11.1 Setzungen, Gedanken
- Jede Erkenntnis erfolgt über den Rückgriff auf ein Subjekt. Sie ist das Ergebnis seines spezifischen Standortes, d.h. einer spezifischen Energiekonstellation und deren Determinierung. Für jedes Subjekt ist sein Standort das Zentrum seines Universums.
Im Subjekt findet die Synthese der Informationen zu einem Urteil statt. Jede einzelne ist eine Energieeinheit mit einer eigenen Gesetzlichkeit. Sie ist der Ausdruck einer spezifischen Evolution, die zu einer spezifischen Evolutionswelt führt.
- Jedes personale Subjekt ist eine arbeitsteilige Kommunikationseinheit genetisch identischer Zellen an einem Standort. Innerhalb dieses Standortes hat jede der beteiligten Zellen ihren Mikrostandort.
Da jeder Standort im Universum determiniert ist, ist auch jedes Subjekt als Energieeinheit in seiner Existenz vorbestimmt. Das Bewusstsein eines Subjekts sich aus der Ganzheit der Natur ausgrenzen zu können und darauf zu beharren, macht den Menschen als Menschen aus, lässt ihn in eine Bruchsituation geraten und ihn als Ausgegrenzten sich vor dem Tod fürchten. Diese Situation setzt in ihm Energien frei und ist die Grundlage seiner Kulturen.
- Das personale Subjekt wird geprägt von seiner ererbten Substanz (z.B. seinen in seiner Evolution gewordenen Wahrnehmungsfähigkeiten), der unterschiedlichen Übernahme von sachlichen und personellen Bedeutungsrastern aus der Gesellschaft und dem personellen, räumlichen und gesellschaftlichen Standort, deren jeweiliger Perspektive und deren Veränderungen. Die Kombination dieser Faktoren bestimmt die subjektive Ausnahme dieser Welt.
Das Subjekt „denkt“, indem es von seinem Standort aus begriffliche Orientierungspunkte verbindet. Ist dies nicht möglich, weil die Orientierungsangebote sich widersprechen oder keine Lösung anbieten, kommt es bewusstseinsmässig zu einem Konflikt, einem Stau von Energie, die plötzlich frei wird, wenn ein neuer Weg gefunden wird. Hat das Problem die gesamte Gesellschaft beschäftigt und wird die Lösung von ihr akzeptiert, gerät das gesamte soziale Bewusstsein in Bewegung.
- Jedes Subjekt ist in seinem Bewusstsein zunächst ein soziales Ergebnis. Sein „Verstehen“ ist abhängig vom Verstehen der Gemeinschaft, der es zugehört. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, da ein Subjekt immer nur ein beschränkter Ausschnitt, ein einfaches Spiegelbild einer Kultur ist.
Das „Subjekt“ ist nur eine Bezugsgröße, eine kleinste soziale Bewusstseinseinheit, die durch ihre Sozialbindung nicht autonom ist. Es ist nur die kleinste Strukturgröße im Rahmen eines sozialen Denkens, deren Handeln und Sein sozial determiniert wird und in ein soziales Ergebnis eingeht.
- Das Objekt ist eine befrachtete, konkrete Ansammlung von Energie in einem Raum, einem Bewusstsein oder in einer Kultur (als einem kollektiven Bewusstsein). Es ist der Bewusstseinsinhalt einer Zeit, eine erfasste Energiekonstellation in einer universalen Bewegung.
Jedes Objekt hat seine Identität. Es ist von einem Subjekt bewusstseinsmässig mit Hilfe der Kategorien einordbar, beschreibbar. Es ist als Standort einmalig und für die menschliche Betrachtungsweise eine Bezugsgröße seiner „Realität“. Gleichzeitig besitzt es keine wirkliche Identität. Es ist nur der Teil eines Ganzen, ohne den es nicht ist. Es verliert sich im Universum und ist gleichzeitig vom Uranfang bis jenseits eines denkbaren Endes. Es ist eine Idee, in der gleichzeitig alle Ideen der Seinserfassung enthalten sind. Jedes Objekt ist in diesem Sinne nur eine Projektion der menschlichen Setzungen. Es ist Schein. Es steht als Inhalt menschlicher Seinserfassung vor dem nichterfassbaren „Nichts“.
Die Welt der Objekte ist die Welt der menschlichen Wahrnehmungen, Anschauungen und Erfahrungen. Sie ist eine kommunikative Welt, deren Bedeutung von einem evolutionsabhängigen Vorverständnis abhängig ist. Die Welt der Objekte ist immer die Betrachtungswelt einer bestimmten Kultur.
- Jedes Objekt definiert sich aus seiner Umwelt und dem Standort seines betrachtenden Subjekts. Als Energiekonstellation, als dem Ding-an-sich ist es in seiner Existenz vom Subjekt unabhängig und in seiner Mannigfaltigkeit für den Menschen nur in den Grenzen seiner Perspektiven zugänglich.
Für den Menschen ist allein die Summe dessen, was er auf einen Standort an Inhalten projeziert, seine Schöpfung. Die „Realität des Objektes“ erhält dadurch ihr Gesicht. Sie entspricht in Facetten seinem Spiegelbild und ist das Ergebnis seiner Setzungen, eine Summe von Informationen, die er gemäss seinen Vorgaben selektiv aus einer Ganzheit ausfiltert und dann überträte. Ein nicht-relatives Objekt, wie der rationale Mensch es „objektiv“ sehen möchte, gibt es nicht.
- Das Subjekt und Objekt sind Strukturgrößen eines spezifischen Denksystems. Zwischen beiden steht sozial die Sprache als Mittler. Ein Erfahrungsgegenstand ist nur bei einer gleichzeitigen Anerkennung verschiedener Vorgaben „real“, – bei deren Infragestellung wird er für die Zweifler „irreal“. Ein Objekt ist letztlich immer nur das Ergebnis der Vorstellungen eines Subjekts. Eine „Realität“ ist eine soziale Perspektive, ein Gegenüber in Form einer „subjektiven Idee“, gebunden an sozio-kulturelle Strukturen und Symbole.
- Die Unterscheidung von Subjekt und Objekt raubt dem Menschen den Blick für die Ganzheit seines Existenzhintergrundes. Sie ersetzt das Sinnlich-Mythische durch das Strukturell-soziale. Ein Problem ist es bereits, dass sich das Subjekt selber nur als Objekt denken kann, d.h. von sich selber abrücken muss, um sich mit sozialen Vorgaben einen Wert zusprechen zu können, bzw. über ein manipuliertes Selbstwertgefühl den eigenen Stoffwechsel zu steuern. Rational muss es sich immer fremd bleiben. Die Welt der Objekte ist immer die Welt einer Kultur.
Gegenstände der Erfahrung, Objekte sind immer Gegenstände einer Ausgrenzung. Sie sind nur rational als Abstraktionen zu erfassen (während das Ganzheitliche nur als etwas „Undifferenziertes“ sinnlich „gefühlt“ werden kann). Objekte sind der Bezugsrahmen einer inhaltlich reduzierten, verfremdenden Kommunikation.
- Der Mittler zwischen Subjekt und Objekt ist die Kultur, sei es in Form einer Sprache als Kommunikationsgemeinschaft, in einem sozialen Normensystem oder einer anderen ordnenden Strukturgröße. Durch die Schnelligkeit und Masse der Informationen, die uns täglich umgeben, verändert sich die Realität unserer Welt ständig, ohne dass wir dies wahrzunehmen vermögen. Der „Realitätsverlust“ wird begleitet von einer immer umfassender werdenden Rationalisierung unserer Welt, in der der „alte“, biologische Entwurf „Mensch“ eigentlich keinen Platz mehr hat.
- Jede von einem Objekt her entwickelte „Erkenntnis“ ist eine Spekulation. Sie steht zwar in der Projektion dem Objekt näher, ist damit aber nicht „objektiver“. Sie steht dem personalen Subjekt ferner und ist damit für dieses abstrakter. Diese Distanz hat allerdings den Vorteil, dass sie für das soziale Subjekt ein Objekt besonders „wertfrei“ kommunikationsfähig macht, d.h. verfügbar. Jede Erkenntnis wird von dem Abstand bestimmt, in dem Subjekt und Objekt zu einander stehen. Die Anschauung gibt ihr dann zusätzlich die vom Subjekt her bestimmte „Farbe“ und Grenze.
Jede Objektivierung bedeutet letztlich eine Entmenschlichung, eine Orientierungseinseitigkeit im Abrücken von einem ganzheitlichen Bezugssystem eines Daseins. Die Fähigkeit des Menschen zu dieser Art von Kommunikation auf einer Metaebene (bei einer vergleichbaren Sozialisation und einem vergleichbaren Stoffwechsel) lassen ihn zu einer Übergangsfigur in Richtung auf eine neue Evolutionsebene werden.
- Was der Mensch als Wissen bezeichnet, ist letztlich nichts anderes als ein Ausdruck der Reduzierung oder Zerstörung seines sinnlichen Bezuges zur Außenwelt. Er verliert mit seinem Wissen seine Unschuld (gegenüber seinem Gegenüber).
Sich energiemässig, aktiv, existentiell auf ein Objekt beziehen müssen, macht das Lebendige aus. In seiner reduzierten Umweltwahrnehmung liegt die Stärke und das Tragische des Menschen. Das Rational-Funktionale öffnet ihm die Welt und nimmt sie ihm mit ihrer zunehmenden Dominanz gleichzeitig.