(nach Fischerlexikon „Philosophie“, Hrsg. Alwin Diemer / Ivo Frenzel, Frankfurt 1967)
Die Philosophie steht einem unreflektierten Leben gegenüber.
Heraklit prägte den heutigen Begriff „Philosophie“ in seiner spezifischen Bedeutung:
„Vieler Dinge kundig müssen die philosophierenden Männer sein“.
Durch Platon wurde er dann zu einem Allgemeinbegriff im abendländischen Denken.
Andere Bezeichnungen: Grundwissenschaft.
Ihre Kontinuität erhält die Philosophie durch ihre Probleme. In der Geistesgeschichte ist sie eine Kulturerscheinung wie die Religion oder Kunst und als Element jeweiliger Kulturepochen zu verstehen.
Antike (600 v. Chr. – 500 n. Chr.):
Der Mensch sieht sich als Teil des Kosmos, welcher einem ewigen Gesetz unterworfen ist, – als Mikrokosmos in einem Makrokosmos.
Sein oberstes Ziel ist es, die mit dem Göttlichen verbundene Schau (Theoria) des Wesens der Dinge.
- Vorsokratische Philosophie (600 – 400 v. Chr., archaisch): u.a.
- Thales,
- Heraklit,
- Parmenides,
- Demokrit,
- Pythagoras,
- Sophisten (= Übergang),
- griechische Klassik (attische Philosophie, 4. Jh. v. Chr.):
- Sokrates,
- Platon,
- Aristoteles,
- Spätantike (300 v. Chr. – 500 n. Chr.; 5 große Schulen):
Scholastik (Mittelalter, 500 – 1400 n.Chr.):
Der absolute Daseinsgrund ist die persönliche Erfahrung Gottes als Schöpfers des Universums.
Die Welt besitzt eine hierarchische Stufenordnung von den niedrigsten Elementen bis hin zu Gott.
Der Mensch ist sein Stellvertreter auf Erden.
Die Philosophie ist die „Magd der Theologie“ und hat die Aufgabe für sie klärend zu wirken.
Am Ende dieser Zeit geriet sie zunehmend zu dieser in einen Widerspruch.
- Kirchenväterzeit (0 – 500 n. Chr.):
- Scholastik i.e.S. (500 – 1400 n. Chr.):
- Vorscholastik,
- Frühscholastik (1000 – 1200):
- Anselm von Canterbury,
- Abaelard,
- Hochscholastik (13. Jh.):
- Albertus Magnus,
- Thomas von Aquin,
- Spätscholastik (14. Jh.):
- Duns Scotus,
- Wilhelm von Ockham.
Neuzeit (1400/1600 – Mitte 19. Jh.):
Der Mensch steht im Mittelpunkt des Denkens.
Grundprinzip des Philosophierens ist Descartes „Cogito ergo sum“ („Ich bin mir meiner bewusst; also bin ich“).
Kants „Kopernikanische Wende“: Der Geist orientiert sich nicht nach den Objekten, sondern diese sind Gegenstände des Verstandes.
Hauptströmungen des Rückbezugs auf das Subjekt:
Rationalismus sieht den Menschen primär als ein Vernunftwesen.
Empirismus sieht den Menschen primär als ein Sinneswesen
(die Grundlage allen Philosophierens ist die sinnliche Erfahrung).
Der deutsche Idealismus kehrt die griechische Sicht vom Makrokosmos- Mikrokosmos um und versteht die Gesamtentwicklung des Menschen als eine Entwicklung hin zu einem Weltgeist.
- Übergang: Renaissance, Reformation (1400 – 1600),
- Zeit der großen Systeme:
- Rationalismus:
- Descartes,
- Pascal,
- Spinoza,
- Leibniz,
- Empirismus:
- Francis Bacon,
- Hobbes,
- J. Locke,
- Berkeley,
- Hume,
- Aufklärung:
- englische:
- französische:
- deutsche:
- Klassischer (deutscher) Idealismus (1770 – 1830):
- Kant,
- Fichte,
- Schelling,
- Hegel,
- Nachidealismus (frühes u. mittleres 19. Jh.):
Gegenwart (ab 19 Jh.):
Absturz der idealistischen Spekulationen.
Denken und Geist werden entthront. Sie dienen nur noch als Überbau und Spiegelung des menschlichen Lebens.
Abstieg in dessen Tiefen und seinen Erscheinungen.
Entwurf einer Fülle relativer Weltanschauungen und metaphysischer Systeme als Ausdruck pluralistischen Vielfalt.
Bestimmung der Philosophie
Es gibt für die Philosophie keine verbindliche Bestimmung, keinen gemeinsamen Nenner.
Versuch für einen dreifachen Ansatz:
- In einer formalen Umgrenzung:
- 1.1. weiteste: Jaspers „Philosophie ist überall, wo sich der Mensch seines Daseins bewusst wird“.
D.h.:
- in jedem Denkprodukt,
- in allen Weltanschauungen,
- in jeder Dichtung und Kunst.
engste: Beschränkung auf das reine Denken
- Hegel: auf das Spekulative,
- moderne Theoretiker: auf das rein logische Denken.
- 1.2. andere formale Unterscheidungen:
Sie stellen der Philosophie das Philosophieren gegenüber. Die klassische Tradition zielt auf ein Resultat
(antwortet auf philosophische Probleme).
Seit Kant kommt es nur auf das Philosophieren an
(„nur dieses sei lehr- und lernbar“).
Wittgenstein: „Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit“.
- Als Katalog philosophischer Systeme:
Es gibt eine kaum zu überschauende Vielzahl von Systemen mit einer Vielzahl von Zuordnungskriterien.
In großer Vielzahl: Oft bezogen auf
- ihren ontologischen Gehalt:
z.B. > Dualismus,
Universalismus,
Funktionalismus,
Materialismus,
Realismus,
Idealismus.
- ihre Grundeinstellungen:
z.B. > Nihilismus,
Positivismus,
Phänomenologie,
- ihren Bezug auf den Menschen:
z.B. > Humanismus,
Rationalismus,
Individualismus,
Liberalismus, Sozialismus.
- Religionen:
z.B. > Christentum,
Islam,
Hinduismus,
Buddhismus.
- Philosophenschulen:
z.B. > Pythagoreer,
Stoa,
Marxismus.
- Orte:
z.B. > Marburger Schule,
Wiener Schule.
- Als Typologie der philosophischen Vorgehensweise.
- 4.1 dogmatische Philosophen:
Hierher gehören die meisten Denksysteme.
Die Philosophie ist hier der Ausdruck eines „philosophischen Glaubens“ (Jaspers).
Ausgehend von einem alltäglichen Grundwissen wird von diesem über einleuchtende Ordnungssysteme (Axiome) auf ein Allgemeines geschlossen.
- 4.2 artistische Philosophie:
Die Gedanken werden mit Hilfe sprachkünstlerischer Assoziationen zum Ausdruck gebracht. Charakteristisch für die deutsche Philosophie, hier besonders Hegel, Heidegger.
- 4.3 kritische Philosophie:
Hier ist der Geist entscheidend, aus dem heraus das Philosophieren erfolgt. Dabei ist nicht das Resultat das Entscheidende, sondern die Art des Vorgehens.
(Kritisiert werden mit Hilfe der analytischen Methoden z. B. die dogmatischen und der artistischen Philosophien).
Verschiedene Ansätze:
- 4.4 hermeneutische Philosophie:
Sie ist hauptsächlich philologisch orientiert, bearbeitet alte Texte und stellt sie in neue Zusammenhänge (z.B. in Zusammenhänge mit der Gegenwart).
(Gegen alle diese Vorgehensweisen kann eingewandt werden, dass es sich bei ihnen um systematisierte Weltanschauungen handelt. Das „reine Philosophieren“ beschränkt sich dabei auf die „transzendentale Fragen“, die als solche zwar immer dieselben bleiben, aber in jeder Kultur, jeder Zeit immer wieder nach neuen Antworten verlangen).
Ursprung der Philosophie
Die Frage nach den Ursachen für das menschliche Philosophieren beschäftigt diese während ihrer ganzen Geschichte.
- Seit Platon wird sie mit der Stellung des Menschen zwischen der (untermenschlichen) Natur und dem Übermenschlichen beantwortet. Es gehöre zu seinen spezifischen Fähigkeiten.
Sie ergäbe sich aus seiner Grundsituation des Staunens über die Objekte, Fakten und Rätsel seiner Umwelt und seiner Selbst
(„von Seneca bis zu Kants „gestirnter Himmel über mir und moralisches Gesetz in mir“).
Negative Anstöße:
- Zweifel (Descartes),
- Erleben des Todes.
- Zugänge zur Philosophie (verschiedene):
- die persönliche Sinnfrage,
- die einzelnen Wissenschaften.
Gliederungen der Philosophie
Jede Gliederung ergibt sich traditionell aus einer jeweiligen Einheit von Fragen und Antworten (d.h. einem philosophischen System).
Sie wurde bereits von Aristoteles im Rahmen ihrer Zweiteilung vorbereitet:
- Philosophie = Metaphysik i.e.S. (theoretische Philosophie),
- Philosophie = praktische und poetische Philosophie
(die geteilt zur traditionellen Dreiteilung führte).
Diese Gliederung wurde in der Folgezeit beibehalten.
Angelehnt daran unterteilte man sie in der Folgezeit in die
- Kanonik (= Logik nach Epikur, Lehre von den Methoden des Erkennens, Zusammenfassung von Regelwerken),
- Ethik,
- Physik (als Lehre von den realen Dingen)
und bei Kant als (entsprechend seinen drei Kritiken)
- theoretische Philosophie,
- praktische Philosophie,
- ästhetische Philosophie.
Je nach angestrebter wissenschaftlicher Funktion gibt es heute verschiedene Unterteilungen
(z.B. in der „Düsseldorfer Systematik“ = Grundlage für deren systematische Dokumentationen):
- A. Allgemeine Philosophie:
- B. Philosophische Grunddisziplinen:
- 2. Anthropologie,
- 3. Theoretische Philosophie
(u.a. Wahrheitslehre, Erkenntnistheorie, Dialektik, Logik),
- 4. Praktische Philosophie
(u.a. Ethik, Philosophie der Arbeit, Ph. des Spiels),
- C. Bindestrich-Philosophien:
- 5. Kultur-Philosophie
(mit 14 Unterteilungen: u.a. Kulturtheorien, Wissenschaftstheorien, Sprachphilosophie),
- 6. Philosophie der Mathematik,
- 7. Naturphilosophie
(u.a. Philosophie des Organischen und der Naturwissenschaften),
- 8. Philosophie d. Absoluten
(u.a. Religionsphilosophie).