Gesellschaft

Die Gesellschaft

Der Mensch ist in erster Linie ein Sozialwesen, das über seine jeweilige Kultur seine persönliche Orientierung erhält. Er ist nicht das Individuum, als das er sich gerne sieht, sondern auf eine ständige Kommunikation mit anderen Personen und seiner Umwelt angewiesen. Dafür benötigt er Orientierungsvorgaben, die er in seiner Erziehungsphase erhält und die in unserer Kultur vorwiegend aus naturfremden Setzungen bestehen, Setzungen die nur in einem geringen Bezug zu seiner Biologie stehen. Eine Folge davon ist, dass sein jeweiliger Stoffwechsel aus seinem natürlichen Gleichgewicht gerät. Er gewinnt dadurch seine spezifische, oft psychisch gestörte Individualität. Von  hier aus gesehen, ist im gewissen Sinne fast jeder Mensch in unserer Zivilisation psychisch krank. Das Betonen ihrer Individualität macht die Menschen nur zufrieden, wenn sie sich kompensierend, viele andere biologisch angelegte Impulse verdrängen. In der Regel erfolgt dies mit Hilfe kultureller Setzungen, die dann auf die gesamte Gesellschaft bezogen, Sozialneurosen bedingen.

Die wichtigsten Vorgaben kommen aus dem Fortpflanzungsbereich, der Sexualität, dem im Menschen biologisch angelegten Rangordnungsverhalten, sozial als Statusstreben verstanden. Das gesamte menschliche Leistungsverhalten hat hier seinen eigentlichen Ursprung. Es ist die Triebkraft, die letztlich alle sozialen Institutionen beherrscht. Innerhalb aller komplexen Sozialstrukturen besteht ein Rangordnungsverhalten, das seinen Ausdruck in den dortigen jeweiligen Machtstrukturen findet. Der mächtige ist, primatengemäß, der fortpflanzungs-mäßig, – wie in der Natur üblich -, Bevorzugte, und jeder möchte dies sein. Das Alphaindividuum kann den Rangniederen wegbeißen.

In den anthropogenen Kulturen haben sich die evolutionären Grundstrukturen, die weitgehend auf der Stärke und Gesundheit der jeweils Ranghöheren bauten, kulturell erweitert. Neue Statuskriterien traten hinzu, besonders Leistungen in allen ihren Formen, die dann in spezifische Machtstrukturen umschlagen konnten, z. B.

  • durch Beziehungen (frühere z. B. durch Heiraten, heute soziale Netzwerke),
  • die Möglichkeit Zwang ausüben zu können,
  • die Möglichkeit Belohnen zu können,
  • besondere Fähigkeiten (früher z. B. als Jäger, heute als Sportler, Künstler, Wissenschaftler),
  • durch das Angebot von Identifizierungsmöglichkeiten mit einem Legitimierten (z. B. einer charismatischen Person).

Männer und Frauen nehmen Macht verschieden wahr.

  • Männer
    • erinnern sich mehr an Fakten als weniger Mächtige,
    • konzentrieren sich verstärkt auf persönliche Ziele,
  • Frauen
    • berücksichtigen eher soziale Zusammenhänge.

In unserer Gesellschaft werden besonders eine Medienaufmerksamkeit, Geld und Luxus beachtet.

Auf die psychische Abwehr der Machtfolgen reagiert der Körper mit Stress. Es bildet sich ein Widerstand, auf den reagiert wird mit

  • Nichtkooperation,
  • Protest,
  • zivilen Ungehorsam,
  • Streik.

Das Problem im sozialen Bereich ist die Möglichkeit der Pervertierung der Macht und ihr Missbrauch. Deshalb sind in allen sozialen Systemen Möglichkeiten ihrer Kontrolle eingebaut, die zumindest langfristig greifen.

Alle unsere Zivilisationen sind Kulturergebnisse, eine Folge in sich zusammenhängender Orientierungssysteme, von Setzungen und Logiksystemen, die oft nicht mehr hinterfragbar sind. Für die Philosophie Kants galten letztere als „a priori“. Wir werden in sie hineingeboren und von ihnen in unseren neuronalen Abläufen geprägt. Damit werden sie für unser Schicksal bestimmend. Unsere Brüche zu ihnen entstehen, wenn ihre Ausdrucksformen zu unserer evolutionären Natur, unserer Instinktwelt, in einen Widerspruch geraten. Unsere Botenstoffhaushalte geraten dann aus ihrem Gleichgewicht. Psychische Störungen sind die Folge. Individuell ausgerichtet, versuchen wir diese im Rahmen unserer Selbstverwirklichungsprogramme dann als persönliches Freiheitsrecht auszuleben. Jeder befindet sich auf der Suche nach seinem alleinigen Glück, auf das er ein Recht zu haben glaubt.

Prägungen sind identitätsstiftend. Sie sozialisieren den Einzelnen. Damit startet er seine Biographie. Unser deutsches Problem ist, dass man uns über die Reeducation-Programme nach 1945 nicht nur unsere zwölfjährige nationalsozialistische Vergangenheit (in Teilaspekten berechtigt) in Frage gestellt hat, sondern unsere deutsche Identität insgesamt. Selbst unser altes Liedgut der Romantik und aus dem Wandervogel galten als fragwürdig und werden von unseren Chören auch heute noch durch amerikanisches ersetzt.

Kulturen sind Orientierungsangebote. Sie sind gewachsen aus den Bewusstseinsinhalten vieler Menschen. Sie stellen sozusagen ein Megabewusstsein dar, das auf die Einzelnen einwirkt und über die sie selber damit eine eigene evolutionäre Geschichte haben und ihre Zukunft erhalten. Wir selber werden über die Vielzahl ihrer Inhalte zu einem ihnen zugehörenden Objekt. Soziale Gruppen brauchen für ihre Orientierung, für die Errichtung ihrer Kulturen

  • Identitätsfiguren,
  • intellektuelle Vordenker,
  • charismatische Visionäre,
  • einen sozialen Diskurs zwischen fortschrittlichen und konservativen Meinungsträgeren.

Das heißt, sie brauchen Leitfiguren und Philosophen.

Wenn man sich fragt, welche Inhalte dem heutigen Menschen noch zur Orientierung dienen können, muss man erstaunt feststellen, dass es kaum noch solche gibt:

  • Die „Familie“ wird durch einen überzogenen Individualismuskult zunehmend aufgelöst.
  • Die „Arbeit“ hat sich von ihren Erzeugnissen weitgehend gelöst. Den früheren Lebensberuf mit seinem Ethos gibt es heute nicht mehr.
  • Die „Demokratie“ ist zu einer verlogenen Institution verkommen und wird von den Lobbyisten und den Geheimdiensten fremder Staaten beherrscht, bzw. manipuliert.
  • Die „Nation“ als Kultureinheit wird verraten. Selbst die eigene deutsche Sprache wird an unseren Forschungsinstituten und Hochschulen zunehmend durch das Englische ersetzt.
  • Die „Religionen“ sind mit ihren Jahrtausende alten Mythen unglaubwürdig geworden. Sie dienen oft nur noch Interessengruppen um Menschenmassen aufeinander zu hetzen (Christen gegen Moslems, Orthodoxe gegen Katholische, Katholische gegen Evangelische, Sunniten gegen Schiiten, Buddhisten gegen Moslems).
  • Die „Natur“ kennen ihre Verteidiger oft kaum noch. Um ein zeitgemäßer Mensch zu sein, soll man z. B. als Heterosexueller seine Homosexualität in sich entdecken.

Die Reden der Politiker strotzen vor Phrasen. Es wird die große Freiheit des Individuums beschworen, die sich in Wirklichkeit in unserem kapitalistischem System für die meisten von uns sich letztlich nur auf die Freiheit reduziert, ungehemmt ausgebeutet zu werden.

Die 68er-Revolution war eine Bewegung, die die hergebrachten sozialen Orientierungswerte in Frage stellte:

  • Zunächst die der Familie als soziale Kernzelle. Am Anfang nur über eine sexuelle Freizügigkeit, am Ende in einer Gleichschaltung homosexueller Paare mit traditionellen Ehen.
  • Dann die „demokratische Gleichschaltung“ allgemeiner Leistungsanforderungen in den Schulen. Das Abitur für alle und danach die Inklusion zur Eingliederung von Behinderten in dieses System. Damit verbunden war eine Aufgabe kultureller Orientierungsinhalte.

Dem geschwächten Abitur und dem gleichzeitig höheren Akademikerbedarf kamen die Masterstudiengänge entgegen, die man mit deren übernationaler Anerkennung (Bologna-Verträge) rechtfertigen konnte.

  • Die Aufgabe der nationalen Identität über die Einführung des „Doppelpasses“ und die Vernachlässigung der eigenen deutschen Sprache.

Parallel dazu lief eine Betonung des Individualismus in einer Betonung der Suche eines möglichst nie aufhörenden persönlichen Glücks, einer Betonung der eigenen Identität. Eine der führenden sozialen Bewegungen in dieser Hinsicht stellt der ideologische Feminismus  dar. Unser gesellschaftliches Problem in dieser Situation ist, dass die sogenannten konservativen Parteien gleichzeitig die Interessenvertreter von als ungerecht empfundenen Besitzständen und auf die Ausbeutung sozial Schwächerer gerichteter Verhaltensweisen sind, und der einzelne nicht mehr weiß, wenn er in dieser Situation eigentlich noch wählen kann.

Unser Problem ist nun aber, dass wir in der westlichen Welt, wenn man von den kommerziellen Interessen mancher Unternehmen und Verbände und den imperialen Interessen der USA absieht, weitgehend orientierungslos geworden sind. Das gilt für alle Bereiche unserer Gesellschaft:

  • unsere Erziehungssysteme (deren Diskurs weitgehend von Ideologen bestimmt wird),
  • unsere Berufsausbildungen,
  • unsere Sanktionssysteme (für eine Verantwortung gelten junge Straftäter als zu jung, haben eine schlechte Jugend gehabt, standen unter Alkohol oder wurden von augenblicklichen Reizen überwältigt),
  • fast alle unsere Orientierungsziele,
  • dem fehlenden Konsens für den Zusammenhalt der Gesellschaft (man kennt sich nicht mehr, da man sich nur noch unter seinesgleichen bewegt).

Der einzelne Mensch in unserer Kultur ist das durch die Medien und die Werbung fremdbestimmte Individuum (oft national gesteuert von Interessenvertretern über ihre Lobbyisten und internationale über deren Geheimdienste). Er glaubt in seinem Handeln autonom zu sein, folgt aber aus seinem Inneren heraus den ihm angebotenen Orientierungsangeboten. Von außen her gesehen steht er zusätzlich unter einer totalen Beobachtung

  • durch die Informationen, die er in die digitalen Medien hinterlässt (im Normalfall für die Geheimdienste uninteressant, bei Interesse aber bereits heute über deren psychisches Wissen lesbar wie ein offenes Buch).
  • durch unsere digital beeinflussten Tätigkeiten an unseren Arbeitsplätzen.
  • durch die Bewegungsmelder in Geschäften und öffentlichen Plätzen.
  • durch die Bewegungsmelder in unseren (neueren) Fahrzeugen.

(Außer in der freien, weiten Natur gibt es kaum noch einen Ort, an dem er nicht beobachtet wird, – vorausgesetzt er hat in seiner Tasche nicht ein digitales Gerät).

Unser individuelles Dasein ist weitgehend nur noch ein heute noch gepflegtes historisches Ideal. Die entscheidenden Größen für unsere tatsächliche Existenz sind nicht individueller, sondern sozialer Natur. Auf sie müssten wir verstärkt unser Augenmerk richten.

Unsere Gesellschaft ist auf einen weitestmöglichen Individualismus hin angelegt, mit den Zielen einer höchstmöglichen Authentizität des Einzelnen (was immer diese auch ausmacht und wie immer sie auch entstanden ist) und einem möglichst immerwährenden Schwimmen im Glück (unabhängig davon, dass es zum Egoismus des Individualismus im Widerspruch steht und so nie erreicht werden kann). Dieses Spannungsfeld, bzw. die dabei entstehende Leere wird ausgefüllt mit banaler Unterhaltung, Ablenkungstätigkeiten, einem Sein ohne ein Bewusstwerden des Seins. Den persönlichen emotionalen Bewegungen wird zunächst eine ungeheure Bedeutung zugesprochen, und am Ende empfindet man nur noch ein banales Nichts (wenn man überhaupt so weit kommt).

Unsere soziale Gesellschaft zerfällt wegen der vielen Individualinteressen zunehmend. Sie wird gerne als eine „offene“ hingestellt, ist aber in ihrer Offenheit eigentlich nur eine orientierungslose. Der Feminismus konnte z.B. seine heutige Stellung in der Gesellschaft nur wegen deren zunehmenden Zerfall erreichen. Das wäre nicht weiter bedrohlich, wenn nicht gleichzeitig durch die Individualisierung und Globalisierung unsere Welt zunehmend völlig unkontrollierbar den Folgen der Digitalisierung und der technischen Intelligenz gegenüberstände. In dieser Situation erlangen psychische Fehlentwicklungen, Sozialneurosen einen hohen Diskurswert und bestimmen die sozialen Orientierungsvorgaben. Für viele Personen werden jetzt ihre Forderungen zu moralischen Instanzen ihrer individueller Selbstverwirklichung.

Was wir sozial benötigen, ist eine Rückbesinnung auf unsere evolutionsmäßig, biologisch angelegte Gemeinschaftsformen: Auf die

  • Fortpflanzungsfamilie (unter Tolerierung anderer Partnerschaften),
  • Umweltgemeinschaften (z. B. dörfliche Gemeinschaften),
  • urbane Gemeinschaften,
  • regionale oder großstädtische Gemeinschaften,
  • sprachliche Kulturgemeinschaften (z. B. die Bundesrepublik),
  • Großkulturgemeinschaften (z. B. die Europäische Union).

Dabei ist in ihnen die zu schützende private und öffentliche Sphäre jeweils zu trennen und für sie alle mögliche Normen, Rituale und Orientierung gebende Absprachen aufzuzeigen. Ein solches System wäre vielleicht der beste Schutz vor den negativen Auswirkungen der Digitalisierung und Globalisierung.

Evolutionsbedingt gibt es ideale Gruppengrößen (nach Robin Dunhar, brit. Anthropologe):

  • ideale Größe von Arbeitsgemeinschaften: 2 Personen,
  • Der Vorteil der biologischen Familie („Normalfamilie“) gegenüber anderen Partnerschaften ist deren psychischer, geschlechtlicher Vorbildcharakter. Partnerschaften können nur Rechtsgemeinschaften sein, die erzieherische, wirtschaftliche und Freizeitfunktionen haben.
  • optimale Gruppengröße: 7 (+/- 2) Personen,
  • am effektivsten arbeiten Gruppen von 8 Personen (maximal 9),
  • Beziehungsgruppen sollten 150 Menschen (zwischen 100 – 250) nicht übersteigen,
  • Dunhar-Zahlen: Menschen besitzen im Schnitt
    • 3 – 5  intime Freunde,
    • enge Freunde,
    • gute Freunde,
    • mittlere Bekannte.

Zunehmend werden die Ehen in Deutschland über das Internet geschlossen. Ein Institut soll allein ca. 600.000 Verbindungen vermittelt haben (in 13 Länder, überwiegend in der BRD). Eine moderne harmonische Partnerschaft soll vorwiegend auf drei Eigenschaften beruhen:

  • einem persönlich richtigen Verhältnis von Nähe und Distanz,
  • dem Umfang gegenseitiger Ergänzungen,
  • nicht zueinander im Widerspruch stehende Grundmentalitäten (Interessen, Neigungen, Beruf).

Die Gesellschaft vermittelt uns zwar Idealvorstellungen, doch wichtiger sind die jeweiligen zu einander passenden Persönlichkeitsmerkmale (ideal soll ein Mix von ca. 80 % Gleichheit und 20 % Gegensatz sein). Der Vorteil einer Ehe ist der neben ihrer evolutionären Funktion als Fortpflanzungsgemeinschaft,

  • ein ökonomischer (man braucht alles nur 1 x),
  • man ist nicht allein (die Einsamkeit ist die Ursache vieler psychischer und in Folge physischer Fehlentwicklungen).

Jede größere Gesellschaft besteht aus verschiedenen Gruppen, die in ihr verschiedene Funktionen abdecken. Früher konnten sie, grob vereinfachend, einer Ober-, Mittel- oder Unterschicht zugeordnet werden (dem Adel, dem Bürgertum und den lohnabhängigen Arbeitern). Sie alle besaßen eigene Verhaltensregeln. Ein Wechsel aus der einen Schicht in eine höhere war kaum möglich, da Standesregeln dies nicht erlaubten (wie heute noch im indischen Kastenwesen in der Praxis). In ihnen allen bestand ein harter interner Statuswettbewerb. In der Gotik und der Renaissance setzte sich zunächst im Bürgertum der Handel vor das handwerkliche Innungswesen (Hanse, Venedig, Fugger). Durch das starke Anwachsen der Arbeiterschaft während der industriellen Revolution kam es zu sozialen Umbrüchen. Sie beanspruchte auch für sich bessere Lebensbedingungen und die vom Bürgertum erkämpften bürgerlichen Rechte. Zunächst stramm organisiert, wurden sie zu einer sozialen Kraft. Durch den fortschreitenden Strukturwandel zerfiel aber deren Macht, und ihre  Mitglieder entwickelten sich zu rücksichtslosen Vorteilsnehmern, auf das persönliche Glück fixierte Individuen. Das soziale Umfeld diente nur noch als Claqueur für die Selbstverwirklichung. Während in der sozialen Breite zunehmend alle sozialen Differenzierungen aufgehoben wurden, – selbst der geistig Behinderte erhielt das Anrecht auf ein gutes Abiturzeugnis-, entwickelte sich eine neue elitäre Oberschicht, deren innere Verbindungen in ihren Netzwerken besteht. Früher war es die Familie, die zukünftige Karrieren bestimmte (sie sind es in einem geringeren Umfang heute noch), heute sind es die Netzwerke, gestrickt in elitären Privatschulen, Vereinen, Parteien, den verschiedenen sozialen Systemen. Sie agieren weltweit (global), sprechen unter einander Englisch und haben kaum Vorstellungen vom täglichen Existenzkampf der heutigen Unterschichten (in Deutschland: Hartz-IV-Empfänger, in Armut lebende Rentner, Obdachlose, viele alleinerziehende Frauen). Ihre verschiedenen Einkommen lassen sie die Welt in verschiedenen Realitäten sehen. Über ihren Einfluss bestimmen sie den Hintergrund von Regierungen, begrenzt sogar deren Zusammensetzungen. Diese schützen sie vor Verfolgung bei ertappten Betrügereien. Hierfür bezeichnend in Deutschland der Dieselskandal. Hunderttausende von Käufern wurden gezielt betrogen. Die Unternehmen machten Milliardengewinne und die Unternehmensführer erhielten Millioneneinkünfte, ohne dass die Werke oder deren Entscheidungsträger zur Verantwortung gezogen wurden. Sie rühmten sogar ihre guten Beziehungen zur Regierung.

Natürlich brauchen alle Großgruppen Führungspersonen. Früher entsprangen sie Traditionen und erhielten eine höhere Entlohnung für ihre Dienste. Auch heute benötigen Orientierungsgemeinschaften Eliten, die in ihren Gemeinschaften ihre Gruppen repräsentieren. Sie vertreten diese als Wertegemeinschaften und stehen damit (im Ideal) für deren Werte. Bereits im archaischen Griechenland (8. – 5. Jhd. V. Chr.) hatte man erkannt, dass man für eine Demokratie fähige Eliten benötigte. Sie hatten ihren Aufgaben zu dienen. Ihren Konkurrenzkampf empfand man als destabilisierend. Deshalb setzte man für die Lösung von Konflikten eine Rechtsprechung ein, Ein Politiker sollte sich als Anwalt des Volkes verstehen. Allerdings führten Familienbesitz und damalige Lebensformen schon seinerzeit zu zunehmenden sozialen Ungleichheiten. Vom römischen Weltreich sagte man später, dass es einst wegen der Überbetonung seiner Elitenansprüche untergegangen ist. Damit kann man aus der Geschichte lernen, dass man zwar Eliten benötigt, diese sich aber nicht verselbständigen dürfen (wie es zurzeit bei uns der Fall ist), sondern der Kontrolle durch das Volk unterstehen müssen.

Es findet in unserer Gesellschaft kaum noch ein echter Diskurs statt.  Viele Themen sind tabuisiert (z. B. die tatsächliche Ungleichheit der Geschlechter, amerikanische Einflüsse auf die deutsche Politik,  israelischer Landraub, nationale deutsche Belange, die Verlegung der Bonner Ministerien nach Berlin, die Stärkung der Bundeskompetenz, die Zunahme rechtsfreier Bereiche in vielen Städten). Wir besitzen keine echten Verständigungsversuche über unsere Zukunft (nur jeweils aktuelle Problemlöungen  im Sinne bestimmter Interessengemeinschaften).

Zudem fehlt ein Bewusstsein für die existentielle Bedrohung der Menschheit an sich. Sie ist durch unser aller Verhalten in ihrer Gesamtheit bedroht. Wahrscheinlich sind wir alle mehr oder weniger mit einander verwandt. Geht man in seiner Ahnenreihe zurück, dann besitzt man 8 Urgroßeltern, in der 10ten Vorfahrengeneration 1024 Ahnen, in der 20ten, d.h. vor nur ca. 500 Jahren bereits 1.048.576 mögliche Vorfahren. Noch weiter zurück(wahrscheinlich keine 1000 Jahre) dürften alle Europäer miteinander verwandt sein. Die Menschheit ist evolutionär als Art eine soziale Einheit. Es gilt, sie in allen ihren fruchtbaren Facetten um unserer selbst willen zu erhalten.

Die Werte

Vielleicht die wichtigsten Fragen einer Gesellschaft:

  • Welche Werte geben wir uns?
  • Nach welchen Werten wollen wir leben?
  • Auf welche Werte können wir als Menschen nicht verzichten?

Vielleicht die wichtigsten Fragen für einen einzelnen Menschen:

  • Welchen Sinn soll ich meinem Leben geben?

(Die Antwort gibt dem Leben seine Orientierung).

Im Mittelpunkt unseres Weltbildes stehen unsere Werte. Über sie interpretieren wir unser Dasein. Sie sind unsere Orientierungsvorgaben, die wir aus unserer sozialen Welt übernommen haben und die in unseren Hirnstrukturen verankert sind. In der Regel sind sie in unseren großen Ideologiesystemen eingebettet, wie in unseren Religionen oder unseren Wissenschaften.

Werte stellen für uns dar:

  • positiv:
    • kulturelle Orientierungsvorgaben,
    • persönliche Hilfen,
    • innere Ordnungsgeber,
    • Sinngeber für das Leben.
  • negativ:
    • Einschränkungen unserer Welt (sie bilden die Grenzmauern unseres Gehirns),
    • unsere Toleranzschwellen,
    • Hindernisse für die Aufnahme von Neuinformationen.

Ihr Hintergrund kann sein:

  • instinktiv (evolutionär, phylogenetisch auf eine bestimmte Lebensweise hin ausgerichtet),
  • verinnerlicht (oft sozial vermittelt und emotional befrachtet; hierher gehören u. a. die Religionen),
  • rational (nach „logischen“ Vorgaben auf Schlüsse bauend, dabei beinhalten diese Vorgaben bereits einen phyllogenetischen Kern).

Historisch kannte man einen positiven und einen negativen Wertekatalog (z. B. die sogenannten Tugenden). Heute werden die negativen Werte als psychische Individualrechte weitgehend toleriert und den positiven Werten deren Gegenüber geraubt, z. B. den individuellen Freiheitsrechten, deren soziale Begrenzung. Eine Folge davon ist, dass man praktisch kaum noch einen negativen Sanktionskatalog besitzt, bzw. ihm kaum noch folgt (z. B. in den Schulen).

Die Gesamtheit der gesellschaftlichen Regeln ist die Moral. Man unterscheidet bei ihr sechs Haupttypen:

  • individualistische Utilitaristen:  Sie orientieren sich an ihren persönlichen Interessen),
  • Gruppen-Utilitaristen:  Sie orientieren sich an Autoritäten.
  • Gefühls-Moralisten:  Sie sind gefühlsbetont.
  • Altruisten:  Sie unterstützen andere.
  • Moral-Absolutisten:  Sie lehnen alle Relativierungen ab.
  • religiöse Moralisten:  Sie orientieren sich an ihrem Glauben.

Reine Moralisten müssen sich nicht an der Realität bewähren (sie wissen alles besser).

Früher erwarben die Menschen ihr Selbstwertgefühl weitgehend über ihre Arbeit, über deren Qualität und ihre Zuverlässigkeit. Heute gibt es den Lebensberuf immer weniger und seine Inhalte verändern sich ständig. Man kann sich kaum noch über seinen Beruf definieren, und dann stellt sich die Frage, worüber dann? Über seine Statussymbole, seine Kleidung, sein Essverhalten, seine Reisen, seine Vereine? Und je weniger diese befriedigen, umso intensiver werden diese Möglichkeiten betrieben. Man benötigt für seine Selbstinszenierung seine Orientierungsvorbilder und danach die Reaktionen seines sozialen Umfeldes. Erst sie lassen einen stolz und selbstbewusst auf sich schauen. Bei der Suche nach unserer ureigenen Identität achten wir nicht auf unser Gefühl und unseren Verstand (beide werden allerdings bereits sozial beeinflusst), sondern lassen uns von künstlichen Vorbildern entmündigen.

Unsere Werte bestimmen unser Selbstwertgefühl. Doch vorher bekommen wir sie? Anscheinend sind sie zunehmend die Einflussergebnisse von in Medien präsentierten Personen mit einer großen Autorität (Influencer). Sie nehmen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Kaufentscheidungen. Ihre Popularität gewinnen sie über die sozialen Netzwerke (Freunde) und danach über die Mundpropaganda. Diese Vorbildpersonen genießen bei der Masse ein hohes Ansehen, und deren Ansehen wiederum wird von Anbietern für ihre Marktstrategien genutzt.

Einst führte der Tod von Benno Ohnesorg in Deutschland zur 68iger Studentenrevolte. Die alten, teilweise aus der Zeit des Nationalsozialismus hinübergeretteten Orientierungswerte wurden infrage gestellt. Es galten nicht mehr:

  • nationale Werte: Man diffamierte Deutschland als Kulturnation. Das Deutschtum wurde mit Auschwitz in Verbindung gebracht. Die amerikanische Kultur wurde in Anlehnung an die kalifornische Schwesterbewegung zum Vorbild genommen, die englische Sprache zur internationalen Verständigungs- und Wissenschaftssprache. Die amerikanischen Reeducation-Programme wurden damit (obwohl nicht gewollt) gefestigt und weiter ausgebaut.
  • das Schulsystem wurde zunehmend amerikanisiert. Die Schüler sollten in der Schule keine negativen Erfahrungen mehr machen. Die Noten wurden bis zur Unkenntlichkeit nivelliert Jeder könne das Abitur machen (zurzeit pro Jahr knapp 500.000 Schüler), sehr oft mit einem 1,0-Abitur und danach möglichst mit einem 1ser Examen. Alle Leistungen waren in dem neuen demokratischen System gleichwertig. Begabungsunterschiede zwischen Minder- und Hochbegabten wurden über den Gruppenunterricht der Inklusionsklassen ad absurdum geführt.
  • in der Genderbewegung versuchten Interessengruppen über Quotenregelungen sich Vorteile zu verschaffen. Geschlechtsbezogene Unterschiede durfte es nicht mehr geben (obwohl das Gehirn von Frauen und Männern sich in etwa 30 Punkten unterscheiden soll). Umweltfaktoren und alte Machtstrukturen wurden für die bisherigen Unterschiede verantwortlich gemacht. Dabei gibt es in unserer westlichen Kultur keine spezifische Frauen- oder Männerkultur, die sich an ihren jeweiligen biologischen Stärken orientiert. Ausgehend von Einzelpersönlichkeiten (als Ergebnis ihrer jeweiligen spezifischen genetischen Besonderheit und ihres jeweiligen besonderen Botenstoffhaushaltes ) werden mit Gerechtigkeitsargumenten Vorteilssituationen eingefordert und erstritten.
  • der hedonistischer Individualismus wurde zum wichtigsten Lebensinhalt erhoben. Das erstrebenswerteste Lebensziel sei, seine Identität auszuleben und dabei sich in einer ständigen Glücksituation zu befinden. Seine unverplante Zeit füllt man mit geselligen Runden, dem Besuch von Veranstaltungen (denen man nicht geistig folgt, sondern an denen man nur teilgenommen haben muss) und mit Reisen (ohne sich mit der Kultur der besuchten Orte tatsächlich beschäftigt zu  haben).

Die Begriffe Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit wurden zu verbalen Worthülsen, ohne dass die jeweils Machtbesitzenden sich – außer vor Wahlen – tatsächlich um deren Inhalte  kümmerten. Der unmündige Bürger folgte gezielt erhaltenen Informationen der Planungsstäbe von Interessengruppen oder Staaten. Die einzelnen Ministerien sind mit Lobbyisten besetzt (besonders auffällig im Verkehrs-, Landwirtschafts- und Gesundheitsbereich). Natürlich versuchen die Russen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die politischen Verhältnisse in Deutschland zu beeinflussen, Unsere Freunde, die Amerikaner, machen so etwas nicht, sie sollen hier nur zeitweise 15.000 Agenten beschäftigt haben. Wofür? Ihre Vormachtstellung im digitalen Bereich erlaubt ihnen darüber hinaus noch viele andere Möglichkeiten.

Die weitgehende Auflösung, bzw. Relativierung unserer Wertwelt in unserer pluralistischen Gesellschaft bedeutet für viele Menschen den Zwang zur Suche nach neuen Orientierungsinhalten. Und die bestimmt oft der Zufall, auf welche Inhalte sie gerade stoßen, bzw. welche Inhalte sie ansatzmäßig auf einen Weg bringt (den sie am Ende oft selber nicht gewollt haben). Früher boten verschiedene gesellschaftliche Gruppen eine Möglichkeit, sich mit deren Inhalten zu identifizieren, z. B. die großen „Volks“-Parteien. Doch für welche Werte stehen diese heute? Die korrekte Frage ist hier, für welche Interessengruppen? Da der einzelne Mensch ohne Orientierungsinhalte (sowohl mentale wie auch rationale) nicht bestehen kann, wäre es eine Aufgabe der heutigen Philosophie für unsere Gesellschaft und unsere Zukunft konsensfähige, anstrebenswerte Inhalte (Ideale) aufzuzeigen, z. B.

  • die Zahl er Menschen für die Zukunft zunehmend zu beschränken,
  • das Geben von inhaltlichen Kriterien für die Wissenschaft zur Erhaltung unserer menschlichen Existenz, d. h. des historischen Homo sapiens innerhalb einer digitalen Evolutionswelt (wir sind dabei, uns auf den Weg von Roboter-Hybriden zu begeben), die eines Tages „fehlerfrei“ die Lenkung des Erdschicksals übernehmen können.
  • die Begrenzung der Nutzung unserer Ressourcen auf der Erde (damit u. a. auch eine starke Beschränkung unserer Luxuskultur auf Kosten der Menschen in den Entwicklungsländern).
  • den einer europäischen Staatengemeinschaft auf der Basis eines gemeinsamen Kulturhintergrundes (evtl. ausgehend von anfänglichen Staatenvereinigungen mit verschiedenen Geschwindigkeiten, z. B. einem Ausgangsstaat Deutschland-Frankreich, vielleicht zunächst über eine Vereinigung ihrer Sportverbände).

Wenn wir ein Teil der Natur sind, zu ihr in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und damit alle ihre Teile für uns einen Wert besitzen, müssen wir uns über diese Werte Gedanken machen und sie zu einem rechtlichen Teil unseres Lebens machen. Besonders deutlich wird dies an dem Bioethiker Peter Singer, der einerseits aufs heftigste sich für die Minderung des Leids das Menschen Tieren zufügen einsetzte, andererseits unter bestimmten Umständen bereit ist, schwerstbehinderte Neugeborene, die ihre Mutter nie erkennen würden, nie lächeln können, innerhalb einer 28-Tage-Frist, auf den Wunsch ihrer Eltern hin, sterben zu lassen. Dabei geht es Singer allein darum, mögliches Leiden zu beenden. Seine Gegner sehen in ihm einen Befürworter der „Euthanasie“, die unter den Nationalsozialisten zur Rechtfertigung der Ermordung Behinderter diente.

Welchen Stellenwert das Leben als solches, als Naturphänomen tatsächlich in unserer Gesellschaft hat, zeigt dessen Behandlung in der Landwirtschaft. Jährlich werden hier aus rein wirtschaftlichen Gründen 45 Millionen männliche Küken lebendig geschreddert, ohne dass Proteste dagegen eine Wirkung zeigen. Eine solche Kaltschnäuzigkeit dem Leben gegenüber kennt man sonst nur aus absolutistischen Diktaturen, in denen das Leben unerwünschter Personen auch keinen Wert besitzt.

Die Werte (II.)

Alle unsere Werte sind die Ergebnisse verinnerlichter sozialer Setzungen, sei es im Rahmen eines kulturellen Kontextes oder von moralischen Festlegungen. Das gilt auch für unsere Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit und der Unverletzlichkeit des Lebens (unsere Grundwerte), die wir noch über unsere bestehende Rechtsordnung stellen. Alle sollen das Recht auf Leben und das Streben nach Glück haben. In unserem Grundgesetz werden sie von einem christlich-humanistischem Hintergrund begleitet.

Letztlich beziehen sie sich auf eine soziale Absicherung unserer

  • Existenz: Dazu gehören besonders die Werte, die auf unseren Mangelbefürchtungen und Ängsten (Gefühlshintergründen) gewachsen sind und die dann kulturell überlagert wurden.
  • Fortpflanzung (Artsicherung): Dazu gehören alle Werte, die irgendwie hierarchie-, dominanzbezogen sind und mit Kraft, Gesundheit und Mut zu tun haben und sozial in einen Status einmünden.
  • Zusammenleben (unsere Sozialität): Dazu gehören die Werte, die das Gemeinschaftsleben ermöglichen und der Statusorientierung zugleich sozial ihre Grenzen setzen.

Alle unsere Werte werden in unserer Kindheit in uns neuronal verankert und bestimmen über die Gehirnmechanismen, die sie auslösen und die Botenstoffe, die sie aktivieren unser Verhalten. Sie sind in ihrer gelebten Form Kulturergebnisse, die Einfluss auf unser gesamtes Leben nehmen. Alle unsere Vorstellungen über unsere Menschenrechte und Formen unseres Zusammenlebens gehören hierher. In ihrem Dasein erwachsen sie allgemein aus unserem archaischen, evolutionär-homonoiden Hintergrund und beziehen sich gelebt auf die jeweils vorhandenen genetischen Gegebenheiten der Menschheit als Sozialgemeinschaft. Unsere Probleme setzen ein, weil jedes Individuum innerhalb dieser Gegebenheit seine eigene genetische Einmaligkeit besitzt und psychisch, transmitterbedingt mit seinen persönlichen Bedürfnissen zu seiner Kultur, seinem sozialen Umfeld (ohne das er nicht bestehen kann) in eine Konfliktsituation geraten kann. In seinem Inneren ausgetragen, kann er psychisch krank werden, nach außen gelebt aggressiv. Einerseits verbirgt sich hinter deren Einmaligkeit der ständige biologische Fortschritts- und Ausleseprozess innerhalb der Menschheit, andererseits auch der Hintergrund aller ihrer selbstgemachten Tragödien.

Werte sind letzten Endes nur willkürliche, neuronal ausgerichtete Orientierungsinhalte, unabhängig davon, wie hoch sie als Wert gehängt werden. Als Summe bilden sie das Grundgerüst unserer Kulturen. Als Orientierungsgerüste sind sie die sinngebenden Inhalte unserer Religionen und der tragende Hintergrund unserer Wissenschaften (als Wahrheitskriterium in ihren kausalen Logiksystemen).

Ihr Problem ist, dass sie

  • kausalen Denkabläufen folgen, den menschlichen Denkgrenzen gemäß, die Natur, die Umwelt aber komplex organisieret ist.
  • im Individuum festgefahrenen neuronalen Bahnen folgen, d. h. Gefühlen, diese aber einen evolutionär-biologischen Hintergrund besitzen, der nur kulturell überlagert ist.
  • sozial oft Interessen folgen (z. B. Wertentscheidungen, die den Feminismus betreffen).

Oft sind sie aus der psychischen Befindlichkeit (auch Unzulänglichkeit) charismatischer Menschen gewachsen.

Die kulturelle Abhängigkeit der Werte wird deutlich, wenn man ihre soziale Funktion in den verschiedenen Weltregionen näher betrachtet. So denkt man in den westlichen Ländern eher individuell, egoistisch, in den östlichen eher kollektiv. Als jeweils tragende Inhalte ihrer Kultur bilden sie deren existenzbestimmende Ideologien. Als Ganzes sozial bestimmend, kann sich jeder, in seinem begrenzten Rahmen, dort die Inhalte herausnehmen, die seine Existenz berühren. Erst danach setzt seine Rationalität ein (wenn überhaupt).

Unsere Zeit ist in unserer Kultur dadurch gekennzeichnet, dass die Pflichtwerte zugunsten unserer Entfaltungswerte abnehmen.

  • Pflichtwerte sind:
    • Traditionen,
    • Leistungen,
    • Recht und Gesetz,
  • Entfaltungswerte sind:
    • Individualität,
    • geistiger Wandel,
    • Einflussnahme (Politik) von unten.

Unser heutiges Problem ist, dass wir in einer Zeit eines radikalen kulturellen Umbruchs leben. Alle unsere historischen Werte werden darin infrage gestellt, und wir wissen nicht, wie ein zukunftsweisendes Wertesystem tatsächlich aussehen muss. Wir besitzen dafür nur vier Orientierungsgrößen:

  • unsere biologische, in der Evolution gewachsene Beschaffenheit. Alle Setzungen gegen sie sind mit Unsicherheiten in unseren neuronalen Botenstoffgleichgewichten verbunden. Einige Individuen können dies auf Grund ihrer psychischen Konstitution vertragen, die Mehrzahl der Menschen dürfte aber mehr oder weniger auffällig gestört sein.
  • die relative soziale Bedeutungslosigkeit des Einzelnen. Für sich selbst ist zwar jeder der wichtigste, im globalen Maßstab in der Regel aber völlig bedeutungslos. Die Erde steuert auf eine Überbevölkerung mit unzähligen damit verbundenen Problemen zu. Individuell kämpfen wir um jedes Leben und versuchen jedes zu verlängern. Doch wofür? Sozial braucht man den Menschenüberschuss nicht. Womit will man ihn zufrieden stellen? In Aussicht steht eine gewaltige Unterhaltungsindustrie.
  • die Begrenztheit der Ressourcen. Jeder weiß, das bei einer zunehmenden Menschheit und deren Konsum, die vorhandenen Ressourcen eines Tages nicht mehr ausreichen werden. Zwangsläufig werden dann Verteilungsprobleme auftreten. Wem wird man sie zugestehen? Den Supermächten, den Wohlhabenden, irgendwelchen Eliten? Die jetzige Politik der Großmächte zielt bereits auf eine Sicherung ihrer Vormachtstellungen, doch was soll mit dem im Elend umkommenden Menschenrest geschehen? Welchen Wert besitzen dann noch unsere humanen (z.B. christlichen) Werte?
  • unsere voraussichtliche zukünftige biologische, chemische und technische Veränderung. Niemand kann heute sagen, wie der zukünftige Mensch eines Tages aussehen wird, doch sind es unsere heutigen, vorausgehenden Wertsetzungen, die ihr – zumindest für eine bestimmte Zeit – ihre Ausrichtung geben werden.

Hinter jedem Menschenbild steht eine Ideologie. Es gibt kein wertfreies Bild vom Menschen. Immer steht vor dessen Hintergrund eine Kultur, ein System ihr zugeordneter Werte. Da wir alle kulturabhängige Wesen sind, sind wir auch alle ideologieabhängige Wesen. Jede Gesellschaft sichert dadurch ihre Konformität. Daraus können Probleme erwachsen:

  • für deren inneren Zusammenhalt (wenn die Werte infrage gestellt werden),
  • individuell, wenn jemand sozial ausgegrenzt wird, bzw. ihm keine Möglichkeit für eine echte Integration angeboten wird. Er kann dann psychisch gezwungen sein, seine Ausgrenzung zunächst hinzunehmen, sie dann im Rahmen seiner Identitätssuche zu akzeptieren und zuletzt,  in einem nächsten Schritt, in seiner Besonderheit diese auch nach außen hin zu demonstrieren (z. B. mit Hilfe eines moslemischen Kopftuchs).

Unsere Kultur hat (theoretisch) als höchsten Wert eine ideale Menschlichkeit, die sozial über das empathische Mitgefühl hinausgeht und alles Leben umfassen soll. Seit der französischen Revolution wird versucht, sie mit den Schlagworten Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit (Solidarität) zu umschreiben. In unserer Realität werden sie in der Regel allerdings nur als Anspruch gelebt und nicht in ihren Begrenzungen, über die sie erst zur gelebten Humanität würden:

  • zur Freiheit gehört die Verantwortung,
  • zur Gleichheit gehört die Mäßigung und Gerechtigkeit,
  • zur Brüderlichkeit die Toleranz und Bindung an die Wahrheit.

In unserer Gesellschaft bilden Freiheit und Gleichheit eigentlich einen Widerspruch. Während wir unter einer Freiheit die Vorstellung der Möglichkeit einer Wahl haben, auf  Grund dieser entscheiden, entfällt diese bei einer echten Gleichheit. Für uns ist sie ein Wahlkriterium der Qualität und Quantität (in der Antike, bei Platon und Aristoteles, unterschied man noch die arithmetische und die soziale Gleichheit).

Eine Freiheit setzt Wahlmöglichkeiten, Handlungsspielräume voraus. Diese wiederum bestimmen das Maß der jeweiligen Verantwortung. Eine orientierungslose Freiheit führt zu

  • zu persönlichen Fantasiesetzungen, wie man sie bei vielen Fanatikern beobachten kann (z. B. den IS-Kämpfern aus wohlhabenden europäischen Häusern),
  • zur Annahme kollektiver Setzungen, wie sie der Nationalsozialismus nach dem verlorenen ersten Weltkrieg unter Hinzuziehung von Lebensreformidealen nutzte, um innerhalb kürzester Zeit ein ganzes, eigentlich hochkultiviertes Volk, in seine Mordmaschinerie zu zwingen (Auschwitz, als Symbol dafür, ist nur ein Alibi und eine Grundlage für das Argument, man habe von den Untaten nichts gewusst).

Unser Freiheitsgedanke basiert auf einer liberalen Ideologie, die der Befriedigung der persönlichen Egoismen und Machtvorstellungen entgegenkommt. Dabei ist heute umstritten, inwieweit der einzelne tatsächlich psychisch eine Wahlmöglichkeit besitzt und seine Entscheidungen nicht schon lange bevor sie in sein Bewusstsein gelangt sind, elektro-chemisch determiniert gefallen sind.

Eine Freiheit kann positiv und negativ sein. das ist zunächst zielabhängig. Sie muss sich an einen sinngebenden Inhalt anlehnen können. So ist die Freiheit des Neoliberalismus z. B. vorrangig eine Freiheit des Marktes:

  • Er versucht alle Lebensbereiche zu ökonomisieren.
  • Politisch versammelten sich ihre Anhänger in einer „Partei der Besserverdienenden“. Bei ihren Maßnahmen versprach sie allen geringe Gewinne und verschwieg dabei die gleichzeitigen Millioneneinnahmen für die Großunternehmen. Über ihre Medienpräsens machte sie den kleinen Privatmann zum “Idioten“ und das Gemeinwohl zur Farce.

Unsere Freiheitsideologie führt in ihrem bindungslosen Bedürfnisausleben zu einer rücksichtslosen Naturzerstörung. Sie ist der ideologische Hintergrund der Vernichtung aller unserer menschlichen Existenzgrundlagen.

Bei einem Erfolg ist sie zunächst für den einzelnen sehr angenehm. Doch welche Auswirkungen hat sie für die große Mehrheit der Nichterfolgreichen? Wir empfinden sie als ein wesentliches Kriterium für unsere Selbstverwirklichung. Doch wer kann sich in unserer Gesellschaft tatsächlich selber verwirklichen? Bei den Frauen z. B. eine kleine Elite, die den Rest ihrer Geschlechtsgenossinnen für sich nur als Stimmvieh missbraucht. Bei den Männern ist es nicht anders. Nur ist dort die Bedeutungslosigkeit ihrer Masse kein Diskussionsthema mehr.

In der Philosophie bildet die Freiheit oft einen zentralen Orientierungsinhalt. Sie umkreiste dort immer die Vorstellungen einer Selbstbestimmung und Individualität:

  • Hobbes, Thomas (1588 – 1679): Frei ist, wer tun kann, was er will.

(= „negative Freiheit“ – Unabhängigkeit von äußerlichen Zwängen).

  • Kant, Immanuel (1724 – 1804): Unfrei ist auch, wer seinen spontanen Antrieben folgt.

(Freiheit als Autonomie, Selbstgesetzgebung; Handeln aus vernünftiger Einsicht).

  • Mill, John Stuart (1806 – 1873): Freiheit als Selbstentfaltung.

(= gegen sozialen Konformismus).

  • modernes Freiheitsverständnis: Selbstverwirklichung, Selbsterfüllung.

Freiheit auf Selbstverwirklichung: 2 Grundannahmen: Es gibt

    • einen Unterschied zwischen selbst- und fremdbestimmten Tun,
    • zwischen authentischen Wünschen und solchen, die uns von uns entfremden.

Problem: Verengte Vorstellungen von der Autonomie und über die Abhängigkeit von anderen (von deren Wohlergehen).

Ein weiteres Kriterium unserer Humanitätsvorstellungen ist die Gerechtigkeit. Auch sie ist in unserer Gesellschaft ein zentraler Inhalt unserer sozialen Orientierung. Sie beschreibt einerseits die moralischen Maßstäbe, die in einer Gesellschaft bestehen und andererseits die mögliche Teilhabe innerhalb ihrer Institutionen, der Teilhabe an den Ressourcen und der Gewährung von Rechten. In Zukunft werden im Rahmen der Globalisierung auch noch verstärkt Probleme einer zukünftigen gerechten Weltordnung diskutiert werden müssen.

In ihrer sozialen Geschichte war die Gerechtigkeit

  • für Platon eine Tugend,
  • im Mittelalter allein eine göttliche Größe (die es deshalb auf Erden nicht gibt),
  • in der Renaissance ein Naturrecht,
  • für Hobbes Teil eines rationalen Gesellschaftsvertrages zur Begrenzung der menschlichen Aggressivität,
  • für Rousseau Teil eines Sozialvertrages als Ausdruck eines Gemeinwillens,
  • für Kant ein Maßstab für das eigene Handeln (wenn dieses in der gelebten Form zu einem allgemeinen  Gesetz erhoben werden kann),
  • für die Utilitaristen (Bentham, Mill) der Zentralgedanke eines ethischen Prinzips (gehen vom Handeln zum Wohlergehen aller Betroffener aus),
  • für Marx ein Ergebnis vorgegebener Prinzipien,
  • für den „Kritischen Rationalismus“ ein Ergebnis von „Versuch und Irrtum“,
  • für Habermas das Ergebnis eines rationalen Diskurses.

Was wir als gerecht empfinden, ist das Ergebnis einer Summe verinnerlichten Setzungen, ist ein Orientierungswert für unser Handeln und für Vergleiche, die soziale Welt zu sehen. Ihr archaischer Hintergrund ist wahrscheinlich unsere Fähigkeit zur Empathie. Sie beruht auf dem Hintergrundgedanken einer menschlichen Gleichheit und ist darüber hinaus eine Grundlage unseres Rechtssystems geworden. Für jede Gesellschaft ist die Organisation ihrer Statusregelungen ein tragender Pfeiler. Von ihr hängen viele Formen unseres Zusammenlebens ab. So sind bisher alle sozialistischen Bestrebungen, trotz ihres großen idealistischen Hintergrundes, an ihren Unfähigkeiten das Spannungsfeld der Gerechtigkeit befriedigend zu lösen, gescheitert.

Im Rahmen der Globalisierung unserer Lebensbezüge werden oft verbindliche soziale Werte in unserer Gesellschaft abgelehnt. Argumentiert wird mit deren Missbrauch während des Nationalsozialismus. Ihre Verneinung bedeutet letztendlich aber eine Orientierungslosigkeit, bzw. ein Offenwerden für die Manipulation durch fremde Interessenvertreter. Solange eine Menschengruppe sich als Gemeinschaft empfindet, kann sie auf gemeinsame Werte nicht verzichten. Sie sind ihr entscheidendes verbindendes Element. Ihre Summe bildet die sie vereinende Ideologie, ihre Leitkultur (so verpönt wie der Begriff zurzeit bei uns auch sein mag). Ihr Inhalt umfasst alle die Orientierungswerte, die eine Nation erst zu einer solchen machen, ihre Sprache, ihre Verfassung und ihre Grundwerte. Sie umfasst auch den Tugendkatalog unserer Gesellschaft (u. a. Rücksichtnahme, Respekt, Toleranz und die Selbstverantwortung für das eigenen Handeln), Für die politische Linke war die Leitkultur einst ein konservativer Kampfbegriff, doch versagte sie selber, weil sie keine glaubwürdige, eigene normsetzende Elite besaß. Eine Gesellschaft stellt keinen Selbstbedienungsladen ohne Verpflichtungen dar. Sie lebt davon, dass ihre Regeln beachtet werden (auch von den Mächtigen, deren moralisches Versagen in der Wirtschaft und der Politik weitgehend deren gesellschaftliches Ansehen zerstört haben. Der Missbrauch, die Korruption, krumme Bankgeschäfte, Steuerhinterziehungen und unvorstellbare Vergütungen einer kleinen Gruppe in Relation zur großen Masse der einfachen Gesellschaftsmitglieder haben ihr jede Glaubwürdigkeit genommen. Ihre Reden werden oft nur noch als interessenorientierte Lügen empfunden. Welche Moral repräsentieren Manager, die sich z.B. bei VW aus ihrer sozialen Verantwortung freistellen, obwohl ihre positiven Rahmenergebnisse erst von der Politik geschaffen wurden und sie hohe staatliche Subventionen in Ostdeutschland erhalten haben, oder bei der Deutschen Bank, die sich gewaltige Boni sicherten, obwohl sie seit mehreren Jahren nur Verluste erwirtschaftet haben.

Jede Gesellschaft organisiert sich in Orientierungsschichten in denen ihre Mitglieder jeweils leben. Dabei versuchen ihre einzelnen Individuen aus archaischen sexuellen Gründen jeweils in die höheren Schichten aufzusteigen. Jede von ihnen hat ihre eigenen Interessen und damit auch Werte. Ihre Probleme bestehen darin, dass sie jeweils von den höher angesiedelten Schichten abhängig sind und von diesen weitgehend innerhalb ihrer eigenen Interessen manipuliert, bzw. ausgebeutet werden, ohne dass sich die unteren Schichten dagegen oft wehren können. Die oberen Schichten sind im Besitz der meinungsbildenden Leitmedien und diese wiederum abhängig von den ihnen gezielt zugespielten, oft interessenorientierten Informationen.

Wegen unserem tief in uns angelegten Sexualtrieb und seiner archaischen Ausrichtung auf Dominanz, sexueller Attraktivität sind wir Männer individuell auf einen möglichst hohen Statusbesitz und auf Macht ausgerichtet (bei Frauen gilt dies besonders während ihrer Eisprungphase, wenn sie biologisch besonders bereit sind, den Samen dieser Alpha-Männer zu empfangen). Alles Prominent-sein-wollen entsteht auf diesem Hintergrund. Unsere heutigen Versuche einer Statusnivellierung, ausgehend von dem Ideal einer Gleichheit aller Menschen, widersprechen dieser Programmierung. Wahrscheinlich ist ein solches Ziel nur unter einer massiven Kontrolle in gesetzten Grenzen und bei einer tatsächlichen Verhinderung von Auswüchsen erreichbar.

Die großen individuellen Triebkräfte in unserer Gesellschaft sind zurzeit Geld (als Status- und Befriedigungselement für unsere jeweiligen Bedürfnisse) und Macht. Herausgestellt werden dagegen in der Regel Freundschaft, Liebe und Lebenssinn. Vielleicht helfen neue Statusinhalte, die verstärkt auf die innere Werte zielen, wie Gesundheit, Bildung und individuelle Qualitäten, dem Gleichheitsideal näher zu kommen. Wir wissen inzwischen, dass ein umfangreicher Konsum am Ende nicht glücklicher macht. Früher waren die großen Statussymbole die prächtige Villa, das teure Auto, die kostbare Uhr und teure Zigarren. In Zukunft werden es in einer künftigen Gesellschaft vielleicht sein

  • persönliche Freizeiten,
  • Gesundheitspflege,
  • sichtbare Sportlichkeit (Aussehen, bequeme Mode),
  • Rückzugsbereiche,
  • Exklusivitäten und Kunstgenuss,
  • Pflege eines Freundeskreises,
  • ausgeglichener Schlaf,
  • das eigene Kind (und für viele Menschen wieder sinngebend).

Es scheint so zu sein, dass in einer Gemeinschaft positive Inhalte schnell ihren individuellen Wert verlieren. Zuvor steigert zwar ein gemeinsamer Genuss eine persönliche Freude an ihnen, doch dann setzt schnell ein Sättigungsgefühl ein. Man nimmt an, dass dieser Umstand die Ursache für das Aufkommen von schnellen Moden und dann auch wieder von deren Verschwinden ist.

Auch werden Werte gerne mit Erinnerungen verknüpft. Doch sind diese eigenständige Projektionen, die stark trügen können, da sie an mehreren Kriterien gebunden sind:

  • an die Ereignisse, Bilder die tatsächlich stattgefunden haben,
  • persönliche Ergänzungen in den Wahrnehmungslücken,
  • Befindlichkeiten zum Zeitpunkt der Erinnerung,
  • Kompensationen in Verbindung mit der eigenen Rolle(soweit persönliche Beteiligungen mit ihnen verbunden sind),
  • zwischenzeitliche Orientierungsverschiebungen und neue Informationen, Erfahrungen.

All das mit dem Ergebnis, dass die Erinnerungen mit den tatsächlichen Ereignissen am Ende wenig gemein haben. Wie können unsere Vergangenheit (aber auch unsere Zukunft) immer nur durch einen Schleier unserer Bewertungen, Negationen oder Betonungen sehen.

Unser Bewusstsein ist ein elektro-chemisches System, das wir wegen seiner Komplexität mit unseren heutigen wissenschaftlichen Mitteln noch nicht erfassen können. Es vereinigt in unserer Großhirnrinde die verschiedenen Qualia (Einzelempfindungen) zu einem Bild und bestimmt über unser Netzwerk von Neuronen und Synapsen (dem „Konnektom“) unser Menschsein. Über diesen evolutionären Hintergrund orientieren wir uns. Wir sind dabei an drei Vorgaben gebunden:

  • unsere genetischen Vorgaben, die weitgehend unseren Stoffwechsel, unsere Transmitter und damit unser Verhalten bestimmen,
  • unseren Ängsten, die unser Verhalten stark beeinflussen, die uns aggressiv werden lassen, fortlaufen und ausweichen lassen. Über sie lassen wir uns leicht  manipulieren.
  • unsere Werte (Ideologien): Sie sind die zentralen Orientierungspunkte unserer jeweiligen Kulturen, die uns sozial über unsere Erziehung vermittelt werden. In den Anfängen der Menschheit waren sie stark überlebensbetont. Heute sind sie weitgehend die ideologischen Inhalte von Interessengruppen.

Zu diesen drei Vorgaben kommen im Laufe unseres Lebens unsere Erfahrungen, d. h. die persönliche Verarbeitung unserer positiven und negativen Eindrücke.

Unsere Wahrheit ist in der Regel nur eine von unseren Setzungen (Werten) und unseren kausalen, kulturabhängigen Logiksystemen umgebener Sachbezug auf einen Inhalt (immer nur in den anthropogenen Grenzen des Menschen). Bei allen unseren Erkenntnisversuchen geht es nicht um meine „tatsächliche“ (totale) Wahrheit, sondern allein um Begründungsversuche für unsere jeweiligen zeitabhängigen Orientierungsansätze. Wir erheben sie zwar zu unserem höchsten Erkenntniswert, sie bleiben aber letztlich nur ein zeitabhängiges Endergebnis, eine Schlussfolgerung aus der Summe unserer in unseren Logiksystemen verarbeiteten Setzungen.

Wie problematisch eine Wahrheit sein kann, zeigt folgendes Beispiel: Der statistische Durchschnittsbesitz zweier Personen   beträgt für jeden ein halbe Million. Diese Aussage ist wahr. Die eine Person besitzt eine Million und die andere gar nichts. Auch diese Aussage ist wahr. Dieses Beispiel mag zwar lächerlich primitiv erscheinen, doch werden wir von Interessengruppen über die Medien ständig mit vergleichbaren aber weniger durchsichtigen Aussagen bombardiert, indem uns nur Gefühle weckende Teilangaben vermittelt werden. Ob jemand ein Terrorist oder ein Freiheitskämpfer ist, entscheidet z. B. allein die Perspektive unseres Blicks.

Vereinfachend kann man sagen:

  • Die Summe unserer individuellen Werte bestimmt unsere persönliche Identität.
  • Unsere Identität wiederum bestimmt unser (Orientierungs-) Verhalten.

Werte und Identitäten sind verinnerlichte Orientierungsinhalte. Sie sind in der Regel allgemeiner, fundamentaler, grundsätzlicher Art. Sie können sich aber auch, das Verhalten bestimmend, auf religiöse, nationale, lokale (z. B. die Heimat) oder andere Inhalte beziehen. Man kann sich für sie einsetzen oder bei anderen, – wie alle verinnerlichten Setzungen, die im Widerspruch zu den eigenen stehen -, ablehnen. Sich abgelehnte Ideologien anhören zu müssen, kann bei den Zuhörern geradezu psychische Schmerzen hervorrufen.

In Deutschland besteht zurzeit eine heftige Diskussion um seine nationale Identität. 24 % der hiesigen Menschen haben bereits einen Migrationshintergrund (= 19,3 Mio. Menschen). In Stuttgart sind es 40.9 %, die einen nichtdeutschen Elternteil besitzen, in Augsburg haben 64 % der unter 18jährigen einen Migrationshintergrund. in einer Duisburger Grundschule von 200 Kindern nur noch 10 deutsche Eltern. Unsere Bevölkerung besteht aus drei Menschengruppen:

  • Menschen ohne ausländische Wurzeln, (die sich oft um ihre Identität fürchten. Dabei verkennen sie häufig die tatsächlichen Ursachen für deren Verlust),
  • Deutsche mit Migrationshintergrund, die oft Angst haben als Fremde ausgegrenzt zu werden),
  • Flüchtlinge (aus politischen und aus wirtschaftlichen Gründen).

Unter den beiden letzten Gruppen gibt es 4,7 Mio. Menschen mit einem islamischen Glauben.

Überall in den Städten entwickeln sich Parallelgesellschaften. Aus manchen Bevölkerungsgruppen rekrutieren sich sogar riesige Verbrecherclans (Libanesen), denen gegenüber die Polizei relativ hilflos agiert. Die Sozialsysteme werden rücksichtslos auf Kosten der eigenen Bevölkerung ausgebeutet. Viele Aspekte dieser Entwicklung sind stark tabuisiert. Es kann kaum darüber gesprochen werden, ohne in eine rechte Ecke abgedrängt zu werden. Die eigene Sprache wird zunehmend in den Hintergrund gedrängt (z. B. bei dem staatlichen Unternehmen Bundesbahn), in der Musikbranche, dem Handel, an den Hochschulen, in den Wissenschaften, bei den digitalen Medien). Sogar im Bundestag scheiterte der Versuch, die eigene Sprache im Grundgesetz abzusichern. Ausgerechnet die CSU, aber auch die Grünen machten die Diskussion darüber zu einer Kabarettveranstaltung.

Im nationalen Bereich wird die Identität unter dem Begriff der „Leitkultur“ diskutiert. Das Problem dabei ist, dass die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ihn jeweils für ihre Werte beanspruchen und nicht für das Gemeinsame. Die „Linken“ verstehen darunter u. a. auch die Identitäten der Schwulen und Lesben und setzen sich für eine pluralistische, multikulturelle Gesellschaft ein. Dabei sind sie von den betroffenen Menschen, außer von den extremen, weit entfernt. Sie haben sie – entgegen ihren Behauptungen – gar nicht im Blick. Sie verstehen sie überhaupt nicht. Für sie ist die Identität der Hintergrund ihrer Selbstfindung, etwas was ständig sich wandelt und nur begrenzt eine Sicherheit verspricht. Für die „Rechten“ dagegen ist die „Leitkultur“ eine Welt der inneren Sicherheit. Dazu gehören die Heimat als deren emotionaler Hintergrund, die Traditionen, alles Vertraute, u.a. auch der Tugendkatalog, Wertekatalog, ohne den eine Gesellschaft nicht bestehen kann. Jede Gesellschaft kann nur auf dem Hintergrund gemeinsamer Normen, eines gemeinsamen Rechts bestehen, an dem sich alle zu halten haben, auch die Eliten. Ein gemeinsamer Wert könnte die Verantwortung für das Gemeinwesen und allgemein, eine grundsätzliche Eigenverantwortung für jedes Tun sein. Dazu würden dann eine allgemeine Rücksichtnahme, Respekt und Toleranz gehören. Wir verachten zwar die Steuerhinterziehungssysteme in Griechenland, die Korruptionsgesellschaft in der Ukraine, sehen aber hilflos auf die eigenen Betrugssysteme unserer Industrie (z. B. den Diesel-Skandal) und deren Verzahnung mit unserer Politik. Man erlaubt sich, unter dem Deckmantel einer „Sicherung von Arbeitsplätzen“ anstelle einer Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten, viele unserer Grundwerte auszuhebeln.

Eine kurze Ausführung zur „deutschen Identität“, weil hier nach dem letzten Weltkrieg durch die amerikanischen Reeducation-Programme Unklarheiten bestehen, und sie einerseits von linker Seite verspottet und von rechter Seite als Abgrenzungsinhalt missbraucht wird:

Sie ist der zentrale Inhalt unserer staatlichen Orientierung. Dies wird besonders deutlich, wenn bei großen sportlichen Ereignissen überall die deutschen Fahnen zu sehen sind, an Autos, vor den Häusern und integriert auf der Kleidung. In der Regel hat allerdings kaum jemand eine echte Vorstellung von ihr. Vereinfachend kann man sie als eine sprachlich orientierte Kulturgemeinschaft ansehen, die nach dem Zerfall des karolingischen Reiches entstand. Letzteres bestand aus einer romanischen (welschen, französischen) Sprachgemeinschaft im Westen und einer „deutschen“ im Osten.

Bereits 786 n. Chr. erwähnte der päpstliche Nuntius Gregor von Ostia gegenüber Papst Hadrian I. das Deutsche als Volkssprache.

Die deutsche Sprache hat sich in ihren Anfängen aus einer Symbiose der germanischen und keltischen Sprache entwickelt. Überall wurden verschiedene Dialekte gesprochen. Während der Christianisierung waren die Mönche gezwungen, sich volkssprachlich zu orientieren und schufen deshalb eine erste laienorientierte Schriftsprache. In den Klöstern entstanden um 850 erste deutschsprachige Schriften(„Evangelienbuch“ – fränkisch, „Heliand“ – altsächsisch, später wurde dieser ein Vorbild für Luther).

842 trafen sich sie Könige des Westreiches (Karl) und des Ostreiches (Ludwig) bei Straßburg und bekräftigten mit einem Schwur – jeweils in der Sprache des anderen – ihr Bündnis. Hier wurde bereits der Begriff „Deutsch“ festgelegt (abgeleitet von „thiud“ = Volk). Man sprach damals

  • übernational: lateinisch,
  • regional: in drei Sprachräumen

–  Hochdeutsch (Germania superior),

–  Niederdeutsch (Germania inferior),

–  Rheinisch (einer Übergangssprache).

Es gab noch keinen einheitlichen germanischen Sprachraum

(diese Nord-Süd-Gliederung gab es bis ins 16. Jh.).

  • lokal: Dialekte (als regionale Familiensprache).

Eine einheitliche deutsche Sprache war dann bis ins späte Mittelalter eine Utopie. Man wünschte sie u. a. sich für seine rechtlichen Verträge. Das Land war in Stammesterritorien aufgeteilt (u. a. Franken, Sachsen, Schwaben, Bayern), an deren Spitze ein Herzog (Fürst) stand. Ihre Ritter waren weitgehend Analphabeten. Die schriftlichen Verträge wurden von den Klerikern (Ministerialen) für sie ausgeführt. Es gab aber damals bereits

  • ein verbindliches Rechtsbuch in deutscher Sprache („Sachsenspiegel“),
  • eine mittelalterliche Dichtersprache
    • Minnegesang (orientiert an der französischen Chansons der Troubadoure, die sich wiederum an andalusischen Vorbildern orientierten): u. a. Walther von der Vogelweide,
    • Heldenepen: u. a. Nibelungenlied,

(Diese höfische Dichtung beeinflusste über die Unterhaltungskultur die allgemeine Schriftkultur).

  • volksnahe religiöse Texte (u. a. der Mystiker wie Meister Eckhard),
  • darüber hinaus wurden in deutscher Sprache verfasst:
    • Fachinformationen zur Medizin (Paracelsius), der Herstellung von Textilien, technische Beschreibungen, Rezepte.
    • Verwaltungsakte (Urkunden, Verträge),
    •  

Sie alle wurden zunächst jeweils in der regionalen Sprache geschrieben, trugen aber insgesamt zu deren Verbreitung bei.

Otto der Große (912 – 973) vereinte dann die germanischen Stämme der Sachsen, Bayern, Schwaben und Franken in der Schlacht auf dem Lechfeld (955) zu einer Schicksalsgemeinschaft gegen die ungarischen Feinde. Sie schuf ein erstes gemeinsames Selbstbewusstsein und wird als die „Geburtsstunde der deutschen Nation“ angesehen. Otto erhielt für den Sieg die Kaiserkrone.

1075:  Papst Gregor VII reduziert die Macht König Heinrich IV., indem er ihn allein zum „König der Deutschen“ macht (damit fördert er nördlich der Alpen das Gemeinschaftsgefühl).

1235:  „Reichslandfrieden“ von Friedrich II., wird in Latein und Deutsch geschrieben. An den mittelalterlichen Universitäten waren die Schüler, ihrer Alltagskommunikation (Sprache) wegen, nach ihrer „natio(n)“ landsmannschaftlich organisiert, der „Gemeinschaft nach Geburt“, d. h. in ihren Schlafräumen, an ihren Esstischen usw. Die Sprachgemeinschaften entsprachen nicht den bestehenden Herrschaftsgemeinschaften.

Für die Humanisten war das Latein zwar die Hauptsprache, das Deutsche bekam aber zunehmend einen Eigenwert. In den Städten entstand eine neue Gesellschaft, deren Bevölkerung in jeweils ihrer Landessprache miteinander Kommunizierte (nicht in den verschiedenen Dialekten).

1495:  Der Reichstag in Worms spricht offiziell in seinen Texten vom „Reich Deutscher Nation“.

1517:  Erster Teildruck der Bibelübersetzung von Luther. Erst über ihn bekam die deutsche Schriftsprache ihre nationale Bedeutung. Er verband das Niederdeutsche mit dem Hochdeutschen (er war auf der Sprachscheide zwischen beiden groß geworden). Eine Wittenberger Übersetzungsgruppe arbeitete dann verbessernd ständig am Text. Langsam setzte sich ab jetzt die hochdeutsche Schriftsprache durch. Das Barock machte sie dann zur nationalen Aufgabe. Der Buchdruck förderte diese Entwicklung entscheidend. 1546 (Luthers Todesjahr) waren bereits eine halbe Million Exemplare des Neuen Testaments erschienen.

1578:  Es erscheint die erste deutschsprachige Grammatik (orientiert an den Luthertexten).

In den Städten entstanden die ersten deutschen Schulen in Konkurrenz zu den Lateinschulen. Man vermittelte jetzt hier die Schriftsprache und nicht die gesprochene Sprache.

1648:  Friedensvertrag von Münster und Osnabrück. 1/3 der Menschen waren gestorben, das Land verwüstet. Die damaligen europäischen Mächte hatten im vorangegangenen Krieg die Gründung eines katholischen deutschen Zentralstaates unter der Führung des Kaisers verhindert. In Zukunft konnten die inneren Verhältnisse nur im Einverständnis mit Frankreich und Schweden verändert werden. Zur Schwächung des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation trugen darüber hinaus bei

  • die Abspaltung der Niederlande und der Schweiz vom Reich,
  • der Raub der Habsburger Gebiete im Elsass durch Frankreich,
  • die verfassungsmäßige Stärkung der Reichsstände (Fürsten) gegenüber dem Kaiser,
  • konfessionelle Diskriminierungsverbote,

(Sie wurden später eine Grundlage der Menschen- und Bürgerrechte und verhinderten die Bindung der deutschen Identität an eine Konfession).

Dieser Krieg schuf im Land das Bewusstsein für einen nationalen Tiefpunkt und weckte in weiten Kreisen den Wunsch nach einem geeinten und starken Deutschland.

Im Barock löste die deutsche Schriftsprache das Lateinische ab. Sprachgesellschaften entstanden. Die intellektuellen Eliten versuchten die Schriftsprache zur Nationalsprache zu machen.

Die Weimarer Klassiker (Herder, Goethe, Schiller) werten das Deutsche als Hochsprache auf.

1804:  Der „Code civil“ von Napoleon fördert dann entscheidend die nachfolgende Sprachentwicklung. Er war einerseits antifeudalistisch, förderte aber in Deutschland die nationalen Bewegungen (studentische Burschenschaften, nationale Befreiungsbewegungen). Die Romantiker  machten dann das Deutsche zur nationalen Hochsprache. Sie wurde jetzt gleichbedeutend mit der nationalen Idee, gleichbedeutend mit dem Volk.

Um 1850 wurde dann die deutsche Sprache (über die Lehrerausbildung) an den Schulen zum sprachlichen Grundmodell.

Nach 1900 wurde Deutsch zur führenden Wissenschaftssprache.

Die Nationalsozialisten wollten Deutschland dann zu einer imperialen Großmacht machen mit der deutschen Sprache als integrierendes Kriterium (deutschsprachige Minderheiten sollten „heim ins Reich“ geholt werden).

Die Siegermächte haben sie dann nach 1945 mit Hilfe ihre Reeducation-Programme zur Seite gedrängt, ihre internationale Bedeutung zu Gunsten des Englischen versucht völlig zurückzudrängen. Global (selbst in Brüssel) wird sie nur noch am Rande benutzt, obwohl sie in Mitteleuropa ca. 100 Mio. Menschen als Muttersprache sprechen. „Auschwitz“ wurde zum instrumentalisierenden Stigma für das Deutschsein. An die Stelle einer deutschen Nation sollte die Idee eines vereinten, nachnationalen Europas stehen. Walter Hallstein (Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft): „Das Ziel des europäischen Einigungsprozesses ist die Überwindung der Nationalstaaten“.

Die Entwicklungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass ein solcher Vereinigungsprozess oft abgelehnt wird, weil er den regionalen Gegebenheiten und damit Identitätshintergründen nicht gerecht wird. Man hat im Gegenteil inzwischen erkannt, dass diese auch als nationale Kulturelemente den Integrationsprozess befruchtend fördern können und damit auch in diesem Sinne gefördert werden sollten. Es wäre deshalb eine Aufgabe der Gegenwart auch unsere deutsche Sprache im Grundgesetz abzusichern.

Im März 2018 wurde im Bundestag darüber diskutiert. Weil der Antrag von der AfD kam, wurde er mit viel Häme abgelehnt, obwohl von  der CDU bereits 2016 ein vergleichbarer Parteitagsbeschluss gefasst worden war.

In der österreichischen Verfassung heißt es:

„Die deutsche Sprache ist, ….., die Staatssprache der Republik“ (Art. 8, Ab. 1),

in der französischen Verfassung:

„Die Sprache der Republik ist Französisch“ (Art. 2),

Der Antragstext der AfD lautete:

„Die Landessprache der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch“.

Die Diskussion und die Abstimmung waren ein guter Beleg dafür, wie „sachlich“ im Bundestag gearbeitet wird, wie hier Demokratie funktioniert. Im Februar. 2018 hatte die Bundestagsfraktion der CDU beschlossen, alle Anträge der AfD und der Linken abzulehnen (unabhängig von deren Inhalt).

Das „Deutschsein“ ist in unserer Bevölkerung ein Identitätsproblem. Nach 1945 versuchte man über die Reeducation-Programme das Bewusstsein ein Deutscher zu sein, dessen Selbstwertgefühle gezielt zu zerstören. Noch heute wird es in Verbindung mit der Instrumentalisierung des Antisemitismus zur Ablenkung von den israelischen Verbrechen im Nahen Osten möglichst klein gehalten. Lange Zeit war das Deutschsein tabuisiert und noch heute wird es von manchen Gruppen gerne abgewertet und klein gehalten. Während andere Völker ihre nationale Identität pflegen und stolz auf sie sind (z. B. Frankreich), versuchte man es in Deutschland möglichst zu verdrängen und in manchen Kreisen eine europäische an deren Stelle zu setzen. Das Problem dabei ist, dass das Heimatgefühl, Bräuche, Traditionen und besonders die Sprache über die wir fühlen und denken tiefer in uns angelegt sind als die ideologischen Abwertungen. Wir müssen gerade wegen der modernen Bedrohungen zu unserer nationalen Identität zurückfinden und sie als Teil der europäischen in die europäische Identität einbringen. Durch die geographische Lage unseres Landes, als Land der Mitte könnte sie in Europa grenzüberwindend vermittelnd wirken. In Deutschland wurde über Jahrhunderte das Deutschsein nicht national sondern kulturell gesehen. Unsere Identität war immer in dem gemeinsamen europäischen Erbe integriert. Unsere heutigen Ängste benutzen nur die Angst vor den „fremden“ Menschen aus der dumpfen Ahnung heraus, dass unser Menschsein so wie wir es zurzeit leben, vor seinem Zusammenbruch steht. Und mit den Fremden haben wir unsere heutigen Schuldigen gefunden. Im Mittelalter wurden für alle Unglücke die Juden verantwortlich gemacht, heute sind es die „Fremden“.

Aber weil dem so ist, die modernen Aufklärungsprozesse und Techniken alles veralten lassen, was gestern war, Religionen ihren Orientierungswert verlieren und unsere lustorientierte egoistische Lebensweise unsere Umwelt zerstört, brauchen wir einen Kern neuer Orientierungswerte für unsere Zukunft, „Leitgedanken“ die über ideologische Gruppeninteressen (wie sie z. B. auch in vielen UN-Deklarationen zum Ausdruck kommen) hinausgehen. Wir brauchen eine neue Aufklärung,

  • die von der tatsächlichen Natur des Menschen ausgeht

(noch nie haben wir mehr über sie gewusst als heute, obwohl viele „Erkenntnisse“ auch hier wertorientierten Bewertungen folgen),

  • die in sich die Kultur aller Menschen in sich integriert

(nicht nur die westeuropäische, bzw. amerikanische) und

  • die unseren technischen Möglichkeiten gerecht wird.

Für die Projektion unserer Zukunft heißt es nicht „Wissen“ oder „Werte“, sondern allein Werte. Sie sind es, die unser Leben letztlich bestimmen. Sie sind das Überbau über unser Wissen. Letzteres sichert uns zwar unsere Orientierung innerhalb unserer Zivilisation, die Werte dagegen diejenige innerhalb unserer Kultur, innerhalb unserer neuronalen Grundschaltungen, innerhalb unseres Konnektums.