Philosophische Anthropologie

(Lehre vom Menschen: griech. „anthropos“ = Mensch, „logos“ = Lehre). Die Anthropologie beschäftigt sich mit den Besonderheiten des Menschen (z.B. Abstammung, Anatomie, Rassenkunde), die philosophische Anthropologie (nach Scheler) mit seiner Stellung in der ganzen Welt.

(Mit Schelling und Kierkegaard begann man gerichtet über die Konkretheit des menschlichen Daseins nachzudenken. Über Nietzsche und Scheler endete sie vorerst im Existenzialismus).

Plessner, Helmuth (1892 – 1985):
Plessner ist ein Hauptvertreter der „Philosophischen Anthropologie“ (neben Scheler und Gehlen). Bei seinen Überlegungen unterschied er zwischen anorganischen Körpern und Organismen und bei letzteren zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen. Tiere lebten zentrisch aus einem Mittelpunkt heraus, während Menschen exzentrisch zu ihrem Leben ständen. Aus ihrem reflexiven Grundverständnis heraus bildeten sie ihr Selbstbewusstsein. Über die Gesetze der natürlichen Künstlichkeit, der vermittelten Unmittelbarkeit und des utopischen Standorts erschließe sich der Mensch die Außen-, Innen- und Mitwelt und damit seine Lebensbereiche Kultur, Geschichte und Gesellschaft. Plessner trug entscheidend über sein Verständnis biologischer Sachverhalte zu einer philosophischen Fundierung der Soziologie bei.

(Zu Lebzeiten stand Plessner im Schatten von Heidegger und wurde nur in Fachkreisen diskutiert. Dies änderte sich erst nach 1985 mit der Herausgabe seiner „Gesammelten Schriften“).

Scheler, Max (1874 – 1928):
Scheler ist der Begründer der modernen philosophischen Anthropologie und erweiterte die Phänomenologie auf die Bereiche Ethik, Kultur- und Religionsphilosophie. In seiner Ethik ersetzte er die kantsche Pflichtethik durch eine Wertethik. Der Hintergrund des Sittlichen sei eine konkrete Wertzuordnung. Sein stufenförmiges Wertesystem kannte sinnliche, vitale, geistige und heilige Werte. Ihre Nützlichkeit ergäbe sich aus deren Folgeergebnissen.

Die menschliche Bildung ergäbe sich aus der anthropologischen Bestimmung des Menschen. Anders als Tiere hätte er eine eigene sinnbezogene Binnenstruktur. So könne er zwischen Werten entscheiden. Den menschlichen Geist zeichneten drei Merkmale aus:

  • seine Bestimmung durch geistige Werte („Sachen“),
  • seine Fähigkeit zu einer begierdefreien Liebe,
  • seine Fähigkeit Einsichten über seine persönliche Betroffenheit hinaus zu gewinnen.

Dafür sei er auf eine Bildung angewiesen, die es ihm erlaube, sich zu einem eigenen Wesen zu verwirklichen. Die Werdung des Menschen sei ein Prozess. Zugleich sei der Mensch als „Mikrokosmos“ ein Spiegelbild der „Makrokosmos“ (Universums) in dessen wesenhaften Gesamtheit. Eine Bildung (im Sinne einer Humanität) könne unterschiedlich sein. Sie baue auf drei Wissensformen:

  • Leistungs- und Herrschaftswissen zur Erlangung eines praktischen Wissens,
  • Bildungswissen zur Ausformung der Persönlichkeit,
  • Erlösungswissen zur „liebenden Teilhabe“ am Sein.

Jede von ihnen habe seine Bedeutung, seine Erkenntnisinhalte und seine Persönlichkeitstypen. Die abendländische Kultur setze zu stark auf das Leistungswissen.

Das menschliche Leben besäße einen Aufbau in vier Stufen, die seinem menschlichen Geist entgegenständen. In seiner Existenz sei der Mensch auf alle angewiesen. Der Geist lenke ihn über seine Ideen, während das Leben ihm die Möglichkeit gäbe, diese zu verwirklichen. Der Weltgrund würde einerseits von der Selbstbehauptung des Lebensdranges und andererseits in der Ausrichtung des Geistes auf seine Wesenheiten bestimmt. Darin erfülle sich der „Weltauftrag“.

Gehlen, Arnold (1904 – 1976):
Gehlen war der Inhaber von Kants Lehrstuhl vor Konrad Lorenz. Er stützte sich in seinen Überlegungen hauptsächlich auf die Ergebnisse aus der Biologie, besonders auf die Vergleiche von Tier und Mensch. Nach ihm sei letzterer ein „Mängelwesen“, dessen Instinktsteuerung bezogen auf seine Umwelt verkümmert sei. Ausgeglichen würde dies durch seine „Weltoffenheit“. Seine Lernfähigkeit. „Institutionen“ und „Innenleistungen“ (z.B. Phantasie, Sprache, Denken) übernähmen für ihn dabei „Entlastungsfunktionen“, indem sie den Menschen einerseits in ein Ordnungssystem stellten und andererseits ihm psychisch seine Identität zusprachen. Die spezifische Ausstattung des Menschen zwinge und erlaube es ihm, ein „handelndes“ Wesen zu sein. Dies sei seine zentrale Eigenschaft. Die durch den Menschen ausgelösten Prozesse seien leiblicher und seelischer Natur, die in einem Vorgang untrennbar miteinander verbunden seien.

Heute wird an Gehlen oft kritisiert: In der

  • Pädagogik:
  • Soziologie:
  • Politik:

Lorenz, Konrad (1903 – 1989):
(Letzter Inhaber von Kants Lehrstuhl, Entdecker der „individuellen und sozialen“ Verhaltensmuster des Menschen).

Lorenz wertete die instinktiven Verhaltensmuster von Haustieren als Ausdruck ihres Verfalls durch den Wegfall ihrer natürlichen Selektionsmechanismen. Eine solche Entwicklung glaubte er auch beim Menschen beobachten zu können und sah die Zivilisation als einen Prozess des „Verfalls und Untergangs“. Krankes Erbgut müsse deshalb aus einer lebenstüchtigen Zivilisation ausgemustert werden. Diese Ansichten ließen ihn, sich in den Dienst der Rassenpolitik der Nationalsozialisten zu stellen.

Lorenz Bedeutung liegt in seiner

  • Beobachtung verwandter Tierarten
  • Beobachtung von angeborenen Verhaltensweisen

Durch Lorenz wurde die Verhaltensbiologie zu einem eigenständigen Wissenschaftsbereich. Er erkannte in seiner evolutionären Erkenntnistheorie, dass das menschliche Verhalten weitgehend von biologischen, stammesgeschichtlichen Vorgaben bestimmt wird.

Man wirft ihm – teils aus ideologischer Befangenheit – vor, dass er einzelne Phänomene aus dem Tierreich auf menschliche Verhaltensweisen übertragen hat.