffen uns und können für uns existentiell wichtig sein.
  • Dann in einer Welt flüchtiger Wahrnehmungen. Genau genommen besitzt sie für uns keine unmittelbare Bedeutung. Sie füllt Lebenszeit und rauscht an unseren Sinnen vorbei. Wir besuchen ein berühmtes Museum (auf einer Kreuzfahrt oberflächlich möglichst viele), gehen durch dessen Räume, bewundern die Fleischtöne der Rubensgestalten und  wissen am Ausgang nur noch, dass es viele Bilder waren und dass wir sagen können, wir seien da gewesen.
  • In Zukunft noch eine digitale Welt (vielleicht als Vorgriff auf eine neue Evolutionsstufe). Sie lenkt unser bereits bedeutungsloses Sein von seiner tatsächlichen Inhaltslosigkeit ab und füllt unsere Zeit auf unserem Weg zu einem mehr oder weniger entfernten Tod.Für die Schaltungen in unserem Gehirn wird dies zwar bedeutsam sein und sich auswirken, doch wissen wir noch nicht wie und welche Folgen damit verbunden sein werden.

Wahrscheinlich gibt es eine natürliche Begrenztheit bei einem „gesunden“ Gehirn für eine maximale Aufnahme von Reizen und Informationen. Gegen eine mentale Überfrachtung werden uns vielleicht das Vergessen helfen oder aber neue Konzentrationsformen, verbunden mit einer noch größeren Oberflächlichkeit als sie in großen Bereichen bereits heute besteht.

Das menschliche Gehirn ist der im Kopf gelegene Teil seines Zentralnervensystems. Es ist zuständig für

  • sein Gedächtnis,
  • seine emotional und rational angelegten Handlungen,
  • seine Sozialbezüge,
  • seine abstrakten symbolischen Umweltbezüge (die den Menschen zu einer Zwischenform einer vierten Evolutionsstufe erheben).

Es besitzt eine Verbindung zum Rückenmark. Sein autonomer Bereich koordiniert die vegetativen Funktionen seines Körpers (u. a. seine Atmung, seinen Herzkreislauf, seine Nahrungsaufnahme, -verdauung, –abgabe und seine Fortpflanzung).

Das Gehirn besteht volumenmäßig zur Hälfte aus Neuronen (Nervenzellen) und Gliazellen (Stützzellen). In ihrer zahlenmäßigen Menge kommen auf eine Nervenzelle etwa das Zehnfache an Stützzellen. Letztere

  • geben dem Nervengewebe seine Stabilität,
  • halten die Ionenkonzentration im Neuronenumfeld konstant,
  • versorgen die Neuronen mit Nährstoffen (haben direkten Kontakt zu den Blutgefäßen),
  • regulieren die Bewegung der Botenstoffe, (entsorgen u. a. überschüssige Transmitter),
  • fördern eine rasche Signalweiterleitung,
  • verändern die Erregungsleitungen zwischen den Nerven,
  • sind an physiologischen Schranken beteiligt.

Je nach wissenschaftlicher Schule (Lehrbuch) wird es verschieden unterteilt. Seine vier Hauptteile sind

  • Großhirn: Geteilt in eine rechte und linke Hälfte (Hemisphäre), zwischen denen Verbindungen sich befinden. Es besteht aus der
    • Großhirnrinde (Cortex, „Graue Substanz“): Eine 2 – 4 mm starke, gefaltete Oberfläche. Auf ihr befinden sich die Lappen (Lobi). Beim Mann enthält sie ca. 23. Mrd. Nervenzellen, bei der Frau 19 Mrd.. Ihre Neuronen (Nervenzellen)sind rosa (abgestorben grau = deshalb „Graue Substanz“), Ihre myelinhaltigen Fasern sind weiß.

Man kann die Gehirnbereiche zwar nach ihren Funktionen abgrenzen, die Ergebnisse ihrer Tätigkeiten ergeben sich aber erst über deren Kommunikation miteinander, über die Beteiligung verschiedener an ihnen. Abgegrenzt werden die Lappen durch Hauptfurchen (Gyri):

*   Stirnlappen (Frontallappen): Zuständig für die Bewegungskontrolle und die Planung,

*   Scheitellappen: Kontrolliert die Körperwahrnehmung und das Tastgefühl,

*   Hinterhauptlappen: Kontrolliert das Sehen,

*   Schläfenlappen: Kontrolliert das Hören und Teile unseres Gedächtnisses, Lernens und unserer Gefühle.

Von der Großhirnrinde bestehen direkte motorische und sensorische Verbindungen zu Teilen der Körperoberfläche. Man kann durch sie u.a. sich bewusst bewegen, denken, sprechen, ein Bewusstsein haben. Sie ist unser wesentliches Unterscheidungsmerkmal vom Tier.

  • Zwischenhirn: Es bildet die zentrale Schaltstation unserer hormonalen Funktionen und besteht aus drei untereinander iegenden Schichten:

*   Epithalamus: bestehend aus

–  Zirbeldrüse: Sie reguliert unsere Biorhythmik

    (u. a. den Wach-Schlaf-Zyklus)

–   Habenula: Die Schaltstelle zwischen den Riechzentren

    und dem Hirnstamm

*   Thalamus: Hier laufen alle Informationen der Sinnesorgane

zusammen und werden  von hier weitergegeben. das „Tor zum Bewusstsein“,

*   Hypothalamus und Hirnanhangdrüse (das zentrale Bindeglied

zwischen dem Hormon- und dem Nervensystem): Von hier werden unsere lebenserhaltenden Körperfunktionen gesteuert (u. a. Atmung, Kreislauf):neuronal über das vegetative Nervensystem, hormonell über das Blut. Er beeinflusst viele körperliche und psychische Lebensvorgänge.

  • Kleinhirn (an der Hinterseite des Kopfes, es umhüllt das verlängerte Mark):

Es empfängt die sensorischen Informationen aus dem Rückenmark und die motorischen Informationen aus der Großhirnrinde. Über deren Zusammenspiel koordiniert es die Skelettmuskeln. Wahrscheinlich ist es am Spracherwerb und dem sozialen Lernen beteiligt (bei Tieren oft stärkere als beim Menschen entwickelt).

  • Hirnstamm: Er besteht aus dem verlängerten Mark, der Brücke und dem

Mittelhirn. Stammesgeschichtlich ist er der älteste Teil des Gehirns. Sein unteres Ende schließt an das Rückenmark an. Er verarbeitet Sinneseindrücke und ist für viele automatisch ablaufende Vorgänge zuständig wie Herzschlag, Atmung, Stoffwechsel und wichtige Körperreflexe (z. B. Lidschluss). Er ist das Ordnungszentrum unseres Bewusstseins, das für uns die auf uns ständig eindringende Neuronenimpulse sichtet und nur wenige von ihnen an den Cortex weitergibt. (Das Mittelhirn übte einst die heutigen Tätigkeiten des Kortexes aus).

Eine besondere Rolle spielt das sogenannte

  • „Limbische System“: Es verbindet das Groß-, Zwischen- und Mittelhirn und gibt unseren Wahrnehmungen und Gedanken ihren emotionalen Bezug (ohne den sie nicht bestehen können). Hier werden

*   unsere Gefühle gebildet,

*   unsere Aufmerksamkeit und unser Bewusstsein gesteuert,

*   unser Gedächtnis organisiert.

Es besteht u. a. aus

*   verschiedenen Strukturen des Kortexes. Aus dem Großhirn u. a.

–  Amygdala (Mandelkern): Wichtig für die emotionale Bewertung von

   Wahrnehmungen,

–   Hippocampus: Zuständig für die Weitergabe von Informationen aus

    dem Kurzzeitins Langzeitgedächtnis.

*   aus Bereichen des Mittelhirns (u. a. Tegmentum = Schicht im Hirnstamm),

*   aus dem Zwischenhirn, u. a. Hypothalamus und Thalamus.

Der amerikanische Hirnforscher Paul D. McLean teilt das Gehirn vereinfachend in drei Funktionsbereiche ein:

  • Großhirnrinde: Sie steuert unsere kognitiven Leistungen, Sprache und Denken und reflektiert unsere Emotionen. Sie ist unser Orientierungsgehirn.
  • Limbische System: Es verwandelt Emotionen in Körpergefühle. Signale des Reptiliengehirns steuern mit Hilfe der Hypophyse unseren Hormonhaushalt und damit unsere menschliche Befindlichkeit.
  • Reptiliengehirn: Es ist der evolutionär älteste Gehirnteil und besteht aus dem Stammhirn und Teilen des Zwischenhirns. Es ist der Sitz unserer Instinkte, auf die sich unsere Triebe und Gefühle aufbauen.

Alle diese Gehirnteile stellen eine komplexe Einheit dar, und unser Bewusstsein damit eine komplexe Einheit seiner chemischen und elektrischen Vorgänge an seinen Synapsen. Mit ihren geschätzten 100 Billionen Verbindungen sollen diese das komplexeste Gebilde im Universum bilden. Sie sollen mehr Zellen besitzen als unsere Galaxie, die Milchstraße Sterne besitzt. Jedes Gehirn ist ein Kosmos für sich, ein Ort im Universum, der sich innerhalb seiner Zeit auf seine (begrenzte) Zukunft hin bewegt. Unser Problem für sein Verständnis bildet der Umstand, dass es als Einheit im Gegensatz zu unseren Denkabläufen nicht linear arbeitet. Für unser alltägliches Denken hat es den Vorteil, dass wir uns so leichter orientieren können, für das Verständnis unseres Bewusstseins als Einheit bedeutet es, dass wir es in seiner Komplexität nur begrenzt verstehen können. Es ist diese seine Komplexität, die uns empfindsam  das für uns „Unerklärliche“ macht,

  • das Empfinden von Größe in der Natur,
  • das Empfinden musikalischer Tiefe,
  • das Empfinden einer übergeordneten, universalen Ganzheit,
  • das Empfinden einer unbekannten Transzendenz (das dann oft von uns ins Sakrale, Religiöse übertragen wird).

Zu dieser Komplexität in den einzelnen Individuen kommt die Fruchtbarkeit der menschlichen Gehirne in ihrer Vielfalt, die zu einer Fruchtbarkeit seiner Kulturen, auf einem neuen Schritt in seiner Evolution führen.

Da jeder Mensch, jedes lebende Individuum eine Ganzheit darstellt, ist es problematisch seine jeweiligen Einzelteile, z. B. sein Gehirn, separat zu sehen. Er stellt in sich jeweils eine universale Ganzheit dar, ein Sammelsurium von Milliarden Zellen, die symbiotische Existenzgrundlage von unzähligen Bakterien und Kleinlebewesen, die alle voneinander abhängig sind und die erst in ihrer Gemeinsamkeit die jeweilige Person in ihrer Ganzheit bilden. Wenn es z.B. unseren Bakterien in unserem Darm schlecht geht, dann geht es auch uns als Person schlecht, bzw. vielen unserer Körperteile schlecht. Ohne ihre Existenz gibt es auch viele neuronale Abläufe in unserem Gehirn nicht, d. h., wir können ohne sie nicht bestehen.

Der Vagusnerv verbindet das Gehirn mit dem Darm. Dessen Oberfläche beträgt etwa 400 qm. (durch die Vielzahl seiner Zotten und Falten). Er besitzt selber ca. 100 Millionen Nervenzellen.

Das Mikrobiom eines Menschen besteht aus ca. 100 Billionen Bakterien (d. h. mehr als es Sterne in unserer Galaxie gibt). Es wiegt etwa 2 kg und wird von vielleicht 1000 Arten zusammengesetzt, von den man bis heute nur die wenigsten kennt. 1 g Stuhl enthält mehr Bakterien als es Menschen auf der Erde gibt. Es

  • produziert die Neuronentransmitter Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), Dopamin und Serotonin (den größten Teil im Körper). Sie gelangen über den Blutkreislauf ins Gehirn.
  • bestimmt unsere Gefühle ((z. B. unsere Glücksgefühle und Ängste),
  • scheint eine Rolle bei verschiedenen Entwicklungsstörungen zu spielen (z. B. Autismus, Schizophrenie),
  • beeinflusst unsere Stressverarbeitung, unser Gedächtnis und unsere Depressionen,
  • produzieren 1/3 unserer Blutmoleküle.

Die verschiedenen Darmbakterien besitzen zusammen etwa 8 Millionen Gene (der Mensch nur ca. 25.000).

In unserem Gehirn werden unsere Informationen in ständiger Rückkoppelung nicht linear verarbeitet. Deshalb entzieht sich unser Bewusstsein auch einem klaren rationalen Verständnis. Das menschliche Gehirn versteht sich linear-logisch. Nur so ist die Welt für dieses greifbar. Doch das universale Dasein, das Dasein an sich ist nur dynamisch-komplex und nur darüber zu verstehen. Es ist damit zu rechnen, dass wir bis Ende unseres Jahrhunderts alle menschlichen Gene und Proteine kennen und dann klare Vorstellungen über deren Eigenschaften haben werden. Unserem Verständnis entzogen wird wahrscheinlich aber deren Zusammenspiel in seiner Ganzheit sein. Jedes Signal wird von tausenden Nervenzellen verschieden  verarbeitet und dann darauf mit einer Antwort reagiert. Jedes Gehirn stellt so in seiner Vielheit eine einheitliche Ganzheit dar. Ein Impuls verbreitet sich kaskadenartig durch die Neuronenwelt und wird durch ausgefahrene Synapsenstraßen zu einem Ziel, zu einer Erkenntnis geführt. Ein Zerlegen des menschlichen Gehirns in seine Bereiche (Areale, Teile) und die Feststellung der Funktionen seiner einzelnen Zellen macht es noch nicht kopierbar, der Versuch all seine Strukturen auf einen Computer zu übertragen wahrscheinlich nicht machbar. Durch seine vielen parallelen Verbindungen kann es bis zu 10 hoch 13 Kontaktoperationen pro Sekunde ausführen. Ob dies je ein Computer vermag, ist schwer vorstellbar.

Die kleinsten funktionalen Einheiten des Gehirns sind die Nervenzellen (Neuronen). Sie bilden Ketten, die nicht unmittelbar miteinander verbunden sind. Einzeln bestehen sie aus einem Zellkörper, Zellfortsätze (Dendriten), Nervenfasern (Axon) und synaptischen Endknöpfchen:

  • Zellkörper: ein hochspezialisiertes, chemisches Stoffwechselzentrum,
  • Dendriten: Zellfortsätze; fadenförmige Empfangsstätten der Neuronen, die die  Signale von den anderen Nervenzellen empfangen und weiterleiten. Über sie tauschen die Nervenzellen ihre Informationen aus.
  • Axon: Sender der Neuronen (= 90 % der Nervenmasse). Jede Nervenzelle hat nur ein stark verzweigtes Axon (Länge = 2 millionstel bis 1 Meter).
  • Endknöpfchen (an den Verzweigungsenden des Axons): von hier werden die Signale mit Hilfe chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter) zur Nachbarzelle übertragen.
  • Synapsen: Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen an denen die Informationen ausgetauscht werden. Jede Nervenzelle hat etwa 1000 synaptische Kontaktstellen und etwa 10.000 Empfangsverbindungen.

Innerhalb der Nervenzellen werden die Informationen mit Hilfe elektrischer Ströme weitergeleitet (ihr Innenraum ist negativer geladen als der Außenraum. Diese Ladungsunterschiede führen zu Spannungsunterschieden. Bei Reizen werden diese durch Natrium- und Kaliumionen verändert). An den synaptischen Spalten werden dann die vom Zellkörper produzierten Neurotransmitter (hormonähnliche Moleküle) ausgeschüttet und in chemische Signale umgewandelt. Durch diese beiden Signalsysteme erhält das Gehirn seine Plastizität und Leistungsfähigkeit.

In jedem Jahrzehnt unseres Erwachsenenlebens verlieren wir etwa 10 % unserer grauen und weißen Substanz. Unsere Denkleistung lässt nach unserem 3. Lebensjahrzehnt nach (nachgewiesen in nonverbalen IQ-tests). Besonders in unseren letzten Lebensjahrzehnten werden wir für verschiedene Gehirnkrankheiten anfällig, ab dem 85. sind mehr als 40 % der Personen betroffen.  Einerseits nimmt die Neurogenese (Neubildung von Neuronen) allgemein im Alter ab, andererseits kann sie im Riechkolben und im Hippocampus noch bis ins hohe Alter weiter bestehen. Sie ist es, die es dem Gehirn erlaubt, sich seinen verschiedenen Lebensphasen anzupassen. Es kann sich dadurch ständig verändern und in seiner Plastizität, sich ständig an die sich verändernde sensorische Umgebung anpassen.       (Über die eigentliche Neurogenese weiß man noch relativ wenig, kaum etwas über ihre funktionelle Bedeutung und ihre Stimulierung).

Das wichtigste Anregungsmittel für unseren Körper dürfte die Bewegung sein. Als biologische Wesen benötigen wir sie für unseren gesamter Stoffwechsel. Auf das Gehirn bezogen bedeutet das:         

  • Es wird besser durchblutet.
  • Seine Konzentrationsfähigkeit verbessert sich.
  • Neue Neuronen entstehen.
  • Ihre Vernetzung verbessert sich.
  • Sie befreit den Kopf vom Alltagsärger und verhilft zur Ausgeglichenheit.
  • Epileptische Anfälle werden seltener.

Durch intensives Joggen verbessert sich das visuell-räumliche Gedächtnis bereits nach 6 Wochen. Durch mindestens 3 x Sport in der Woche      

  • sinkt das Alzheimer-Risiko um 45 %,
  • sinkt das Parkinson-Risiko bei Männern um 35 %.

Ein Ausdauersport fördert

  • das supplementäre motorische Areal (SMA) im Gehirn,
  • den Hippocampus (besitzt eine zentrale Bedeutung für das Langzeitgedächtnis),
  • hilft bei Depressionen (wahrscheinlich durch ein verstärktes Ausschütten von Dopamin).

Eine Bewegung hilft in jedem Lebensalter.

Unser demokratisches Selbstverständnis basiert letztlich auf dem Wissen, dass jeder Mensch, jedes menschliche Gehirn anders ist, jeder damit anders denkt und das jeder in seinem Anderssein zunächst das gleiche Recht auf Leben hat. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass eine Demokratie auf einer Gemeinschafts- und nicht auf einer Individualbasis, in der jeder seine Egoismen auslebt, baut. Die Lösung dieser Problematik wird eines Tages über die Zukunft der Menschheit als solchen entscheiden.

Allgemein verstehen wir das Gehirn als ein rein individuelles Organ. Dabei ist es eigentlich primär ein soziales Organ, das in seinen Ausprägungen nur in seiner Verbindung zu seiner Umwelt verstanden werden kann. Es ist auf dem Hintergrund seiner genetischen Dispositionen ein Ergebnis seines soziokulturellen Umfeldes.

Die Neuronen

Die materielle Grundlage aller unserer Gehirnvorgänge sind die Neuronen. Über ihre Aktivität entstehen Muster, die durch Wiederholungen sich von sich aus organisieren, d. h. spezialisieren. Wir erleben dies als Gedächtnis. Es wird vermutet, dass beim Langzeit- gedächtnis

  • die früheren Neuronenimpulse stärker waren,
  • die beteiligten Neuronen intensiver genutzt wurden.

Gesichert scheint zu sein, dass im Gehirn nicht jeweils nur ein Bereich „arbeitet“, sondern die Neuronen in den verschiedensten Hirnregionen miteinander je nach ihrer Vorbestimmung gleichzeitig im Rahmen eines „dynamischen Gefüges“ kommunizieren. Diese Vorbestimmungen werden weitgehend erst nach der Geburt je nach den Anforderungen der Umwelt festgelegt und können sich verändern. Damit können sie sich relativ schnell den jeweiligen existentiellen Erfordernissen anpassen, eine Ursache für die große Anpassungsfähigkeit des Menschen. Entscheidend sind die Art und Zahl der elektrischen Impulse für die Formung des Gehirns.

Unsere Wirklichkeit ist das Ergebnis unserer Wahrnehmungen und unserer neuronaler Schaltungen, bzw. unserer Filter im Gehirn. Es wählt aus der Vielfalt der Sinneseindrücke die von ihm als bedeutsam erachteten aus und deutet sie auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen. Mit Hilfe bioelektrischer Kontakte vollzieht sich im Gehirn zwischen seinen verschiedenen Bereichen in Bruchteilen von Sekunden je nach seinen Prägungen ein Feuerwerk von Kontakten, deren Endergebnisse dann unsere auf die Wahrnehmungen bezogenen Erkenntnisse sind.

Unsere „Wirklichkeit als solche“ gibt es ohne einen auf sie bezogenen Menschen nicht und damit für den Menschen auch keine „Wahrheiten an sich“ in einem allgemeinen Verständnis. Unsere Wirklichkeit, unsere Realität ist ein Konstrukt unseres Gehirns. Sie ist das Ergebnis eines verinnerlichten Netzwerkes unserer persönlichen Umwelt und abhängig von der Intensität der Wahrnehmungen, ihrer Bedeutung für uns und ihrer Intersubjektivität (Bedeutung für unsere Umwelt). Die Vorstellungen, die sich nicht aus unseren Wahrnehmungen ergeben, ordnet man der „menschlichen Welt“ zu. Hierher gehören die gesamte Welt unserer Setzungen, verbunden mit unseren gewachsenen neuronalen Schaltungen. Ihre Auslöser können sein:

  • Reaktionen auf Stoffwechselvorgänge im Körper (z. B. Ängste, Wünsche, Bedürfnisse, Fantasiewelten),
  • zu durchdenkende Handlungsfolgen, 
  • zukünftige Ereignisse (z. B. Besuche, Feste),
  • Drogen,
  • Gelöstsein von gedanklichen Strukturvorgaben  (wie Spiel, lachen, singen, tanzen).

Kennzeichnend für sie ist ihre relative Unabhängigkeit von der realen Welt und ihre Kommunizierbarkeit im Rahmen eines sozialen Konsenses.

Was nicht in unserem Gehirn ist, können wir nicht erleben oder denken. Das Mentale baut weitgehend auf dem Gedächtnis. Kinder können sich Objekte ohne einen Hinweisreiz zunächst nur schwer vorstellen. Erst mit dieser Fähigkeit entdecken sie die Welt der Fantasie. Sie brauchen dann kein konkretes dingliches Gegenüber mehr, sondern können sich zu Gegenständen ohne vorangegangene Wahrnehmungen in Beziehung setzen. Damit öffnet sich ihnen die mentale Welt, deren Verhältnis zur realen Welt von den vorangegangenen Prägungen durch die Umwelt bestimmt wird. Ihre subjektive Welt entspricht ihrem subjektiven Gehirn. An die Stelle von Objekten stehen jetzt Symbole (oft sprachliche) und mit zunehmenden Alter (nach der Pubertät) im kognitiven Bereich inhaltliche Setzungen, die ihr Leben bestimmen.

Abstrakte Informationen (Nachrichten) bestimmen weitgehend die neuronalen Tätigkeiten und schaffen ihre eigene Welt. In der sozialen Summe stellen sie unsere Kultur dar. Über unser mentales Dasein gleiten wir dann über unseren sozialen Funktionsverlust in eine virtuelle Welt und machen dort unsere Träume, unsere Fantasien zu unserem Lebensinhalt. Unser Gehirn löscht dann Unangenehmes aus seinem Beschäftigungsbereich und konzentriert sich mit Hilfe seiner Neurotransmitter auf das für es Angenehme. Die gewaltige uns umgebende Informationsflut (die unser konkretes Leben kaum betrifft) hilft uns dabei. Und über die Vorgänge des Erinnerns und Vergessens wirken zusätzlich noch unsere individuellen nicht ausgesprochenen Wünsche, Kompensationen und individuellen Verdrängungen in diese Märchenwelt hinein. Wir ersetzen unsere reale Welt durch Bilder einer digitalen Computerwelt und verlieren damit unsere sinnliche Realbeziehungen zu unserer eigentlichen Daseinswelt. Wir reduzieren uns zu Spielbällen zeitfüllender Interessenprogramme und beginnen damit die ersten Schritte unseres alten Menschseins als ein banales Naturwesen durch den Weg in eine uns unbekannte Zukunft zu ersetzen.

Über unsere „Erinnerungen“ schaffen wir uns ein Bild von uns, wie wir geworden sind. Das Problem dabei ist, dass wir sie im Sinne unseres Selbstverständnisses, unserer Kompensationszwänge zu dem machen, was wir gerne sein möchten, bzw. als Begründung nicht so geworden sind, wie wir es sein möchten. Kinder belasten ihre Eltern, sehen bei sich keine Probleme oder Grenzen, verallgemeinern Einzelsituationen und machen sich am Ende zu Helden ihrer Entwicklung. Unser Selbstbild, unsere Identität steht immer auf Kompensationshintergründen. Wir verbinden Dinge, die nicht zusammengehören. Unser subjektives Gedächtnis ist gar nicht in der Lage objektiv zu sein. Wir bauen uns unsere Vergangenheit aus Fragmenten, die wir im Sinne unserer momentanen Interessenlage bewerten und die wir aus ihrem Zusammenhang genommen haben. Ein Gedächtnis speichert keine Realität, sondern stellt das persönliche Bemühen dar, für seine augenblickliche, psychische Situation Stabilisierungsanker zu finden.

Über das Verhalten einzelner Nervenzellen weiß man relativ viel, über das Verhalten ganzer Neuronenkreise dagegen kaum etwas. Sie ermöglichen das Denken, das Verstehen der Welt. Bekannt sind u. a.:

  • Das Gehirn eines 65 – 75 kg schweren Menschen wiegt 1300 – 1500 Gramm, es benötigt ca. 20 % des eingeatmeten Sauerstoffs (ca. 10 Sekunden ohne Sauerstoff führen zur Ohnmacht) und ca. 20 % der täglichen Energie. Versorgt wird es von einem aneinander gereihten Adernetz von ca. 600 km Länge).

Seit dem Beginn der Evolution des Menschen (vor ca. 2 Mio. Jahren) hat sich die Größe seiner Hirnrinde verdreifacht.

(d. h., es umfasst ca. 2 % seines Körpergewichts, Gewichtsvergleiche:

    • Neandertaler:  ca. 1500 g,
    • Schimpanse:  ca. 400 g (= 0,9 % seines Körpergewichts),
    • Elefant:  5000g (= 0,2 % seines Körpergewichts),
    • Hund:  135 g,
    • Katze:  30g.

Nicht die Größe ist entscheidend, sondern die Dichte der Neuronen. Der Mensch besitzt die meisten Nervenzellen bezogen auf sein Körpergewicht.

  • Es besitzt wahrscheinlich fast 100 Milliarden Gehirnzellen und könnte damit 2 hoch 100 Mrd. Informationen speichern), nach Suzanna Herculano-Houzels neueren Messungen 13 Mrd.

Es besitzt eine Kapazität von ca. 1 Mio. Gigabyte, d. h., einer Speicherkapazität von ca. 3 Mio. Fernsehsendungen.

Auf diesen Gehirnzellen befinden sich 100 Billionen Synapsen (ca. 100.000 je qmm), die miteinander verbunden sind. Es kann damit bis zu 100 Billionen analoge Rechenoperationen pro Sekunde schaffen.

(d. h., jedes Neuron kann in höchstens 4 Schritten von jedem anderen erreicht werden. Von ihnen wird nur ein Bruchteil für die Aufnahme von Informationen  benötigt. Ihr weitaus größter Anteil dient der internen Kommunikation. Ein Kubikzentimeter Hirngewebe besitzt so viele Verbindungen wie es Sterne in der Milchstraße gibt.

  • Täglich verliert der Mensch 1000 – 10.000 Gehirnzellen

(und würde für den Verlust seiner Gehirnsubstanz von 2 % Jahrhunderte benötigen),

  • Jede Gehirnzelle ist mit bis zu 10.000 anderen verbunden.

(Das Kabelnetz eines Gehirns entspricht damit mehreren 1000.000 km Länge. Eine andere Angabe: 5,8 Mio. km = das 145fache des Erdumfangs. 1 qmm Gehirnmasse enthält etwa 4 km neuronale Netzwerkverbindungen).

In einem kindlichen Gehirn entstehen pro Sekunde ca. 700 neue synaptische Verbindungen, d. h. pro Tag mehr als 60 Millionen.

  • Gliazellen (fast 100 Mrd., etwa genauso viele wie Neuronen, = der „Klebstoff“ der Neuronen; ohne sie funktioniert kein Gehirn, kein Lernen, kein Erinnern):
    • In der Evolution entscheidend gewesen für den Schritt vom Einzeller zum höher entwickelten Wesen.
    • Sie leiten die Informationen in Form des elektrischen Stroms weiter
  • Sie stehen mit mehr als 1000.000 Schaltstellen in Kontakt
  • Sie kontrollieren mit den Neuronen gemeinsam das Essverhalten (und beeinflussen darüber Diabetes und Fettleibigkeit).
  • Sie sind an der Entstehung von Krankheiten beteiligt (u. a. Parkinson, Alzheimer).
  • Sie können sich im Gehirn wie Stammzellen verhalten, aus denen dann verschiedene Zellarten entstehen können.

*   können so zerstörtes Gewebe ersetzen,

*   im Alter verschlechtert sich ihre Teilung,

*   bei Alzheimer und Parkinson scheinen sie aus ihrer Rolle zu fallen.

  • In den Nervenbahnen fließt als Impulsgeber Strom, der die jeweils nachfolgenden Zellen in ihrem Verhalten anregt oder hemmt.

Die dann ausgeschütteten chemischen Substanzen werden von den Synapsen an die Dendriten anderer Neuronen weitergegeben (jeweils 1000 – 6000 mal),

  • ein Nervenimpuls ca. 0,1 Volt,
  • dauert 1-2/1000 Sekunde,
  • Schnelligkeit / Dauer: 1 – 140 Meter je Sekunde.

Die elektrische Energie eines Gehirns kann mit einem Elektroencephalogramm (EEG-Signale) gemessen werden. Sie schwankt je nach Wachheitsgrad und beträgt z. B. im

  • Tiefschlaf 0,4 -3 Hertz (= Zyklen je Sekunde),
  • Alltagsbewusstsein 13 – 21 Hertz,
  • Zustand tiefer Entspannung 3 – 8 Hertz,
  • permanente Alarmbereitschaft 21 – 38 Hertz.
  • Jeder Impuls löst das Freisetzen von Neurotransmittern (Signal-, Botenstoffe) aus. Die empfangenden Neuronen verändern damit ihr Aktionspotential.
  • Die richtige (gesunde) Funktionsweise der Nervenzellen ist von einer richtigen Mischung der sie umgebenden Chemikalien abhängig.

(Deren Mischungsverhältnis wird von den Gliazellen, die die Nervenzellen im Verhältnis 10 zu.1 bis. 50 zu 1 umgeben, konstant gehalten).

  • Die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen werden weitgehend von einem Enzym bestimmt, das die elektrische Energie für die Nervenimpulse liefert.
    • Für die Intelligenz ist die Dynamik der Hirnentwicklung wichtiger als das Hirnvolumen.
    • Für die Begabungen ist die Flexibilität der Großhirnrinde bedeutender als die Größe des Gehirns.
    • Wichtig ist nicht die Größe eines Gehirns, sondern wie es sich in der Kindheit und Jugend verschaltete und überflüssige Datenmengen verworfen hat (besonders wichtig scheint dafür das 7. – 11. Lebensjahr zu sein).

Die genaue Arbeitsweise des Gehirns ist noch relativ unbekannt (wo verschiedene Funktionen  angesiedelt sind). Jede Funktion hängt von einem komplexen und spezifischen Netzwerk miteinander interagierender Neuronen ab. Auf welche Bereiche seine kognitiven Leistungen verteilt sind, weiß man noch nicht. Bekannt sind einige Spezialisierungsbereiche, die aber auch nicht isoliert arbeiten. Sie stellen nur Knotenpunkte innerhalb miteinander verbundener Netzwerke dar. Gefunden hat man sie hauptsächlich nach einer Schädigung dieser Bereiche. Der heutige Konsens ist, dass trotz der Kenntnis bestimmter Funktionsbereiche man deren Funktionen als spezifische Interaktionen verschiedener Netzwerke in verschiedenen Gehirnregionen ansieht. Die Neuronengruppen scheinen in einer bestimmten Reihenfolge aktiv zu werden und so unsere Gedanken ermöglichen. Diese sind neuronale Bilder, die in unseren Gehirnprägungen ungesteuert oder gesteuert entstehen. Ihre Wirklichkeit besitzen sie als solche allein in einem denkenden Subjekt.

Wir kennen noch nicht die neuronalen Mechanismen, die unsere emotionalen und kognitiven Leistungen hervorbringen, d. h.

  • viele Vorgänge in unserem Gehirn noch nicht (ihre komplexe Funktionsweise),
  • die Verknüpfungen innerhalb ihres nachfolgenden emotionalen und rationalen Handelns,
  • die Möglichkeiten und Grenzen eines „freien Willens“,
  • die Entstehung eines Bewusstseins.

Wahrscheinlich wird man in der  nächsten Zeit (innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes, vielleicht in den nächsten zehn Jahren)

  • viele Mikroschaltkreise der mittleren Eben entschlüsseln,
  • den Informationsfluss innerhalb und im Verbund der Neuronen zu erkennen lernen,
  • die Koordination der verschiedenen Subsysteme im Gehirn besser verstehen,
  • die Hintergründe vieler neurodegenerativer Krankheiten verstehen lernen

(d. h. Fortschritte im medizinischen Bereich erreichen, z. B. bei Parkinson und Alzheimer).

Unsere Wirklichkeit, unsere reale Welt ist eine neuronale Konstruktion. Sie ist das Ergebnis unseres Stoffwechsels, unserer inneren Filter durch die wir die Welt sehen. Unsere Wahrheit ist diejenige, die wir in unserem Kopf als solche erkennen, diejenige die unser Neuronensystem als solche zulässt. Sie ist genau genommen nur eine Form unseres Glaubens, heute weitgehend im Gefolge unserer Wissenschaften. Unsere Wirklichkeit basiert weniger auf unseren persönlichen Wahrnehmungen als auf deren Verarbeitung, deren emotionaler Einfärbung innerhalb unserer vorgeprägten neuronalen Strukturen. Bereits im Moment unserer Wahrnehmung findet in unserem Gehirn eine Auswahl unserer Sinneseindrücke statt. Unsere Realität ist dann kein Ergebnis eines bewussten geistigen Prozesses, sondern vieler vorgegebener biologischer, kultureller und sozialer Bedingungen. In uns fließen dann unsere sinnlichen Wahrnehmungen ein, unsere kulturellen Zuordnungen und das Gefühl ihrer Bedeutung für uns. Wir erfahren sie dann in ihrer Bedeutung für unseren Körper und als eine uns gegenüberstehende Dingwelt. Davon unabhängig als eine eigene sinngebende Größe gibt es dann noch eine

  • Gefühlswelt (mit ihren mentalen Vorstellungsbildern),
  • Traumwelt (in der die Träumenden neuronal sich wahrscheinlich unbewusst in neue Lernprozesse begeben).

Man hat versucht, die letzteren zu objektivieren, z. B.

  • das Mentale über das Magische und Symbolische (diese Versuche sind in unsere Religionen eingeflossen),
  • die Traumwelten (sie sind in die Kunst und unsere Medienwelten eingeflossen).

In diesen Spannungsfeldern wird

  • die „Realität“ für den Einzelnen als sichere Orientierungsgröße immer unsicherer,
  • seine biologischen Bezüge in unserer Kultur ihm immer fremder,
  • geben ihm seine  historischen kulturellen Bezüge für seine Zukunft keine Inhalte mehr und
  • seine sozialen Bezüge verlieren sich immer stärker in einem indifferenten medialen Netz.

Er ist immer stärker gezwungen, sich für seine existentielle Orientierung nach der ersten besten Ideologie zu greifen, die seinem Inneren einen Halt verspricht.

Das Gehirn ist auf Reize angewiesen, die gesteuert von Botenstoffen dann mehr oder weniger ausgefahrenen Neuronenbahnen folgen. Fehlen diese Reize (z.B. bei vollkommener Dunkelheit oder Stille), verlieren die Betroffenen jede Orientierung und sie zerbrechen innerlich. Ihr Gehirn entwickelt dann eine Welt akustischer und optischer Halluzinationen. Sie werden geistig orientierungslos.

Ihre Grundausrichtung erhalten unsere Orientierungen durch „Prägungen“, die die Haupterregungsbahnen in unserem Gehirn festlegen. Sie bestimmen unser Fühlen und Denken. Vier Zentralbezüge formen ihre Ausrichtung:

  • Personen: Da sind zunächst die Sippe, die Familie (heute weitgehend allein die Eltern und zunehmend die Alleinerziehenden), dann Freunde, Lehrer, Partner und Kinder. Ihr Einfluss kann unabänderlich sein, wie bei den Eltern. Selbst in deren späteren Ablehnung stellen sie für uns einen Orientierungsinhalt dar, an dem wir uns, wenn auch kompensierend, ausrichten. Der zurzeit häufigere Wechsel der Partner gegenüber früheren Zeiten hat als eine Folge
    • eine verstärkte Ichbezogenheit,
    • einen verstärkten Individualismus,
    • eine verstärkte Suche nach einer Identität,

bei einer gleichzeitigen größeren Unsicherheit und einem Flacherwerden der Rückbezüge auf sein jeweiliges Elternhaus.

  • Orte: Ihre Bedeutung ist schwer einzuschätzen. Es ist vielleicht das erste Licht, das uns entscheidend prägt. Der „Heimat“ als solchen kommt hier dann eine besondere Bedeutung zu.
  • Kultur: Ihre orientierungsgebende Bedeutungen bekommt sie hauptsächlich über drei Kriterien:
    • Sprache: Ohne sie können wir nicht denken. Ihr logischer Aufbau bestimmt die Logik unserer Denkabläufe.
    • Setzungen: Sie geben den Kulturen ihre primären Wertorientierun          gen: Ihr zentraler Inhalt sind unsere (nach unserer Prägungsphase) kaum noch hinterfragten Ideologien (z. B. Religionen, -ismen, Wissenschaften).
    • Wissen: Es erwächst aus dem Erfahrungsschutz der sozialen Führungsgruppe, der wir angehören, ausgerichtet an den Logiksystemen unserer Kultur. In der Regel folgt es kausalen Denkfolgen. Verinnerlicht verwechseln wir es mit „Wahrheit“. Dabei ist es nur die zeitabhängige Größe einer wachsenden, kausalen Beherrschung von Naturphänomenen (in den Grenzen der menschlichen Erfassungsmöglichkeiten des tatsächlichen Seins, seiner universalen Komplexität).
  • Erfahrungen: Je nach unseren Bezugsgruppe, dem Ort und der Zeit unserer Existenz können sie sehr verschieden sein. In ihrem prägenden Charakter erhalten sie durch ihre Positiven, bzw. negativen Wirkungen (die soziale Verbannung von negativen Sanktionen in unserer Erziehung kann deshalb nicht richtig sein).

In der Regel gibt es zwischen diesen Zentralbereichen eine Vielzahl von Querverbindungen. Sie alle bestimmen in ihrer Gesamtheit neben unseren genetischen Vorgaben, d.h. den Erfahrungen aus unserer Evolution, dann wer wir sind, welche Person wir darstellen.

Unsere gesamte Existenz beruht auf einer Abfolge neuronaler Prozesse, über die jedes Individuum trotz seiner kulturellen Bindungen einzigartig ist. Ein Problem dieser Einzigartigkeit ist allerdings, dass wir in unserem Fühlen und Denken, die Gefühle und das Denken anderer nur begrenzt nachverfolgen können, – eigentlich nur in den Grenzen unserer empathischen Fähigkeiten und unserer verinnerlichten sozialen Wertvorgaben.

Das Bewusstsein

Das Bewusstsein (der Geist) entsteht über die Gesamtheit der Bilder in uns, die über die neuronalen Schaltungen in unserem Gehirn entstehen. Als solches ist es in seiner Komplexität wahrscheinlich kausal nicht erfassbar (bzw. zurzeit noch nicht erfassbar).  Es ist ein spezifisches Kontaktergebnis der Neuronen in uns, die unser Fühlen und Denken bestimmen und die weitgehend von unserem Stoffwechsel abhängig sind (d. h. von unserer Ernährung, Bewegung und Wahrnehmungswelt, u.a. unserem Stress). Über unser Gehirn bestimmen wir unser Bewusstsein und über das Bewusstsein unsere Bedeutung für uns selber und für unsere Umwelt. In seinem Kern beeinflusst es

  • biologisch die Ergebnisse, die Bilder der neuronalen Beziehungssysteme (d. h. auf einer rein materiellen Ebene),
  • geistig deren Ergänzung durch soziale, kulturelle Bewertungssysteme (Dieser Aspekt wird von sozialen Setzungen bestimmt, die die Möglichkeit erlauben, es auf eine nichtmaterielle Ebene zu  heben, die dann von religiösen und esoterischen Gemeinschaften für ihre Zwecke genutzt werden können. Mit der Hilfe von meditativen Übungen versucht man sich ihm zu nähern, seine Ich-Wahrnehmung zu beseelen und dem Bewusstsein als solchem eine transpersonale Geistigkeit zuzusprechen. Wahrscheinlich verstärken sich             oderentstehen dabei neue Neuronenstränge, die im Einzelfall sogar persönlichkeitsverändernde Bedeutungen erlangen können.

Zum Bewusstsein gehören:

  • sein Ein- und Ausschalten über den Hirnstamm und ein ständiger Neuronenaustausch zwischen dem Thalamus und der Großhirnrinde.
  • Anders als ein lokaler Reiz erfasst es das gesamte Gehirn (bzw. seine Aktivierung über weit verteilte Neuronenbereiche).
  • Seine Komplexität erhält es durch seine parallele Einbeziehung u. a. von Wahrnehmungen, Gefühlen, abstrakten Begriffssymbolen hin zu einer Orientierungseinheit.
  • Die Fähigkeit verschiedene Sinneswahrnehmungen zu einem ganzheitlichen Bild verschmelzen zu lassen.
  • Es stellt ein subjektives Erleben dar.
  • seine Bezogenheit auf einen Inhalt, dessen Wahrnehmung auf einem unbewussten Hintergrund baut.

Die Großhirnrinde verarbeitet die Sinnesreize (auch die unbewussten). Zur Bewusstwerdung müssen sie an den Hippocampus weitergeleitet werden, von diesem gesichtet und dann an die Großhirnrinde wieder zurückgesendet werden, wo sie gespeichert und als Gedächtnis zur Verfügung stehen. Wir besitzen ein

  • unbewusstes (implizites) Gedächtnis. Dazu gehören:
    • alle Wahrnehmungen, die nicht das Bewusstsein erreichen,
    • alle automatisierten Bewegungsabläufe.
  • bewusstes Gedächtnis. Dazu gehören:
    • die mit Gefühlen verbundene persönliche Erfahrungswelt,
    • die soziale Orientierungswelt (Sprache, Kenntnisse).

Als Menschen bleiben wir immer den Grenzen unseres jeweiligen Gehirns verhaftet. Darüber hinaus gibt es für uns keine Welt, kein Universum. Jedes Individuum besitzt zwei Seiten, die seiner Leistungsmöglichkeiten, aber auch die seiner Grenzen. Sie sind Bestandteile seiner Existenz. Jedes Bild vom Sein bleibt ihnen anthropogen verhaftet. Auch in unseren Kulturen, als jeweilige Leistungssummen von Menschengruppen oder auch mit Hilfe technischer Hilfsmittel können wir diese Grenzen von einem bestimmten Punkt an nicht mehr überschreiten. Wie viel wir damit vom tatsächlichen Universum erfahren, werden wir deshalb auch nie wissen. Wir können uns nur innerhalb dieser Grenzen einrichten und uns im Rahmen unserer (begrenzten) Wahrnehmungsfähigkeiten und unserer Logiksysteme ein Orientierungsweltbild schaffen. Es hat zwar für unsere reale Existenz oft nur einen geringen Wert, für unsere geistigen Leistungssysteme dagegen einen fundamentalen, da sie den Hintergrund unserer Wertsysteme bilden, ohne die wir nicht bestehen, uns nicht orientieren können.

Noch wissen wir nicht, wie in unserer neuronalen Beschaffenheit des Gehirns unser Bewusstsein entsteht. Vielleicht durch das Zusammenspiel von drei Faktoren:

  • durch seinem Zwang, immer tätig sein zu müssen (neben seiner bewussten Existenz  besitzt es eine unbewusste),
  • durch seinen Besitz neuronaler Grundschaltungen zwischen seinen verschiedenen Arealen,
  • durch seine Möglichkeit der Offenheit bei einem Gelöstsein von seiner Wahrnehmungswelt.

In dieser Offenheit können dann die Bilder, Symbole entstehen, die unser Bewusstsein ausmachen. Mit der genetisch und kulturell geprägten Beschaffenheit des Gehirns entsteht seine Individualität. Seine Plastizität ermöglicht es ihm, darin geistige Welten zu bauen, die wir als Bilder zu sehen vermögen. Für den einzelnen bedeutet das Bewusstsein dann, seine Gehirntätigkeit losgelöst von seiner Wahrnehmungswelt als einen dynamischen Prozess seiner Neuronenwelt und seiner Neurotransmitter zu erleben. Auch sein mentaler Zustand, seine Qualia (subjektiver Erlebnisgehalt) werden dann zu Kindern seiner Offenheit innerhalb neuronaler Einbindungen.

Unser Bewusstsein ist ein neuronaler Spielplatz in uns, in den das elektrische Potential unserer Großhirnneuronen im Rahmen seiner Programme freie Schaltungen produziert, die wir dann, statisch verfestigt, als eigenständige Inhalte erleben, d. h.. hier als physische Vorgänge, als Bilder, als Ergänzungen von Gefühlen oder geistigen Inhalten, von Transmittergleichgewichten. Wir messen diesen Vorgängen nur deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil wir dadurch in unserem kulturell geprägten Selbstverständnis uns selber eine besondere Bedeutung zusprechen können, eine Bedeutung, die der einzelne genau genommen in der Natur, im Universum, im Dasein nicht besitzt. Seine tatsächliche Bedeutung liegt in seinem Standort, den er im Universum einnimmt und seinem evolutionären Anteil in der Kultur der er angehört. Alle anderen Bedeutungen muss er sich selber zusprechen.

Ein Bewusstsein ist eine ganzheitliche Größe, dass in seiner Komplexität sich einer linearen, kausalen Beschreibung entzieht. Wir sind für es

  • ein spezifischer Ort,
  • in einem spezifischen Raum,
  • in einer bestimmten fließenden Zeit.

Sozial versuchen wir ihm seine Orientierung zu geben über

  • den Mythos (u. a. die Religionen),
  • die Kunst (den sinnlichen Vereinzelungen),
  • die Philosophie (die rationale Erfassung des allgemeinen),
  • die Wissenschaften (die rationale Erfassung der Vereinzelungen).

Es ist ein sich in Beziehung setzen zur Umwelt. Früher war es überwiegend ein Beziehung- setzen zur Natur, heute ist es zunehmend ein sich in Beziehung setzen zu einer jeweiligen Kultur und damit ein verinnerlichtes Inbeziehungsetzen zu einer Ideologie. Es stellt das Zentrum unseres Selbstverständnisses dar und erlaubt uns unsere subjektive Teilnahme an der Welt. Das Bewusstsein steht für die geistige Reaktion und Beschäftigung außerhalb des Instinkthaften. Das abstrakte Denken und Planen in eine Zukunft (die außerhalb instinktiver Abläufe stehen) gehören dazu.

Unser Bewusstsein stellt eine neuronale Verharrungskonstellation dar, die in uns ein bestimmtes Bild schafft, dem wir neuronal weiter folgen können. Seine Wege sind uns noch weitgehend unbekannt und so behelfen wir uns mit der Setzung des Qualia-Begriffs, der Vorstellung, dass wir unsere innere Subjektwelt (zurzeit noch) nicht mit Hilfe unserer materiellen Objektwelt erklären können. Die existentiellen Bereiche die für unser Bewusstsein über das Kausale, das Existentiell-Nützliche hinausgehen, z.B. das Erleben von Musik, verbinden wir zu ihrer geistigen Erfassung mit Orientierungsbildern, Orientierungswerten, oft umgeben von mythischen Bildern, die dann in uns unseren Orientierungskern darstellen.

Unser Bewusstsein schafft uns ein Bild von der Realität, von einer Realität, die genau genommen nur einen zeitabhängigen bequem zurechtgelegten Irrtum darstellt, einer Realität, die uns im Rahmen unseres Umfeldes uns nur unsere Orientierung sichert. Wir verbinden mit ihr die für uns lebenswichtigen Assoziationen, die wir mit den Werten unserer Kultur belegen. Unsere Wirklichkeit ist ein Puzzlebild unseres Gehirns. Wir nehmen in unserer Umwelt Dinge wahr, von denen unser Gehirn glaubt, dass sie für uns wichtig sind. Unser Bild von der Realität ist eine Illusion.

Wir wissen,

  • dass wir ein Bewusstsein haben (deshalb können wir Gerüche mit Bildern verbinden, Tonfolgen in großer Tiefe erleben, Farben sehen und Schmerzen empfinden),
  • dass wir als biologische Teile der Natur komplett physisch sind,
  • dass das Bewusstsein neben seinen physischen Elementen von der Übernahme sozialer, kultureller Setzungen bestimmt wird.
  1. h., dass unsere psychischen Bezüge einen physischen Hintergrund haben müssen, dass wir letztlich nur die Ausdrucksexistenzen unserer Neurotransmitter, unserer Botenstoffe darstellen. Wir können die „Wirklichkeit“ des Seins genau genommen immer nur
  • subjektiv über unsere Gehirnstrukturen und unseren Stoffwechsel und
  • objektiv über die symbolischen Bilder der Sprache und unsere kulturellen Logiksysteme in unseren Denkabläufen erfassen.

Um Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen, besitzt das Gehirn drei Möglichkeiten:

  • Wiederholungen,
  • Verknüpfungen,
  • emotionale Verknüpfungen.

Das Problem ist, wie kann man diese Filtermechanismen reduzieren, ohne die chemisch-elektrische Balance im Gehirn zu gefährden (zurzeit laufen Versuche, dies mit Hilfe von Stimulationshelmen zu erreichen).

Als ein Prägungsergebnis hat ein Bewusstsein auch immer einen geschichtlich abhängigen Bezug. Das Bewusstsein der Menschen im Mittelalter war ein anderes als das unsere. Deshalb ist es auch schwierig mit unserem Bewusstsein, die Handlungen der Menschen in früheren Epochen zu bewerten. Jeder kann das „Sein“ nur aus seinen Grenzen heraus erfassen. Es ist immer nur sein „Sein“, immer nur seine Wahrheit, die an seine Grenzen gebunden ist. In diesen seinen Grenzen sind wahrscheinlich trotz ihrer jeweiligen Einmaligkeit alle Gedankenmöglichkeiten in ihrer Allgemeinheit bereits einmal von Menschen gedacht worden.

Unser Dasein verwirklicht sich auf zwei Existenzebenen, einer bewussten und einer unbewussten. Zwar glauben wir, dass unsere bewusste Existenz unser Leben bestimmt, doch ist das ein Irrtum. Das Unbewusste bestimmt

  • alle physischen Grundfunktionen unserer Existenz (vom Herzschlag, der Atmung, Verdauung und den komplexen Bewegungsabläufen),
  • alle unsere Gefühle (und damit Wertungen) in unseren Denkabläufen,
  • alle unsere Wünsche und inneren Assoziationsvorstellungen,
  • alle unsere Motive,
  • alle unsere Orientierungen und Handlungsweisen.

Es ermöglicht uns eine schnellere Reaktion auf die Reizwelt (z. B. bei Bedrohungen) als es die bewusste Ebene erlauben würde. Unsere unbewusste Existenzebene determiniert unsere bewussten Entscheidungen. Die bewusste Ebene wurde bereits vor ihrem Aktivwerden in ihren Ansätzen durch die Prägung der Neuronenbahnen

  • durch unsere psychische Konstitution (z. B. unsere Ängste, unsere Transmittergleichgewichte),
  • unser soziales Umfeld und
  • unsere Erfahrungen entscheidend ausgerichtet.

Es bezieht sich auf

  • unsere kausale Entscheidungswelt,
  • Formen der verbalen Kommunikation,
  • den Versuch, Unbekanntes durch Hypothesen verständlich zu machen.

Von unserem Selbstverständnis her versuchen wir, unser Leben bewusst zu gestalten, doch hängen unsere Gehirnleistungen von den bereits vorhandenen Prägungen in unserem Gehirn ab. Allen unseren bewussten Gedanken sind unbewusste Prozesse vorausgegangen. Unsere Bewusstseinsinhalte sind Produkte von komplexen neuronalen Programmen, die wir, wenn sich deren Inhalte zu statischen Inhalten verfestigen, als Bilder erleben, d.h. wenn eigentlich physische Vorgänge in uns zu Gefühlen, geistigen Inhalten werden. Von hierher gesehen sind selbst unsere rationalen Kaufentscheidungen weitgehend irrational und gibt es keinen freien Willen.

Unsere Identität, unser „Ich“ spüren wir, wenn wir Informationen verarbeiten und versuchen, sie in unserem Sinne in unserer Umwelt umzusetzen. Wir können mit Hilfe unseres Bewusstseins lernen, soziale Erfahrungen zu übernehmen und neuen Situationen im Sinne einer kausalen Gedankenfolge zu begegnen. Wir verarbeiten unsere Wahrnehmungen zu Reaktionsmöglichkeiten. Wir beobachten und erkennen alles nur mit einer gewissen Oberflächlichkeit. Sie ermöglicht unserem Bewusstsein eine gewisse Entscheidungsfreiheit.

Weshalb es in der Evolution zur Entstehung des Bewusstseins kam, ist unklar. Es entstand mit dem Wachsen des Großhirns, das mit dem Verlassen der schützenden Baumwelt in die Savanne auf das Zwei- bis Dreifache anwuchs. Unser Gehirn musste lernen, schnell Wahrnehmungen zu bewerten und wurde zu dem am meisten formbaren Organ in unserem Körper. Vielleicht brauchen wir seitdem auch eine bestimmte Summe an Reizen (evtl. Ängsten), die, wenn sie unsere Lebenssituation nicht bietet, uns unser Gehirn in Form von  Phobien oder angstbereitenden Fantasien selber bereitet.

Unser Gehirn bestimmt aktiv die Wahrnehmung unseres eigenen Körpers. Das Unbewusstsein und das Bewusstsein vereinen dabei die neuronalen Aktivitäten aus den verschiedenen Hirnregionen zu Gefühlen, Bildern und Gedanken. Insgesamt sollen im Verlauf eines Tages dabei ca. 50.000 Gedanken (Schaltungen) durch das menschliche Gehirn schießen. Ständig befindet es sich in einem Dialog mit der  außerhalbe stehenden Wahrnehmungswelt.

Dabei unterscheidet sich ein normales Bewusstsein von einem Traumbewusstsein, bei dem wir keine Willensregungen mehr verspüren und auch die Eigenwahrnehmung reduziert ist. Etwa ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Die Gründe dafür (und auch für das Träumen) sind unbekannt. Die lebhaften elektrischen Aktivitätsmuster im Gehirn werden dabei durch langsame, tiefe Wellen ersetzt.

Für das Bewusstsein gibt es objektive und subjektive Kriterien:

  • Objektive: Die Schwingungsfrequenzen der Gehirnwellen können mit Hilfe von EEG-Signalen gemessen werden. So haben z. B.

0,4 –   3  Hz = Tiefschlaf (Deltabereich),

 3    –   8  Hz = Zustände tiefer Entspannung (Theta-Bereich),

 8    – 12  Hz = Zustände leichter Entspannung (Alpha-Bereich),

13   – 21  Hz = Alltagsbewusstsein,

21   – 38  Hz = Zustand einer permanenten Alarmbereitschaft,

40   – 80  Hz = evtl. der Bereich der primären Sinneswahrnehmungen

(Gamma-Bereich).

  • Subjektive: Hierher gehören u. a.
    • sinnliche Wahrnehmungen,
    • Affekte, Emotionen, Stimmungen,
    • mentale Bilder und Gedanken (ohne konkrete äußere Reize),
    • Handlungsintentionen (sich auf Handlungen beziehen),
    • Raum- und Zeitempfinden.

In einem Wachzustand können wir dabei unsere Gedanken sprachlich zum Ausdruck bringen. Wir sind handlungsfähig.

Im Schlaf bringen wir wahrscheinlich unsere Neurotransmitterspiegel wieder in ein Gleichgewicht. Er lässt sich in verschiedene Phasen unterscheiden (drei Schlafstufen mit zunehmender Tiefe und einer REM-Phase in der wir die meisten Träum haben).

Im Traum durchleben wir bildliche, nicht reflektierte Szenarien, die von unserer Gefühlswelt stark beeinflusst werden. Für eine psychische Gesundheit wird ihm eine große Bedeutung zugesprochen.

Im Koma reagiert das Gehirn nicht mehr auf seine Umwelt, ist aber noch weiterhin elektrisch aktiv.

Man geht heute davon aus, dass das Bewusstsein ein Kommunikationsergebnis der verschiedenen Hirnregionen ist. Entscheidend ist dabei die Synchronisation der verschiedenen Nervenzellaktivitäten. Es entstehen selektive Kommunikationskanäle. Über eine innere komplexe Dynamik werden hier verschiedene Informationen zusammengebracht. Die beiden großen Probleme dabei sind das

  • Kontext-Problem: Die Kenntnis der Bewusstseinsfunktionen ermöglicht noch kein Wissen über das Fühlen und Denken einer Person.
  • Qualia-Problem (Qualia = phänomenale Begriff zur Beschreibung von erlebten Inhalten): Es betrifft das Erklären eines persönlichen mentalen Erlebens. Bei ihm kommt jedem Individuum in seinem Bewusstsein eine eigene Erlebniswelt zu. Das Problem entsteht bei der Kommunikation zwischen zwei voneinander unabhängigen Bewusstseinsbefindlichkeiten. Inwieweit können sie die jeweils andere Welt nachempfinden? Liegen die Grenzen innerhalb ihrer gemeinsamen kulturellen Identität?

Die Besonderheiten des Bewusstseins sind:

  • seine Fähigkeit auf eine noch unbekannte Weise in sich empirisch nachvollziehbare Sachverhalte zu schaffen.
  • seine Fähigkeit eigene Gefühle, Gedanken und Erlebnisinhalte zu schaffen. Es ist die Voraussetzung für den Vergleich der persönlichen Befindlichkeit mit den  Gefühlen und den Gedanken anderer. (Dieser Gedanke war ein zentraler Inhalt der Descartes’schen Erkenntnistheorie und noch bei Kant die Voraussetzung allen Denkens. Heute wird es überwiegend als ein kulturelles Konstrukt angesehen).

Zu den Erforschungsschwierigkeiten des Bewusstseins gehören u. a.

  • eine Einigung darüber, was das Bewusstsein überhaupt ist.
  • die funktionale Gliederung des Gehirns als neuronales Beziehungssystem.
  • das unbewusste und bewusste, gleichzeitig aber komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Gehirnregionen.
  • die neuronale Wahrnehmungsfolge.

Existentiell leben wir in einer physischen und in einer mentalen Welt, einer realen und einer gedachten Welt, die sich zwar grundlegend unterscheiden, in unserem Gehirn aber wahrscheinlich nur in der Form verschiedener neuronaler Kontaktsysteme sich befinden, einmal in der Form „bewusster“ neuronaler Bezüge und das andere Mal verstärkt in anderen neurotransmitterbestimmten Bezugssystemen. Unsere Setzungen sind dann frei von physischen Vorgaben und können je nach unserer psychischen Grundkonstellation in unserer Fantasie den kühnsten neuronalen Kontakten, Gedanken folgen.

Die wichtigste Setzung für unsere mentale Welt ist die „Seele“. Historisch wird sie als etwas Immaterielles gedacht. Man kann über sie nur in Bildern sprechen. In der Philosophie steht ihr Gedanke im Zentrum des Körper-Geist-Problems. Für viele Menschen ist sie der Kern ihres Selbstseins, ihrer Identität. Sie hat sich in ihnen mit ihren neuronalen Gehirnstrukturen als Ausdruck deren Gesamtheit entwickelt. Über sie bildet der einzelne Mensch sein Ich. Heute denken wir: Nicht sie, in ihrer Abstraktheit gibt dem Menschen seine Orientierungsgebote, sondern die verinnerlichten moralischen Setzungen  seiner Kultur. Wir glauben an uns und damit an unseren „freien Willen“. Aber auch das ist nur eine Setzung, von der wir hoffen, dass sie uns eine größere Offenheit zulässt. Wir sind ein Teil der Natur und können das Dasein nur als Natur begreifen, d.h. nur im Rahmen deren Anschaulichkeit und deren Gesetzmäßigkeit. Alle Gedanken darüber hinaus sind Fantasie, geboren aus unseren neuronalen Grundanlagen und deren teilweisen Offenheit. Sollte es eine übergeordnete Welt geben, dann ist sie wahrscheinlich für uns auf Grund unserer erkenntnismässigen Begrenztheit nicht erkennbar. Unsere Geistigkeit ist allein ein Ergebnis unserer neuronaler Prozesse. Für die frühen Menschen, die noch keine Vorstellung von der Funktionsweise des Gehirns hatten, war die Seele das Unkörperliche, Unsterbliche. Für Platon war sie der Zugang zu den „reinen Ideen“, für Aristoteles das „belebende Prinzip“ (das er von den intellektuellen Fähigkeiten, dem Geist unterschied).

Durch unser Verhalten können wir unsere Gehirnaktivitäten beeinflussen. Durch Aktivitäten (Bewegung, Sport)

  • kann die Anatomie unseres Gehirns beeinflusst werden,
    • vergrößern sich verschiedene Hirnareale (u.a. der frontale Kortex; seine altersbedingte Schrumpfung kann dadurch aufgehalten werden),
    • regt die Neubildung und Aktivität von Nervenzellen Im Hippocampus an (= Gedächtniszentrale des Gehirns),
    • verbessert die Signalleistung der Nervenzellen,
    • fördert die Durchblutung des Gehirns.
  • werden die Aktivitäten im präfrontalen Kortex gesenkt (dadurch treten Sorgen und Ärger in den Hintergrund),
  • steigt die Dopaminausschüttung im Hirnstamm (wichtig im Belohnungssystem und für die Bewegungssteuerung),
  • gelangt mehr Tryptophan ins Gehirn (hilft bei der Verarbeitung von Emotionen).
  • senkt die Ausschüttung von Cortisol  (erleichtert den Stressabbau, ein zielgerichtetes Verhalten und verbessert die Gedächtnisleistungen).

Unser Bewusstsein geht aus unseren neuronalen Aktivitäten hervor. Wir wissen nicht, was sein idealer Zustand ist. Wahrscheinlich das harmonische Gleichgewicht seiner Botenstoffe in seiner spezifischen Abhängigkeit zu seiner vorgegebenen DNA. Als komplexe Summe synaptischer Schaltungen erhält es seine frühen Prägungen, Ausrichtungen durch seine Umwelt. Noch kennen wir nicht den Code nach dem es funktioniert. Wahrscheinlich wird dessen Kenntnis es verstärkten Manipulationen aussetzen, vielleicht so umfangreich,  dass der historische Homo sapiens Geschichte sein wird und an seine Stelle als nächste Evolutionsstufe der Homo digitalensis treten wird.

Ob Tiere ein Bewusstsein besitzen, vergleichbar dem des Menschen, ist unklar. Erwiesen ist, dass sich viele Tierarten im Spiegel erkennen können (u.a. Affenarten, Delphine, verschiedene Rabenvögel und auch Schweine). Viele von ihnen entwickeln ein Schmerzbewusstsein. Inwieweit sie dann diese auch noch bewusst verarbeiten, ist unbekannt. Die heutige Forschung geht davon aus, das verschiedene Affenarten über sich reflektieren können (J. David Smith-Versuche). Durch das menschliche Bewusstsein ist dessen Leben (wahrscheinlich) vielschichtiger als das der Tiere.

Die Identität

Jedes Individuum ist für sich der Mittelpunkt seines Seins und damit der Mittelpunkt seiner Gefühle und seines Denkens. Da jeder für sich der Bedeutendste ist, ist sein Blick für seine allgemeine Bedeutungslosigkeit völlig verstellt. Seine Erkenntnisse, Weltsichten und Bedeutungsinhalte reichen nur so weit wie seine Kultur- und Gruppenbedeutungen vorhanden sind und dies auch nur in den Grenzen seiner persönlichen Betroffenheit.

Jeder ist der Gefangene

  • seiner Gene,
  • seines Stoffwechsels,
  • seiner Kultur,
  • seiner Umwelt.

Er ist bei all seiner Authentizität nur ein Gefangener seiner Vorgaben, die er persönlich auszuleben versucht. Jeder lebt in den Mauern seines persönlichen Gefängnisses. Die Probleme beginnen dann, wenn der Betroffene versucht, diese über seine Umwelt zu stülpen (z.B. über seine Frau, seine Kinder, Abhängige) oder sie so eng zieht, um sich dort dann in Fantasiewelten einzurichten. Die Umwelt kann dann diesen Vorgängen oft nur hilflos zusehen.

Jede Existenz steht in Wechselbeziehungen zu

  • ihrer Vergangenheit,
  • ihrem sinnlichen Gegenüber,
  • ihren projektierten Zukunftsvorstellungen.

Dabei kann sie die Welt nicht „objektiv“ sondern nur auf dem Hintergrund ihrer physischen Stoffwechselabläufe erleben. Alle ihre persönlich erfahrenen Wahrnehmungen sind dann subjektiv. Als subjektiv kann dann nur ein sozialer, kultureller Konsens empfunden werden, der als wahr betrachtet wird und an den man sich in seinem Verhalten orientieren kann.

Unser Bewusstsein entspricht unserem „Ich“ und ist ein genetisch angelegtes und sozial ausgerichtetes Ergebnis, das in seiner Ganzheit seinen jeweiligen neuronalen Prägungen folgt, – einer von einer Reizwelt ausgelösten molekulare Produktion von Tranmittern, von denen man bis heute nur die wenigsten kennt und auch deren Zusammenspiel sich zur Zeit noch unserem Verständnis entzieht.

Identität bedeutet Authentizität mit seinem inneren Orientierungssystem, d.h. ein „bei sich sein, in sich ruhen“, „ein sich selber gefunden haben“. Man ist dadurch selbstsicher und glaubwürdig. Das Gegenteil wäre innerliche Leere, Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit. Über ein solches Bewusstsein erhält der Einzelne

  • seinen inneren Halt,
  • seinen Lebenssinn,
  • seine Orientierung hinsichtlich seiner Wertvorstellungen,
  • sein Gefühl eines erfüllten Lebens, über das er so etwas wie echtes Glück verspüren kann.

Das Ich in seiner Authentizität findet dann seine Bestätigung in

  • seinem Gegenüber,
  • seiner Umwelt,
  • seinem Tun,
  • einem Anderen,
  • in denen, in den sich der einzelne je nach seiner psychischen Befindlichkeit in einer Antwort wiederfinden kann.

Kein Mensch gleicht einem anderen. Jeder wird dadurch zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit (wobei unklar ist, was eine solche tatsächlich ist). Noch wissen wir nicht

  • wie und wie weit sich Genetik und Umwelt gegenseitig beeinflussen,
  • welche Mechanismen dann das Verhalten eines Menschen steuern,
  • weshalb bestimmte Charaktere sich so und nicht anders entwickeln.

In dieser Unsicherheit hat man Zuflucht zu fünf Persönlichkeitsmodellen gesucht, bei denen man zu fünf Haupteigenschaften 112 Eigenschaften zugeordnet hat:

  • Extraversion: Offen, gesprächig, dominant, energisch, sozial, abenteuerlustig u. a.,
  • Verträglichkeit: Feinfühlig, freundlich, mitfühlend, großzügig u. a.,
  • Gewissenhaftigkeit: Zuverlässig, sorgfältig, praktisch, verantwortlich u. a.,
  • Neurotizismus:Emotionale Instabilität: reizbar, launisch, ängstlich, nervös u. a.,
  • Offenheit: breit interessieret, wissbegierig, phantasievoll, geistreich u. a.

Durch diese Eigenschaften können sich Menschen ihr Leben einfach und sorglos gestalten oder sich selber behindern. Jede Persönlichkeit entwickelt sich innerhalb einer eigenen Dynamik und zeichnet sich relativ früh ab. Sie wird bereits bei Dreijährigen beobachtet:

  • bei Zuversichtlichen, die später Extravertiert waren,
  • bei Zurückhaltenden, die später introvertiert waren,
  • bei Unbeherrschten, die später intolerant und unzuverlässig waren,
  • bei Gehemmten, die später zurückhaltend waren.

Jede schafft sich ihre eigene Umwelt und diese wirkt danach verstärkend wiederum auf sie ein. Der Einfluss der Eltern auf den Charakter ihrer Kinder ist in unserer Gesellschaft dabei relativ gering Sie können ihnen nur Angebote unterbreiten, ihnen zunächst helfen, ihre Umwelt mitzugestalten. Wichtiger für sie sind ihre selbst gewählten Freunde. Gegen die Prägungen in einem Gehirn lässt sich die Persönlichkeit eines Menschen nicht komplett umkrempeln.

Welchen jeweiligen Anteil auf eine Persönlichkeit die Gene, bzw. die Umwelt haben, ist umstritten. Allgemein wird jedem dieser Kriterien heute die Hälfte zugesprochen. Jeder steht in komplexen Wechselwirkungen zu seiner Umwelt (Zeitgeist, Bildung, Ernährung) und auf jeden wirken epigenetische Einflüsse ein. So sollen der Intelligenzquotient beeinflusst werden u. a. durch:

  • Bildungsorientierung und Status der Eltern,
  • Wohnumgebung,
  • Freunde und Verwandte,
  • Medienkonsum,
  • Beziehungen zu Gleichaltrigen,
  • Stellung im Kindergarten und der Schulklasse,
  • persönliche Erfolge und Misserfolge.

In jedem Menschen befindet sich eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten. Welche letztendlich dann zum Tragen kommen, ist oft nur das Ergebnis früher Förderungen. Am Ende dieser Chancen hat dann jeder nur noch die Möglichkeit sich seiner Existenz zu stellen, seinem Leben einen eigenen Sinn zu geben.

Das Problem in unserer Gesellschaft ist deren extreme individualistische Ausrichtung, in der jeder seine jeweilige psychische Befindlichkeit ausleben kann. Sie zielt auf ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit, auf eine größtmögliche Selbstverwirklichung im Rahmen seiner Identitätsfindung und dürfte kreativ und erkenntnismäßig sehr fruchtbar sein. Andererseits zeichnet sich eine gesellschaftliche Überforderung durch die Vielzahl der individuellen, oft kaum auslebbaren Bedürfnisse ab und eine kaum noch befriedigende Steuerbarkeit unserer sozialen Systeme. Anfällig für jede Manipulation und damit die Vorhaben einzelner Interessengruppen dürfte sie über eine soziale Orientierungslosigkeit letztendlich zum Untergang der Menschheit führen, – nicht sofort, aber innerhalb einer zukünftigen Generation, wenn eine zukünftige Evolutionsstufe, der man wegen der Freiheitssysteme keine anthropogene Ausrichtung geben konnte, über den historischen Menschen hinweggegangen ist. Durch unsere Bedürfnisse gegenüber begrenzten Naturressourcen verhalten wir uns wie ein Parasit, der seinen Wirt in dessen Tod begleitet. Gepaart mit den digitalen Möglichkeiten in einer globalen Welt bedeutet die Entfesselung der menschlichen Gehirne, deren uneingeschränkte Bedürfniskultur im Rahmen ihrer Identitätspflege das Beschreiten eines Weges in den menschlichen Untergang.

Das Selbstbewusstsein

Unser Selbstbewusstsein ist unser Selbstwertgefühl. Wir erfahren es als Subjekt, als Ausdruck unseres „Ichs“, als unser Selbst. In der Philosophie stand es als Subjekt lange Zeit in dem Mittelpunkt ihres Denkens:

  • für Descartes stand es im Zentrum seiner Erkenntnistheorie (gebunden an seine dualistische Metaphysik),
  • für Kant stand es für die „Bedingung, die alles Denken begleitet,
  • heute sehen wir in ihm weitgehend ein kulturelles Konstrukt, das im Verlauf der ontogenetischen Entwicklung eines Individuums entstanden ist.
  • Es ist das Zentrum eines persönlichen Orientierungssystems, der Hintergrund eines Ichs in seiner Beziehung zur Welt.

Zu einem Selbstbewusstsein gehören

  • der Hintergrund persönlicher Emotionen. Erst sie geben den empfangenen Reizen, bzw. Informationen ihre Farben, ihren Wertecharakter, ihren Bedeutungsgehalt, über die dann der einzelne diese bewertet und für seine persönliche Orientierung nutzen kann.
  • der Hintergrund einer Sprache. Erst sie gibt den jeweiligen Inhalten den in ihnen verankerten Symbolgehalt, ihren kulturellen Bildcharakter, der ihre Inhalte erst kommunikationsfähig macht. Erst über ihre Logiksysteme konnte in einem zweiten Schritt Kultur entstehen. (Dieser Gedanke beherrschte in Form der analytischen Philosophie die gesamte westliche Philosophie des letzten Jahrhunderts).

Ob es im Tierreich Ansätze eines Selbstbewusstseins gibt, wissen wir nicht. Anfängliche Indizien (die Selbsterkenntnis im Spiegel, evtl. die Reflexion von Erfahrungen) scheint es bei Menschenaffen, Elefanten, Delphinen und Rabenvögeln zu geben.

Wer wir sind, bestimmen unsere Gene (zu etwa 50 %) und die Umwelt unserer ersten Lebensjahre. Sie bestimmen auch unsere Haltung uns selbst gegenüber, unser Vertrauen in unsere Fähigkeiten und unsere Zufriedenheit mit unserem Leben. Mit fünf Jahren ist die spätere Persönlichkeit bereits im Wesentlichen vorgezeichnet. Das Gehirn besitzt zu diesem Zeitpunkt bereits zu 90 % die Ausdifferenzierung eines Erwachsenen. Mit dem Abschluss der Adoleszenz (Anfang 50) ist eine Persönlichkeitsbildung dann abgeschlossen. Spätere Änderungen werden dann nur noch von persönlichen Umfeldbestätigungen beeinflusst.

Ob es im Gehirn für das Selbstbewusstsein einen speziellen Ort gibt, weiß man noch nicht. Vermutet wird eine Beteiligung mehrerer Hirnregionen. Beeinträchtigungen bei Hirnerkrankungen lassen Gerhard Roth je nach deren Verortung acht verschiedene „Ichs“ vermuten:

  • Körper- Ich:

Das Gefühl für den eigenen Körperbezug.

  • Verortungs-Ich:

Das Gefühl für den Ort an dem man sich befindet,

  • perspektivische Ich:

Das Gefühl für die Stellung zur Außenwelt,

  • Ich als Erlebnis-Subjekt:

Das Gefühl für das Eigenerleben,

  • Autorschafts- und Kontroll-Ich:

Das Gefühl für die eigenen Gedanken und Handlungen,

  • autografisches Ich:

Das Gefühl für die eigene Kontinuität,

  • selbst-reflektiertes Ich:

Die Fähigkeit sich selbst zu sehen,

  • ethisches Ich:

Das persönliche Gewissen.

Das bedeutet, dass unser Gesamt-Ich ein Gebilde verschiedener Funktionssysteme ist, die jeweils mehrdimensional arbeiten und bei verschiedenen Menschen jeweils verschieden ausgeprägt sein können.

Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl besitzen in ihrem Blut einen hohen Dopamin-Spiegel. Eine Folge davon ist eine große Bereitschaft ihrer grauen Zellen zur Informationsverarbeitung, die in einer verstärkten Neugier der betreffenden Person zum Ausdruck kommt. Dieser Umstand zeigt, dass unser Selbstgefühl, bzw. alle unsere Gefühle von chemischen Substanzen im Körper, von Hormonen, Neurotransmittern abhängig ist. Man kann ihre Ausschüttung, z. B. die von Dopamin, künstlich fördern (z. B. durch Kokain auf das Dreifache steigern), doch bringen solche Stoffwechseleingriffe uns aus unserem inneren Gleichgewicht und können in uns Psychosen einleiten, uns süchtig und krank machen.

Jeder Mensch sollte sich seinen ihm gemäßen Bereich der Selbstbestätigung suchen, in seinem Tun, in seinem sozialen Umfeld. Wichtig dabei sind seine persönlichen Wertorientierungen wie Mitmenschlichkeit, Echtheit und Zuverlässigkeit. Sie wirken in der persönlichen Lebensführung sinnbestätigend. Besonders negativ wirken sich für die persönliche Identität Belastungen aus. Sie stellen einen Angriff auf das persönliche Selbstwertgefühl dar und können zu Resignation und Aggression führen. Förderlich für ein besseres Selbstbewusstsein können sein:

  • bestätigende soziale Kontakte,
  • eine Verbesserung der beruflichen Kompetenz (z. B. durch eine berufliche Weiterbildung),
  • kreative Freizeitbeschäftigungen,
  • sportliche Betätigungen,
  • Entspannungstechniken (z.B. Meditationsübungen, Yoga, autogenes Training).

Unsere Lebenszufriedenheit hängt von unserer körperlichen und mentalen Stärke ab, und dabei letztlich von unserer Selbstkontrolle und Willensstärke. Indem wir unserem Leben ein Lebensziel geben, einen Lebenssinn und auf dieses beharrlich hinarbeiten, begleiten wir uns selber zu uns hin, zu unserer Mitte, und dann ist es egal, was um uns ist. Wir sind dann bei uns selber angekommen. Wir können uns nicht entkommen, aber uns selber nicht finden und dann zutiefst unzufrieden, unglücklich oder sogar krank werden.

Unsere Persönlichkeit wird von einem (imaginären) Gleichgewicht unserer Transmitter bestimmt. Wir sind nur deren Ausdruck. Man bekommt dies sofort bei deren Veränderung zu spüren. Sei es durch

  • Stress,
  • Krankheiten,
  • nach Unfällen.

Alle Stoffwechseländerungen, -störungen führen zu einer anderen Persönlichkeit. Dieser Umstand ist weitgehend genetisch vorgegeben, bzw. wird, besonders in jungen Jahren, epigenetisch vorgeprägt. Persönlichkeitsstörungen (ungesunde Verhaltensmuster, oft verbunden mit einem mangelnden sozialen Urteilsvermögen) lassen sich bei ca. 5 – 10 % der Bevölkerung beobachten. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  • Unangepasste (u. a. schizoide und paranoide Störungen),
  • emotional Instabile (u. a. narzisstische, antisoziale und Borderline-Störungen),
  • Angstgesteuerte (u. a. selbstunsichere und zwanghafte Störungen).

Je nach Alter unterscheidet man heute drei verschiedene Persönlichkeitstypen:

  • Unterkontrollierte (unter 30 Jr., ca. 40 % der jungen Erwachsenen):
    • wenig verträglich und wenig gewissenhaft,
  • resiliente Persönlichkeiten (viele reifen dazu ab dem 30. Lebensjahr, jetzt 20%  unkontrolliert, 50 % resilient):
    • leistungsfähiger,
    • höheres Selbstwertgefühl,
    • allgemein psychisch stabiler,
  • über 70 nochmalige Persönlichkeitsänderung
    • ohne typische Reifungsmuster, der Abstand zum Tod wird zu einem wichtigen Kriterium.

Unser jeweiliges Problem ist, dass wir immer nur uns selber als Bezugskriterium besitzen und deshalb anderen Persönlichkeitsstrukturen genau genommen nur selten gerecht werden können. Persönlich kann man für sich in seinem Gehirn sehr enge Grenzen bauen und dann seinen existentiellen Reichtum in einer Fantasiewelt suchen. Als Betroffener richtet man sich dann in einer geistigen Welt bequem ein, meidet seine Umwelt und lebt seinen Traum. Je nach dem Blickwinkel von außen und den Trauminhalten kann man einem solchen Betroffenen dann einen Asketen, einen Lebensfremden oder einfach nur einen Existenzarmen nennen.

Die Verkörperung eines jeden Menschen stellt dessen Gehirn dar. Seine Prägungen und Stoffwechselabläufe bestimmen seine Persönlichkeit. Über sein Gehirn schafft sich das Subjekt seine Wirklichkeit und über sein Gehirn orientiert es sich in der Welt. Seit der Geburt entwickelt es sich in dem Spannungsfeld einer Suche nach Geborgenheit und älter werdend zunehmend der Suche nach einer freiheitsorientierten Autonomie. Zwei Kriterien, deren Suche tief in uns im Verlauf unserer Evolution verankert wurde und an deren Überbetonung eines Aspekts wir in unserer Kultur jeweils zunehmend scheitern. Auf der Suche nach seinem Selbst muss jeder versuchen, sie in ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Ansonsten bleibt er zwar von außen gesehen er selbst, aber in seiner Freiheit ohne die Wärme einer Geborgenheit. Er kann in seinem Leistungswillen und Machtstreben zwar erfolgreich , in seinen Intimitätsbedürfnissen aber völlig vereinsamt sein, was zu sozial krankhaften Verformungen seiner inneren Prägungssysteme führen kann.

Bereits im Mutterleib und danach die Umwelt formen sie die spätere Persönlichkeit. Sie wird von dem Zusammenspiel der verschiedenen Netzwerke im Gehirn bestimmt, indem sie zu unterschiedlichen Schaltungen der neuronalen Verbindungen führen. Sie entscheiden danach über die Aktivitäten in den verschiedenen Hirnregionen (so kommt bei ängstlichen Menschen der Amygdala eine Schlüsselrolle zu, weil sie bei ihnen besonders aktiv ist).

Erst sein Gehirn macht einen Menschen zu dem Menschen der er ist. Es ist der Sitz

  • seiner Emotionen,
  • seiner Denkfähigkeit,
  • seines Bewusstseins (deren Einheit der Emotionen und der Denkfähigkeit in ihrer Ganzheit).

Es beinhaltet unsere

  • Erinnerungen (unsere Vergangenheit),
  • Projektionen ( unsere Zukunft),
  • Identität (unser Ich),
  • Kommunikationsfähigkeit,
  • Handlungsfähigkeit,
  • Welt (unsere Kultur).

Es arbeitet immer, weitgehend unbewusst und speichert seine Erinnerungen.

Es verändert und verdrahtet sich ständig neu, indem es neue Informationen aufnimmt

(andere vernachlässigt) und neue Synapsen schafft.

Es enthält auf dem Hintergrund seines einmaligen genetischen Hintergrundes, dadurch sein

einmaliges Profil und sein Besitzer seine einmalige Identität.

Es kann gefördert werden durch:

  • regelmäßige Bewegung (Förderung des Herz-Kreislaufsystems, Sport),
  • stoffwechselgerechte Ernährung,
  • soziale Kontakte,
  • ständige Anregungen (Beschäftigungen mit Neuem),
  • kreative Tätigkeiten,
  • Musik (wobei unterschiedliche Musikarten verschiedene Gehirnareale anregen).

Durch sein Gehirn erhält der Mensch die Art seines Gedächtnisses. Sein Erinnern wird zu seinem persönlichen Besitz, zu seiner Lernfähigkeit und zu seiner Fähigkeit zur Kommunikation.

Unser Gehirn bestimmt unsere Persönlichkeit. Unsere Subjektivität ergibt sich dabei aus der Einmaligkeit unserer genetischen Ausgangssituation und der Einmaligkeit unserer sozialen Prägungen. Je nachdem welche Areale in ihm in welchem Umfang verstärkt oder vermindert angeregt werden, entwickelt sich ein anderer Mensch. Wie dies im Einzelnen abläuft, ist noch unklar. Wir wissen z. B. noch nicht befriedigend, wie sich die „Moral“ oder unser „Geruchsinn“ sich entwickeln. Frühkindliche Erziehungsprozesse sind in der Welt nicht universell. So fördern z. B. die westlichen Kulturen stärker als die afrikanischen oder asiatischen Kulturen die Ichbezogenheit, d. h. das „Ich“ anstelle des „Wirs“. Bei uns wird verstärkt die linke Gehirnhälfte betont, die uns stärker von der realen Welt entkoppelt. Damit entwickeln sich bei uns stärker andere Persönlichkeitsmerkmale. Menschen bei denen die rechte Hirnhälfte stärker ausgeprägt wurde, neigen eher zu magischem und esoterischem Denken. Praktische Auswirkungen haben die verschiedenen Hemisphärenausrichtungen z. B. in der Schule bei der jeweiligen Betonung verschiedener Unterrichtsmethoden. So kommen synthetischen Lehrmethoden verstärkt den Schülern entgegen, bei denen die linke Hirnhälfte dominiert und ganzheitliche bei denen die rechte Hälfte stärker ausgebildet ist.

Unsere Erziehung zielt stark auf das Selbstbewusstsein eines jeden Menschen, seine Identität, seine freie Entfaltung als Individuum. Rational spricht vieles dafür. Das persönliche Glück über das Menschliche, das Emotionale lässt sich darüber aber nur schwer finden.

Das Unbewusste

Wie das Herz oder die Lunge ist auch das Gehirn immer aktiv. Noch im tiefsten Koma regelt es die Blutzirkulation, die Atmung und die Verdauung.

Freud verdanken wir die Erkenntnis, dass

  • die meisten geistigen Prozesse unbewusst gesteuert werden,
  • die Grundlagen dafür bereits in der frühen Kindheit gelegt werden,
  • die unbewussten Verhaltensweisen anderen Gesetzen folgen als die bewussten,
  • negative Erinnerungen verdrängt, bzw. kompensiert werden,
  • verdrängte Erinnerungen durch „Erfindungen“ ersetzt werden („Konfabulationen“; die Welt wird sich so geschaffen, wie man sie gerne sieht).

Er erkannte das Vorhandensein einer inneren instinktgesteuerten Kommandozentrale (das “Es“).

Seit 1979 wissen wir (durch Benjamin Libet), dass neuronale Impulse bereits lange vor deren handlungsbezogenen Bewusstheit einsetzen und dass unsere unabhängige Willenssteuerung wahrscheinlich weitgehend nur eine anthropogene Illusion ist. Anscheinend werden in unserem Gehirn alle unsere Sinneseindrücke bereits lange vorher miteinander verknüpft, bevor wir diese als solche wahrnehmen. Wir erleben das Unbewusste in uns gelegentlich als Intuition. In Bruchteilen von Sekunden hat das Gehirn (bzw. der Bauch) bereits seine Entscheidungen getroffen, lange bevor wir diese artikuliert oder ausgeführt haben. Über das uns Bekannte bekommt dann das Unbekannte in uns seine Konturen.

Unser Gehirn steuert sein Denken nach seinen vorangegangenen Erfahrungen (bzw. seinen verinnerlichten Kompensationswelten). Auch das Unbewusste baut auf gespeicherten Sinneseindrücken und lässt sich nachdrücklich nur schwer beeinflussen, bzw. oft kaum therapieren. Es wird von den tiefen Regionen des limbischen Systems gesteuert. Versucht wird dann, alte Verhaltensmuster durch ständige Einübungen umzuprogrammieren, d. h. durch „bessere“ zu überschreiben. Nur schwer ändern lassen sich das Temperament oder die Charakterzüge eines Menschen. Erfolgreich kann man bei der Behandlung von Angstzuständen, Suchtkrankheiten und Depressionen sein. Nicht therapierbar sind wahrscheinlich antisoziale Persönlichkeiten.

Einen großen Einfluss auf unser Unbewusstsein scheinen unsere Nervenzellen im Darm und unser Mikrobiom zu haben. Das bedeutet, dass genau genommen unsere Persönlichkeit von drei biologischen Daseinswelten bestimmt wird: Unserem

  • Kopfhirn: = unserem zentralen Nervensystem,
  • Darmhirn = unserem enterischem Nervensystem mit ca. 200 Mio. Nervenzellen.

In der Evolution der biologischen Welt existierte es bereits vor dem Kopfhirn. Beide Hirnbereiche nutzen für ihre Tätigkeit Neurotransmitter. So beeinflusst das Serotonin im Kopf weitgehend  unser Wohlbefinden, im Bauch unser Immunsystem. Die Kommunikation der beiden Nervensysteme erfolgt über dem Nervus vagus.

  • Mikrobiom (man weiß über dieses relativ wenig):

Ein Mensch soll in seinem Darm ca. 2 – 3 kg Bakterienmasse besitzen, die von ca. 100 Mrd. Bakterien gebildet wird. Die wenigsten Arten kennt man. Während der Mensch nur ca. 23.000 verschiedene Gene haben soll, vermutet man bei seinen Bakterien ca. 3 Millionen. Sie verwandeln u.a. seine Nahrung in Energie und beeinflussen seinen Stoffwechsel in seinem Gehirn und  damit seine Persönlichkeit. Eine menschliche Existenz ist von ihrem bakteriellen Ökosystemen in sich abhängig. Es entscheidet weitgehend über seine Krankheiten und sein  Wohlbefinden.

Erst diese drei Daseinswelten gemeinsam bestimmen in ihrer Komplexität die Persönlichkeit eines Menschen.

Die Gefühle

(In der Wissenschaft besteht über das Verständnis der Begriffe „Emotion“, „Gefühl“ und Trieb“ zurzeit keine Einigkeit. Wir verstehen darunter, angelehnt an Antonio Damasio:

  • Emotionen: Sie sind unbewusste Regungen, die unser Denken beeinflussen (man unterscheidet dabei heute sechs Universalemotionen: Angst, Wut, Trauer, Freude, Überraschung, Ekel).
  • Gefühle: Sie sind das sprachlich bewusst Fassbare (z. B. „ich habe Angst“). Sie stehen für wechselnde Ichzustände.
  • Triebe: Sie erfassen unsere Bedürfnisse, die wir in Handlungen umzusetzen versuchen).

Unsere Hirnleistungen beruhen auf emotionalen und rationalen Abläufen. Während für unsere körperliche Gesundheit unser Immunsystem sorgt, sind es für unsere geistige Gesundheit unsere Emotionen. Beide verkörpern in uns eine Einheit. Unser gesamtes Dasein wird von Gefühlen gesteuert, unser ganzes Gehirn von ihnen beherrscht:

  • in seinem unteren Bereich vom Stammhirn,
  • in seinem mittleren Bereich vom limbischen System (besonders der Amygdala und dem Hypothalamus),
  • in seinen oberen Teilen von der vorderen Großhirnrinde.

Die Amygdala überprüft unsere Wahrnehmungen auf ihre Bedeutung hin und der Hypothalamus und die Neuronenzentren des Hirnstamms lösen die eigentlichen Emotionen aus. Typische elektrische und hormonelle Reaktionen führen dann zu körperlichen Reaktionen.

Unsere Gefühle sind ein Ergebnis unserer Evolution. Ausgehend von einem uralten Alarmsystem haben sie sich in uns durch ihre ständige Verfeinerung zu unserem Hochempfindlichen Genusssystem ausgeweitet:

  • Auf ihrer untersten früheren Ebene dienten sie zur Steuerung unseres Stoffwechsels, unserer Reflexe und zum Schutz unseres Immunsystems.
  • Auf der nächsten Ebene bewahrten sie uns vor Schäden (z. B. durch unser schmerzempfinden).
  • Auf einer dritten Ebene bildete sich dann unsere Triebwelt aus (u. a. mit den Gefühlen für Hunger und Durst, Sexualität, unser Belohnungs- und Bestrafungsempfinden).
  • Auf der obersten, komplexeste n Ebene entwickelten sich dann unsere teils bewussten Gefühle wie Angst, Freude Trauer und Hass.

Das einmal Entwickelte blieb erhalten und wurde in der Folgezeit in die komplexeren Strukturen eingebettet. Durch unsere Sinnesorgane und unsere Emotionen können wir viel schneller lebenserhaltend reagieren als über unseren viel langsameren Intellekt. Wer nicht emotionsfähig ist, ist nicht lebensfähig.

Willentlich lassen sich unsere Emotionen nicht ändern. Sie sind genetisch vorgeprägt (alles was uns steuert, basiert letztlich auf genetischen Reaktionsmustern), und stellen in uns fertige Reaktionsmuster dar. Unser heutiges Problem ist, dass sie immer noch auf eine Welt der Säbelzahntiger und Mammuts ausgerichtet sind, um uns vor möglichen Gefahren zu schützen und wir heute  nicht mehr ausgerichtet sein sollten, unsere Probleme mit einer Keule zu lösen. Wir haben gelernt, viele unserer Gefühle mit kulturellen Werten zu belegen und ihnen damit eine gewisse Orientierung zu geben (z.B. unserem Sexualtrieb). Anders als unsere einfachen Reaktionen wirken bei den höheren Regungen zunehmend kulturelle Vorgaben in unsere Prägungsmechanismen hinein. Allerdings lassen sich tief in uns verwurzelte Emotionen (wie z. B. die Angst) nicht durch kulturelle Errungenschaften beeinflussen.

Ausgehend von reizauslösenden Situationen werden unsere Emotionen bestimmt von:

  • den Gleichgewichten unter den Hormonen,
  • den Gleichgewichten unter den Botenstoffen in den verschiedenen Gehirnarealen (vom Hirnstamm bis zur Großhirnrinde),
  • dem Herzkreislaufsystem.

Bei unseren ständigen Wahrnehmungen werden wir von einer ständigen Emotionsfülle durchflutet, von unbewussten, längst abgelegt geglaubten Emotionen, wie auch von aktuellen nicht bewussten Erinnerungen und Sorgen.

In der Amygdala mit ihren vielen neuronalen Kernen werden unsere Wahrnehmungen emotional bewertet und je nach ihrer Bedeutung als Information im Langzeitgedächtnis abgespeichert (Unbedeutendes wird nicht registriert).

Hinter allen unseren rationalen Entscheidungen stehen Emotionen, nach allen Entscheidungsfindungen emotionsbegleitende Faktoren. Es gibt keine rationalen Entscheidungen ohne einen emotionalen Hintergrund. Noch in der klassischen philosophischen Tradition wurden Ratio und Emotion als Gegensätze gesehen. Es ist ein Merkmal der Moderne sie als komplexe Einheit zu sehen. Sie sind die Kommunikations- ergebnisse zwischen Gehirn und Körper, und wir spüren sie nur dann, wenn das Gehirn sie im Rahmen körperlicher Veränderungen oder bestimmten Zusammenhängen wahrnimmt.

Alle unsere Emotionen sind die Ergebnisse von Botenstoffgleichgewichten (Neurotransmittergleichgewichten). Durch Drogen können ihre Funktionen in ihrer Ausschüttung beeinflusst (gehemmt oder gefördert) oder initiiert werden. Sie scheinen die neuronalen Netze der Belohnungszentren zu beeinflussen. So spielen wahrscheinlich Ungleichgewichte bei den Monoaminen bei vielen Krankheiten eine Schlüsselrolle (z. B. bei Depressionen, Parkinson, Schizophrenie). Zu ihnen gehören u. a. Dopamin, Serotonin und Adrenalin. Für die positiven Gefühle (z. B. Freude) scheint verstärkt die linke Gehirnhälfte zuständig zu sein, während für die negativen Gefühle (z. B. Trauer) es die rechte Gehirnhälfte ist. Unser gesamtes Liebesglück lässt sich als ein Transmitter- und Pheromonergebnis darstellen:

  • Partnersuche: Verstärkte Östrogen- und Androgenausschüttung

(Auswahlkriterien konzentrieren die Wahlenergie auf eine Person).

  • Verliebt sein: Verstärkte Aktivität des Nukleus caudatus, des Putamens, der

Inselrinde, des Gyrus cinguli und des Kleinhirns.

  • Bindungsgefühl: Zunächst wahrscheinlich durch eine verstärkte Serotonin- , danach

einer Oxytocinausschüttung

(besonders später in der Mutter-Kind-Beziehung).

  • Glücksgefühle: Durch Neurotransmitter des Hypothalamus, Nucleus accumbens

und des Septums. Besonders Dopamine lösen dann positive Gefühle aus.

Als negative Beispiele können Angst und Depressionen genannt werden:

  • Angst: Hier spielen zunächst Stresshormone eine Rolle (z. B. Adrenalin), die die

Körperorgane mobilisieren. Ein niedriger Serotonin und ein hoher Testosteronspiegel (die Mechanismen ihres Zusammenwirkens sind noch unbekannt) lösen dann ein aggressives Verhalten aus.

  • Depressionen: Verantwortlich dafür sind die Ungleichgewichte der Neurotransmitter

in verschiedenen Hirnregionen (Cortex, Amygdala, Hypothalamus). Traurigkeitsschübe durch verstärkte, bzw. verringerte Aktivitäten in den Hemisphären der Amygdala hemmen die Botenstoffausschüttungen und führen zu anhaltenden gedrückten Grundstimmungen.

  • Autismus: Hier wird zunehmend vermutet (2017), dass er das Ergebnis einer

negativen Zusammensetzung der Darmflora ist (verstärkt schädliche Clostridien und Sutterella-Bakterien und seltener positiv wirkende Prevotella und Bacteroides). Es kommt zu einer Überproduktion von  kurzkettigen Fettsäuren, die über das Blut in das zentrale Nervensystem gelangen und dort die Hirntätigkeit beeinflussen (nach Derrick MacFabe). Darmbakterien stellen u. a. die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Serotonin her und beeinflussen mit deren Hilfe unser Gefühlsleben.

In seinen neuronalen Systemen folgt unser Körper biologisch angelegten emotionalen Grundfunktionen, die uns sogar nichtsprachlich miteinander kommunizieren lassen. So versteht man in allen menschlichen Gemeinschaften ohne Worte Freude, Lachen, Angst, Ärger, Ekel oder Traurigkeit. Gefühle gehören zu den Urformen unserer Orientierung. In der Evolution haben sie eine eigene Entwicklung durchgemacht und ihr vorläufiges Ende in der Wahrnehmung des eigenen „Ichs“, der eigenen Identität bei den höheren Primaten geführt, die dann beim Menschen in einem zweiten Schritt zur Möglichkeit seiner Selbstreflexionen führte.

Letztlich bestimmen unsere Emotionen den gesamten unbewussten Hintergrund unseres Verhaltens. So dienen z. B. unsere Küsse biologisch der Überprüfung des Leukozyten-Antikörper-Codes des Gegenübers, um so zu überprüfen, ob diese gemeinsam mit den eigenen einen gesunden Nachwuchs versprechen. Gefühle

  • Sie steuern unser Tun und bestimmen die Art unserer Beziehungswelten.
  • Sie stellen die Bindeinhalte sozialer Gemeinschaften dar (Kulturen erwachsen zunächst auf einem Gefühlskonsens, der sie dann bei Erfolg selber weiterträgt).
  • Sie grenzen ab. Früher vom Ungesunden, Gefährlichen, heute vom unbekannten Fremden.

Die Emotionswelt eines Menschen ist immer einzig. Seine Blickweise ist deshalb zunächst immer subjektiv. Erst in einem gewissen kulturellen Rahmen treten Gemeinsamkeiten auf, über die man sich dann verständigen kann. Aus dieser Einzigartigkeit heraus werden in unserer Kultur die jeweilige Einmaligkeit des einzelnen Menschen und damit seine Freiheitsrechte abgeleitet, die von zwei Grundgedanken begleitet wird, einem philosophischen (geisteswissenschaftlichen) und einem sozialen.

Die geisteswissenschaftliche Grundannahme des „Quale“, die Qualia:

Sie geht davon aus, dass subjektiv erlebte Inhalte sich letztlich einem qualitativen intersubjektiven Nacherleben entziehen. Ein Zweiter kann einen Geschmack nicht genau so nachempfinden wie man selber. Unsere Wissenschaften seien nur in der Lage Außenphänomene, nicht Innenphänomene zu erklären. Ihre Objektivität erfasse keine subjektiven Wahrnehmungen. Es gäbe keine Möglichkeiten über neuronale Zustände die Existenz des einzelnen Bewusstsein zu erklären (so u. a. Leibniz). Diese Argumente basieren auf einem heute überholten Wissensstand und entstammen noch den Argumenten der historischen Geisteswissenschaften gegen die Naturwissenschaften. Hinter dem Qualia-Problem verbirgt sich die bisher noch ungelöste Frage, wie die neuronalen Prozesse in subjektive Bewusstseinsinhalte übergehen.

Für das Mentale als einer rein biologischen Größe sprechen,

  • die Tatsache, dass es ein Entwicklungsergebnis der Kindheit ist.
  • dass seine Ausrichtung kultur-, d. h. erziehungsabhängig ist.
  • dass Gehirnschädigungen es beeinträchtigen.
  • seine evolutionsabhängige Entwicklung (vor 200.000 Jahren entstand der Homo sapiens in Afrika, vor ca. 100.000 Jahren fing eine kleine Gruppe an symbolisch zu denken: ältestes Zeugnis aus der Blombos-Höhle in Südafrika: ca. 77.000 Jahre alt).
  • dass man mit Hilfe von Elektroden oder Magnetspulen am Gehirn die Aktivität der Gehirnzellen verändern kann (z. B. in Richtung einer Verbesserung der Aufmerksamkeit und der Kreativität oder der Lahmlegung bisheriger moralischer Werthaltungen).

Die soziale Grundannahme bei uns sieht in jedem Individuum zunächst ein soziales Ergebnis seiner Kultur. Ohne seinen sozialen Hintergrund hätte es sich nicht entwickeln können, und wäre es auch nicht überlebensfähig gewesen. Die neuronale Einmaligkeit des Individuums ist hier ein Aspekt seiner biologisch Evolution, als solche zugleich auf eine jeweils verbesserte Anpassungsfähigkeit an immer neue Daseinsbereiche und auf eine selbstorganisierte Reproduzierbarkeit programmiert.

Das Denken

Unser Gehirn bestimmt unser Fühlen und Denken. Letzteres beinhaltet einen inneren Prozess zur Erlangung von Erkenntnissen (Orientierungsinhalten). Bewusst sind uns davon in der Regel nur dessen in Begriffen gefasste Endergebnisse. Ausgegangen wird von

  • Prägungen (entstanden aus der frühkindlichen Umwelt, Erziehung und Erfahrungen),
  • Wahrnehmungen (empfangene Sinnesreize),
  • Gefühlen (nicht begrifflichen Intuitionen),
  • gedankliche Vorgaben (abstrakten Setzungen aus der prägenden Kultur, Konstruktionen zu Problemlösungen).

Allgemein verstehen wir darunter unsere Beschäftigung mit unseren Emotionen, Erfahrungen (zu denen unsere Erinnerungen gehören) und symbolische Abstraktionen (Bilder) unserer Kultur hin zu einem problemlösenden Ziel. Je nach seiner Orientierungsnotwendigkeit kann dies mental schnell oder mühevoll mit großen Anstrengungen erfolgen. In der Regel verläuft es in genetisch und sozial vorgegebenen Strukturen auf einem unbewussten Hintergrund. Dabei bestehen

  • die genetischen Vorgaben aus den biologischen Gehirnstrukturen und seinen instinktiven Anlagen.
  • die Strukturen des Alltagsdenkens, ein Ergebnis einer Mischung von genetischen und sozial geprägten Neuronensträngen.
  • das analytische Denken vorrangig als Ergebnis sozial geformter Logiksysteme.

Das Denken kann ohne eine bewusste Kontrolle oder verschiedene Konzentrationsgrade (Aufmerksamkeit) erfolgen. Wie es im Einzelnen neuronal, biochemisch, bzw. psychisch erfolgt, weiß man noch nicht.

Es ist weitgehend abhängig von genetischen Vorgaben, den sozialen Prägungen und den Erfahrungen eines Menschen, damit ein Ergebnis seiner Hirnschaltungen, einer Mischung aus der Kombination seiner Gedächtnisleistungen.

Man unterscheidet

  • vorbewusstes Denken,
  • unbewusstes Denken (es geht jedem bewussten Denkprozess voraus),
  • bewusstes Denken

dabei leuchten in einem in einer Entspannungsphase nach einer längeren intensiven Auseinandersetzung mit einem Problem oft wichtige Ergebnisse plötzlich auf; Bollnow: „fruchtbare Moment“).

  • analoges Denken (spontan assoziativ).

Durch seine sozialen Prägungen haben sich verschiedene Denkstile entwickelt:

  • analytisches Denken: Es ist
    • weitgehend individuell geprägt,
    • ignoriert oft das Umfeld des Betrachtungsgegenstandes,
    • konzentriert sich auf die Eigenschaften des Objekts,
    • die Bewertungen folgen den Logiksystemen der prägenden Gesellschaft (es analysiert seine Sachverhalte dementsprechend),
    • mit ihm wächst das gegenständliche Erleben.
  • ganzheitliches Denken („holistisches Denken“):

Es sieht, „erlebt“, verstärkt die Beziehungen zwischen einem Objekt und  seinem Umfeld. Die Vorhersagen folgen weniger abstrakten Logiken, sondern verstärkt intuitiv (aus dem Bauch heraus). Lèvi-Strauss nannte es bei den Naturvölkern „wildes Denken“. Es steht zum analytischen Denken in einem Gegensatz, weil es die betrachteten Objekte nicht innerhalb von Logiksystemen zu verstehen sucht, sondern aus ihrer Stellung in ihrem ganzheitlichen Umfeld heraus. Dies erlaubt ihm verstärkt Inhalte intuitiv zu erfassen und  nicht allein aus den Grenzen kulturell (wissenschaftlicher) vorgegebener Logiksysteme. Es kann sein, dass es komplexe Systeme realistischer zu erfassen vermag und der Erhalt unserer voranthropogener Welt, d. h. der Natur in Form unserer biologischen Lebensgrundlage nur so verstanden und erhalten werden kann.

  • automatisches Denken (aufbauend auf Vorurteilen und verinnerlichten Schemata).

Mit einem Denken kann die Konzentration auf ein Ziel verbunden sein, was als Leistungsdenken zum Ausdruck kommt. Ein wichtiges Motiv dafür kann der Wunsch nach einem positiven Selbstbild von sich sein.

Das Denken stellt ein inneres Selbstgespräch dar (evtl. auch ein sich Bewegen in Bildern), dessen Inhalte sich dem Menschen immer wieder entziehen (Heidegger: Das-zu-Denkende). Über das Denken macht sich der Mensch sein Bild von der Welt und schafft damit die Grundlagen seiner Orientierungen. Er bewegt sich dabei immer in den in seinem Gehirn vorgegeben en Strukturen, bzw. Strukturmöglichkeiten.

  • Dabei bewegt er sich einmal in der Welt seiner Sinne, in der Welt,
    • die er sinnlich wahrnehmen kann,
    • in der „realen“ Welt,
    • in der Welt seiner „Anschauungen“.
  • Und zum anderen in einer abstrakten Welt,
    • der Welt eines begrifflichen, abstrakten Spiels

(Letztere ist keine reale Welt und wird von allen – da  für sie die unmittelbaren Anschauungen fehlen – in deren Vorstellungen anders gesehen).

Wir denken in Definitionen, die ein Objekt zu erfassen versuchen. Seine Fehlerquellen liegen aber bereits im Versuch. Bereits hinter den benutzten Kriterien stehen Definitionen, die wir im Alltagsleben nicht mehr hinterfragen, weil dies eine Kommunikation erschweren würden. Wir nehmen sie einfach als gegeben hin. Hinzu kommt: Wir können nicht wertfrei denken. Selbst abstrakte, sinnenfreie Gedankensysteme haben in ihrem Hintergrund emotionale Wertbezüge. Über das Denken schaffen wir uns unsere Wirklichkeiten. Es besteht aus autonomen Hirnströmen, auf die unsere Umwelt ständig Einfluss nimmt. Mit unseren inneren Beziehungen zu diesen, verändern sich in uns die Häufigkeit unserer Synapsenkontakte und damit unsere jeweiligen Sichtweisen (leicht lässt sich dies bei Menschen beobachten, die einen Machtzuwachs erfahren).

Wie genau unsere Denkprozesse ablaufen, weiß man noch nicht. An der Beantwortung dieser Frage arbeiten zurzeit viele Wissenschaftler (besonders die Biologen, Psychologen, Soziologen und Ethnologen).

  • Für die Biologen sind sie abhängig von
    • genetischen Vorgaben,
    • der Art der Sozialisation,
    • den Erfahrungen,
    • dem sozialen Umfeld.       
  • Für die Psychologen ist es ein Ergebnis einer Gedächtnisleistung und einer abstrakten Symbolverarbeitung. Den bewussten Denkprozessen gehen unbewusste Denkschritte voraus. Viele Ergebnisse reifen dann in den Entspannungsphasen.
  • Für die Soziologen ergeben sie sich aus den sozialen Bedürfnissen und den damit in Verbindung stehenden Selbstwertgefühlen.
  • Für die Ethnologen ist das Denken kulturell geprägt.
    • In den individualistisch ausgerichteten Gesellschaften wird das analytische Denken bevorzugt. Man konzentriert sich auf die Eigenschaften eines Objekts und vernachlässigt das Umfeld. Man versucht klare, kausale Schlüsse zu treffen.
    • In den kollektivistischen Gesellschaften wird das holistische (ganzheitliche) Denken bevorzugt. Man berücksichtigt verstärkt die gemachten Erfahrungen und das Umfeld eines Objekts.

Dabei muss man sich immer dessen bewusst sein, dass es immer nicht allein das Gehirn ist, dass unser Denken bestimmt. Es ist immer die ganze daran beteiligte Person mit ihren Wahrnehmungen, Erinnerungen und Schlüssen beteiligt. Das Denken entspringt unserer komplexen Personalität und nicht allein den Abläufen einzelner Neuronenkontakte oder Molekülcluster. Unser Problem ist dabei, dass wir uns anthropozentrisch als den Höhepunkt und das Zentrum der Schöpfung ansehen und nicht nur als eine evolutionäre Möglichkeit einer bestimmten habitären Konstellation. Biologische Evolutionen werden nur eine Möglichkeit des Seins darstellen, die unter bestimmten Voraussetzungen an vielen Orten desw Universums (vielleicht anders geartet) stattfinden können. Die Raumsonde „Rosetta“ hat die Aminosäure Glycin noch auf dem Kometen Tschurjunow-Gerassimenko in 720 Mio. Kilometer Entfernung von der Erde feststellen können, d.h. einer ihrer existentiellen Möglichkeiten. Ähnliche Voraussetzungen dürfte es auf vielen Planeten in wahrscheinlich unzähligen Galaxien geben.

Oft vorkommendes irreales Denken scheint oft unter dem Zwang zu entstehen, seine jeweiligen Orientierungsüberlegungen mit seiner vorhandenen Lebenssituation in Einklang bringen zu müssen, d.h., durch den Zwang, für letztere eine Erklärung finden  zu müssen.

Die Wahrnehmung

Über unsere Wahrnehmungen entsteht das Bild unserer Welt. Die Reizwahrnehmungen unserer Sinne werden in Nervenreize übersetzt und in unserem Gehirn zu Informationen verarbeitet. Sie sind die Ergebnisse unserer Evolution und dienen primär unserer Orientierung.  Unsere Sinne sind unser Zugang zur Welt. Sie sind zugleich auch die Grenzen unserer Welt. Aus ihren Möglichkeiten entsteht unser Universum. Bereits bei der Entstehung unserer Gedanken durch unsere persönlichen, spezifischen neuronalen Netze entstehen Verfälschungen der Realität und damit des tatsächlichen Seins. Es entsteht nur ein Bild unserer Welt.

Eine Wahrnehmung ist die Form unserer körperlichen Informationsgewinnung. Über Filter erhalten wir als Reize Teil-Informationen, die dann in uns in Rücksprache mit unserer inneren Erfahrungswelt zu einem Gesamteindruck zusammengefügt werden. Über eine Folge komplexer chemischer Reaktionen lösen sie in sechs Schritten in unserem Gehirn unsere Gedanken aus:

  • Reiz: Die Signale von Objekten werden als elektromagnetische Wellen weitergegeben.

Diese primäre Sinneseindrücke bezeichnet man als             Empfindungen.

  • Transformation: Die Reize treffen auf spezialisierte Körperzellen in denen ihre

Spannung verändert wird (= Transformation). Die Wirkungen der elektromagnetischen Wellen werden dort chemisch verstärkt.

  • Verarbeitung: Die empfangenen Signale werden in verschiedenen Hirnarealen

hinsichtlich ihres Informationswertes ausgewertet.

    • Im Schläfenlappen erhalten sie ihre Bedeutungen.
    • Im Hippocampus wird eine davon für das Bewusstsein ausgewählt (für unsere bewusste Orientierung; meistens diejenige, die den Erwartungen des Gehirns am nächsten kommt).
  • Bewusstwerden der Informationen

(Wird die Filterfunktion des Gehirns geschwächt, z. B. durch Drogen, können andere Bedeutungen in das Bewusstsein gelangen, z. B. Visionen).

  • Wiedererkennung: Das erkannte wird mit bekanntem, mit Erfahrungen verglichen und

einem Reaktionshintergrund zugeführt.

  • Handeln: Reaktion

(Probleme ergeben sich, wenn die Wahrnehmungen nicht den Realitäten entsprochen haben.

Wir können nichts wahrnehmen, für das wir keine Antennen haben. Unsere aktiven und unbewussten Wahrnehmungen setzen ein aktives Nervensystem mit dem Gehirn als Zentrum voraus.

Je nach Sinnesorgan besitzen wir verschiedene Formen der Wahrnehmung. Nach ihrer Entwicklung entstehen

  • bereits im 2. Schwangerschaftsmonat über die Haut und verschiedene Körperorgane

der Tastsinn. Er ist zuständig für die Wahrnehmung des eigenen Körpers (z. B. der Gelenke, Muskeln, Organe) und über Berührungen für die Erkundung der äußeren Eigenschaften anderer Körper (z. B. ihren Temperaturen).

  • ab dem 3. Schwangerschaftsmonat der Geschmacksinn über die Zunge (zur

Überprüfung der chemischen Qualität einer Nahrung: Bei der Geburt ist er bereits voll entwickelt. Er nimmt hauptsächlich die chemische Qualität einer Nahrung wahr. Wir haben auf der Zunge etwa 8000 Geschmacksknospen, die zwischen den Kategorien süß, salzig, sauer, bitter und herzhaft (umami) unterscheiden können. Sie geben die Informationen an entsprechende Neuronen im Gehirn weiter, die dann  daraus den Geschmack interpretieren). Der Geruchsinn (olfaktorische Sinn) entwickelt sich über die Riechschleimhaut der Nase. Er ist gedächtnismäßig stark mit unseren Emotionen verbunden.

  • ab dem 7, Monat entwickelt sich unser Hörsinn.

Etwa 5000 Hörsinneszellen verwandeln Töne (Schalwellen) in elektrische Impulse. Über das Trommelfell, Gehörknöchelchen, Innenohr werden sie dann in einzelne Frequenzen aufgespalten und in  Nervenimpulse umgewandelt. Das Materielle wird jetzt zum Gefühlten und weiter unter dem Einfluss verschiedener Hirnareale zu einem             Beziehungsgefühl einer denkend nicht erfahrbaren Welt.

  • ab dem 8. Monat entwickelt sich der Sehsinn.
    • Mit dem 2. Jahr kann er Raumtiefen erkennen,
    • mit dem 4. Jahr wie ein Erwachsener sehen,
    • mit 12 Jahren Räume perspektivisch erfassen.

Unsere optischen Bilder entstehen im visuellen Bereich der Hirnrinde, unserem Sehzentrum. Neuronenketten, Nervenbahnen führen zu einem sensorischen Zentrum und lassen dort eine primär visuelle Empfindung entstehen. Dem sensorischen Areal folgt ein sekundäres visuelles Assoziationsgebiet, in dem die verschiedenen Informationen zusammengefasst, mit bereits gespeicherten Informationen verglichen und als Orientierungswert wahrgenommen werden.

Tiere besitzen noch andere Wahrnehmungsorgane, z. B. einen

  • Tastsinn auf der Zungenspitze,
  • Ferntastsinn (über ein Seitenlinienorgan, oft bei Fischen zum erfassen des Wasserdrucks),
  • Spürsinn (als Noppen auf der Schnauze von Krokodilen),
  • Wahrnehmungssinn für elektrische Felder (reagiert auf die elektrischen Felder anderer Lebewesen, z. B. bei Haien),
  • Wahrnehmungssinn für Magnetfelder  (das Organ dafür ist noch unbekannt, z. B. bei Vögeln, manchen Tieren und Bakterien. Vögel nutzen darüber für ihre Navigation das Erdmagnetfeld , evtl. ist es bei einzelnen Vogelarten verschieden ausgebildet),
  • Hören im Ultraschallbereich (Fledermäuse)
  • vibratorische Sinn (z. B. bei Katzen, Ihr Sinnesorgan dafür ist noch nicht bekannt; bei Schlangen an der Bauchseite, bei Spinnen in den Gliedmaßen).
  • Zeitsinn (er steuert über die Lichtintensität den Tag-Nacht-Rhythmus von Säugetieren).

Inwieweit Lebewesen ohne ein Nervensystem Sinneswahrnehmungen haben (z.B. Pflanzen) ist noch umstritten. Gesichert ist, das Pflanzen auf chemische Stoffe in ihrer Umwelt reagieren und darüber sogar Informationen austauschen können.

Neben der Sinneswahrnehmung gibt es auch noch eine kognitive Wahrnehmung (z. B. bei der Zeitwahrnehmung die Unterscheidung von Zeitfolgen und Zeitintervallen). Obwohl die Zeit eine reale Eigenschaft unserer Umwelt ist, bleibt sie für uns eine abstrakte Größe. Sie wird zwar zunächst über die Sinne wahrgenommen, ihr erfassen wird dann aber ein kognitiver Vorgang, Im

  •   1. Lebensjahr lebt ein Kind nur in der Gegenwart,
  •   2. Lebensjahr begreift es Vergangenheiten,
  •   5. Lebensjahr kann es einen Wochentag erkennen,
  •   7. Lebensjahr kann es zwischen Monaten und Jahren unterscheiden,
  • 10. – 12. Lebensjahr beginnt es in Zeiträumen zu denken.

Unsere Wahrnehmungsorientierungen scheinen sich auf wenige Mechanismen zu stützen

  • die Vernetzung der verschiedenen Sinneswahrnehmungen im Gehirn,
  • ihre Verarbeitung nach den gleichen Bezugssystemen.

Dabei helfen uns Wahrnehmungsgesetze. Dazu gehören das

  • Gesetz der Strukturierung (das Sehen der Elemente in ihren Beziehungen),
  • Gesetz von Figur und Hintergrund (das Verfolgen von Abläufen vor einem Hintergrund),
  • Gesetz der Bedeutung (nur für den Beobachter Bedeutsames wird wahrgenommen),
  • Gesetz der Vollständigkeit (hier wird Unvollständiges vervollständigt).
  • Objekte werden u. a. wahrgenommen in ihrer Nähe, Ähnlichkeit und Gestalt.

Diese Gesetze helfen uns, uns in unserer Umwelt zu orientieren. Sie folgen den Prinzipien der Vereinfachung, von Figur und Grund, der Gruppierung und der Konstanten. Die Objekte werden erfasst in ihrer Klarheit, Regelmäßigkeit, Einfachheit und Strukturiertheit.

Die Wahrnehmungsabläufe sind bei allen Menschen verschieden. Sie werden beeinflusst von

  • persönlichen Filtern: Nur wichtig Erscheinendes gelangt bis in das Kurzzeitgedächtnis. Ein Filtermechanismus hebt die für uns wichtigen Kriterien hervor. So können wir in Räumen mit mehreren gleichzeitigen Geräuschen, nur die für uns wichtigen heraushören (nicht verfolgte Gespräche werden im Gehirn nicht weitergeleitet).

(Solche Filter können z. B. sein: Gefühle, Wertvorstellungen, Verdrängungsmechanismen oder persönliche Interessen).

  • persönliche Erfahrungen: Bei widersprüchlichen Informationen werden diese mit den eigenen Erfahrungen verglichen und die positiven bevorzugt).
  • ihrer Kontextfähigkeit (von ihren Beziehungen zu ihrer Umwelt).

Beeinflusst kann das Wahrnehmungsvermögen werden durch:

  • Lernprozesse: Durch das bewusste Erlernen von bestimmten Wahrnehmungen.
  • Drogen und Halluzinationen: Ihre Wirkung besteht i n einer falschen Weiterleitung oder Kombination der Reize.
  • Hilfsmittel (technische Geräte): z. B. Lupen, Kompasse.
  • Meditationstechniken: Durch Atemtechniken und Konzentrationsformen können physiologische Körpervorgänge verändert werden.
  • Biofeedback: Sensorische Hilfen für die eigene Körperwahrnehmung.
  • sensorische Deprivation: Der Entzug sensorischer Wahrnehmungsmöglichkeiten kann zu Wahrnehmungsstörungen führen.

Unsere Wahrnehmungen folgen Sinnesreizen. Für etwa 1 % der Bevölkerung treten dabei Besonderheiten auf. Ihre Sinnesorgane sind auf eine besondere Art miteinander verdrahtet. Sie sind Synästhetiker: Sie können z. B.

  • Gerüche oder Klänge als Farben wahrnehmen (wahrscheinlich war  Kandinsky ein Synästhetiker),
  • Musik und Begriffe schmecken,
  • Landschaften als Zahlenwerte sehen.

Solche Sinnesverkabelungen zeigen sich sehr früh. Sie können genetisch bedingt sein, stellen aber keine Erbkrankheit dar.

Alle unsere Wahrnehmungen beschäftigen unser Gehirn und schaffen Synapsenverbindungen, die zum „Haben“ eines Subjekts werden. Unsere neuronalen Netze reagieren dabei auf die auf sie einwirkenden Stimulationen. Das können z. B. sein

  • Geruchs-, Licht- oder Geräuschreize,

aber auch

  • Abstraktionen wie Begriffe und Symbole.

Bis zu einem gewissen Grad können wir durch die Wahl dieser Reize unsere Synapsenverbindungen beeinflussen. Schwierig wird dies bei den uns ständig umgebenden naturfremden Medien. Sie rauben uns oft nicht nur Lebenszeit, sondern richten auch unsere Gedankenwelt auf Dinge, die normalerweise außerhalb unseres Bewusstseins stehen. Wir werden dabei auf Inhalte aufmerksam gemacht, die uns im Sinne von fremden Interessengruppen zu Handlungen verleiten sollen, d. h. manipulieren wollen. Sie entfernen uns von unserer, oft zur banalen,  realen Wahrnehmungswelt und lassen uns in ein mediales Fantasiedasein eintauchen. Emotional werden wir damit zwar zufriedengestellt, werden aber als nicht mehr real Handelnde auf Erden zu einem Daseinsüberschuss, zu einer nach fremden Interessen tanzenden Masse. Wir füllen unser Gehirn mit Inhalten, die uns zwar beglücken, die unsere uns beglückenden Botenstoffe in unserem Sinne steuern, die uns aber unseren Eigenwert im Dasein nehmen.

Eine der Stärken unseres Daseins ist es, dass wir über unsere bewusste Beschäftigung unsere Synapsenverbindungen beeinflussen können. Elternhäuser und Schulen machen eigentlich nichts anderes. Verbunden mit unserem Stoffwechsel, den wir bis zu einem gewissen Grad auch steuern können, vermögen wir in uns Empfindungen zu schaffen, die in uns die Voraussetzungen für eine eigene Objektivität unseres Denkens bewirken, d.h. im Rahmen unserer Prägungen

  • zu vereinfachenden Abstraktionen für unsere Orientierung in unserem Daseinsverständnis führen,
  • zum Erkennen von kausalen Gesetzmäßigkeiten, die wir angewandt in Technik übersetzen können.
  • zum beglückenden Erkennen von Schönheit als einen harmonischen, uns entsprechenden komplexen Neuronenergebnis.

Damit können wir in unser soziales Umfeld treten, in den in ihm stattfindenden Diskurs und uns an der Schaffung und Weiterentwicklung unserer Kultur beteiligen.

Die Intuition – Das Gedächtnis

Unter einer „Intuition“ verstehen wir unsere Fähigkeit ohne zu denken spontan das Richtige zu tun.  Sie reagiert schneller als logische Denkprozesse. Unser Bewusstsein bestimmt das geistige Geschehen in uns nur zu einem geringen Teil. Pro Sekunde erreichen uns Millionen Sinneseindrücke, von denen dann das Bewusstsein nur 40 verarbeitet. Wir bleiben als evolutionäre Teile der Natur die Sklaven unserer Instinkte und Gefühle. Unsere „Vernunft“ hat nur einen geringen Anteil auf unseren Entscheidungen. Viele von ihnen – oft die erfolgreichsten – kommen aus dem „Bauch“ heraus. Sie sind „intuitive“ Entscheidungen.

Als ein orientierungssuchendes Organ ist das Gehirn auf eine Außenorientierung hin angelegt.  Dabei baut es unbewusst auf seine gespeicherte Erfahrungswelt, auf seine Intuitionen. Da diese damit vor seinen rationalen Entscheidungen stehen, ist in den meisten Fällen der „freie“ Wille nur eine Fiktion, eine soziale Annahme für den Konsens in der Rechtsprechung. Obwohl wir es nicht bemerken, werden unsere rationalen Entscheidungen von unseren Gefühlen bestimmt.

Die intuitiven Fähigkeiten eines Gehirns bauen auf dessen unbewusstem Wissen.

  • In der Amygdala (im limbischen System) werden die empfangenen Reize emotional bewertet.
  • Im Hippocampus werden die Bewertungen abgespeichert.
  • Im präfrontalen Cortex kommen dann Gefühle und Wissen zusammen (wobei dann die Gefühle bei Entscheidungen den Ausschlag geben).

Unser „intuitives Wissen“ durchfließt uns immer unkontrolliert und kann nicht abgeschafft werden. Es stellt das sich „erinnernde Ich“ in uns dar. Es ist der Ausdruck unseres determinierten Gehirns und reagiert auf Reize, die wir unbewusst wahrnehmen und die uns in unserem Handeln beeinflussen. Es ist der eigentliche Hintergrund unserer Identität. Dieser Umstand führt zu einer Reihe von Problemen:

  • Leistungsbewertungen (Urteile) sind situationsabhängig, (d. h. stimmungsabhängig).
  • Die „Schuld“ im Strafrecht ist eine problematische Größe (aus Gründen des sozialen Zusammenhalts kann sie nicht aus diesem herausgenommen werden).
  • Die „Willensfreiheit“ als demokratische Kernvoraussetzung ist weitgehend eine Illusion und ein Spielball medienbeherrschender Interessenverbände.
  • Unsere heutigen Strafmaßnahmen beeinflussen kaum die neuroanatomischen und neurophysiologischen bedingten Verhaltensweisen von Tätern.

Das Unbewusste verarbeitet auch kleinste, kaum wahrnehmbare Signale. Die Kriterien seiner späteren Entscheidungen sind ihm meistens unbekannt (auch die seiner „bewussten“ Handlungen). In sie hinein fließen unsere gefühlsgebundenen Erinnerungen und Kompensationen, als Überwindungsversuche unserer nicht erfüllten Erwartungen und Grenzen. Sie bilden den Hintergrund unserer Gedanken.

Unsere Intuitionen beruhen auf feinstofflichen Abläufen in uns, deren Ausprägungen genetisch, epigenetisch, durch unsere Mikroben und sozial vorbestimmt sind. Ihre Kulturabhängigkeit wird deutlich, wenn z.B. Buddhisten stärker vom Augenblick her denken, während für evangelische Christen ihr Dasein nach dem Tod bedeutsamer ist.

Ohne ein Gedächtnis besitzen wir keine Vergangenheit und keine Zukunft, und können wir unser Dasein nicht reflektieren. Die dafür notwendigen Schaltkreise sind über das ganze Gehirn verstreut. Besonders wichtig scheint dabei der Hippocampus zu sein. In ihm werden die verschiedenen Wahrnehmungen mit Emotionen versehen und zu einer Erfahrung zusammengefasst. Seine Funktionsabläufe folgen folgenden Mechanismen:

  • Reize werden über die Synapsen von Zelle zu Zelle übertragen. Durch deren Erhöhung wird die Empfindlichkeit für Übertragungen gesteigert und werden die Informationen kurzfristig gespeichert (= Kurzzeitgedächtnis).
  • Die Intensität und Häufigkeit dieser Reize führt in den Zellen zu biochemischen Abläufen.
  • „Filter“ regulieren sie, indem sie nur starken Reizen erlauben, den Zellkern zu erreichen, der dadurch zur Produktion neuer Proteine angeregt wird, die wiederum neue Synapsen bilden, – die Grundlage des Langzeitgedächtnisses.

Das Gedächtnis selber besteht aus dem

  • Kurzzeitgedächtnis (= Arbeitsgedächtnis),
  • Langzeitgedächtnis: Es ist besonders für Informationen wichtig, die mit Gefühlen verbunden sind. Es ist wichtig für das Treffen von Entscheidungen und kann differenziert werden in einem
    • sensorischen Gedächtnis: Es ist mit den 5 Sinnen verbunden, – besonders mit dem Geruchssinn.
    • motorischen Gedächtnis: Es steuert unser feinmotorisches Verhalten (z. B. unseren Gleichgewichtssinn, die Kontrolle der Stimmbänder , das Erlernen neuer Fähigkeiten).
    • den visuellen Raumvorstellungen: Hier koordiniert es die neuronalen Verbindungen des visuellen Cortex mit dem Schläfenlappen. Es ist in der linken Hemisphäre bedeutsam für die Detailwahrnehmung, in der rechten für deren Zusammensetzung zu einem Ganzen.
  • Sprachgedächtnis: Es bildet die Grundlage der verbalen Kommunikation und beeinflusst entscheidend unsere Realitätswahrnehmung.

Sie können ergänzt werden um ein

  • semantisches Gedächtnis (= Faktenwissen),
  • „Priming Gedächtnis“: Es setzt unbewusst wahrgenommene Details in größere Zusammenhänge.

Beim Erinnern werden in uns Informationen aufgerufen, neu geordnet und durch Neues ergänzt.

In unserem Gedächtnis verbinden sich als neurodynamische Abläufe genetische, soziale und persönliche Erfahrungen mit Gefühlen und Kompensationsbedürfnissen zu einem Ausdruck unserer geistigen Identität. Es ist ein wesentlicher Teil unserer Persönlichkeit.

In unserem Gehirn befindet sich ein ständiges Gleichgewichtsspiel zwischen Erinnerungen und Vergessen statt. Dabei ist das Vergessen eine Voraussetzung für das Erinnern. Wir verbinden es in der Regel bei einem Gedächtnisverlust mit dem Verlust einer Identität (z. B. bei Alzheimerkranken). Es macht uns aber sinnlich frei für das Neue in unserem Leben, schafft in uns neue Aufmerksamkeitsräume. Erst dadurch werden wir in die Lage versetzt zu lernen und zu handeln. Als Fähigkeit hilft es uns psychische Probleme leichter zu bewältigen, Enttäuschungen leichter zurückzudrängen und damit sich sein Leben oft nicht schwer zu machen. So schützt uns das Vergessen vor einer Überlastung des Gedächtnisses (soziales Vergessen wird dagegen oft zu einem Akt der Verdrängens, der Geschichtslosigkeit).

Behalten wird das Ungewöhnliche, das in unserer Evolution für uns existentiell oft Entscheidende. Für seine Speicherung müssen in unserem Gehirn bestimmte Transmitter gebildet und bestimmte Neuronenkontakte hergestellt werden. Heute versucht man z. B. bei posttraumischen Belastungsstörungen, diese durch die Blockierung von bestimmten Rezeptoren bei der Produktion von Gedächtnisproteinen in ihren emotionalen Auswirkungen zu lindern, die traumischen Erinnerungen nur zu negativen werden zu lassen.

Erst unser Erinnern schafft in uns unser Bewusstsein und schafft in uns über dieses unsere Identität.

Verschiedene Individuen können von einem bestimmten Geschehen verschiedene Erinnerungen haben. Die Gründe dafür können sein:

  • Ihr Erleben war unvollständig, ihre Wahrnehmung selektiv.
  • Sie sind mit verschiedenen Emotionen, oft wegen verschiedener Bewertungen verbunden.
  • Richtige Details werden später falsch zusammengesetzt.
  • Eine verschiedene Grundverfassung beim Erleben (eine schlechte Verfassung fördert die Erinnerung an negative Dinge, eine gute Verfassung an positive Dinge).
  • Die betroffenen Personen besitzen verschiedene Erfahrungen.
  • Die vergangene Zeit hat die Erinnerungen verändert (sie verändern sich mit jedem neuen Aufrufen).
  • In die Erinnerungen fließen persönliche Kompensationsbedürfnisse ein.

Die Erinnerungen können so verfälscht sein, dass Menschen in ihnen an Ereignisse glauben, die nie stattgefunden haben.

Unsere Erinnerungen entsprechen oft nicht den objektiven Tatsachen, auf die sie sich beziehen. Sie sind die Ergebnisse erlebter Stimmungen, inzwischen neu gewonnener Informationen und von Kompensationen, d. h. von „kreativen“ Ergebnissen persönlicher psychischer Bedürfnisse. Unsere „Wahrheiten“ sind ein Spiegelbild unseres Selbst, aber nicht vom Tag der Erlebnisse sondern von unserem Heute. Wir verändern sie – in der Regel unbewusst – indem wir unser während dem Erinnern instabiles Gedächtnis gerichtet aktivieren und dabei gleichzeitig unsere momentane psychische Situation einbringen. In diesen Augenblicken wird „Unwichtiges“ (oder Unerwünschtes) zur Seite gedrängt und im Gehirn durch das nun „Wichtige“ angereichert. Der einzelne Mensch kann sich  diesen Prozessen kaum entziehen, Er weiß zwar in der Regel, wann er lügt, aber nicht, wann er sich falsch erinnert.

Probleme bei den „Erinnerungen“ treten auf, wenn man sein eigenes negatives Verhalten in seinen Erklärungen gleichzeitig zu kompensieren versucht, – oft dürften sie zum Schluss nur eine Summe von Kompensationsversuchen darstellen. Wir überlagern dabei unsere Erinnerungen mit Wunschbildern von unserer Identität, indem wir Ungewünschtes verdrängen, bzw. es kompensierend zu unseren Gunsten verändern. Früher glaubte man, dass Erinnerungen das Einzige seien, was man einem nicht rauben könne. Heute wissen wir:

  • Im Laufe der Zeit schleichen sich in sie Fehler ein, an die man am Ende selber glaubt.
  • Andere Erlebnisse werden in die eigenen Erinnerungen eingebaut (eine innere Anteilnahme verstärkt z. B. den Effekt).
  • Das Gedächtnis wird zu einem Ergebnis von Eindrucksfragmenten, Einbildungen und fantasiereichen Vorstellungen.

Das bedeutet, dass unsere Erinnerungen Gedächtniskonstruktionen sind (eingebettet in ein bestimmtes soziales Umfeld). Sie enthalten Lücken mit Improvisationsinhalten (so sind z. B. oft traumatische Kindheitserlebnisse die Ergebnisse fantasiereicher Kompensationskonstrukte). Die meisten Erinnerungsfehler treten im ersten Jahr auf, danach verfestigen sich die Vorstellungen. Durch Wiederholungen prägen sie sich mit jedem Aufrufen immer tiefer ein, werden mit Einzelheiten angereichert und durch herbeifantasierte Details ergänzt. Sie werden zu Ergebnissen von Kürzungen und Beschönigungen im Sinne eines gewünschten Gesamtbildes.

Es gibt Menschen mit einem besonderen autobiographischen Gedächtnis (HSAM). Sie besitzen in ihrem Gehirn zwei ausgeprägte Areale, den

  • „Fasciculus uncinatus“ (ein Nervenstrang der Schläfen- und Stirnlappen verbindet) und
  • „Gyrus parahippocampalis“.

Sie sind bei diesen Personen mit den anderen Gehirnregionen dichter vernetzt.

Bei einem anderen Phänomen kann ein (noch unbekanntes) Molekül den Übergang von Wahrnehmungen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis blockieren (bei degenerativen Krankheiten kommt seine Funktion verstärkt zum Tragen). Welche Funktion es im Rahmen der menschlichen Kreativität hat, weiß man noch nicht. Wahrscheinlich sichert es diese vor einer Blockade durch zu viel Informationsmüll.

Unser Gehirn besteht aus einem System neuronaler Schaltkreise, d. h. im Detail aus Molekülen, Synapsen und Nervenzellen. Unser Gedächtnis ist ein Teil davon. Unsere Kultur als sein sozialer Ausdruck ist das Ergebnis seines sozialen Agierens. Über sein Miteinander wächst es in neue Ebenen der Evolution. Mit seiner Schaffung ist der Natur ihr geniales Meisterwerk gelungen. Die Hauptaufgabe einer künftigen Menschheit wird es sein, (wenn sie nicht untergehen will), ihm einen Weg aufzuzeigen zu können, der ihm und den globalen komplexen Gesetzen der Natur gleichzeitig gerecht wird.

Die Sprache

In einer Sprache reduzieren wir einen Inhalt über ein akustisches Symbol auf eine abstrakte, für eine Gruppe Menschen verständliche Allgemeinheit. Indem wir einen Begriff für diesen geschaffen haben, verändern wir für ihn die Form seiner Existenz. Er verliert sein reales, materielles Dasein und wird zunächst zu einem mentalen Neuronenspiel desjenigen, der ihn geschaffen hat, eine neuronale Energieexistenz auf einem möglichen Weg zu einer kulturevolutionären Erprobungsphase. Damit wirken wir geistig in unsere Kulturgemeinschaft hinein und begeben uns in einen Diskurs, der dort die bestehenden Orientierungsparameter festigt, bereichert oder in Ausnahmefällen in Frage stellt. Wie wir erst durch unsere Umwelt unsere Sprache erlernen, bzw. in unseren Orientierungsinhalten beeinflusst werden, können wir über ihre Symbole in uns elektrische oder chemische Prozesse auslösen. Die Sprache wird zu einem uns tief prägenden Teil unseres Bewusstseins. Als neuronales Beziehungsteil wird sie zu einem Ausdruck unserer materiellen Natur. Das Bewusstsein selber ist dabei letztlich nur deren Ganzheit und damit auch nur deren feinmaterielle Summe.

Ohne eine Sprache können wir keine menschliche Existenz leben. Sie ist das uns prägende Fundament unserer Kultur und unseres Denkens. Mögliche frühkindliche Prägungen sind noch nachweisbar, wenn wir sie bereits vergessen haben. Selbst wenn wir sie nicht mehr für unser Denken nutzen, scheint sie immer noch unser Fühlen zu bestimmen. So schrieb z. B. Hanna Arendt ihre Bücher nach ihrer Emigration in englischer Sprache, ihre Gedichte aber  weiterhin in ihrer deutschen Muttersprache.

Über die Sprache, über unsere abstrakten Orientierungsvorgaben steuern wir unser Dasein. Ihr Erlernen erfolgt im Broca-Sprachzentrum (linker Stirnlappen). Dabei verketten sich Neuronen in einer bestimmten Reihenfolge. Diese aktivieren dann in einem zweiten Vorgang die Netzwerke der Neuronen, die den Stimmapparat steuern. Sie überwachen die Wortbildung. Kommt es durch zufällige Signale zu Störungen, wird die neuronale Befehlskette aufgespaltet und das Kreativzentrum übernimmt die Zuständigkeit.

Bereits Alltagsgespräche unterliegen komplexen Regeln und stellen für das Gehirn eine Schwerstarbeit dar. Es schützt die Aussagen eines Gesprächspartners ab nach dessen

  • Blickrichtung,
  • Atmung,
  • Satzmelodik,
  • Betonung einzelner Worte.

Probleme entstehen für das Gehirn bei Sprecherwechsel oder längeren Pausen (Als Pause empfindet es bereits Unterbrechungen von länger als 300 Millisekunden. Sprachlücken ergänzt es von sich aus mit nicht ausgesprochenen Satzinhalten).

Die Sprache ist die Grundlage unseres sozialen Seins. Selbst ein sozialer Status wird über sie deutlich. Überlegenere sprechen z. B. in einer anderen Tonlage (höher, in der Lautstärke variabler). Damit werden dem Unterlegenen indirekt subtile Botschaften vermittelt. Für ihre Entschlüsselung werden dabei verschiedene Gehirnbereiche aktiv (u.a. der mittlere frontale Gyras, der inferiore Parietalkortex). Neben dem Sprachverständnis scheint dabei auch das Arbeitsgedächtnis wichtig zu sein (wahrscheinlich zum Merken von Inhaltsvariablen).

Über unsere Sprache erfahren wir unsere Kultur als ein abstraktes Ergebnis eines Konsenses in einem sozialen evolutionären Diskurs. Über sie werden uns unsere Orientierungsinhalte gegeben, die im Anschluss dann unser Wahrnehmen, Denken und Handeln bestimmen. Sozialität und Kultur verwirklichen sich über die Sprache. Alle ihre Machtkämpfe, die wir in modernen Gesellschaften über einen Diskurs zu lösen versuchen, sind zunächst interessengebundene Auseinandersetzungen um paradigmatische Inhalte hinsichtlich eines weiteren Weges in die Zukunft.