Mensch und Natur

Alle unsere Orientierungsvorgaben sind anthropogene Setzungen, die auf einem zweifachen Hintergrund bauen, einem

  • biologischen, der kulturell überhöht letztlich noch auf unseren evolutionär-archaischen Triebresten baut, dem männlichen Statusgebaren und der weiblichen Brutpflege, den angeborenen Fortpflanzungstrieben der Säuger.
  • sozialen, der das kollektive Zusammenleben der Menschen regelt. Einst für den Zusammenhalt in Kleingruppen entstanden (etwa 150 Menschen) und den einzelnen Individuen wegen ihrer Instinktverluste in einem Entwicklungsprogramm verinnerlicht, erhielt er durch das Anwachsen der Menschengruppen und dem Versuch dafür rationale Orientierungskonzepte zu schaffen, ihre heutigen Ausprägungen. So stammen unsere Vorstellungen hauptsächlich von den antiken griechischen Denkern und dann von unserer Aufklärung, der Säkularisierung unserer Individualrechte. Alle unsere bürgerlichen Freiheitsvorstellungen und Rechte, alle unsere Gedanken über ein friedliches Zusammenleben, über eine gelebte Humanität entstammen diesem Hintergrund.

Unser Problem ist nun, dass es gerade diese Orientierungsinhalte sind, die uns von den Habitaten der Natur, denen wir biologisch zugehören, für die wir uns in unserer Evolution zunächst entwickelt haben, zunehmend entfernen, weil wir sie durch unsere Begrenztheit zerstören. Und es spricht zurzeit nichts dafür, dass wir uns als ihr Glied wieder in sie einordnen werden.

Unser Problem ist unsere Lebensweise, auf die wir glauben ein Anrecht zu haben, auf unsere Freiheitsrechte, auf die Befriedigung unserer Bedürfnisse, unseres Konsums, unserer Mobilität. Wir wissen zwar, dass sie alle bezahlt werden müssen, doch so lange es uns nicht persönlich betrifft, fühlen wir uns nicht wirklich betroffen:

  • Wir wissen, dass unsere Forderungen nach einem ständigen Wachstum der Wirtschaft uns letztlich in unseren Abgrund führen werden. Doch niemand wagt, an dem damit verbundenen Verlust an Arbeitsplätzen, an der Senkung unseres Lebensstandards zu rühren, da sonst soziale Unruhen oder Abwahlen befürchtet werden. Die wenigen Einsichtigen dürften dabei kaum ins Gewicht fallen.
  • Wir wollen, dass unsere Wirtschaft mit der Ökologie in Einklang gebracht wird, doch soll sie international konkurrenzfähig bleiben. Niemand weiß real, wie?
  • Wir sind für einen verstärkten Umweltschutz, doch betreffen unsere Forderungen besonders andere Länder, z. B. deren Energiegewinnung. Wir zeigen den dortigen Menschen über die Medien, wie angenehm wir bei unserem Lebensstandard leben und wundern uns, dass sie ihn dann auch anstreben.
  • Wir sind gegen das Roden der Wälder am Amazonas, befürchten das Tauen der arktischen Eise und damit den Anstieg der Meere, doch kaum jemand ächtet die Gewinninteressen der dahinter stehenden Unternehmen und die damit in Verbindung stehende Befriedigung unserer Luxusbedürfnisse.

Allen Forderungen nach einem verstärkten Klimaschutz, einer Verhinderung des Artensterbens, der Existenzsicherung unserer Art stehen wir mit unserer Lebensweise gegenüber, einer Lebensweise, auf die wir über unsere verinnerlichten Setzungen glauben, ein Anrecht zu haben, auf unsere Freiheiten und unsere Bedürfnisbefriedigungen. Noch befinden wir uns in einer Wohlstandswelt gebettet, doch können es unsere Enkel auch noch sein? Wir sind bereit, im Rahmen unseres Statusstrebens, Menschen Milliarden verdienen zu lassen, während Millionen für sie schuften und deren Kinder hungern. Wir lassen unsere Landwirte ihrer Gewinne wegen die Natur zerstören, die lebenden männlichen Küken zu schreddern, ihre ausländischen Saisonkräfte ausbeuten und glauben, eine humane Gesellschaft zu sein. Niemand kommt auf die Idee , die Großmanager oder Spitzensportler mit ihren Millioneneinkünften zu ächten. Sie gelten als erfolgreiche Vorbilder. Die Einkünfte stehen ihnen zu und sind Teil ihres Statusbewusstseins. Welch ein Glanz, wenn man das Steak auf seinem Teller, noch in Blattgold gehüllt, sich servieren lassen kann. Wie radikal muss ein Umdenken weg von diesen aktuellen Lebenshaltungen sein, damit wir ihm folgen?

Das Problem aller unserer Orientierungsprogramme ist, dass wir eine völlig falsche Vorstellung von unserer Stellung in der Natur und unserer eigenen Bedeutung darin haben. Wir erfassen darin nicht das Universum als ein komplexes System, auch nicht unsere Galaxie, unser Sonnensystem, unsere Erde, all ihre Biotope und uns selber darin. Auch wir selber stellen als Person sogar nur ein komplexes Ökosystem dar, nur einen Superorganismus bestehend aus 1012 Zellen, 1014 Bakterien und noch einmal 100mal so vielen Viren. So stehen wir erst am Anfang unseres Wissens über die Einflussgrößen unseres Mikrobioms. Unser Darm besitzt mehr Keime, als unser Körper Zellen besitzt. Das Mikrobiom entscheidet weitgehend ob wir gesund oder krank sind. Wir sehen uns immer nur als ein Individuum, aber so gut wie nie auch als einen Lebensraum. Durch unsere westliche Lebensweise erfolgt auch in uns ein eigenes inneres Artensterben. So haben Naturvölker in ihrem Gedärm doppelt so viele Mikrobenarten. Diese unsere innere Verarmung scheint für viele unserer physischen und psychischen Krankheiten verantwortlich zu sein.

So wissen wir nicht, wie unser Bewusstsein als eine komplexe Leistung entsteht und was eigentlich unsere Qualia ausmacht, beides vielleicht die letzten Denkansätze einer noch in sich unterlaufenen esoterischen Philosophie. Dabei stellt die erstere eine Summe der inneren Bewegungen unserer Transmitter in unserem durchgeprägten, individuellen Gehirn dar, während die Qualia sozusagen für den Augenblick in diesen Bewegungen stehen. Wir wissen, dass die Darmbakterien auf unsere Psyche einwirken. Wir wissen nur noch nicht, wie?

Genetisch ist der Mensch auf eine ganz bestimmte Umwelt und Lebensweise hin programmiert. Er ist das Ergebnis einer ganz bestimmten biologischen Evolution. Bewegt er sich aus dem ihm entsprechenden Habitat heraus oder verändert er individuell oder sozial seine seiner Biologie entsprechende Lebensweise, so belastet oder vernichtet er seine Lebensgrundlagen, verändert die in ihm angelegten Stoffwechselabläufe und wird physisch oder psychisch krank. Als zunächst schleichende Abläufe empfindet er dies zunächst nicht, sondern schreibt seine veränderten Botenstoffausschüttungen seinem Individualismus zu, der genau genommen, auf diesem Hintergrund bereits einen psychischen Defekt darstellt.

Der biologische Mensch ist zunächst

  • ein Sozialwesen (und nicht primär ein Individualwesen),
  • Er benötigt für sich und für sein Mikrobiom eine ganz bestimmte Nahrung, d. h. für
    • seine Energiezufuhr: Kohlenhydrate, Fette,
    • die Strukturbildung seines Körpers: Eiweiße (Proteine),
    • bestimmte anorganische Stoffe, die sein Körper nicht selber bilden kann (Mineralstoffe), Salze und Vitamine

und zur Anregung und Aufrechterhaltung seiner Stoffwechselvorgänge und der Gesundheit seiner Muskulatur eine Mindestmaß an Bewegung.

Gegen all das verstößt er, indem er seine ihm entsprechende Umwelt zerstört und sein Verhalten in Widerspruch zu seiner Biologie stellt.

Durch die für unsere genetische Evolution fremde Umwelt, Reizwelt erfolgt in uns eine spezifische Botenstoffausschüttung, die in uns überzogene Reaktionen auslöst, die dem Ideal unserer ausgeglichenen biologischen Art widersprechen. Genau genommen sind wir alle dadurch auf irgendeine Weise psychisch krank. Unsere Erziehung zum Individualismus und das Setzen hoher Ansprüche führen bei den meisten Personen, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen, nur in eine Welt des Versagens. Aufgefangen wird dies durch

  • den Besuch von Psychologen,
  • Fluchten in Fantasiewelten,
  • Schuldzuweisungen.

Fast jeder von uns hat deshalb seine spezifischen persönlichen Störungen, seine überzogenen, spezifischen Botenstoffanregungen. Vereint mit einer artfremden Setzungswelt versuchen wir dann unseren oft extremen Individualismus in willkürlichen Zielen auszuleben. Unsere persönliche Selbstverwirklichung, der artfremde Feminismus sind solche Ziele. Genau genommen könnte man ihnen mit Gleichmut begegnen, da sie zeitgebunden austauschbar sind. Das Problem dabei ist nur, dass wir mit ihnen

  • unsere persönliche Naturfremdheit nur vergrößern,
  • unsere artgemäßen Existenzgrundlagen zerstören,
  • durch die digitalen Techniken und die Künstliche Intelligenz bei diesem Hintergrund uns selber ausschalten.

Da unser Statusstreben, vereint mit unserem Individualismus, uns kollektiv handlungsunfähig machen, steuern wir sehenden Auges in unsere eigene Artausschaltung.

Unsere Orientierungen erfolgen auf einem dreifachen Erfahrungshintergrund:

  • Zunächst dem unserer Art in unserer Evolution. Negative Erfahrungen wurden dabei durch die Auslese nicht weitergegeben. Wir leben sie genetisch und epigenetisch über unsere Instinktreste, d. h. über unsere Sinne (die Wahrnehmungen in unserer Reizwelt) und über die mit diesen in Verbindung stehenden Botenstoffausschüttungen. Die dabei wichtigsten Orientierungsinhalte sind die unseres existentiellen Selbsterhalts und die unserer artgemäßen Fortpflanzung, d. h. die unseres Statusstrebens und die der Brutpflege. Aus diesen zwei Komponenten ergeben sich alle unsere fundamentalen Triebfedern.
  • Die nächste Orientierungsgruppe bilden unsere kollektiven Erfahrungen, die in uns sozial über unsere Erziehung verinnerlicht und so zu einem Teil unserer Persönlichkeit werden. Auch sie basieren auf einem dreifachen Hintergrund:
    • Zunächst auf unseren allgemeinen Grundgefühlen, über die wir unsere Umwelt wahrnehmen. Sie äußeren sich in der Sensibilität unserer Wahrnehmungen und unserer Fähigkeit zu einer spirituellen Tiefe. Ihren gemeinschaftlichen Ausdruck fanden sie in unseren Religionen.
    • Dann sind es die Wissenschaften, deren Orientierungsinhalte auf anthropogenen, d. h. artgemäßen, kausalen Logiksystemen basieren und die uns durch die Verdrängung der Komplexität unserer Umwelt in unseren direkten Bewegungen zwar sehr erfolgreich machen, andererseits ihr aber nicht gerecht werden und sie letztlich dadurch zerstören. (Dabei zeichnet sich die Vielzahl ihrer Vertreter nicht durch neue eigene Gedanken aus, sondern durch den Umfang ihres Literaturverzeichnisses, das heute zum entscheidenden Maßstab für sie geworden ist).
    • Als letztes sind es unsere Werte. Genau genommen, je nach Ideologie, beliebig austauschbare Setzungen, die auf die vorangegangenen emotionalen und rationalen Hintergründe bauen und die darüber zur Grundlage des sozialen Zusammenhalts der menschlichen Gemeinschaften geworden sind. Als fundamental soziale Wesen kann der einzelne Mensch auf sie nicht verzichten. Verinnerlicht sind sie zum Hintergrund all seiner Gedanken und Handlungen geworden.
  • Den letzten Erfahrungshintergrund bilden die persönlichen Erfahrungen, die auf die tiefer angelegten vorangegangenen aufgesattelt werden und die von außen wahrgenommen, oft als die existentiell bestimmenden angesehen werden.

All diese drei Erfahrungswelten bestimmen jeden Menschen, der uns gegenübertritt. Er sieht die Welt nicht so wie sie ist, sondern nur durch die Grenzen seiner Logiksysteme, Setzungen, seiner Ideologien. Ihre Strukturen bilden neben seiner genetischen Ausstattung in seinem Gehirn seine Orientierungswelt und die Mauern innerhalb seines „Denkens“. Das tatsächliche Sein darüber hinaus bleibt ihm verborgen, bzw. eine Welt spekulativer Hypothesen und seines anthropogenen, oft esoterischen Denkens. Durch sein kausales Begrenzen vergewaltigt er seine komplexe Welt und zerstört dabei seinen habitablen Existenzhintergrund.

Wir entfernen uns von der Welt, für die wir uns in unserer Evolution entwickelt haben, auf drei Ebenen (und werden deshalb als Art wahrscheinlich scheitern, bzw. enden):

  • von der Natur als einer gewachsenen Einheit, in deren Komplexität wir nur ein Glied sind und von der wir letztlich in unserer Existenz abhängen. Durch die kausalen Zerstörzungen dieser Einheit leiten wir eines der größten Artensterben unseres Planeten ein.
  • von unserem evolutionär gewachsenen Mikrobiom, von dem wir in unseren physischen und psychischen Abläufen biologisch abhängig sind – Abläufe über deren Hintergründe und Zusammenhänge wir noch kaum etwas wissen.
  • von dem Habitat, auf das bezogen wir uns in unserer Evolution entwickelt haben. Durch unsere individualistische, auf die maximale Befriedigung von Glücksbedürfnissen ausgerichtete Lebensweise zerstören wir unsere Umwelt auf eine doppelte Weise, durch unseren Ressourcenverbrauch und die dadurch bedingten klimatischen Existenzbedingungen. Dabei bauen diese Glücksbedürfnisse weitgehend nur auf den Bestätigungen kultureller Prägungen.

Große Artensterben hat es auf der Erde schon immer gegeben. Meistens in zeitlichen Abständen von mehreren 10 Millionen Jahren und darin innerhalb eines relativ schmalen Zeitraumes. Wenn mindestens 75 % aller Arten aussterben, spricht man von einem Massenaussterben. Die Ursachen dafür waren der

  • Vulkanismus:
    • Erdabkühlung durch die Behinderung der Sonneneinstrahlung durch die Asche vulkanischer Ausbrüche,
    • Supervulkane mit einer Auswurfmenge von über 1000 km3 Lava.

(Die jüngere Erdgeschichte kennt über 40 solcher Katastrophen, u. a. den Yellowstone-Hotpots vor 640.000 Jahren),

    • magmatische Großprovinzen (teilweise über Millionen km3, bekannteste: Sibirische Trapps vor 252 Mio. Jahren),
  • Einschläge größerer Asteroiden oder Kometen

(mit den Folgen: Klimaveränderung, Ozeanversauerung und mariner Sauerstoffmangel, bekannt sind ca. 180 Einschlagkrater von 5 – 10 km Durchmesser; u. a. das Kreide-Paläogen-Ereignis, das zum Tode der Saurier führte),

  • Stoffwechsel von Organismen (so führte ein Sauerstoffüberschuss 2 x zum Sterben aller anaerober Arten).

Die größten biologischen Krisen waren das/die

(vorher lassen sich bereits acht große Artensterben nachweisen):

  • Ordovizische Massenaussterben (vor 444 Mio. Jahren):

In ihm kamen wahrscheinlich bis zu 85 % aller Arten durch eine vernichtende Sonneneinstrahlung um.

  • Kellwasser-Ereignis (vor 372 Mio. Jahren):

Als Ursache gilt das Umkippen des Klimas, evtl. durch einen Megavulkanismus.

  • Hangenberg-Ereignis (vor 359 Mio. Jahren):

Evtl. durch mehrere Meteorit-Einschläge. Der Großkontinent Gondwana vergletscherte.

  • Perm-Trias-Ereignis (vor 252 Mio. Jahren):

Ursache war der großflächige Flutbasalt-Ausstoß des Sibirischen Trapps. Er bedeckte 7 Mio. km2. Eine Folge: Brände, Luftverschmutzungen, Bodenversauerungen. 95 % aller marinen Arten und 75 % der Landfauna starben. Die Wälder brauchten danach 15 Mio. Jahre zu ihrer Erneuerung.

  • Trias-Jura-Grenze (vor 201 Mio. Jr.),
  • Kreide-Paläogen-Grenze (vor 66 Mio. Jahren):

Einschlag eines 10 – 15 km großen Asteroiden im heutigen Mexiko (Kraterdurchmesser 180 km). Ruß- und Staubpartikel in der Atmosphäre absorbierten für Monate das Sonnenlicht. Temperatursturz von 26 0 C., erliegen der Fotosynthese der meisten Pflanzen, 75 % aller Arten starben, u. a. die Saurier. Damit vollzog sich der Wechsel vom Erdmittelalter zur Erdneuzeit und zum Siegeszug der Säugetiere.

Danach gab es mehrere ökologische und biologische Krisen, in denen jeweils viele Arten starben, die tropischen Wälder verschwanden, die Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre sich verringerte und das Klima stark zwischen Frost- und Wärmephasen schwankte.

Das Besondere des jetzigen Artensterbens ist, dass dafür im Gegensatz zu den früheren erdgeschichtlichen Krisen der Mensch der Verursacher ist.  Man spricht bereits vom siebten Massensterben, von einem neuen Zeitalter durch den Menschen, vom Anthropozän.  Mit zunehmender Schnelligkeit stirbt um uns die biologische Vielfalt. Bei den repräsentativen Großarten, den Prachtpflanzen und den Tieren, die unsere Kindheit begleitet haben, fällt es uns noch auf. Bei ihren großen Massen ist es aber ein schleichender, stiller Prozess. Sie sind dann einfach nicht mehr da. Durch ihr Fehlen geraten die Biotope aus ihren Gleichgewichten, Biotope auf die wir existentiell ernährungs- und stoffwechselmäßig angewiesen sind. Wir bemerken es kaum, evtl., wenn dabei gleichzeitig unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstört werden.

In der Erdgeschichte sind immer biologische Stammlinien ausgestorben. Die Ursachen waren dann Klimaschwankungen, Fehlanpassungen, eine geringe genetische Vielfalt, Erosionen des Erbgutes, globale Katastrophen, überlegene Konkurrenz oder die Aufspaltung in Unterarten gewesen. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Art wird auf etwa 4 Mio. Jahre geschätzt (manche lebten 100te Mio. Jahre). So war nach einem Massenaussterben nach etwa 0,4 – 10 Mio. Jahren die alte Artenanzahl wieder erreicht, allerdings dann in einer stark  veränderten Zusammensetzung. Unser heutiges durch den Menschen verursachtes Problem ist, dass dieses natürliche Aussterben zurzeit um das 100 – 1000fache überschritten wird. Täglich sterben bis zu 380 Tier- und Pflanzenarten. Nach den Angaben des WWF (2016)

  • ging die Wildtierpopulation seit 1970 um 60 % zurück,
  • erfolgte in den letzten 40 Jahren ein Bestandsrückgang bei über 14.000 Tierarten um ca. 60 % (in Flüssen und Seen um 81 %),
  • halbierte sich die Zahl der Säugetiere, Vögel, Reptilien, Fische seit den 1970er Jahren,
  • standen 94 % der Primaten auf der Roten Liste (= höchste Gefahrenkategorie; Stand 2014).

2017 enthielt die „Rote Liste“ der Weltnaturschutzunion (IUCN) mehr als 90.000 Arten (25.821 waren davon vom Aussterben bedroht).

Laut IPBES-Artenschutzkonferenz (2019) sind

  • weltweit 0,5 – 1 Mio. Arten vom Aussterben bedroht,
  • ¼ aller Tier- und Pflanzenarten bereits verloren,
  • erfolgt der Artenschwund 10 – 100x schneller als während der letzten 10 Mio. Jahre.

Man schätzt, dass es auf der Erde zurzeit etwa 13 Mio. Arten gibt (davon 5,9 Mio. Landtiere, 5,5 Mio. Insekten, in den Ozeanen über 10 Mio. Arten; niemand weiß es genau), von denen man allerdings bis in die 90er Jahre nur ca. 1,75 Mio. Arten gekannt hat (die bis dahin beschrieben worden waren). Von ihnen gelten u. a. als bedroht:

  • 24 % aller Säugetiere,
  • 29 % der Amphibien,
  • 23 % der Fische.

Wegen unserer heutigen industriellen Landwirtschaft werden in 10 – 20 Jahren kaum noch unsere heutigen Vögel leben.

Eine besonders beachtete Rolle spielen das Vogel- und das Insektensterben, das erstere weil es vielen Menschen auffällt, das letztere weil es weitgehend still, unbeachtet abläuft.

Zurzeit gibt es in Europa etwa 400 Mio. Vögel weniger als noch vor 30 Jahren. Das ist 1/5 der Gesamtpopulation (Universität Exeter). Es fehlen besonders die heimischen Brutvogelarten Kiebitze, Rebhühner, Feldlerchen und Uferschnepfen. Bei den Rebhühnern beträgt der Rückgang 94 %. Sie sind Bodenbrüter und für ihre Futterquellen benötigen sie vielfältig bewirtschaftete Flächen. Schutzmaßnahmen begünstigen nur einige seltene Arten (z. B. Seeadler, Kraniche). Wahrscheinlich kennt keines meiner Enkel noch den Gesang einer Lerche. Damit in Verbindung sehe ich noch das glückliche Gesicht meiner Frau, als sie während eines Spaziergangs durch Frühlingswiesen nach Jahrzehnten vor wenigen Wochen plötzlich eine hörte. Ihr Gesicht demonstrierte deren psychische Bedeutung für sie, eine Bedeutung, die in uns wahrscheinlich evolutionär tief verankert ist und die damit unsere psychische Gesundheit mitbestimmt.

Das große Insektensterben bemerken wir kaum. Dabei ist der Rückgang ihrer Biomasse und Artenzahl alarmierend, weil sie

  • für viele Arten die Nahrung darstellt

(Sie stehen sozusagen am Anfang unserer Nahrungskette. Damit in Verbindung steht der Rückgang der insektenfressenden Vögel (u. a. Schwalben, Feldlerchen). Ihre jährliche Beute beträgt schätzungsweise ca. 400 – 500 Mio. Tonnen),

  • als Bestäuber vieler Blütenpflanzen unverzichtbar ist

(Fast 90 % aller Blütenpflanzen und ¾ aller Nutzpflanzen werden vom Insekten bestäubt. Der wirtschaftliche Wert dieser Tätigkeit beträgt 200 – 600 Mrd. Euro pro Jahr),

  • als Abbauer organischer Substanz (Destruente)

(durch deren Zersetzung beeinflussen sie die Bodenfruchtbarkeit),

  • als Bioindikatoren (Zeigertiere),
  • für die Gewinnung neuer Medikamente bedeutsam sind

(aber auch weil sie viele Schädlinge und Krankheitserreger stellen).

Seit Ende der 1980er Jahre soll der Rückgang der Fluginsekten 80 % betragen. Von 2008 – 2017 betrug der Rückgang der Biomasse der Insekten an 290 Standorten im Grasland 67 % (bei 78 % der Arten) und in Waldgebieten 41 %. Wahrscheinlich sind seit Beginn der Industrialisierung bis zu ½ Mio. Insektenarten ausgestorben. Ein Problem ist, dass von den etwa 5,5 Mio. geschätzten Insektenarten  nur 1 Mio. überhaupt bekannt sind. Die Ursachen für das Insektensterben sind:

  • Biotopverluste,
  • Monokulturen,
  • Pestizideinsätze,
  • Zerstückelungen der Landschaft,
  • die geringe Zahl an Hecken und Randstreifen auf den Feldern,
  • fehlende Biotopverbindungen,
  • zunehmende Lichtverschmutzung (u. a. Laternen).

Die Ursachen für das anthropogen verschuldete Massenaussterben sind:

  • die Art der Landnutzung (Rodung der Wälder, Monokulturen, Pestizide, Vernichtung der Wiesen und Weiden, Abnahme der Sortenvielfalt beim Obst, Gemüse und Getreide (genetische Erosion)):

Besonders die Zerstörung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, in Zentralafrika, in Südostasien (dies ist der Lebensraum von ca. 70 % aller tierischen und pflanzlichen Lebewesen). Die Ausdehnung der Felder zu Lasten der Wälder nahm um 50 % zu. Allein die Rohholzproduktion betrug 2017 4 Mrd. m3

  • die Überfischung der Meere (33 % der Bestände),
  • Urbanisierung:
    • Seit 1992 wuchsen die städtischen Gebiete um mehr als 100 %,
    • bis 2050 sollen 25 Mio. km neue Straßen gebaut werden (davon 90 % in den Entwicklungsländern),
    • seit 1970 stieg die Weltbevölkerung von 3,7 auf 7,6 Mrd. Menschen (auf die verschiedenen Länder ungleich verteilt).
  • Bergbau und Energieerzeugung:
    • Negative Einflüsse: Emissionen, Wasserqualität, menschliche Gesundheit (obwohl nur 1 % der Landfläche vom Bergbau genutzt werden).
    • In 171 Staaten gibt es ca. 17.000 Abbaugebiete (sie gehören weitgehend 616 internationalen Konzernen).
    • In 53 Staaten bestehen 6500 Bohr-Plattformen im Meer für die Öl- und Gasgewinnung.
  • Jagd geschützter Tiere:

Als Trophäen, Delikatessen (z. B. Pandoline, Schuppentiere) oder als Bestandteile der traditionellen Medizin (z. B. der chinesische, in esoterischen Therapiebereichen). Bei Urlaubern als Mitbringsel und Statussymbol beliebt.

  • Schadstoffeinträge in Gewässer:

Abwässer, Schwermetalle, Atommüll, Mikromüll u. a.

  • Straßenverkehr,
  • Einwanderung von Neophyten

(Verdrängung einheimischer Arten, z. B. durch den Waschbär),

  • Lichtverschmutzung: u. a. verantwortlich für den Tod vieler nachtaktiver Insekten,
  • Tourismus (besonders in den Naherholungsgebieten).

Als erfolgreiche Gegenmaßnahmen müssten wir wahrscheinlich unsere Lebensweise radikal ändern. Wenn wir so weitermachen wie bisher, zerstören wir die allgemeinen Grundlagen unserer Volkswirtschaften, Nahrungsmittelsicherheiten und unserer Lebensqualität. Wir müssen uns wieder bewusst werden, dass wir nur ein Teil der Natur sind. Und dafür sollten wir (10 Gebote nach Matthias Glaubrecht):

  • unsere Geburtenraten einschränken,
  • die Lebensräume der Tiere und Pflanzen fördern,
  • 1/3 der Erdoberfläche unter Naturschutz stellen und vernetzen,
  • Wälder nicht roden sondern aufforsten,
  • Böden nicht versiegeln und nicht Gifte einbringen,
  • biotopreiche Kulturlandschaften statt Monokulturen schaffen,
  • Städte, Siedlungen, Verkehrsanlagen und Industrieflächen nicht ausufern lassen,
  • nicht wildern oder rücksichtslose Fischerei betreiben,
  • der Natur einklagbare Rechte einräumen,
  • die biologische Vielfalt erhalten
  1. h., wir sollten unsere Ansprüche gegenüber der Natur radikal zurückfahren und versuchen, unsere Individualität und unsere Bedürfnisse nicht zu ihren Lasten auszuleben.

Die zweite Ebene auf der wir uns von unserer Evolution entfernen, ist die unseres persönlichen Daseins als ein komplexes Ökosystem. Wir wissen darüber so gut wie gar nichts. Wir besitzen eine gewisse Vorstellung von der Vielzahl der Viren und Bakterien mit denen wir in einer Gemeinschaft leben, von unserem Mikrobiom, das es auf unser Gehirn einen Einfluss nimmt und wahrscheinlich im großen Umfang unser Fühlen und Denken bestimmt. Unsere Wissenschaften stehen hier erst am Anfang ihrer Forschungen und werden die letzten Geheimnisse hier vielleicht nie lüften. Wir wissen u. a. auch, dass im Gegensatz zu den Naturvölkern sich der Anteil der Kleinlebewesen in unserem Mikrobiom halbiert hat und können davon ausgehen, dass dieser Umstand auch einen großen Einfluss auf unsere Botenstoffproduktion und damit auf unseren Stoffwechsel und unser Verhalten hat.

Zu unseren „Partnern“ gehören:

  • Viren: Ob sie zu den Lebewesen gezählt werden sollen, ist umstritten, da sie für ihre Vermehrung auf den Stoffwechsel von Wirtszellen angewiesen sind. Sie sind organische Strukturen, die keinen eigenen Stoffwechsel besitzen. Oft werden sie nicht zu den Lebewesen gezählt, sondern nur als „dem Leben nahestehend“ Allerdings besitzen sie ein genetisches Programm zu ihrer Vermehrung und haben darüber anscheinend die gesamte Evolution auf der Erde beeinflusst. Ohne sie gäbe es hier kein Leben. Sie sind wahrscheinlich dessen entscheidende Bausteine.

Wahrscheinlich gibt es Millionen Virenarten (2011 waren 1,8 Mio. bekannt), von denen nur wenige (3000) bisher identifiziert werden können. Außerhalb der Wirtszellen (Virionen) beträgt ihre Größe nur 15 – 440 nm (Nanometer = millionstel Millimeter). In jedem cm3 Boden sollen sich 10 Mio. Viren befinden, auf der Erde 1033 Viren (und 1031 Bakterien). Sie besitzen in ihrer Nukleinsäure nur spezifische Programme für ihre eigene Reproduktion, aber keinen Synthese-Apparat zu deren Vervielfältigung. Als Parasiten sind sie auf Wirte angewiesen. Sie können sich nur über fremde Zellen vermehren.

Gesunde Menschen bestehen zwar aus 10 Billionen Zellen (1013), aber 1000mal mehr Viren. Sie leben dort hauptsächlich auf deren Haut und im Darm und entscheiden über deren Immunsystem und wahrscheinlich auch über deren psychische und geistige Gesundheit. Ihr Verhältnis zu ihren Wirten kann sehr verschieden sei, aus friedlicher Koexistenz zu beiderseitigem Nutzen bestehen oder die verschiedensten Krankheiten verschulden (u. a. Grippe, Aids, Corona mit jeweils Millionen Toten).

Viren besitzen nur wenige Gene (selten mehr als ein paar Hundert, der Mensch 25.000), die in das Erbgut ihrer Wirtszellen eingebaut werden können (u. a. in das Erbgut des Menschen), die dann dort weitervererbt werden. Das ist der Hintergrund, weshalb die DNA aller Lebewesen zu einem großen Anteil aus viraler DNA besteht, z. B. die des Menschen zu fast 50 % (!). Welche Funktion sie dort hat, weiß man noch nicht. Vermutet werden u. a. die Unterstützung des Immunsystems und der Gehirnfunktionen. Die Abschnitte der Viren-DNA können springen und dort dann Veränderungen auslösen. Durch ihre starke Mutationsfähigkeit können sie sich rasch umorientieren und schnell an neue Situationen anpassen. Im Genom ihrer Wirte eingebaut, werden sie so zu Triebfedern der Evolution (können aber auch negativ im menschlichen Körper zur Krebszellenbildung führen).

Viren dringen in die Nukleinsäure der Wirtszellen und zerstören sie erst, wenn sie diese nicht mehr brauchen. Viel spricht dafür, dass sie erst zu Krankheiten führen, wenn ihre Gleichgewichte aus ihrer Balance geraten sind. So gehört es zu ihren Eigenschaften, dass sie in ihren Wirtszellen keine Konkurrenten dulden (darauf beruht u. a. unser Immunsystem), die sie u. a. dann auch gegenüber Bakterien verteidigen.

Virenähnlich scheinen zu sein (ohne dass man bisher Genaueres über sie weiß):

  • Prionen: Sie sind noch kleiner als Viren und besitzen kein eigenes Erbgut. Sie bestehen aus Proteinen und besitzen virusähnliche Eigenschaften. Ihre Vermehrung erfolgt nicht durch Teilung, sondern durch die induzierte Veränderung benachbarter Moleküle. Man findet sie besonders im Hirngewebe. Wahrscheinlich spielen sie bei der Neurogenese eine wichtige Rolle. Krankheitsformen führen zum Zerfall des Gehirns und des vegetativen Nervensystems. Sie verursachen u. a. die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und verschiedene Demenzformen.
  • Viroide: Sie sind 80 – 100mal kleiner als Viren und gelten als die kleinsten Krankheitserreger (zurzeit nur bei Pflanzen bekannt. Genaueres weiß man über sie nicht).

Wir teilen die sonstigen Lebewesen heute in drei Domänen auf (= höchste biologische Klassifizierungskategorie, die sich auf den Zellkern in den Zellen bezieht):

  • Archaen (Urbakterien): Wie die Viren besitzen sie keinen Zellkern. Einzellig, haben ihre DNA-Moleküle keine Hülle. Ihre Eigenstellung als Domäne ist u. a. durch ihre genetischen und biochemischen Merkmale und ihre Unterschiede in den RNA-Sequenzen ihrer Ribosomen begründet. Sie können unter den extremsten Existenzbedingungen bestehen (z. B. noch bei 110 0 Celsius wachsen). Man hofft, durch sie Erkenntnisse über die Anfänge des Lebens auf der Erde zu erhalten. In manchen ozeanischen Bereichen stellen sie bis zu 90 % der dortigen Lebewesen. Wahrscheinlich bestimmen sie die Stickstoff-, Kohlenstoff- und Schwefelkreisläufe in den Ökosystemen der Erde entscheidend. Es gibt eine Vielzahl an Arten und ständig werden neue entdeckt.

Beim Menschen hat man sie u. a. im Darm, im Mund und in der Vagina nachgewiesen. Für Krankheiten des Menschen scheinen sie nur indirekt verantwortlich zu sein (u. a. über die Förderung pathogener Bakterien).Viele ihrer Eigenschaften lassen sich biotechnologisch nutzen: z. B. u. a.

    • Biogas-Gewinnung,
    • Träger für Impfstoffe,
    • Gewinnung hitzeresistenter Enzyme.

Die zweite Domäne bilden die

  • Bakterien: Auch sie haben keinen abgegrenzten Zellkern wie die Eukaryoten (= 3. Domäne: mit einem echten Zellkern und einer reichen Ausstattung mit zellulären Räumen für die verschiedensten Stoffwechselreaktionen. Zu ihnen gehören Pilze, Pflanzen und Tiere). Ihre DNA liegt frei im Cytoplasma. Es gibt bei ihnen die verschiedensten Formen, Größen und Strukturen. Manche benötigen für ihre Existenz Sauerstoff (aerob), für andere ist dieser Gift. Einige sind zur Photosynthese fähig. Sie vermehren sich asexuell durch Teilung. Gene können über Plasmabrücken (Pili) oder enges Aneinanderliegen ausgetauscht werden. So u. a. auch fossile DNS-Fragmente. Ein 250 Mio. altes Bakterium gilt zurzeit als das älteste Lebewesen der Welt.

Jeder Mensch ist für sie ein wichtiger Lebensraum. So besitzt ein Mensch zwar 10 Billionen Zellen, aber zehnmal so viele Bakterien existieren auf ihm.

    • Auf seiner Haut leben etwa 1 Billion Bakterien (unterschiedlich verteilt). Sie ernähren sich dort von seinen Hautschuppen und den Mineralstoffen, die von seinen Hautporen ausgeschieden werden.
    • Im Mundraum leben etwa 100 Milliarden Bakterien (besonders auf den Zähnen).
    • Im Dünndarm 40 Milliarden, im Dickdarm 38 Billionen (die verschiedenen Bakterienarten bilden den Hauptanteil der Mikroorganismen in der Darmflora),
    • im Magen 8 Millionen,
    • in der menschlichen Lunge kennt man 128 Arten (2007).

Ursprünglich dienten die Darmbakterien im Menschen als Resteverwerter, weil durch deren Tätigkeit aus der Nahrung mehr Energie gewonnen werden konnte.

Genau genommen weiß man zurzeit relativ wenig über die menschliche Lebensgemeinschaft mit den Kleinlebewesen. Nur die Darmflora ist bisher der Gegenstand umfangreicher Forschungen gewesen. Und von dort weiß man, dass sie es weitgehend sind, die darüber entscheiden, ob wir krank oder gesund sind, unter Allergien leiden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs haben, an Demenz erkranken. Von ihrem Wohlergehen hängt weitgehend unser Wohlergehen ab. Wir wissen inzwischen, dass das Mikrobiom des Darms z. B. in einem unmittelbaren Kontakt zum Gehirn steht. Dadurch

  • regelt es über seine chemischen Kommunikationswege weitgehend unsere Körperfunktionen,
  • werden in unseren Nerven- und Blutbahnen Chemikalien freigesetzt, die Einfluss nehmen auf
    • die Hirnareale, die für das Gedächtnis zuständig sind,
    • das limbische System, in dem Emotionen und Stress verarbeitet werden,
    • korrespondiert es mit Hilfe chemischer Signale über den Vagusnerv mit dem Gehirn (und so beeinflussen sie sich gegenseitig),
    • lenkt unsere Stimmungen (so produziert es den größten Teil unseres Serotonins, des „Glückshormons“).

Unser Mikrobiom stellt in uns eine gewaltige chemische Produktionsstätte dar. So

  • ist seine Produktion des Biotins wichtig für die Infektabwehr,
  • schützen seine Entzündungshemmer die Muskeln vor einem Versauern,
  • bestimmen die erzeugten Botenstoffe über das Nervensystem unser Fühlen und Denken.

Von unserer Geburt an steuern die Stoffwechselprodukte des Mikrobioms unsere Gehirn- und damit unsere Charakterentwicklung. Von ihnen stammt ein Drittel unserer Stoffwechsel-produkte im Blut.

Wir wissen nicht, wie ein gesundes Mikrobiom aussehen sollte. Es entsteht bereits bei der Geburt und in den ersten Lebensmonaten. Später lässt es sich nur schwer ändern. Nach einer Darmerkrankung sichert der Blinddarm seine Neubesiedlung mit darmeigenen Bakterien. Die Gene der einzelnen Menschen gleichen sich zu 99,9 %, die Zusammensetzung seines Mikrobioms kann dagegen relativ verschieden sein. Manche haben mehrere 100 Bakterienspezies. Je umfangreicher seine Zusammensetzung ist, umso besser scheint es für den einzelnen Menschen zu sein.

Eins unserer zivilisatorischen, aber kaum beachteten Artensterben ist das unserer Kleinlebewesen in und auf uns. Wir wissen, dass die Naturvölker in ihrem Gedärm doppelt so viele Mikrobenarten besitzen wie wir und dass sie wahrscheinlich deshalb unsere Zivilisationskrankheiten so gut wie nicht kennen. Wahrscheinlich haben viele unserer psychischen und physischen Leiden in der Artenarmut unserer Kleinlebewesen letztlich ihre Ursache.

Ein Grund für das Sterben der Kleinlebewesen in uns ist das Gewinnstreben  unserer Industrie. Ihre Produkte stören, vielleicht sogar vernichten, unsere Darmflora, weil sie unsere Lebensmittel relativ ballastarm aber zuckerreich produzieren, sie geradezu zu Suchtprodukten werden lassen. Da diese oft billiger als Naturprodukte sind und über die Werbung die Konsumenten ständig manipuliert werden, beherrschen sie besonders den Konsum der Armen und Jugendlichen (Süßgetränke). Eine Folge davon ist, dass 2 Mrd. Menschen, besonders in der reichen, westlichen Welt, als fettleibig angesehen werden und von vielen Zivilisationskrankheiten betroffen sind.

Wer kann uns zuverlässig sagen, dass viele unserer sozialen Haltungen, unser Hang zum Individualismus, die individualistische Sinnsuche in der westlichen Welt, nicht das Ergebnis des Einflusses unseres relativ einheitlichen, weitgehend industriell vorbereiteten Essverhaltens auf unser Mikrobiom ist, dass es kein Ergebnis unserer zivilisatorischen, einheitlichen Entfremdung von unserem in uns evolutionär angelegten, von unserem Mikrobiom gesteuerten natürlichen Stoffwechsel ist? Wir wissen es nicht. Ausschließen können wir es aber auch nicht. Vieles spricht dafür.

Die dritte Ebene auf der wir uns von unserer evolutionär vorgegebenen Existenzebene entfernen, ist die unserer anthropogenen Klimaveränderungen. Im Ideal haben wir uns für ein ganz bestimmtes Klima, eine bestimmte Temperaturspanne entwickelt. Das sind bevorzugt 11 – 15 0 C. im Jahresdurchschnitt (nach Martin Scheffer). Damit sind wir biologisch Existenzen für eine bestimmte Temperaturspanne. Erwartet wird bis 2070 ein durchschnittlicher jährlicher Temperaturanstieg auf über 29 0 für 19 % der Landflächen (heute 0,8 %). Betroffen davon werden etwa 3,5 Mrd. Menschen sein, wenn wir unseren Ausstoß an Treibhausgasen nicht vermindern werden. Besonders betroffen davon wird Indien sein mit mehr als 1 Mrd. Menschen, Pakistan, Indonesien, Nigeria und der Sudan mit jeweils mehr als 100 Mio. und Menschen in Südamerika, Südostasien und Nordaustralien. Durch den von uns eingeleiteten ansteigenden Klimawandel und die abzusehende zunehmende Zahl der menschlichen Individuen zeichnen sich für uns in  der Zukunft viele Probleme ab.

Wenn man für die Geschichte der Erde eine Zeit von 24 Stunden ansetzt, dann gibt es uns Menschen erst seit 72 Sekunden. Innerhalb kürzester Zeit machen wir die Erde, das Wasser, die Luft und auch das Klima für unsere Existenz zunehmend unbewohnbar. Zwar hat es auf der Erde über längere Zeiträume immer Klimaveränderungen gegeben. Sie waren schon immer direkt oder indirekt von den Sauerstoff-, Kohlenstoff- und Methananteilen in der Erdatmosphäre abhängig gewesen. Mit der Zeit des Kambriums (vor 541 Mio. Jahren) begann das Erdaltertum. Innerhalb von 5 – 10 Mio. Jahren entstanden damals die Vertreter aller heute bestehenden Tierstämme. Vor 11.700 Jahren (Holozän) begann dann die Zeit der menschlichen Hochkulturen. Fehlende klimatische, geophysikalische und biologische Krisen ermöglichten die Entstehung unserer Zivilisationen.

Innerhalb von großen Zeiträumen (10.000 – 100.000 Jr.) hat das Erdklima immer geschwankt. Die Ursachen dafür waren kosmische Strahleneinflüsse, länger andauernde vulkanische Tätigkeiten, atmosphärische Luftveränderungen und ozeanische Wasserbewegungen. Den größten Einfluss auf das Leben auf der Erde hatten nukleare Fusionsprozesse in der Sonne. Ohne deren Energie gäbe es bei uns kein Leben. Ihre Strahlungsintensität wird bestimmt durch

  • die Zyklen der Erdrotation (ca. alle 25.800 Jahre),
  • den Neigungswinkel der Erdachse zur Ekliptik (zwischen 22,1 – 24,5 Grad, ca. alle 41.000 Jahre),
  • die Exzentrizität der Erdumlaufbahn (ca. alle 100.000 – 405.000 Jahre).

Durch sie entstehen bei uns die Jahreszeiten und die Zyklen der Warm- und Kaltzeiten.

Die atmosphärische Treibhauswirkung auf der Erde wird von etwa 20 Gasen bestimmt. Eine besondere Bedeutung unter ihnen besitzen Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid (Volumenanteil in der Atmosphäre 0,04 %, doch entscheidet bereits dieser geringe Anteil weitgehend über unser Leben auf der Erde) und Methan. Die Besonderheit der beiden  letzteren Gase ist, dass sie durch ihre molekulare Struktur die solare Wärmeenergie innerhalb der Wellenlängen von 4,26 – 14,99 nm (Milliardstel Meter) absorbieren und zur Erde zurückschicken. Dadurch erhöht sich die oberflächennahe Durchschnittstemperatur auf der Erde auf ca. 14 – 15 Grad C. Ohne diese Abläufe würde sie global durchschnittlich – 18 Grad C. betragen. Zwischen der Erde und der Atmosphäre findet ein ständiger, natürlicher CO2-Austausch statt durch

  • den Stoffwechsel der Lebewesen (deren Atmung),
  • physikalische und chemische Prozesse (vulkanische Tätigkeiten, Verwitterung von Gesteinen, Verbrennung organischen Materials).

Der natürliche Treibhauseffekt wird zu 60 % vom Wasserdampf bestimmt, doch hängt dieser im Wesentlichen von den Durchschnittstemperaturen auf der Erde ab und wirkt sich deshalb nur verstärkend aus.

Allgemein wird bei der Problematik des erwarteten Klimawandels nur die atmosphärische Konzentration des Kohlendioxids (CO2) diskutiert, weil durch den anthropogenen Einfluss auf ihn, er es ist, der dafür verantwortlich gemacht wird. Zwar beträgt der menschliche Anteil am jährlichen CO2-Eintrag nur 3 % der natürlichen Emissionen, doch werden die anderen 97 % wieder von natürlichen Kohlenstoffsenkern aufgefangen. Somit ist der menschliche Eintrag ein zusätzlicher Beitrag, der in der Luft verbleibt und deshalb in der Atmosphäre zu einem Konzentrationsanstieg führt. Die Ursachen für den anthropogenen CO2-Anstieg in der Atmosphäre sind:

  • die Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas),

Es wurden bisher freigesetzt:

    • von 1751 – 1900 insgesamt 12 Gigatonnen,
    • 1990 22,57 Gigatonnen CO2 (= 6,156 Gt. Kohlenstoff),
    • 2012 waren es bereits 35,6 Gt. CO2 (= 9,7 Gt. Kohlenstoff).

Das Verbrennen aller bekannten fossilen Energieträger der Erde würde zu einem CO2-Gehalt in der Atmosphäre bis zu ca. 1.600 ppm führen und damit zu einem globalen Temperaturanstieg von 4 – 10 Grad C.

  • das Abholzen und Verbrennen der Tropenwälder

(Sie speichern die Hälfte des von der globalen Vegetation gespeicherten Kohlenstoffs.

Durch das Roden der Bäume wird der in ihnen gespeicherte Kohlenstoff an die Atmosphäre abgegeben).

  • die Viehzucht

(Erzeugung von Methan bei der Verdauung des Futters durch die Kühe und Schafe; zu 19 % am Klimaeffekt der Treibhausgase beteiligt).

  • fluorierte Gase

(ihre Treibhauswirkung ist 23.000mal stärker als die von CO2; ihre Verwendung ist deshalb in der EU verboten).

Wir produzieren neben unserem natürlichen Stoffwechsel (Atmung) Treibhausgase

  • bei der Herstellung von Produkten,
  • bei der Benutzung unserer Verkehrsmittel (besonders des Autos),
  • bei unseren Urlaubsreisen,
  • beim Heizen (z. B. unserer Häuser),
  • bei allen Arten der öffentlichen und privaten Beleuchtungen.

Zurzeit beträgt der jährliche Konzentrationsanstieg 2 – 3 ppm. Um ihn zu stoppen, müssten die CO2-Emissionen für ein Gleichgewicht zwischen den menschlichen Emissionen und der natürlichen CO2-Aufnahme um 55 % reduziert werden.

Das Besondere unserer heutigen Situation ist, dass die Verläufe des beobachteten Klimawandels in einer bisher nie dagewesenen Schnelligkeit ablaufen. Seit Beginn des Industriezeitalters nahm der atmosphärische Gehalt zu beim

  • Kohlendioxid von 280 auf 400 ppm (= Teile pro Million)

(sein Anstieg auf 560 ppm würde wahrscheinlich zu einem Temperaturanstieg von 3 Grad C. führen).

  • Methan von 800 auf 1.900 ppb (= Teile pro Milliarden).

Seit 1850 stieg die globale Durchschnittstemperatur jedes Jahrzehnt. Eine Folge davon sind:

  • höhere Temperaturen,
  • das Auslösen verschiedener Kippelemente, denen dann irreversible Prozesse mit katastrophalen Auswirkungen folgen.

Bis Ende des 21. Jhs. rechnet der IPCC (Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaveränderungen, 2007) im ungünstigsten Fall mit einem Temperaturanstieg von 2,6 – 4,8 Grad C. Verbunden damit werden

  • gravierende Umweltveränderungen,
  • weltweite Konflikte,
  • erhebliche Migrationsbewegungen.

Als ein internationales Ziel hat man eine erreichbare globale Erwärmung auf maximal 2 Grad C. festgelegt. Um sie zu erreichen, müssten die globalen Emissionen bis 2050 um 48 – 72 % geringer sein als im Jahr 2000.

Dazu Petteri Taala (Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie, 2018):

„Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel versteht und die letzte, die dagegen etwas tun kann“.

Bereits heute beobachtete Folgen der Klimaerwärmung sind u. a.:

  • ständig neue Wärmerekorde,
  • frühere Jahreszeiten (um 2 Wochen),
  • veränderte Lebensrhythmen in der Tier- und Pflanzenwelt,
  • veränderte Niederschlagsmengen (Dürren, Überschwemmungen),
  • Zu- und Abnahme der Wetterextreme,
  • veränderte Wasserkreisläufe auf der Erde,
  • Verschiebung der Klimazonen,
  • erhöhte Waldbrandgefahr,
  • Tauen der Permafrostböden,
  • Rückgang des Meereises,
  • Anstieg des Meeresspiegels,
  • Verschiebung der Vegetationszonen,
  • Verschiebung der Touristenströme,
  • Zunahme der Flüchtlingsströme,
  • Wassermangel,
  • Versteppung großer Gebiete,
  • negativer Einfluss auf die Artenvielfalt,
  • Zunahme der Heftigkeit der Zyklone,
  • Ausdehnung der Verbreitungsgebiete von Schädlingen.

Im Jahr 2019 hatten wir in Deutschland

  • im Februar 6 Tage, die wärmer als 20 Grad C. waren,
  • den wärmsten je gemessenen Sommer,
  • zwei Hitzewellen mit erstmaligen Temperaturen von über 42 Grad C.,
  • Änderungen des Rhythmus der Niederschläge:

Das normale Frühlingswetter in Europa besteht aus Tiefdruckgebieten im Norden und einem Hoch im Mittelmeerraum. Aktuell haben wir Hochdruckgebiete im Norden und Tiefdruckgebiete im Süden. Erwartet werden in Zukunft mehr Extremwetter. Entscheidend für einen Boden sind nicht die Regenmengen, sondern wann diese fallen.

  • der Winter, der Frühling und der Sommer waren zu trocken,
  • im Oktober und November gab es starke Regenfälle:

Der ausgetrocknete Boden konnte die Wassermassen nicht aufnehmen. Ein Wald ist aber auch auf Wasserangebote in tieferen Bodenschichten angewiesen. Wegen des großen Wassermangels in den Wäldern starben in vielen Regionen fast alle Fichten (die vielleicht bisher wichtigste Gehölzart in deutschen Wäldern).

Es besteht in Deutschland und Europa ein starker Trend zu trockenen Böden. Das bedeutet kurzfristig eine Vorbereitung der Flächen für Bewässerungen und langfristig trockenheitsresistentere und hitzetolerantere Kulturen. Die Anbauregionen werden sich verändern (z. B. der Weinbau Richtung Norden, in Süddeutschland Soja-Kulturen). Insgesamt nahm die Zahl der Sonnenstunden über Europa zu (auch in Grönland gab es eine Rekord-Eisschmelze). Seit Ende des 19. Jhs. stieg hier die Temperatur um ca. 2 Grad C.

Zu den klimabezogenen Eingriffen auf unseren Lebensbereich kommen weitere umweltschädigende Einflüsse hinzu:

Der Flächenverbrauch:

Zerstörung der natürlichen Lebensräume für Siedlungen, Verkehrsflächen und landwirtschaftliche Nutzflächen. Der tägliche Verbrauch in der Bundesrepublik betrug im Jahre

  • 2000 – 129 ha,
  • 2005 – 118 ha,
  • 2010 – 77 ha,
  • 2015 – 61 ha

und soll bis 2030 auf unter 30 ha gesenkt werden.

Belastet werden damit die Natur und die Landschaften, der natürliche Lebensraum der Pflanzen und Tiere. Zwar werden bei Bebauungsmaßnahmen Ausgleichsflächen gefordert, doch weicht man dabei oft auf Grenzertragsstandorte und extensiv genutztes Grünland aus. Für die Landwirtschaft bedeutet dies eine Verknappung ihrer Flächen. Oft werden dabei die natürlichen Bodenfunktionen, der natürliche Wasserhaushalt, die regionalen Kleinklimagegebenheiten und das Landschaftsbild gestört.

Die Folgen davon sind u. a.:

  • Die Siedlungsausdehnung führt zu mehr Verkehr, Lärm, Abgasen und gesteigertem Energieverbrauch.
  • Sinkende Einwohnerdichte steigert die Infrastruktur-  und erhöht die Mobilitätskosten.
  • Einkaufsmärkte auf der Grünen Wiese gefährden die traditionellen Ortszentren.
  • Für die Tierwelt werden die Lebensräume zerschnitten

(es werden ihre Wanderungen behindert, und den Amphibien wird der Weg zu ihren Laichplätzen verbaut),

  • eine Umwandlung von Naturflächen in Kulturflächen,

(Waldrodungen, Trockenlegung von Feuchtgebieten, Sümpfen und Mooren, künstliche Be- und Entwässerungen),

  • das Anzapfen von Grundwasserreserven für den Obst- und Gemüsebau,
  • massive Bodeneingriffe durch den Bergbau und den Sandabbau

(Entstehung riesiger Vertiefungen und Erhöhungen, Schaffung neuer Gewässer; der weltweite jährliche Sandbedarf beträgt 50 Mrd. Tonnen (die Gewinnung vom Meeresboden führt dabei zu ökologischen Katastrophen).

Das Gesamtergebnis ist eine radikale Umgestaltung der Landschaft. Unsere landwirtschaftlichen Flächen reichen immer häufiger bis zum Horizont. Die Megastädte fressen sich immer weiter in das Land. Bezeichnend für die Entwicklung ist: 1858 errichtete man in Wietze (Niedersachsen) den ersten Erdölbohrturm. Heutesterben jährlich indirekt bis zu 8,8 Mio. Menschen an den Folgen der durch die Erdölgewinnung verschmutzten Luft.

Eine besondere Bedeutung für die Existenz der Menschheit besitzt flächenbezogen das Abholzen der tropischen Wälder, besonders des Amazonasgebietes, wegen seiner Fähigkeit große Mengen an Kohlendioxid zu binden. Gefördert durch die brasilianische Regierung (z. B. durch die Besetzung wichtiger Ämter mit Interessenvertretern der Agrarindustrien), sind daran dann auch Landspekulanten, Holzfäller, Sojabauern Viehhirten und Bergwerksgesellschaften beteiligt.

Auch die Trockenlegung der Moore hat für die Menschheit negative Folgen, da sie wichtige CO2-Speicher sind (50 – 60 % des Torfes). Sie sind entstanden, weil in ihrem sauerstoffarmen, sauren Milieu sich die Pflanzenreste nicht zersetzen konnten. Man nimmt an, dass z. B. allein die Moore der Nordhemisphäre zurzeit etwa 500 Gigatonnen in sich speichern und die der Tropen 100 Gigatonnen. Wenn man die Moore trockenlegt, entweicht das Kohlendioxid. Seit 1850 wurden weltweit 50 Mio. ha Moore trockengelegt. Bis 2100 kommen wahrscheinlich noch 12 Mio. ha hinzu. Dadurch können bis dahin aus ihnen 250 Gigatonnen CO2 entweichen. Zurzeit gehen etwa 4 % der menschengemachten CO2-Emissionen auf Moorverwüstungen zurück (zum Vergleich: beim kommerziellen Flugverkehr 2%). Weltweit gibt es zurzeit etwa 4,23 Mio. km2 Moorfläche (= 3 % der Landfläche). Besonders in Südostasien werden sie für die Palmölgewinnung entwässert.

Ein zweiter gravierender Eingriff in den naturbezogenen, menschlichen Lebensbereich ist die Luftverschmutzung:

Sie begann einst mit der bewussten Anwendung des Feuers. Schon seit der Antike gibt es dokumentierte Beschwerden über städtische Luftverschmutzungen. Die WHO (2019) sieht sie als das größte gesundheitliche Umweltrisiko:

  • im Dezember 1952 starben 12.000 Menschen in London am Smog,
  • 2012 starben vorzeitig an der Luftverschmutzung 8 Mio. Menschen (WHO): ca. 3,7 Mio. durch die Outdoor-Luftverschmutzung und ca. 4,3 Mio. durch die Indoor-Luftverschmutzung,
  • 2015 starben in der EU ca. 790.000 Menschen mehr durch die Luftverschmutzungen als im Weltdurchschnitt (d. h., mehr als im Straßenverkehr), in Indonesien ca. 100.000 Menschen an den Folgen eines Waldbrandes,
  • 2018 starben vorzeitig durch die Luftverschmutzungen der internationalen Schifffahrt ca. 400.000 Menschen, ca. 14 Mio. Kinder wurden asthmatisch,.

Laut WHO sterben an der Luftverschmutzung jährlich ca. 8,8 Mio. Menschen.

Hauptverantwortlich dafür ist zu ca. 65 % die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Durch sie

  • verringert sich die durchschnittliche Lebenserwartung um durchschnittlich 2 Jahre,
  • wird Lungenkrebs verursacht, das Blasenkrebsrisiko erhöht (2010 gab es durch die Luftverschmutzung 220.000 Lungenkrebstote),
  • verringert sich das Geburtsgewicht, die Lungenentwicklung,
  • werden Kinder und Jugendliche asthmakrank,
  • sie soll sich negativ auf die Intelligenz auswirken (besonders bei Männern?),
  • durch die Säurebildung in Verbindung mit Wasser ist sie an der Vernichtung von Kulturgütern beteiligt (Steinfraß). Die EU (2013) gibt die durch sie entstehenden jährlichen Schäden mit 23 Mrd. an, ihren externen negativen Effekt mit 330 – 940 Mrd.,
  • laut ETH Zürich soll die Verminderung der Beleuchtungsstärke durch die Luftverschmutzung in der zweiten Hälfte des 20. Jhs 24 Watt pro m2 betragen (d. h. einen weltweiten Energieverlust von ca. 154 Mrd. Kilowattstunden.

Verantwortlich für die Zunahme der Erkrankungen und der erhöhten Sterblichkeit sind die erhöhten Konzentrationen von Schwefeldioxid (SO2), Kohlenmonoxid (CO), Stickstoffoxiden, Feinstaub, Schwebestoffe und Kohlenwasserstoffe. Ihr Luftanteil ist jeweils abhängig von den Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit. Die Schäden, die sie hervorrufen sind

  • beim Menschen: Belastung der Atemwege, des Kreislaufes, im Extrem der Tod,
  • in der Pflanzenwelt: Negative Auswirkungen auf das Wachstum (Ertragsminderung). Wahrscheinlich die Hauptursache für das Waldsterben: Die Stickoxide machen einen Regen zu einem sauren Regen und dieser schädigt dann die Wurzeln,
  • als Materialbelastung: Korrosion von Stahl, Beeinträchtigung von Stein und Glas.

Normalerweise nehmen wir die bestehende vorhandene Luftverschmutzung gar nicht wahr. Während der Corona-Krise wurde sie nur plötzlich durch die neu entstandene Fernsicht deutlich, weil in vielen Landesteilen es keinen Flugverkehr mehr gab. Wir leben mit ihr und sind kaum bereit, sie bei uns wesentlich einzuschränken, da mit ihr wesentliche Inhalte unseres Lebensstandards in Verbindung stehen (u. a. Verkehr, Industrieproduktion, Kraftwerke).

Ein dritter gravierender Eingriff in den naturbezogenen, menschlichen Lebensbereich ist die Gewässerverschmutzung: Dies gilt sowohl für das Oberflächen- wie auch für das Grundwasser. So soll in China das Grundwasser zu 60 – 80 % so stark verschmutzt sein, dass es als Trinkwasser nicht mehr benutzt werden kann. Ihre Bedeutung wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass Wasser die Lebensgrundlage jeder menschlichen Existenz ist. Wir belasten das Wasser

  • direkt: durch das Einbringen unserer Abwässer,
  • indirekt: z. B. durch
    • das landwirtschaftliche Einbringen von Düngern und Pestiziden,
    • Reifenabrieb,
    • Auftausalze am Straßenrand,
    • Luftschadstoffe aus dem Regen,
    • Unglücksfälle (Verkehr, Betriebe).

Die Verschlechterungen können sowohl physikalisch, chemisch wie auch biologisch sein. In Deutschland werden die Schäden je zur Hälfte von den direkten und den indirekten Einleitungen verursacht.

Das Problem wird besonders deutlich, wenn wir uns bewusst machen, dass wir es nicht nur zur Aufrechterhaltung unserer Körperflüssigkeit benötigen, sondern auch

  • zur Reinhaltung unseres Körpers, unserer Nahrungsmittel und unseres Lebensbereichs,
  • für die Produktion aller unserer Nahrungsmittel

(z. B. für die Erzeugung von 1 kg Rindfleisch 15.500 Liter !, für 1 kg Kakaobohnen 27.000 l),

  • Für die Herstellung aller unserer Güter

(z. B. für 1 Din-A4-Blatt Papier 10 l, für eine Jeanshose 11.000 l und für ein Auto 400.000 Liter Wasser).

Zu einem politischen Problem wird die Verschmutzung des Wassers, weil von dessen Klärung einerseits die Gewinne der Landwirtschaft und der Unternehmen abhängen und andererseits die Trinkwasserqualität für die Gesamtbevölkerung.

Ein anderes Problem stellt die Vermüllung der Meere dar. In den großen Strömungswirbeln der Ozeane (besonders im Nordpazifikwirbel) sammeln sich riesige Mengen Plastikteile und deren Zersetzungsteile. Als Müllstrudel bilden sie innerhalb der ozeanischen Wirbel riesige Müllteppiche. An den Oberflächen der Nano-Teilchen befinden sich viele Umweltgifte, die sich dann selbst in vielen Organismen der Tiefsee wiederfinden.

Ein globales Problem stellt auch die Erwärmung der Ozeane dar. Sie umfassen 80% der Weltmeerflächen und 71m % der Erdoberfläche. Ihr Volumen beträgt 1,33 x 109 und ihre durchschnittliche Tiefe 3680 m. Mit der globalen, anthropogen verschuldeten Erwärmung des Erdklimas beeinflusst der Mensch sie besonders negativ. Die Folgen sind u. a. der allgemeine Anstieg des Meeresspiegels (laut WMO):

  • zwischen 1870 – 2009 – um ca. 25 cm,
  • seit 1901 – um ca. 1,7 cm pro Jahrzehnt,
  • seit 1993 – um ca. 3,2 cm pro Jahrzehnt,
  • seit 2014 – um 5 mm jährlich.

Die Ursachen sind:

  • der Anstieg der Temperaturen (das Wasser dehnt sich stärker aus),
  • das Schmelzen der Gletscher.

Laut IPCC kommt es bis 2100 (gegenüber 1990) selbst bei strengsten Klimaschutzmaßnahmen zu einem Wasseranstieg von 40 – 67 cm. Das Schmelzen des antarktischen Eisschildes würde eine zusätzliche Erhöhung bedeuten (das Abschmelzen der Grönlandgletscher einen Anstieg von 0,9 – 1,8 m, das der Antarktisgletscher 1 – 2 m).

Die Folgen wären u. a.:

  • Durch die steigenden Temperaturen des Wassers sinkt dessen Fähigkeit zur Kohlenstoffaufnahme (die Ozeane enthalten 50x mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre; in den oberen Schichten teilweise durch die Fotosynthese gebunden).
  • Verschiebung der Klimazonen. Damit würden sich in allen die Lebensbedingungen für alle Lebewesen verändern.
  • Die Länder, die nur wenig über dem Meeresspiegel liegen, werden versinken. Ohne Gegenmaßnahmen bedeutet ein Meereswasseranstieg um 1 m einen weltweiten Landverlust von 150.000 qkm. Etwa 180 Mio. Menschen wären betroffen und ca.1,1 Billionen Besitz ginge verloren.
  • Die Meeresströme würden sich verändern

(Als ein Zusammenspiel der Zirkulation von sinkendem und aufsteigendem Wasser. Die möglichen Folgen wären u. a. Kälteeinbrüche durch das Versiegen des Golfstromes).

  • Die Intensität der tropischen Wirbelstürme würde zunehmen.
  • Starke Veränderungen der Artenzusammensetzung in den Meeren (u. a. Absterben der Korallenriffe: z. B. des Great Barrier Reefs. Es besteht aus fast 4000 Korallenriffen auf über 2300 km Länge. Erwärmen sich die Ozeane, geraten sie in einen Hitzestress, und die Korallen stoßen die in ihren Zellen lebenden Mikroalgen ab (die sie mit Energie und Farbe versorgen). Sie werden dann weiß (deshalb Korallenbleiche).
  • Abnahme des Sauerstoffgehalts des Wassers (global seit Mitte des 20. Jhdts. um 1 – 2 %).
  • Häufigere toxische Algenblüte (verbunden mit einem Massensterben vieler Fische, Vögel und Säuger, einer Gefährdung von Menschen).

Die Folgekosten bei einer Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles bis 2100 würden pro Jahr etwa 10,2 Billionen US-Dollar betragen,

  • bei einem 2-Grad-Ziel 11,7 Billionen,
  • ohne einen Klimaschutz, je nach Anstieg des Meeresspiegels, jährlich 14 – 27 Billionen US-Dollar,
  • bei rechtzeitigen Anpassungsmaßnahmen an den steigenden Meeresspiegel beim 1,5-Grad-Ziel bis 2100 und einem Meeresspiegelanstieg
    • von 86 cm auf 1,1 Billionen,
    • von 1,8 m auf 3,2 Billionen.

Einen vierten gravierenden Eingriff in den naturbezogenen Lebensbereich stellt die Vermüllung des Planeten durch den Menschen dar. Zunächst nehmen wir sie nur als eine Verunreinigung, eine Art von Verwahrlosung war, die unsere allgemein angestrebte Ordnung hygienisch, ökologisch und ästhetisch beeinträchtigt. Das Hauptproblem stellen dabei mit 52 % die Einwegverpackungen dar. Etwa 80 – 90 % des Tonnen-Mülls bestehen aus Kunststoffen. Allein Coca-Cola produziert jährlich 88 Mrd. Einwegflaschen, d.h. 167.000 Flaschen pro Minute, die erst innerhalb von 450 Jahren zerfallen und dann als Mikroplastik auf den Meeresgrund einen Teppich bilden. Zuvor sterben viele Tiere daran. So fand man z. B. im Magen eines toten Potwals vor der Sardinischen Küste 22 kg Plastik.

Das Problem wird deutlich, wenn einem bewusst wird, dass z.B. der Zerfall einer Kunststofftüte je nach Kunststoffart, die man durchschnittlich nur 25 Minuten nutzt,  etwa 100 – 500 Jahre dauert. Seit 1960 stieg die jährliche Plastikproduktion von 1,5 Mio. Tonnen auf  inzwischen 400 Mio. Tonnen, und die Prognose bis 2030 erwartet einen weiteren Anstieg um 80 %. In Deutschland beträgt die jährliche Plastikmüllmenge zurzeit 6 Mio. Tonnen. Meistens werden die Produkte aus fossilen Rohstoffen hergestellt und nach einer Benutzung als Müll entsorgt. Inzwischen verpestet der Makro- und Mikromüll in einem beängstigenden Umfang überall das Land, das Wasser und die Luft.

Zurzeit werden von unserem Müll

  • 25 % verbrannt,
  • 40 % auf Mülldeponien gebracht,
  • 20 % „unreguliert“ entsorgt.
  • Ein besonderes Problem stellt der Export des Wohlstandsmülls in die Entwicklungsländer dar, wo er oft unter sehr fragwürdigen Bedingungen entsorgt wird.

Von den weggeworfenen Gegenständen in den Städten waren (2003):

  • 58,3 % Zigarettenstummel,
  • 11,6 % Kunststoffe,
  • 9,8 % organische Abfälle,
  • 8,8 % Papier,
  • 7,3 % Glas,
  • 5,8 % Verpackungen,
  • 3,9 % Metall.

Als Hauptursachen für den großen Müllanfall werden gesehen:

  • veränderte Konsumgewohnheiten,
  • fehlende soziale Kontrolle (oft bei fehlender Integration),
  • Bequemlichkeit,
  • Lust an Provokation,
  • nachlässiger Umgang mit öffentlichem Eigentum.

Als Antwort auf das Müllproblem wird eine funktionierende Kreislaufwirtschaft empfohlen und als weitere Maßnahmen:

  • Auflagen bei der Landnutzung

(z. B. Begrenzung der Düngermengen, Gewässerrandstreifen als Pufferzonen),

  • Kläranlagen mit Filteranlagen für bestimmte Schadstoffe.

Die „Easac“ (Europäische Akademie der Wissenschaften) macht dafür  7 Vorschläge:

  • Verbot des Müllexports,
  • Verbot des Deponierens von Plastikmüll,
  • Verpflichtung der Hersteller und Händler dafür zu sorgen, dass kein Plastik mehr in die Umwelt gelangt,
  • strikte Regeln für eine Kreislaufwirtschaft durch den Gesetzgeber,
  • Verbot irreführender Werbeaussagen,
  • in der chemischen Zusammensetzung keine schädlichen Zusatzstoffe und keine Materialien, die die Recyceleigenschaften beeinträchtigen bei neuen Produkten den Anteil an recycelbarem Material gesetzlich festlegen (Mindestrecycelquote).

(Dies wird von der „Kunststoffverarbeitenden Industrie“ abgelehnt, da dies ein zu starker Eingriff in den Markt sei und damit Gefahren für die Produktionssicherheit entständen).

  • bei den Plastikprodukten die Folgekosten für die Umwelt und die Gesellschaft berücksichtigen.

Ein besonderes Problem stellt der Weltraummüll dar. Laut ESA befanden sich bereits 2005 in der Umlaufbahn der Erde über 600.000 Objekte, die einen Durchmesser von mehr als 1 cm hatten und ca. 13.000 Objekte mit mehr als 5 cm. Dabei haben bereits Teilchen mit 1 g Massegewicht bei einer Geschwindigkeit von 10 km/Sek. eine Sprengkraft von ca. 12 g TNT. Bis 2010 gab es ca. 4700 Raketenstarts mit gut 6100 Satelliten, die ca.15.000 Bruchteile mit einer Größe von mindestens10 cm hinterließen. Zu diesen muss man noch ca. 7000 geheim gehaltene Objekte zählen. Die Gesamtmasse des Weltraummülls wird auf etwa 6300 Tonnen geschätzt (davon73 % der Objekte im erdnahen Orbit). Besonders betroffen sind die Höhen von 800 km (bevorzugte Flugbahnen der Aufklärungssatelliten). Die Telekommunikationssatelliten befinden sich in 36.000 km Höhe und besitzen ein geschätztes Gesamtgewicht von ca. 2000 Tonnen.

Die Ursachen für die Entstehung dieses Mülls sind:

  • freigesetzte Raketenteile,
  • gezielte Sprengungen von Raketenteilen,
  • nicht mehr gebrauchte Satelliten,
  • zusammengestoßene Satelliten,
  • Killersatelliten zur Neutralisierung von Spionagesatelliten.

Zur Kontrolle dieses Mülls werden Teleskope und Radar eingesetzt und ca. 13.000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als 5 cm genau beobachtet. Falls möglich sollen Teile abgebremst und zum Verglühen gebracht werden. Ab 2025 will man versuchen, diesen Müll gezielt aus der Erdatmosphäre zu entfernen (ESA-Beschluss 2019).

Der fünfte große Eingriff in die Abwertung unseres Lebensbereichs ist die Lichtverschmutzung. Da sie uns von Geburt an ständig umgibt, bemerken wir sie in der Regel gar nicht. In Europa und in den USA sind 99 % der dort lebenden Menschen davon betroffen (weltweit mehr als 80 %). Wir Menschen sind von unserer Evolution her Taglebewesen. Einst gingen die menschlichen Kulturtechniken aus der Beobachtung des Sternenhimmels hervor (u. a. unsere Zeitrechnung; viele Bezüge in unseren Mythen, die Navigation). Historische Sternwarten verlieren ohne ihren Lichtschutz ihr wichtigstes Bezugselement. Durch die künstliche Beleuchtung verschiebt sich in uns unser Tag-Nacht-Rhythmus, dessen Folgen wir bei uns noch nicht kennen. An den Ökosystemen können wir aber  beobachten:

  • Störungen bei den pflanzlichen Wachstumszyklen,
  • Orientierungsprobleme bei den nachtaktiven Insekten und Zugvögeln

(So vernichtet z. B. eine Straßenlaterne täglich ca. 150 Insekten, allein in Deutschland gibt es ca. 6,8 Mio. Laternen; d. h., dass durch sie jede Nacht über 1 Mrd. Insekten sterben),

  • beim Menschen zunehmende Schlaf- und wahrscheinlich Hormonstörungen (z. B. ein verfrühtes Einsetzen der Pubertät).

Wir können die vorhandene Lichtverschmutzung am besten am Sternenhimmel beobachten. Bei klarer Sicht und bei völliger Dunkelheit soll man in dunklen Gegenden bei normaler Sehkraft mit bloßem Auge etwa 6500 Sterne sehen können. In Innenstädten sind es heute allerdings nur noch maximal 20 – 30 und auf dem Lande 200 – 500. Die Milchstraße – sonst ein eindrucksvoller Natureindruck – kann man nur noch selten beobachten. Über unseren Städten hängt eine riesige Lichtglocke.

Verantwortlich für diese Situation sind u .a.:

  • Straßenbeleuchtungen, Lichtreklamen und Industriebeleuchtungen

(1990 wurde der Energieverbrauch für Beleuchtungen in den USA auf ca. 1 Mrd. Dollar geschätzt),

  • Strahlen der Kraftfahrzeuge,
  • Anhebung des Lebensstandards im Wohn-, Verkehrs- und im Gewerbebereich

(Ein Mangel an Licht wird oft als ein Mangel an Urbanität angesehen).

  • Die Streuung des Lichts durch Schwebeteilchen in der Luft.

In Deutschland wird der jährliche Zuwachs der Lichtverschmutzung auf etwa 6 % geschätzt.

Inzwischen gibt es politische Versuche, die Lichtverschmutzung einzudämmen:

  • Das Ausweisen von Lichtschutzgebieten (2009 von der DSAG in der JUCN, zurzeit 50 Gebiete),
  • Bayrische Naturschutzgesetz (2019) und Bayrisches Immissionsschutzgesetz
    • Verbot von Himmelsstrahlern,
    • Verbot einer Beleuchtung öffentlicher Gebäude nach 23.00 Uhr.

Empfohlen werden u. a. zudem:

  • eine Abschirmung der Lichtquellen,
  • eine gerichtete Beleuchtung (von oben, nicht von unten),
  • angepasste Beleuchtungszeiten bei der Außenbeleuchtung,
  • Verzicht auf nach oben gerichtete Strahler,
  • Bevorzugung rötlicher Lichtwellenlängen

(Blauanteile streuen stärker in die Atmosphäre),

  • Verbot von Fernlicht in Lichtschutzzonen.

Wenn man die vielen negativen Eingriffe des Menschen auf seine existentiellen Lebens-bereiche in der Überschau betrachtet, kommt man zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass die Menschheit sich in einer großen Krise befindet und das schon lange vor der aktuellen Corona-Pandemie. Diese Krise umfasste

  • die internationalen Staatengemeinschaften,
  • die multilaterale Nachkriegsordnung,
  • die westlichen Demokratien,
  • das kapitalistische Wirtschaften und Konsumieren,
  • die Globalisierung der Produktion,
  • die Macht der Internetkonzerne (Internet und seine Plattformen),
  • Flucht, Vertreibung und Wanderungen,
  • die Kultur des Individualismus.

Anscheinend stehen wir vor einem möglichen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte und haben die mögliche Chance uns neu zu orientieren. Unsere Beobachtungen sollten uns dazu zwingen, uns in unserem Verhalten zu ändern.

Drei Triebkräfte bestimmen das Leben der Menschen:

  • der Fortpflanzungstrieb

(an ihm hängen u. a. das Statusstreben, das positive Auffallen wollen und damit indirekt auch unsere kapitalistischen Wirtschaftsformen),

  • das Glücksstreben

(d. h. u. a. die positiven Transmitterausschüttungen der Endorphine),

  • die Selbstoptimierung

(teilweise gekoppelt an Ausdrucksformen des Fortpflanzungstriebes und unserer Kultur, z. B. unserer Gesundheit oder unserer Sinngebungsinhalte).

Unsere Erdkugel ist ein hochsensibler Organismus. Ein Ergebnis der Aufklärung war einst, die Natur rational in ihre Einzelteile zu zerlegen. Die aktuelle Pandemie hat uns gezwungen, sie wieder verstärkt als eine Einheit und nicht nur als einen Rohstofflieferanten zu sehen. Wir haben in unserer Geschichte immer neue Lebensräume erschlossen und sie dann ausgebeutet. Doch müssen wir jetzt damit rechnen, dass nach unseren Zerstörungen an ihr, unserer Massenvermehrung und unserer digitalen Daseinsöffnung sich die Natur das ihr entrissene Land wieder zurückholt. Im Augenblick ist unsere Beziehung zu ihr so gestört, dass es uns fast leichter fällt, sich in ihr eine Welt ohne uns Menschen vorzustellen als eine solche in einer solidarischen Koexistenz.

Kein Lebewesen außer dem Menschen kennt eine individualisierte, existentielle Sinnsuche. Sie beruht auf einem Katalog kultureller Setzungen, die wiederum auf unserer Entfremdung von der Natur gründen. Über unseren uneingeschränkten Individualismus werden wir für die Natur zu einer Bedrohung und aus ihrer Sicht, im Falle ihrer Bemühungen um eine Selbstreinigung, für ihre Zukunft zu einem geschichtlichen Übergangskandidaten. Ursprünglich war die Sinnsuche eine kulturelle Überhöhung der vorauszusehenden Todesperspektive gewesen, mit der  man sich abfinden musste. Heute ist sie zum zentralen Inhalt unserer uns befriedigenden, glücksbringenden, persönlichen Botenstoffausschüttungen geworden, für die einzelnen Menschen zum wichtigsten Orientierungsinhalt ihrer Existenz. Sie ist in der gelebten Form nicht genetisch determiniert, – dann wäre sie Natur -, sondern ein Katalog verinnerlichter kultureller Entfremdungen, die sich ständig beliebig ändern lassen und wahrscheinlich durch die Verarmung unserer Naturkontakte einerseits und die Verarmung unseres Mikrobioms andererseits mit beeinflusst werden.

Täglich steigt die Zahl der Menschheit um ca. 220.000 Personen, jährlich um 80 Millionen. Zurzeit (2019) leben insgesamt etwa 7,75 Milliarden auf der Erde, und besonders die der Industrienationen streben alle nach einer Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse, – und nach unseren Menschenrechtsvorstellungen haben alle ein Recht darauf. Alle wollen besser leben. Doch wie soll das gehen? Wo sind die Ressourcen, Nahrungsmittel auf der Erde dafür, wo der Raum?

  • Vor 75.000 Jahren lebten auf der Erde weltweit nur noch ca. 1000 – 10.000 Menschen (nach dem Vulkanausbruch „Toba“ auf Sumatra),
  • vor 10.000 Jr. – 5 – 10 Millionen,

(Ende der letzten Eiszeit, Beginn der Sesshaftwerdung),

  • vor 2000 Jr. – 300 Mio. Menschen (laut (UNO),

(davon 57 Mio. im Römischen Reich und 75 Mio. im Chinesischen Reich),

  • 1000 n. Chr. – 310 Millionen (laut UNO)

(ein Stillstand; danach wieder ein Wachstum mit Einbrüchen durch Pest, Pocken und Seuchen),

  • 1500 n. Chr. – 500 Mio.,
  • nach 1700 n. Chr. – rapides Bevölkerungswachstum

(Es verdoppelte sich zunächst in jedem Jhrdt., dann alle Jahrzehnte),

  • um 1804 – ca. 1 Mrd. Menschen auf der Welt,
  • um 1900 – ca. 1,6 Mrd.,
  • 1927 – 2 Mrd.,
  • 1960 – 3 Mrd. (nach 33 Jahren),
  • 1974 – 4 Mrd. (nach 14 Jahren),
  • 1987 –- 5 Mrd. (nach 13 Jahren),
  • 1999 – 6 Mrd. (nach 12 Jahren),
  • 2011 – 7 Mrd. (nach 12 Jahren),
  • 2023 – rechnet man mit 8 Mrd. (nach 12 Jahren),
  • 2025 – rechnet die UNO mit 8,17 Mrd.,
  • 2021 – rechnet die Uno mit 10,9 Mrd. (bei 2 Kindern je Frau), mit 16,6 Mrd. (bei 2,5 Kindern je Frau).

Zu diesen Zahlen kommt eine steigende Lebenserwartung.

  • 2004 – betrug das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung 27,6 Jr. (nach WHO),
  • 2050 – rechnet man mit 38,1 Jr. (nach UNO).

Der überwiegende Teil des Bevölkerungswachstums findet zurzeit in den Entwicklungsländern statt (in Afrika zurzeit 4,7 Kinder je Frau). Es ist allgemein stark von politischen Entscheidungen, religiösen Vorstellungen und dem Zugang zu Verhütungsmethoden beeinflusst. Mit der zunehmenden Überbevölkerung werden als Probleme erwartet:

  • fehlender Lebensraum für die individualistischen Bedürfnisse,
  • Engpässe in der Lebensmittel-, Wasser- und Energieversorgung,
  • soziale Unruhen durch Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger und Bevölkerungsdruck; Entstehung von Slums,
  • für die Umwelt: Flächenverbrauch, Erdölverbrauch, Überfischung, Entwaldung, Wasserverbrauch, und Schadstoffausstoß.

Die Frage ist, wie sollen sie gelöst werden? Allein national ist dies kaum möglich. Wie z. B. die Bundesrepublik, die mit ihren 80 Mio. Menschen nur etwa 1 % der Weltbevölkerung besitzt und auch hier alle tatsächlich verantwortlichen Politiker, Wirtschaftsgrößen und Gewerkschaften nur auf Wachstum setzen, d. h. auf die Sicherung der Arbeitsplätze, den bestehenden Wohlstand und die Befriedigung der Lebensansprüche ihrer Wähler, d. h. auf deren Statusansprüche und ihre individuellen Bedürfnisse.

Wahrscheinlich werden das Gewinnstreben und der individuelle Wunsch nach einem persönlichen Gutgehen, die bereits biologisch im Menschen evolutionär angelegten Triebkräfte nach sozialem Status und den nach Geborgenheit, tatsächliche, ergebnissichere Reformen trotz aller Warnungen nicht verhindern können, z. B. die

  • Rodungen am Amazonas,
  • Vertiefungen des Giudecca-Kanals in Venedig,
  • Räderplage zu Lasten der Fußgänger,
  • die Förderung des PKW-Baus durch Subventionen,
  • protziger werdende PKWs.

Die ständige Suche nach immer neuen „positiven“ Erlebnissen wird weiterhin ein ansonsten weitgehend sinnloses Leben bestimmen: der

  • kurze Einkaufstrip nach Mailand, Paris, London oder New York,
  • ganze Schiffstourismus mit seinen gewaltigen ökologischen Folgeschäden,
  • in vielen Bereichen auf das Vergnügen ausgerichtete Tourismus

(u. a. zum Ausleben des verborgenen Wunsches nach ungehinderter Zügellosigkeit; Ballermanntourismus).

Wer wird bereit sein, welche Einschränkungen in seinem Leben zu akzeptieren, wer auf welche „Freiheitsrechte“ verzichten? Es wird relativ leicht sein, sie bei anderen einzufordern, – aber bei sich selbst?

Das Problem des modernen Menschen ist die kulturelle Überlagerung seines evolutionären Fortpflanzungstriebes:

  • Das eine Mal in seinem Auffallen-wollen (z. B. mit Hilfe seiner Kosmetik, seines Schmuckes, der Mode) und seinem Statusstreben (über irgendeine sozial positiv gewertete Eigenschaft herausragen; seine soziale Stellung, seinen Besitz oder eine hundertstel Sekunde schneller zu sein).
  • Das andere Mal durch das Auslösen positiv empfundener Botenstoffe in sich. Auch ihre Auslösung, obwohl in ihrem Ansatz archaisch angelegt, wird bei uns weitgehend von kulturellen Prägungen bestimmt.

Es sind diese kulturellen  Überlagerungerungen, die wir als soziale Setzungen in uns verinnerlicht haben und die uns wahrscheinlich an einem echten radikalen Neubeginn hindern werden. Wer will schon seine „Grundrechte“, seine „Freiheitsrechte“, seine individuellen Ansprüche aufgeben? Einst von Philosophen in China, Indien, Griechenland und dann besonders in der europäischen Aufklärung konzipiert, sind sie heute verinnerlicht zu zentralen Inhalten unserer Person, unserer Individualität geworden, die niemand aufgeben will. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass sich kulturell bei uns etwas wesentlich ändern wird. Alle kultursozialen Einrichtungen werden dies zu verhindern wissen. Sie alle haben ihre führenden Vertreter in den verschiedenen Entscheidungsgremien, so z. B. in Deutschland in den verschiedenen Aufsichtsräten und im „Ethikrat“.

Wir kennen die eigentliche Natur immer weniger. Wir entfernen uns von ihr immer weiter, und durch den zunehmend fehlenden Kontakt vermissen wir sie auch nicht, – mit der fortschreitenden Zivilisation sogar immer weniger. Nur unserem auf sie eingestellten Stoffwechsel fehlen ihre Anreize, und wir werden psychisch krank, ohne zu wissen weshalb. Diese Entwicklung reicht bis in unsere intimste Welt. Während z. B. die Ehe einst eine Fortpflanzungsgemeinschaft war, dient sie heute in der westlichen Welt weitgehend nur noch der Förderung der individuellen Selbstverwirklichung. Wahrscheinlich kann man heute ein ausgezeichnetes Biologieexamen machen, ohne noch die Pflanzen einer Wiese bestimmen zu können, dafür aber spezialisiert sehr gut in der Kenntnis eines Mikrobenstammes sein. Das Problem dabei ist, dass wir mit unserem wissenschaftlichen Spezialistentum unsere Beziehung zur Ganzheit unseres Daseins verlieren. Weitgehend nur kausal empfindend und denkend, verlieren wir damit den Bezug zu der tatsächlichen Welt in der wir leben, zu ihrer Ganzheit, zur Natur. Unsere Kompensation über kulturelle Setzungen und Ideologien führt uns zunehmend fort von den Ökosystemen, deren Teil wir eigentlich nur sind und auf die wir  existentiell angewiesen sind. Ohne eine intakte Natur können wir nicht sein, können wir nicht überleben. Wir zerstören die in Jahrmillionen gewachsenen Ergebnisse der Evolution so, dass wir darin unseren eigenen Lebensräumen und unseren biologischen Abhängigkeiten ihre Existenzgrundlagen rauben und damit unserer eigenen Existenz ihre Zukunft nehmen.

Nun kann man als Vision sagen, wir vergessen alle Probleme und bauen eine neue humane Welt auf, in der es keinen Hunger mehr gibt, jeder die gleichen Bildungschancen hat und jeder ständig glücklich sein darf. Wir schaffen so ein neues „reales“ Paradies auf der Erde.

Doch zu welchen Voraussetzungen, Bedingungen? Damit auch bei einer wachsenden Bevölkerung es keinen Hunger mehr gibt, müssten wir die nahrungsproduzierenden Industrien mehr fördern. Das würde zu Lasten der historischen Natur gehen. Doch wozu brauchen wir noch die alte Artenvielfalt? Die Enkel kennen sowieso keine Lerchen, keine Schwalben, keine Korn- und Mohnblumen in den Feldern mehr und können auch so glücklich sein. Auch auf die bestehenden Bildungsangebote bei verschiedenen Intelligenzen können wir gut verzichten, zumal sowieso niemand mehr einen echten Überblick über das Weltwissen besitzt. Außerdem gibt es im Zweifelsfall ja ausgezeichnete digitale Informationsquellen. Und das Problem mit dem ständigen Glück ist bei einer zukünftig etwas besseren Kenntnis unserer Botenstoffhaushalte wahrscheinlich chemisch auch leicht zu lösen. Weshalb die gewaltigen Anstrengungen? Wir brauchen weder die biologische Artenvielfalt noch eine grüne Umwelt um uns, und mit Hilfe der Genschere können wir den zukünftigen Menschen gegenüber allen Umweltproblemen immun machen. Das Problem dabei ist nur, wollen wir noch an den in seiner Evolution entstandenen Homo sapiens festhalten oder wollen wir gottgleich uns weiter zu einem „Homo deus“ entwickeln. Unser heutiges Verhalten zwingt uns wahrscheinlich zu letzterem, denn der Homo sapiens war und ist biologisch auf eine ganz bestimmte Umwelt bezogen entstanden, der deshalb auf sie auch angewiesen ist, wenn er einen ausgeglichenen Stoffwechsel besitzen will. Er braucht für seine psychische Gesundheit die Artenvielfalt der Natur, deren biologische Reizwelt in ihrer Komplexität. Wenn sie ihn nicht mehr umgibt, wird er psychisch krank, – je nach persönlicher DNA-Zusammensetzung wahrscheinlich mehr oder weniger verschieden, – und deren Ausdrucksformen nennen wir dann, soweit sie noch in einem gewissen Rahmen sozialverträglich sind, unsere Individualität.

Für unsere Orientierung haben wir es uns angewöhnt, unsere biologischen Gegebenheiten, unser Eigenbild mit kulturabhängigen, wertbezogenen Setzungen zu überlagern. Alle Aussagen, die dieses Selbstbildnis stören, werden ausgegrenzt, beziehungsweise mehr oder weniger hart sanktioniert. Es darf nicht sein, auch „wissenschaftlich“ nicht, was nicht in diese Orientierungsbilder, Paradigmen hineinpasst.

Vielleicht stellt eine solche Vorgehensweise zunächst eine gewisse Hilfe dar:

  • Jeder Mensch ist, bezogen auf seine Art, rechtlich gleichwertig. Evolutionäre, genetisch bedingte Abweichungen sind dabei zu akzeptieren.
  • Neben dem „gesunden“ Normalmenschen (den es als wissenschaftliche Setzung nicht gibt) haben wir es noch mit folgenden Abweichungen zu tun:
    • physischen (z. B. Mongoloide, Zwitter),
    • psychischen (mit mehr oder weniger starken Stoffwechselstörungen, die wir teilweise als Krankheiten ansehen. Hierher gehören auch viele Ausdrucksformen unserer Individualität),
    • mikrobiombezogene (Über sie wissen wir so gut wie nichts. Bekannt sind uns nur erste Vorstellungen von den mit uns in Symbiose lebenden Viren und Bakterien und die Versuche „Kranken“ mit Stuhleinführungen zu helfen).

Als biologische Wesen sind wir evolutionär zunächst auf unsere Fortpflanzung hin programmiert. Unser Problem dabei ist nur, dass wir

  • einerseits durch unsere Instinktverluste unsere sexuell bedingten Statuskämpfe und unsere Wohlgefühle verheißenden Stoffwechselvorgänge, die komplexen, biologischen Gleichgewichte zerstören, die unsere eigene Existenzgrundlage bilden und
  • andererseits durch unsere dabei entstandenen dualen Denksysteme den Weg in eine auf Erden neue Evolutionsstufe öffneten, die digitale Welt.

Vielleicht ist der ganze Sinn unseres Daseins, in den Grenzen des Menschen anthropomorph (menschengemäß) gedacht, da er darüber hinaus nicht denken kann, eine evolutionäre Bewegung auf ein unbekanntes „Ziel“ hin, die für ihn nachvollziehbar zunächst physikalischen, chemischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Ein Kennzeichen seiner bisher biologischen Bewegung scheint seine Fortpflanzung zu sein, wie es bereits von deren Anfang her die Viren beweisen. Darüber hinaus scheinen alle seine Überlegungen nur einen hypothetischen Charakter zu haben, nicht einmal denjenigen von Wahrscheinlichkeiten. Wir wissen nicht, wie die Zukunft der Menschheit letztlich sein wird, nicht wie die Zukunft der Erde, die unseres Sonnensystems oder unserer Galaxie. Wir haben keine Vorstellungen über deren langfristige Zukunft, bzw. das „Ziel“ unseres Universums. Was immer auch kommen wird, wir werden es nicht ändern können. Wir können nur, für die uns unbekannte Zukunft offen sein.

Drei Umstände werden die Existenz des heutigen Menschen gefährden, evtl. sogar beenden:

  • die anthropogene Zerstörung seines eigenen Habitats

(besonders seine Artenvernichtung und Klimaänderung),

  • sein zahlenmäßiges Wachstum

(verbunden mit seinen wirtschaftlichen und kulturellen Formen der Statuspflege, seinem Ausleben seiner individuellen Bedürfnisse und seinen wachsenden Möglichkeiten der Selbstoptimierung, u: a. der „Verbesserung“ seiner genetischen Substanz),

  • die digitale Zukunft.

Solange unser heutiger Individualismus in unserer Kultur bestimmend ist, hat die Menschheit wahrscheinlich keine Chance zu überleben. Es ist unwahrscheinlich, dass deren Existenzsinn (wobei dieser Ansatz bereits nur ein anthropomorpher Gedanke ist) sich allein in seiner Selbstdarstellung und seinem Unterhaltenwerden verwirklichen kann.

Viele Menschen sahen in der Coronakrise die Chance, dass sich in unserer Kultur und Wirtschaft etwas verändern wird. Sie hofften auf die Entstehung neuer Utopien und auf neue soziale Umgangsformen. Durch das Verlassen der bisherigen gewinnorientierten globalen Welt, deren eigentlicher Ansatz jeweils nur in der Ausbeutung der Rohstoffe der Entwicklungsländer und von billigen Arbeitskräften bestand. Einer kleinen Gruppe reicher Besitzer stand eine gewaltige Zahl der Verlierer gegenüber, die chancenlos, wenn sie nicht um ihr nacktes Überleben kämpften, mit Hilfe von Unterhaltungsprogrammen und manipulierten, unechten Statussymbolen (z. B. einem modischen Trikot) zufriedengestellt wurden.

Am Ende der Coronakrise blieb allerdings alles beim Alten. Die Förderung der Wirtschaft, des Wachstums wurde wieder zum Hauptziel der Bevölkerung. Die Menschen sollten konsumieren, damit mehr produziert werden konnte und alle wieder ihre alten Arbeitsplätze erhielten. Die Unternehmen zahlten ihren Managern gewaltige Gehälter aus (44 Mrd. allein die 160 börsennotierten Konzerne im Dax, MDax und SDax, während sie sich teilweise von den staatlichen Gemeinschaftskassen „retten“ ließen). Die Pflegekräfte erhielten staatliche Sonderzulagen, weil ihre Arbeit schlecht bezahlt wurde, während die Investionsgesellschaften, die die Pflegeeinrichtungen übernommen hatten, Renditeerwartungen von 15 – 20 % hatten. Die Politiker förderten absatzträchtige Produkte, die andererseits die Umweltbelastungen förderten. So nahm der Kauf von Fahrrädern stark zu, während mit ihnen zugleich die letzten Naturschönheiten „erobert“ (zerstört) und die Fußgängerbereiche ihren Eignern geraubt wurden. Eine Gruppe multikulturell, ökologisch orientierter Menschen versprach den Verlierern für ihre Stimmen eine bessere Zukunft, um dabei zugleich selber ihr urbanes, privilegiertes Leben fortführen zu können. Es änderte sich praktisch nichts. Die neue Wirklichkeit war die alte.

In dieser Welt der Verlierer bleiben diesen nur ihre Träume. Schon immer wünschten sie sich unbegrenzte Kräfte, mit denen sie als David einen Goliath schlagen konnten, schon immer ein unbesiegbares Götterschwert oder einen geheimnisvollen Hexentrank, der alle ihre Probleme löste. Unbesiegbar, unverletzlich und mit magischen Kräften und Fähigkeiten versehen wollte man werden, – modern übersetzt: blendend aussehen, stark, gesund und mit allen Eigenschaften versehen, die man zum Erreichen seiner Träume benötigte. Dafür legt man sich auf den Operationstisch, geht ins Fitnesszentrum, folgt der Werbung der Hersteller geheimnisvoller Nahrungsergänzungsmittel und konsumiert die verschiedensten Drogen. Man optimiert sich für seine Existenz selber. Man macht sich über seine Selbstverwirklichung dabei selber zum Objekt. Alles an sich wird kontrolliert und bewertet. Man vermisst sich selber, um innerhalb seiner Ziele ein Maximum zu erreichen. Es reicht nicht aus, nur einfach das zu sein, was man ist.

Dabei kann es für eine solche Optimierung durchaus sachliche Argumente geben, besonders im medizinischen Bereich, bei der Behebung körperlicher oder gesundheitlicher Mängel. Sie beginnt dort ein anthropogenes Problem zu werden, wenn wir über sie versuchen, unsere Endlichkeit in eine setzungsabhängige, domestizierte Existenz zu überführen, z. B. mit Hilfe der Gentechnik bestimmte Ziele abzudecken. Positiv kann sie den einzelnen Menschen

  • stolzer, zufriedener, glücklicher machen,
  • leistungsfähiger machen,
  • gesünder machen,
  • das Selbstbewusstsein fördern,
  • kontaktfreudiger machen,
  • erfolgreicher machen.

Vieles davon kann man auch über eine überlegte Ernährung und Bewegung in der Natur erreichen.

Gegen eine solche Optimierung sprechen

  • oft der damit verbundene Zwang zur Selbstbeschränkung,
  • der sie begleitende Stress,
  • die ständige Selbstvermessung,
  • ihre Form der Selbstausbeutung,
  • oft die Kosten-Nutzen-Orientierung,
  • die starke Konzentration auf das Ich, den eigenen Körper,
  • oft die persönliche Marktwert-Orientierung.

Vielleicht ist ihr Hauptproblem, dass sie wegen ihrem Hang zur Strukturierung unseres Daseins, uns wenig Raum für den Müßiggang lässt.

Bei diesen Aussichten stellt sich die Frage nach möglichen Lösungen. Ohne radikale, internationale Beschränkungen werden diese kaum auskommen können.

  • Sozial werden wir uns weg von unserem archaischen, in uns angelegten Statusdenken bewegen müssen, denn bei der Vielzahl der Menschen haben wir dafür keinen Platz, wenn wir das Bild von der Gleichwertigkeit aller Menschen kulturell aufrechterhalten wollen. An deren Stelle muss eine Kultur der Gemeinschaften treten, in der es für die Ausbeutung des jeweils anderen keinen Platz mehr gibt.
  • Zu den Gemeinschaften gehört die Natur. Alle ihre Ressourcen sind begrenzt. Sie ist zwar evolutionär auf einen ständigen Wandel eingestellt, aber nicht auf ihre Vernichtung durch die Gier ihrer aktuellen Leitfigur. Wir müssen ihr Räume für ihre eigene Weiterentwicklung nach ihren eigenen Gesetzen überlassen.
  • Auch unser Energiebedarf, der sich zurzeit noch stark von dem Verbrauch der über Jahrmillionen gespeicherten fossilen Energie speist, muss begrenzt werden. Zurzeit bildet er noch die Grundlage für unseren westlichen Lebensstandard. Wenn ihn aber alle Milliarden Menschen beanspruchen, zerstören wir über die dann folgenden klimatischen Gegebenheiten nicht nur die Lebensräume der anderen Arten, sondern am Ende auch unsere eigenen. Daneben verlieren die westlichen Menschenwerte in der Folge ihre Glaubwürdigkeit.
  • Weiter benötigen wir Orientierungsvorgaben für unsere Koexistenz mit der sich abzeichnenden kommenden Evolutionsstufe, der digitalen Welt. Wir werden sie nicht verhindern können.

Für diesen radikalen Verzichtkatalog gibt es wahrscheinlich nur eine modernisierte Lösung, wie sie in ihren Ansätzen bereits vor 2000 Jahren die griechische und dann die römische Stoa vorgeschlagen hat.

Auch deren Ausgangslage war eine schwere geistige Krise gewesen. Die klassische Zeit der griechischen Philosophie war vorbei gewesen (ca. 500 – 336 v. Chr.: Heraklit, Sokrates, Platon, Aristoteles). Nach den Perserkriegen (480 – 449 v. Chr.) gelangten die griechischen –Stadtstaaten zunächst zu einer kulturellen und wirtschaftlichen Blüte. Unter der Vormachtstellung Athens kam es zur Gründung des Attischen Bundes, der das östliche Mittelmeer beherrschte. Abtrünnige Mitglieder wurden brutal bestraft (als z. B. Melos den Athenern nicht folgen wollte, wurden dort alle Männer getötet und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft). Auf dem Lande war Sparta die stärkste Führungsmacht. Damit standen sich zwei starke Hegemonialmächte gegenüber (ähnlich der heutigen Situation). Im Peleponnesischen Krieg (432 – 404 v. Chr.), aus dem Sparta als Sieger hervorging, zerstörte sich die klassische griechische Kultur selber. In der Zeit des Hellenismus (336 – 146 v. Chr.) kam es dann in Athen zur Entstehung verschiedener neuer philosophischer Schulen, die alle als ihr höchstes Ziel das „Streben nach Glückseligkeit“ hatten:

  • der Epikureismus: Ihr Gründer war Epikur (341 – 270 v. Chr.). Er orientierte sich besonders an den Gesetzen der Logik und zielte auf einen ständigen Lebensgenuss und das Auskosten des Lebens. Die Widersacher der Lebensfreude Angst, Schmerz und Begierden, galt es zu überwinden.
  • der Skeptizismus: Er wollte durch den Verzicht auf eine Erkenntnis, da sie sowieso nicht möglich sei, über eine Gemütsruhe zur Glücksseligkeit gelangen
  • die Stoa: Über ihren Gründer Zenon von Kition (333/332? – 262/ 261?) weiß man kaum etwas. Ansätze seiner Lehre sind nur aus den Schriften seiner Schüler bekannt. Nach ihm sollte der Mensch seinen Begierden nicht nachgehen. Er soll über die Kontrolle seiner Affekte zur Weisheit gelangen.
  • der Neuplatonismus: Er folgte mehrere Jahrhunderte später und wurde zur offiziellen christlichen Lehre des Mittelalters. Begründer: Plotin (205 – 270 n. Chr., Spätantike). Er beruft sich auf Platon und unterscheidet zwischen einer sinnlichen und einer übersinnlichen Realität.

Von diesen vier geistigen Strömungen kann uns heute vielleicht die Stoa weiterhelfen:

  • Ihr geistiger Hintergrund ist die Rationalität. Sie erfasst die Welt ganzheitlich. Für sie ist Gott mit dem All identisch (sie entspricht damit einem Pantheismus). Die Aufgabe eines Individuums sei es, seinen Platz in dieser Ordnung zu erkennen.
  • Dabei folgt sie drei Ansätzen:
    • einem physikalischen:
      • alles Seiende entsteht aus einem Urfeuer.
      • alles Bestehende beruht auf einer lückenlosen Kausalität

(die Welt ist vollkommen deterministisch aufgebaut).

    • einem logischen:

Wahr ist nur, was den Gesetzen der Logik folgt.

    • einem ethischen:

Der Mensch ist ein Teil der Natur.

Über sein Denkvermögen kann er am göttlichen Logos teilnehmen

und zur Weisheit gelangen.

Über die Selbsterkenntnis und dem Erwerb zielführender Verhaltensweisen kann er zu einer inneren Ruhe und der Freiheit von emotionalen Störungen und Ängsten gelange  (d. h., zur Affektlosigkeit, Gelassenheit, Ruhe und Unerschütterlichkeit = den stoische Tugenden).

Bei den Römern erhielten verschiedene Bezüge (z. B. Familie und Staat) und zwei soziale Forderungen (Gerechtigkeit und Menschenliebe) einen besonderen Stellenwert.

Der letzte bedeutende Stoiker war der Kaiser Mark Aurel: „Alles ist wie durch ein  heiliges Band mit einander verflochten“. Später wurden Descartes (1596 – 1650), Spinoza (1632 – 1677) und Kant von dieser Denkrichtung stark beeinflusst.

Wichtig ist es zu erkennen, was gut ist, was die richtigen Lebenswerte sind. Unsere Affekte sind es, die uns daran hindern, dies zu erkennen (z. B. die Wahrheiten der Natur). Unsere Aufgabe ist es deshalb, sie zu überwinden. Für uns liegt heute der Wert dieser historischen Gedankenansätze in

  • ihrem ganzheitlichen Bezug,
  • ihrer rationalen Ausrichtung (nur so sind wir konsensfähig),
  • ihrem Tugendkatalog, der völlig neue Wertorientierungen aufzeigt (weg von einer egoistischen Selbstverwirklichung),
  • ihrem Logikbezug, da nur so ein gemeinsames Dasein mit der digitalen Welt in Zukunft möglich sein wird.

Wir brauchen eine neue Tiefenstruktur für unsere Orientierungen, weg von der Kultur der Selbstverwirklichung und des Konsums zu Lasten der Ressourcen, der Natur und der sozialen Umwelt. Wir brauchen eine Welt der Beschränkung und der Verantwortung, hin zu einer Union der Menschheit, weg von den Interessen kleiner Eliten, die sich hinter den Mauern globaler Wirtschaftsunternehmen oder den Grenzen von Nationalstaaten verbergen können. Wir brauchen zunächst die Vereinigung historischer Kulturgemeinschaften für einen gemeinsamen Weg (vielleicht z. B. eine nationale Vereinigung von Frankreich und Deutschland mit dem Blick auf eine gemeinsame, digital beherrschte Zukunft, ohne das bisherige Prinzip, den jeweils anderen übervorteilen zu wollen). Sie könnte dann innerhalb der heutigen EG die Vorstufe für eine tatsächliche europäische Vereinigung, Kulturgemeinschaft werden und diese wiederum eine Vorstufe für eine anthropogene Weltgemeinschaft ohne die Hegemonialinteressen einzelner Staaten. Vielleicht hätte die Menschheit für ihre Zukunft in einer veränderten Grundorientierung so noch eine Chance. Die menschliche Zivilisation braucht eine neue Kultur, die den historischen Gedanken der Humanität, weg vom Menschen, auf die gesamte Natur, das gesamte Dasein ausdehnt und sich selber in diese als bescheidenes Glied einordnet. Wahrscheinlich liegt unsere einzige Chance für die Zukunft in einer darin zu findenden neuen Demut.