Neopositivismus (Wiener Kreis)

Der „Wiener Kreis“ orientierte sich an den englischen Empiristen des 18. Jhs. und dann unmittelbar an den Empiriokritizismus von Richard Avenarius (1843 – 1896, Schweizer Philosoph). Nach ihm sollte die Philosophie sich vorrangig mit den Tatbeständen der Erfahrung beschäftigen. Der Neopositivismus entstand dann aus der Gruppe einiger Schüler von Moritz Schlick (1832 – 1936). Dieser arbeitete hauptsächlich über das Wahrheitsproblem. Die Aufgabe der Philosophie sei es, den Inhalt von Begriffen logisch zu erfassen. Er lehnte synthetische Urteile a priori ab und verlangte von psycho-physischen Problemen deren physikalische Klärung. 1929 gab diese Gruppe als „Wiener Kreis“ eine Programmschrift und eine Zeitschrift heraus. Zu seinen Mitgliedern gehörte u.a. Rudolf Carnap. An ihren Gesprächen beteiligten sich auch Kurt Gödel und Alfred Tarski. Der „Wiener Kreis“ wurde u.a. beeinflusst von den Gedanken Wittgensteins, Russells, Moores, Einsteins und Freges. Seine Gedanken verbreiteten sich durch die aus Wien geflohenen Emigranten stark in den USA und in England. Später gingen sie in die moderne Wissenschaftstheorie und den „Kritischen Rationalismus“ Karl Poppers ein.

Wittgenstein, Ludwig (1889 – 1951):
Wittgenstein hat entscheidend den „Logischen Positivismus“ und die „Analytische Sprachphilosophie“ beeinflusst. In seinem „Tractatus“ (1921, einziges zu Lebzeiten von ihm erschienenes Buch) sagte er, dass Erkenntnisse Abbilder von Tatsachen und Urteile logische Ableitungen von diesen seien. Das dem Denken und Sein gemeinsame könne nur mit Hilfe von Symbolen gezeigt werden. Philosophische Analysen hätten die Funktion zwischen sinnvollen und unsinnigen Sätzen zu unterscheiden. Alle Philosophie sei „Sprachkritik“. Allen Erkenntnissen liege eine Logik zugrunde, die zugleich deren Grenze bilde. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“.

In seinem Spätwerk widerrief Wittgenstein verschiedene Ansichten seiner ersten Arbeit und behielt darin nur seine zerstörenden Philosophieansätze bei. Er ging nicht mehr von einem Entwurf einer idealen Sprache aus, sondern wandte sich den „Sprachspielen“ der Alltagssprache zu. Fehler entständen durch die Vermischung verschiedener Sprachspiele. Sprachspiele hätten nur eine wiederholende, tautologische Bedeutung. Philosophische Probleme stellte er als Geistesstörungen dar. Unverständnisse entständen durch unzulängliche Sprachverwendungen. Von Wittgensteins Spätwerk her entwickelten sich zwei Interpretationsschulen, eine therapeutische und eine metaphysische. Die eine glaubt, er wolle nur die Widersprüche des Denkens klären, die anderen, er wolle die Zusammenhänge der Welt erklären.

  • Die therapeutische Schule glaubt, er habe sich gegen unhinterfragte Bilder und Absolutheitsanmutungen gewandt. Er wolle Richtiges vom Falschen trennen. Er zeige wie man Probleme löst, löse aber keine Probleme.
  • Die metaphysische Schule sieht dagegen in den Sprachspielen Regelkreise, in denen die Grammatik der Philosophie paradigmatisch dargestellt wird. Die „Bedeutung“ habe bei ihm verschiedenen Begriffsinhalte und skizziere etwas Immerwährendes
    (Was die therapeutische Schule bestreitet. Für sie liegt die Bestimmung einer „Bedeutung“ in der Fähigkeit Problemlösungen aufzuzeigen).

Für Wittgenstein stellte die Philosophie eine Therapieform dar. „Der Philosoph behandelt eine Frage wie eine Krankheit“.

Carnap, Rudolf (1891 – 1970):
Carnap gehörte zunächst dem Serakreis von Eugen Diedrichs an und war später ein führendes Mitglied des Wiener Kreises. In seinem ersten Hauptwerk „Der logische Aufbau der Welt'“ (1928) hatte er nachzuweisen versucht, dass alle Begriffe, die wir verwenden, letztlich auf einem eigenpsychischen Hintergrund bauen. Später kritisierte er die traditionelle Metaphysik mit Hilfe einer verifikationischen Semantik (auf ihren Wahrheitsgehalt bezogene sprachliche Zeichensysteme) als sinnlos. Er wollte die Philosophie deshalb durch eine „Wissenschaftslogik“ ersetzen. Von den frühen dreißiger Jahren distanzierte er sich dann von seinem Gedankensystem mit einer eigenpsychischen Basis und entwickelte eine „physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“(1931). In ihr wurden die intersubjektiv zugänglichen physischen Gegenstände zu primären Bezugsobjekten.

Carnap interessierte sich besonders für den Aufbau formaler Logiksysteme und die Fragen der induktiven Wahrscheinlichkeiten. Dabei unterschied er zwischen statischen und logischen Wahrscheinlichkeiten (und lehnte Poppers Deduktivismus ab (= Ablehnung des Besonderen aus dem Allgemeinen)). Für ihn besaßen empirisch gut bestätigte wissenschaftliche Theorien eine größere Wahrscheinlichkeit.

Im Bereich der Wertfragen sah er keine kognitiven Bedeutungsansätze. Sie waren für ihn allein emotional und inhaltlich motiviert.

Popper, Karl (1902 – 1994):
Popper ist der Begründer des kritischen Rationalismus. Nachdem er die induktiven Methoden durch eine Verallgemeinerung von Beobachtungen zu wissenschaftliche Theorien als unsichere Spekulationen erklärte und die klassischen Ansätze der Erkenntnistheorien, die ein Begründungsfundament voraussetzten, ablehnte, entwarf er ein Modell, nach dem es nicht mehr genügte, wenn einer Behauptung eine Begründung fehlte oder diese in einem logischen Widerspruch zu den Tatsachen standen. Wegen seiner kritischen Einstellung Wittgenstein gegenüber wurde er zu den Diskussionsrunden des Wiener Kreises nicht eingeladen. Sein Werk „Logik der Forschung“ (1934) erschien trotzdem in deren Schriftenreihe. In ihm kritisierte er den logischen Positivismus als empirische Methode der Naturwissenschaften. Sie bestände aus einem Sammeln von Fakten, von denen dann mittels einer Induktion auf allgemeine Naturgesetze geschlossen würde. Popper schlug dagegen auch „willkürlich“ gefundene Theorien vor, die erst später über Experimente bestätigt werden könnten. Forscher hätten die Aufgabe, falsche Theorien auszusieben und somit einer Wahrheit näher zu kommen. „Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können“.

In einem zweiten Gedankenansatz beschäftigte sich Popper mit gesellschaftstheoretischen Fragen. Als Gegenentwurf zu einer „geschlossenen Gesellschaft“ entwarf er eine „offene Gesellschaft“, die sich in einem evolutionären Prozess pluralistisch fortentwickele. Nach einer Kritik der antiken Philosophen (Platon, Aristoteles), Hegels als Scharlatan und die dialektische Methode bei Marx (den er als bedeutenden Ökonomen und Soziologen sah) setzte er sich für ein offenes Weltbild ein. Mit dessen Ausführungen wurde er nach 1945 viel beachtet.

In seiner „Drei-Welten-Theorie“ schlug er eine Einteilung der Welt vor in eine

  • physische Welt
  • Welt der individuellen Wahrnehmung
  • Welt der geistigen und kulturellen Gehalte

Alle drei Welten seien real und würden sich gegenseitig beeinflussen.

In breiten Kreisen wurde Popper durch den sogenannten „Positivismusstreit“ bekannt, in dem er im Sinne des „Kritischen Rationalismus“ die Methodeneinheit der Natur- und Sozialwissenschaften vertrat und sich gegen die Dialektiker der Frankfurter Schule wandte. Popper kritisierte deren Sprache als bewusst unverständlich, um bescheidene Inhalte einer Kritik zu entziehen (Intellektuelle, die sich „als große Propheten aufspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken“ versuchen. „Das Kochrezept ist: Tautologien und Trivialitäten gewürzt mit paradoxem Unsinn“).

Popper hatte viele Anhänger, konnte sich aber in keiner Wissenschaftsschule durchsetzen. Die Mehrheit der Berufsphilosophen lehnte ihn ab, weil seine Theorie des Vermutungswissens keine Grundlagen für Glaubensüberzeugungen anbot. Man schweige ihn tot, übernehme aber gerne seine Ideen (so Hans Albert).

Gödel, Kurt (1906 – 1978):
Er beeinflusste entscheidend die Logik-Diskussionen im 20. Jahrhundert. Ausgehend von der

  • „Kontinuumshypothese“
  • „Theorie der natürlichen Zahlen“
  • „Ersten „Gödelschen Unvollständigkeitssatz“
  • „Zweiten Unvollsständigkeitssatz“

Nach seiner Emigration in die USA beschäftigte sich Gödel in Princeton (dort als enger Freund von Einstein) mit philosophischen Fragen (besonders mit Leibniz und Husserl). U.a. versuchte er mit Mitteln der Modallogik eine Rekonstruktion des ontologischen Gottesbeweises. Gott war dabei der Träger aller dauerhafter realer Prädikate. Seine Existenz aus verschiedenen Annahmen herzuleiten sei möglich, aber nicht zwangsläufig gültig. Seine Existenz sei kein reales Prädikat.