Die Gesellschaftsphilosophie beschäftigt sich mit den Strukturen des menschlichen Zusammenlebens, dem „Gesamtzusammenhang“ des Sozialen. In der Regel wird sie von einer idealistischen „Leitidee“ getragen. Moralische Fragen spielen in ihr deshalb eine große Rolle. Sie fragt u.a.
- nach dem Wesen von Gesellschaften,
- ihren Funktionen,
- nach den Formen des Zusammenlebens.
Ausgehend von gegebenen gesellschaftlichen Realitäten werden oft Entwürfe für eine möglichst positive Zukunft gemacht.
Jonas, Hans (1903 – 1993; Mutter wurde in Auschwitz umgebracht):
Jonas war ein Schüler Heideggers (er ging mit ihm nach Marburg). Seine philosophischen Arbeiten stammen aus vier Schaffensperioden:
- zunächst aus einer existenzphilosophischen Fragestellung
- danach Entwurf einer philosophischen Biologie
- Seinen naturphilosophischen Fragestellungen folgten ethische.
- In seinem Spätwerk beschäftigte sich Jonas wieder verstärkt mit religionsphilosophischen Fragen.
Luhmann, Niklas (1927 -1998):
Für Luhmann war eine „moderne“ Gesellschaft durch ihre „funktionale Differenzierung“ gekennzeichnet. In seiner Systemtheorie ging er von der Kommunikation aus und wies Strukturen in vergleichbaren Formen in fast allen sozialen Systemen nach. Moderne Gesellschaften würden durch eine wachsende Vielheit von Teilsystemen bestimmt, die sich gegenseitig berührten und die in einem gewissen Grad voneinander abhängig seien. Sie bezögen sich auf die Gesellschaft als Ganzheit, die den funktionalen Hintergrund ihrer Kommunikation bilde. Die Aufgabe der Soziologie (Gesellschaftsphilosophie) sei es, die Teilsysteme in ihrer Komplexität zu beobachten. An die Stelle des bisherigen klassischen Subjekt-Objekt-Schemas setzte er als neue Leitbeziehung die des Systems und der Umwelt. In einer Kontroverse mit Habermas (die sie in einer gemeinsamen Dokumentation publizierten) über die moralische Bewertung des Zeitgeschehens in der Soziologie, verlagerte Luhmann diese aus der Soziologie in die Ethik, da die Soziologie ihre Inhalte in einer allgemeinen Weise zu beschreiben habe. Nach Luhmann könne man nur allein Beobachtbares beschreiben. Nach der Kritik seiner Gegner laufe Luhmanns Ansatz ins Leere, da er nur noch Bekanntes über die Welt aussagen ließe.
Habermas. Jürgen (1929 geboren):
Habermas ist der zurzeit angesehenste Philosoph in Deutschland. Für ihn sind die Grundlagen einer Gesellschaft die kommunikativen Beziehungen ihrer Mitglieder mit ihrer gegenseitigen Beeinflussung. Im Mittelpunkt seines Denkens steht die „kommunikative Rationalität“, das verständnisorientierte Handeln als „kommunikatives Handeln“. Über Sprechakte kann auf andere eingewirkt werden, über kommunikatives Handeln ein Einverständnis mit anderen koordiniert werden. Letzteres findet in der Regel als eine Mischung von Konversation und normenreguliertes oder dramaturgisches Handeln statt. Es ist immer auf Ziele ausgerichtet.
Eine Kommunikation findet immer „im Horizont einer Lebenswelt“ statt. Gesellschaftliche Differenzierungen erfolgen über die generalisierenden Steuerungsmedien Geld und Macht. Habermas unterscheidet dabei drei Entwicklungsstufen:
- Traditionelle Gesellschaften,
- Gesellschaften seit der Reformation bis zur Industrialisierung,
- Gesellschaften deren Lebenswelten zerstört werden,
Modern sind für Habermas Gesellschaften, deren Orientierungen nicht mehr aus überlieferten Weltbildern (hauptsächlich Religionen) abgeleitet werden, sondern deren stabilisierende Funktion aus ihnen selbst als ein in ihnen „innenwohnendes Prinzip“ abgeleitet wird.
In seiner Diskursethik unterschied Habermas zwischen einer moralischen Richtigkeit und einer theoretischen Wahrheit. Erstere ist unabhängig von der Art ihrer Mitteilung, letztere dagegen von ihr abhängig. Antworten auf ethische Fragen seien nicht universell gültig.
Das Recht hat für Habermas die Aufgabe der „sozialen Integration“. Es regele die „strategischen Interaktionen“. Recht und Moral bildeten zwei verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Handlungsnormen, wobei die Moral vorrangig auf den freien Willen der handelnden Individuen baue.
Kritisiert wird an Habermas u.a., dass er eine Letztbegründung der Ethik ablehnt, weil normative Begründungen sich nie vollständig objektivieren lassen.
Sennett, Richard (geboren 1943):
Sennetts Arbeiten betreffen
- die Einsamkeit und die Ohnmacht der modernen Individuen,
- die Oberflächlichkeit der menschlichen Beziehungen,
- die Ausübung von Herrschaft,
- das Leben in den Städten.
Durch den neuen „flexiblen Kapitalismus“ verlören die alten Wertvorstellungen der Arbeitswelt ihre Bedeutung. Die Beschleunigung in ihr und der zunehmende Zwang zur Mobilität schaffe das Klima einer zunehmenden Unsicherheit und das Verlangen nach einer sofortigen Befriedigung der Bedürfnisse. Vorgegebenen Zeitstrukturen bestimmten das Leben der Menschen. Sie könnten dadurch die Arbeit nicht mehr als eine Genugtuung erleben. Bei einer engmaschigen Überwachung steige der Druck auf den Einzelnen immer stärker an. Hilflosigkeit und Angst seien die Folge. Der Kontrast von Arm und Reich würde größer. Eine Ellenbogengesellschaft würde sozial bestimmend.
Der neue Kapitalismus führe zu Veränderungen auf sozialer und individueller Ebene. Während früher stabile Anweisungsketten in einem hierarchischen System klar vorgegeben waren, seien heute an deren Stelle flache Hierarchien getreten, die hauptsächlich auf Flexibilität bauten. Auf Grund der Automation könne in Zukunft die Wirtschaft eines Landes von ca. 30. % ihrer Arbeitskräfte aufrechterhalten werden. Der restliche Teil der Bevölkerung müsse über andere, neue Beschäftigungsverhältnisse „nützlich“ gemacht werden. In diesem Klima werde die Kultur und die Politik eines Landes zu einer Ware und die Bürger nur noch zu Konsumenten.
Beck, Ulrich (1944 – 2015):
Beck beschäftigte sich hauptsächlich mit dem radikalen Wandel in unserer Gesellschaft durch die Globalisierung und die Risiken die dabei entstehen können. Die von ihm gesehenen Veränderungsprozesse betrafen besonders die
- Risikogesellschaft:
- Individualisierung als Prozess der Auf- und Ablösung bisheriger Lebensformen.
- Ablösung des bisherigen Nationalstaats durch eine allgemeine Kosmopolitisierung.
Über diese drei Ansätze gelangte er zu einer Theorie des sozialwissenschaftlichen Kosmopolitismus.
Beck verlangte u.a., weil in Zukunft durch die Automatisierung eine Vollbeschäftigung nicht mehr möglich sei, für alle ein bedingungsloses Grundeinkommen (1996/97 im Bericht der Zukunftskommission von Biedenkopf / Miegel), übernationale wirtschaftliche und soziale Standards und einen Ausbau des internationalen Rechts.
Kritisiert wurde an Beck (besonders weil seine Aussagen keine nur allgemeinen Gesellschaftstheorien waren, sondern zugleich zu empirischen Konsequenzen aufforderten):
- Seine Behauptung,
- Seine Unterscheidung
- Sein Kosmopolitismusverständnis,