Existenzphilosophie

Die Existenzphilosophie entstand nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland. Sie war der Versuch, aus den Positionen des Deutschen Idealismus oder des Positivismus (Wissenschaftsglaubens) heraus, grundlegend die Existenz des Menschen klären zu wollen. Dabei griff sie besonders auf Gedanken Pascals, Kierkegaards, der Phänomenologie Husserls und der Lebensphilosophie zurück. Bei all ihren Ansätzen versuchte sie den Menschen in seinem Menschsein zu verstehen. Sie stellte dem Absoluten des Idealismus und der Wissenschaften das Subjekt gegenüber. Statt der bisherigen Denkbezüge wie dem Logos, der Vernunft oder dem Absoluten trat die Angst, die Liebe, die Freiheit oder die Sexualität in den Vordergrund ihres Denkens. Eine ihrer Sonderformen war der französische Existenzialismus. Drei Denkansätze haben sie entscheidend bestimmt:

  • die Frage nach dem Sinn des Seins
  • die Frage nach der Seinsweise der menschlichen Existenz in Bezug auf die (göttliche) Transzendenz
  • der Entwurf einer subjektivistischen Metaphysik

In ihrem Kern ist die Existenzphilosophie antirationalistisch. Das existentielle Denken erfasst den ganzen Menschen körperlich, seelisch und geistig. Es ist nicht systematisch, abstrakt, wertblind. Die Werte sind es, die das Leben bestimmen. Entscheidend ist das „In-der-Welt-sein“. Der einzelne erfährt sich über sein Dasein, d.h. seine Existenz.

Jaspers, Karl (1883 – 1969):
Für Jaspers bezog sich die Wissenschaft allein auf das Objektive, das Äußere, die damit aber dem einzelnen in seinem existentiellen Sein nicht gerecht würde. Der einzelne Mensch müsse deshalb im Rahmen einer Selbsterhellung auf sein Selbstsein hingewiesen werden. Die Wissenschaft ziele auf eine Sacherkenntnis zu Lasten der Seinserkenntnis. Letztere verwirkliche sich über eine Kommunikation in Freiheit mit anderen Selbstseins. Eine solche entscheidet dann auch darüber, was wahr sei. Dies Problem ergäbe sich aus der Subjekt- Objekt-Spaltung. Der einzelne trete als Seiendes aus dem Grund des Seins in diese Spaltung. Dieses Sein selber sei das unbegreifbare „Umgreifende“. Es sei weder das einzelne Seiende, noch deren Gesamtheit. Objektiv kann es nicht erkannt, philosophisch nur erhellt werden. Der Mensch selber sei auch mehr als die Gesamtheit seiner Seinsweisen: Er

  • lebe als „Dasein“,
  • forsche als „Bewusstsein“ im Gegenständlichen,
  • entwerfe als „Geist“ die Ideen des Ganzen im Weltdasein,
  • stehe als Objekt der „Welt“ gegenüber,
  • sei als mögliche Existenz weltoffen auf „Transzendenz“ bezogen,
  • erfahre die Transzendenz über „Chiffren“
    (Symbole, z.B. der Natur, der Geschichte),
  • suche über die „Vernunft“ die Einheit und Wahrheit aller Seinsweisen.

Jaspers Grundfragen bezogen sich vorrangig auf das Ganze des Seins, auf die Existenz, die in der Verantwortung des einzelnen Menschen in dessen Freiheit läge. Im Zentrum seines „philosophischen Glaubens“ stand ein Gottesglaube. Die Realitätsvorstellungen, das „Weltsein“ des Menschen vollzögen sich zwischen Gott und der Existenz. Jaspers philosophischer Glaube war kein Offenbarungsglaube (den er bei anderen akzeptierte). Er besaß keinen Kult und keine Glaubensgemeinschaft. Jaspers verstand die Philosophie als eine Existenzerhellung. Über die Vernunft besäße der Mensch die Möglichkeit zu seiner individuellen Selbstverwirklichung, die er über seine moralischen Prinzipien zur Geltung brächte. Über eine universale Kommunikation könnten sich die Menschen aus allen Glaubensherkünften sinnvoll begegnen und ihre Gedanken um die „ewige eine Philosophie“ kreisen lassen.

Marcel, Gabriel (1889 – 1973):
Marcel war der Wegbereiter der französischen Existenzphilosophie und der Phänomenologie und ist der wichtigste Vertreter des christlichen Existentialismus. Sein Ziel war es, die Entfremdung des Menschen in seiner Welt zu überwinden. Das „Haben“ (Dinge, Gedanken, Gefühle) sei für diesen wichtiger geworden als sein Sein, dasjenige was sein Wesen ausmacht. Er entäußere sich, weil durch sein „Problem- Denken“ sein vergegenständlichtes materialistisch-gegenständliches Denken nicht mehr vom Mysterium erfasst werden könne. Seine selbst geschaffene Abgrenzung trenne ihn von der Teilhabe am Mitmenschen und vom göttlichen Sein. In die Ebene des „Habens“ müsse die Liebe eingebracht werden, durch die der andere kein Objekt sondern ein im Dialog erfahrbares Gegenüber sei. Die Freiheit des Menschen sei nicht unabhängig, sondern bedürfe der Liebe und der „schöpferischen Treue“. Das erstrebenswerte Lebensziel sei eine Verbundenheit in Gott, in dem Marcel das „absolute Du“ sah.

Durch eine fragende Hinführung wollte Marcel mäeutisch helfen (durch eine fragende Hinführung in der Art von Sokrates) dieses Ziel zu erreichen und wollte deshalb nicht ein Existentialist sondern ein „Neo- Sokratiker“ genannt werden.

Sartre, Jean-Paul (1905 – 1980):

Camus, Albert (1913 – 1960):
Als Philosoph hat Camus nur zwei Essays geschrieben, das eine Mal „Sisyphos“, das andere Mal „Prometheus“ als Symbolfiguren wählend. Seine Gedanken entwickelte er ansonsten in seinen Erzählungen, Dramen und Tagebüchern. Im Zentrum seines Denkens stand das Absurde, als Ausdruck für die unüberbrückbare Kluft zwischen dem Ich und der Welt. Man würde sich dessen bewusst, wenn die Kulissen des Alltags fortfielen und einem dann die Fremdheit der Welt gegenüberstehe. Dabei stehe das Ich für die unerfüllbare Sehnsucht nach einer Einheit und einem Sinn.

Das Bewusstwerden des Absurden führe zu einem Verzicht auf eine metaphysische Sinngebung des Daseins und eine Akzeptanz des Gegebenen, einem sich Abfinden mit seinem Schicksal. Das Symbol für das Absurde sei Sisyphos in seinem Lebenswillen und dem Aufsichnehmen einer sinnlosen Aufgabe. Das Absurde könne nicht verneint werden, es sei denn mit der Auslöschung des Lebens selbst.

Zum Menschsein gehöre allerdings, sich um der eigenen Identität willen sich gegen dieses Absurde aufzulehnen, zu revoltieren. Über die Identifizierung mit den anderen Mitleidenden käme es zur Solidarität. Über das persönliche Schicksal führe das Gute (Freiheit, Gerechtigkeit) hinaus, für das sich der Mensch in der Revolte opfern könne. Die Symbolfigur für Camus war hier Prometheus, der für die leidenden Menschen das Wissen stahl. Fehlformen der Revolte seien dort, wo das Absurde oder die Solidarität geleugnet oder nihilistisch und menschenverachtend Endziele angestrebt würden. Da kein absolutistisches Endziel gefunden werden könne, bleibe dem Menschen nur die Möglichkeit nach einem rechten „Maß“ für seine Existenz zu suchen, das sich im Ausgleich von Gegensätzen finden ließe (z.B. den Gegensätzen von Licht und Schatten), wie sie das „mittelmeerische Denken“ darstelle.

Der Mensch war für Camus auf sich allein gestellt, der selbstbestimmend die Möglichkeiten seiner Schicksalsüberwindung (Auflehnung, Revolte) nutzen sollte. Allein dem Tod, als dem absolut Vorgegebenen, könne er nicht entrinnen. Er beende die Auflehnung gegen das Absurde. Gegen die Absurdität des Daseins bleibe nur der „existentielle Sprung“. Der Sinn einer Revolte sei es, Werte zu gewinnen, die sich auf den existierenden Menschen bezögen (z.B. „menschliche Wärme“).