Auf dem Weg zu einem vereinten Europa

Keine menschliche Gesellschaft hat auch nur annähernd unser heutiges Wissen besessen. Ein Ergebnis davon ist, dass wir uns verhältnismäßig genaue Vorstellungen von den Folgen machen können, wenn wir unser Leben wie bisher weiterführen, d. h. wenn wir

  • uns wie bisher weitervermehren,
  • unsere naturfremde Lebensweise fortführen,
  • die Luft, das Wasser und den Boden abwerten,
  • die Artenvielfalt der Natur zerstören,
  • die Ressourcen der Erde wie bisher verbrauchen,
  • die heutigen Klimabedingungen der Erde weiter zerstören,
  • unsere Wirtschaft weiter auf Wachstum ausrichten,
  • unser Energieverbrauch weiter wächst.

Wir wissen es und trösten uns damit, dass die Menschheit in Extremsituationen immer Wege gefunden hat, ihre Probleme zu ihren Gunsten zu lösen.

  • Nach dem globalen Verbot der Treibhausgase schließt sich das noch vor wenigen Jahren die Menschheit bedrohende Ozonloch wieder.
  • Die immer wieder vorausgesagte Begrenztheit der Ölvorräte hat sich als falsch erwiesen. Es wurden immer wieder neue Vorkommen gefunden.
  • Im Jahre 1800 verfügten 85 % der Weltbevölkerung täglich über weniger als zwei Dollar für ihr Leben, in den 80iger Jahren waren es 40 % und heute sind es nur noch 9 %. Hungersnöte sind seltener geworden. Der Menschheit ging es noch nie besser als heute.
  • Seit 1990 bis heute (2020) haben 2,6 Mrd. Menschen mehr Zugang zu sauberem Wasser.
  • Es ist gelungen, viele Krankheiten fast auszurotten (z. B. Kinderlähmung, Pocken), beziehungsweise zurückzudrängen (u. a. Wundstarrkrampf, Röteln, Malaria und viele Tropenkrankheiten). Gegen die Corona-Pandemie hat man erfolgreich in wenigen Monaten verschiedene Impfstoffe entwickelt. Es wird erwartet, dass in naher Zukunft Krebskrankheiten nicht mehr ihre heutige Bedrohung haben werden.
  • Um 1800 konnten nur 12 % der Weltbevölkerung lesen und schreiben, 2016 waren es 86 %. Neun von zehn Kindern dieser Welt erhalten zurzeit eine Schulbildung.
  • Auch wird die Welt immer weniger gewalttätig. In den 50iger Jahren betrauerte man jährlich etwa 2 Mio. Kriegstote, in den 70iger Jahren etwa 750.000 Kriegstote, in den 80iger Jahren 500.000 Kriegstote und 2019 waren es nur noch 126.000.
  • Auch die Zahl der Demokratien hat in der Welt  zugenommen: 1989 zählte  man 69 Staaten zu ihnen, heute sind es 120.
  • Bis 2050 rechnet man mit einem Anwachsen der Menschheit auf 10 Mrd. Individuen. Danach wird es sich verlangsamen, und ihre Zahl nur noch in wenigen Gebieten problematisch steigen.

Wir wissen dies alles. Die Vereinten Nationen haben bis 2030 17 monumentale Ziele für eine  nachhaltige Entwicklung auf der Erde zusammengestellt (Sustainable Development Goals), und 193 Staaten haben sich verpflichtet, sie anzustreben. Wahrscheinlich werden sie von vielen nicht erreicht werden. Im Pariser Klimaabkommen (2015) haben 145 Staaten und die EU (als Staatenbund) Bemühungen zur Verhinderung der Erderwärmung beschlossen. Über ihren „Green Deal“ will die EU bis 2030 ihren CO2-Ausstoß um 55 % reduzieren. Es gibt eine Vielzahl an Bürgerinitiativen zum ökologischen Umbau der Welt. Die Begriffe Nachhaltigkeit, CO2-Vermeidung und Klimaneutralität sind in unserer Gesellschaft zu Zentralbegriffen unserer sozialen Orientierung geworden. Unsere Zivilisation stellt sich als ein ständiger Anstieg menschlicher Möglichkeiten dar, und man rechnet mit der Hilfe der neuen digitalen Möglichkeiten. Aber irgendwann wird durch die Grenzen des Menschen ein Punkt erreicht sein, von dem aus es keinen anthropogenen Anstieg mehr gibt. Man kann den Eindruck gewinnen, dass wir kurz davor sind. Zwar können wir unsere Zivilisation noch in ihrer Breite ausbauen, aber nach oben wird unser Weg wahrscheinlich zunehmend von der KI auf ein uns unbekanntes Ziel hin übernommen.

Das Problem bei allen diesen Überlegungen ist, dass wir bei ihnen uns psychische Menschen als Verursacher unserer Schwierigkeiten außeracht lassen. Wir wollen zwar unsere Existenzbedingungen auf der Erde erhalten, aber dabei individuell unseren Lebensstandard, unseren Ressourcenkonsum, unsere Mobilität und sozial unser Wirtschaftswachstum, unsere Arbeitsplätze, unser Bruttoinlandprodukt nicht eingeschränkt wissen. Wo ist jemand bereit, auf wieviel zu verzichten,- und das bei der bereits bestehenden Ungleichheit auf der Erde? Ein Amerikaner verbraucht jährlich (2019) etwa 295 Gigajoules, ein Inder dagegen nur 12, in Singapur eine Person ca. 612 Gigajoule, in Burundi nur 9, und die Medien sagen den letzteren, wie viel angenehmer ein Leben mit 295 oder 612 Gigajoules ist. Weshalb soll er es nicht auch anstreben, da im westlichen Werteverständnis alle Menschen gleich sind? Bei unserem Energie- und Materialverbrauch kann uns die Digitalisierung nur begrenzt  helfen (wohl die KI uns vielleicht eines Tages die uns einzeln zustehende Ressourcenmenge zuweisen). Wir besitzen zurzeit noch kein Konzept für eine realistische, menschengemäße Zukunft, wir kennen nur die bestehenden Gefahren und wissen auch, dass wir für eine tatsächliche Zukunft unsere heutige Wirtschaft, d.h. unser heutiges Leben radikal werden verändern müssen. Es muss nicht sein, dass wir

  • zurzeit etwa 40 % unserer Lebensmittel fortwerfen (weltweit ca. 1,3 Mrd. Tonnen, in Deutschland jährlich 12 Mio. Tonnen (= 240 Mio. Zentner).
  • unsere Wagen ständig vergrößern (früher Klein- und Mittelklassewagen, heute SUV),
  • unseren Wohnflächenbedarf ständig vergrößern.

Wir können zwar modisch einzelne Maßnahmen anstreben, da die Systeme der Biosphäre aber alle in sich komplex sind, sollte man sich bei ihnen keine allzu großen Erfolge versprechen.

Was uns bei all diesem Wissen bleibt, ist die Hoffnung auf globale, kollektive, wirtschaftliche Verhaltensänderungen. Als Lebenssinn können sie zwar bei den einzelnen Individuen anfangen, allein hilfreich dürften sie aber letztlich nur über größere Gemeinschaften sein, wie es z. B. eine europäische Vereinigung für unseren Lebensraum sein könnte. Zu ihren Aufgaben würden dann die Entwicklung eines Orientierungskanons für ihre Angehörigen gehören u. a.

  • die Entwicklung eines gemeinsamen Wissenskanons als gemeinsamen Orientierungsüberbau, in dem alle Kulturgruppen, soweit sie an der gemeinsamen Zielsetzung teilnehmen, ihren Platz haben,
  • die Sicherung des gemeinsamen Habitats (u. a. durch einen gemeinsamen Klimaschutz),
  • die Sicherung der auf ihre Evolution bezogene Umwelt (der Natur als psychischer Reizgeber, Energiegeber und biologischer Partner),
  • das Finden von menschengemäßen, befriedigenden Formen des sozialen Zusammenlebens (in den jeweiligen persönlichen Nahbereichen, die u. a. auch die dionysische Triebkräfte des Menschen befriedigen können),
  • das Finden von Inhalten, die den einzelnen Existenzen einen Lebenssinn vermitteln können

(wahrscheinlich in einer Beziehung zu ihrer Hintergrundkultur. Mit der Überwindung der bisherigen ideologischen Orientierungsmodelle, wie den Religionen, zeichnet sich zurzeit kein Inhalt ab, der den zukünftigen Menschen einen akzeptierbaren Lebenssinn vermitteln könnte),

  • die Entwicklung eines Weges hin zu einer weltweiten, humanen Menschheitsgesellschaft (d. h. u. a., nach dem ersten Schritt einer deutsch-französischen Gemeinschaft, dann einer europäischen Union, hin zu einer weltweiten anthropogenen Gemeinschaft),
  • die Entwicklung von Umgangsformen gegenüber den zivilisatorischen Schöpfungen

(besonders gegenüber der KI. Sie dürfte innerhalb der zurzeit sich noch organisierenden Arbeitsprozesse viele Menschen arbeitslos machen).

Diese Situation erfordert eine radikale Umstellung der bestehenden menschlichen Orientierungen und zwar nicht nur die der einzelnen Individuen, sondern die der ganzen Völker. Die genannten Aufgaben sind globale Aufgaben, deren Lösung zwar bei den einzelnen Menschen beginnt, aber von ihrer Größe her nur gemeinsam angegangen und bewältigt werden kann. Für uns in Europa bedeutet dies zunächst deren Anstreben über eine europäische Vereinigung, unabhängig davon, wie unrealistisch dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Gegen sie sprechen

  • bestehende verinnerlichte nationalistische Prägungen,
  • wirtschaftliche und nationale Egoismen,
  • bisherige gegenseitige Erfahrungen,
  • gegenteilige Interessen der aktuellen Hegemonialmächte

(Entgegen ihren Beteuerungen werden sie alles tun, um eine echte Vereinigung zu verhindern. Die bestehenden sind weitgehend nur Unterstützungsgemeinschaften für die USA und hier besonders für die NATO).

Die Grundlage einer solchen europäischen Vereinigung kann zunächst nur ein deutsch-französischer Staat sein, in den sich jeder der Altstaaten einerseits voll einbringt, bei gleichzeitiger Pflege seiner bisherigen nationalen Besonderheiten, besonders seiner sprachlichen Kultur. Dafür müsste jeweils ein eigenes Ministerium vorgesehen werden. Andererseits müsste die jeweilige Sprache des anderen Landesteils zur ersten Fremdsprache des anderen aufgewertet werden, so z. B. französisch für den deutschsprachigen Landesteil und deutsch für den französischen. Im Augenblick scheinen solche Gedanken unrealistisch  zu sein. Allerdings werden beide Länder ohne eine solche Vereinigung immer nur Vasallen-staaten einer dominierenden Hegemonialmacht bleiben und nie im eigentlichen Sinne tatsächlich autark handeln können.

Die genannte Vereinigung geht von der Vorstellung einer Europäischen Union verschiedener „Geschwindigkeiten“ aus. Dabei baut sie auf einer gemeinsamen Geschichte, gemeinsamen Wertvorstellungen, beide eingegangen in einer gemeinsamen Zivilisation.

  • Die gemeinsame Geschichte begann mit der Besiedlung Europas durch den Neandertaler und dann später durch den Homo sapiens.
  • Danach beherrschte das Christentum den Kontinent, genau genommen die griechische Philosophie Platons, die durch Paulus in eine jüdische Sekte integrierte wurde.
  • Nach einer römischen Zeit, deren Provinzen von der christlichen Kirche übernommen wurden, regierte Karl der Große über große Teile Europas. Durch die Teilung seines Reiches unter seinen Söhne entstand aus dem karolingischen Westfrankenreich das heutige Frankreich und aus dem Ostfrankenreich über dem Reich der Ottonen das Regium Teutonicum, das Königreich der Deutschen.

Gegen eine deutsch-französische Vereinigung sprechen zurzeit besonders die gegenseitigen Erfahrungen, die beide Länder miteinander gemacht haben. Nach der einstigen Teilung des Reiches Karl d. Gr. haben beide Länder völlig verschiedene Entwicklungen durchlaufen. Während Frankreich sich zu einem Nationalstaat entwickelte, der zunehmend die europäische Politik bestimmte, blieb Deutschland ein föderales Gemeinwesen (so Montesquieu) mit einem Kaiser an seiner Spitze. Das deutsche Reich stellte nur einen Dachverband verschiedener Landesherren dar, das nur wenige gemeinsame Reichsinstitutionen besaß. Seine Hauptaufgabe bestand in der Wahrung des inneren Friedens und in einem gewissen Rechtsschutz für die kleinen Reichsstände vor den Übergriffen der Großen und der Untertanen vor deren Landesherren. Das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation – dieser Zusatz machte es nicht zu einem Nationalstaat) war im Gegensatz zu den Nationalstaaten nicht in der Lage, Kriege zu führen und zu Lasten anderer seine Macht auszuweiten. Besonders nach dem „Westfälischen Frieden“ (1648) haben die Nachbarstaaten (besonders Frankreich) über ihre Einwirkung auf die Reichsstände einen starken Einfluss auf die deutschen Vorkommnisse genommen. Seit dieser Zeit versuchte Frankreich sich zu Lasten Deutschlands zu vergrößern, die deutschen Landesherren gegeneinander auszuspielen und Deutschland allgemein zu schwächen.

Es bestehen sowohl auf französischer wie auch auf deutscher Seite gegen eine gemeinsame nationale Vereinigung große Vorbehalte. Doch wird eine solche zur Bewältigung der vor uns stehenden Probleme nicht zu umgehen sein. Und da soziale Orientierungshaltungen weitgehend auch ein Ergebnis von gezielten Informationssteuerungen sind, sollte zumindest der Versuch gemacht werden, auf eine solche Vereinigung hinzusteuern. Die heutige Situation der EU nach den Lissaboner Verträgen mit ihrer Forderung nach Einstimmigkeit der heute 27 betroffenen Staaten ist letztlich nur der Versuch, eine tatsächliche Vereinigung zu verhindern. Jeder orientiert sich nur an seinen Vorteilen. Eine Einstimmigkeit ist bei 27 verschiedenen Interessen kaum erfolgreich zu erreichen. Ihre Abstimmungsergebnisse verbleiben im Unverbindlichen. Für eine Umkehr dieser Haltung, auf dem Hintergrund die Menschheit als solche, die europäische Kultur retten zu wollen und gegenüber der sich abzeichnenden zukünftigen Stellung der KI gemeinsam bestehen zu können, muss man sich rational über die tatsächliche Stellung des Menschen auf der Erde eine realistische, möglichst ideologiefreie Vorstellung machen.

Eine menschliche Existenz verwirklicht sich auf vier Hintergründen, zwei archaischen und zwei kulturellen. Die archaischen werden vom Selbsterhaltungsdrang und dem Fort-pflanzungstrieb beherrscht. Gelebt erfahren wir den

  • Selbsterhaltungsdrang besonders über unser Verlangen nach Flüssigkeit, Energie und unsere Phobien,
  • Fortpflanzungstrieb, säugergemäß, als Statusverlangen vorrangig auf der männlichen Seite  und dem Gefallenwollen auf der weiblichen. In unserer Gesellschaft sind beide stark kulturell überlagert.

Unsere kulturellen Existenzhintergründe erfahren wir besonders über unser Angewiesensein auf Orientierungshilfen, da in unserer Evolution unsere Instinktvorgaben weitgehend verkümmert sind. Als Eckpfeiler benutzen wir dafür Werte und orientieren uns über verinnerlichte Wertsysteme, die wir je nach unseren Lebensumständen an bestimmte Inhalte anhängen u. a.:

  • biologische (z. B. Familie, Sippe, Stamm, Rasse),
  • mythische (z. B. Religionen),
  • Kulturinhalte (z. B. Sprachen, Nationen)

Die Werte können wir leben in

  • Kleingruppen (z. B. Familien, Vereinen, Banden) oder
  • Großgruppen (z. B. Religionsgemeinschaften, Nationen).

Die Situation in Deutschland ist, dass nach der Kriegsniederlage die Siegermächte alle bisherigen Orientierungsinhalte geächtet und an deren Stelle ihre eigenen Wertvorstellungen gesetzt haben, teilweise in Verbindung mit einer Stärkung der eigenen Wertsysteme, wie z. B. der englischen Sprache, der eigenen Wirtschaft u. ä., die dann als die humaneren, globalen verklärt wurden.

Den vierten Hintergrund erfahren wir, besonders in neuerer Zeit, als eine Form der Loslösung vom Kollektiven hin zum Persönlichen in der Form der individuellen Sinnsuche.

  • Zunächst erfolgten die Orientierungsvorgaben als Ergebnisse sozialer Erfahrungen, verinnerlicht über ausgerichtete Synapseninhalte:
    • Zunächst vorwiegend intuitiv ausgerichtet, wurden sie im einzelnen Menschen von dessen Botenstoffhaushalt bestimmt. Kulturell waren Mythen, Religionen und Ideologien ihre Ausdrucksformen und als Sozialneurosen heute z. B. der Feminismus, die „Querdenker“, Identitäre und die Sprachneurotiker.
    • Heute bestimmen weitgehend rationale Orientierungsmodelle unser Denken. Dabei orientieren sich besonders die Wissenschaften an unseren sprachlichen Logiksystemen. Über die Algorithmen stellen sie die Brückensysteme zur KI dar.
  • Der zweite kulturelle Aspekt ist die individuelle Sinnsuche, die wir sozial als eine Forderung nach Selbstverwirklichung erleben, da sonst der persönlichen Existenz kein Wert zugesprochen werden kann. Sie ist eine kulturelle Ausdrucksform einerseits unserer Wohlstandsgesellschaft und andererseits des Zerfalls unserer sozialen Bindungen. Ihr aktueller Stand in unserer Gesellschaft ist, dass die Religionen heute einen Lebenssinn nicht mehr zu geben vermögen und die heutige westliche Philosophie dazu auch nicht in der Lage ist. Eine Folge davon ist, dass die individuelle Sinnsuche in unserer Gesellschaft weitgehend zu einer Flucht in persönliche Fantasien geworden ist.

Unsere Gefühle, Sehnsüchte, unser Glauben, Wissen und unsere Wahrheiten sind die Ergebnisse unserer Synapsenkontakte in unserem Gehirn. Und diese wiederum sind abhängig von unserem persönlichen Erbgut (das bei allen Menschen zu 99,9 % identisch ist), unserem Mikrobiom (das nur zu 10 – 20 % bei ihnen übereinstimmt), den frühen Grundkontakten aus der Kindheit und dann den Folgekontakten in der Schule und über unsere Erfahrungen. Es sind diese Kontakte, die als Instinktersatz unsere Orientierungen bestimmen, und diese wiederum wurden einst von sich wiederholenden Naturerfahrungen bestimmt und dann sozial als Werte von unseren Religionen und später von der Philosophie rationalisiert festgelegt. Heute sind es unsere Wissenschaften, die uns unsere wichtigsten Orientierungen vorgeben. Über die Verinnerlichung ihrer Aussagen, schaffen wir in uns unsere Synapsenkontakte, die dann für uns unser Wissen darstellen, d. h. einen wesentlichen Hintergrund unserer Orientierungen. Verschiedene Grundprägungen und Botenstoffvorgaben schaffen verschiedene Grundhaltungen (auch geschlechtliche), die sich ideologisch nur begrenzt überwinden lassen. Insofern stellen Ideologien nur zeitabhängige anthropogene Orientierungsvorgaben dar. Unser Selbstwertgefühl und unser Selbstverwirklichungsdrang sind zunächst nichts anderes als eine Summe unserer persönlichen Botenstoffkontakte.

Wir Menschen sind auf Orientierungshilfen als Instinktersatz angewiesen.

  • In der Frühzeit waren dies zunächst Mythen.
  • Danach wuchsen diese zu Religionen aus und wurden rationalisiert zur Philosophie, zu Ideologien.
  • Mit dem Niedergang der Religionen begann der Aufstieg des Nationalismus, in Deutschland gefördert als patriotische Bewegung gegen Napoleon, aber dann auch als konservative Haltung gegen eine zunehmend sinnentleerte Arbeitswelt. Die Heimat mit ihren Traditionen wurde verstärkt als Wert gesehen.
  • Mit dem Anwachsen der Arbeiterschaft, ihrem Heimatverlust und dem allgemein zunehmenden Wohlstand der Gesellschaft entstand der Sozialismus. Der soziale Gleichheitsgedanke wurde zu einem gewaltigen intellektuellen System ausgebaut. Das gegenseitige Hilfssystem des Sozialismus wurde zum marxistischen Orientierungssystem.
  • Mit dem heutigen Niedergang des Marxismus stehen wir vor der Situation, dass wir neue Orientierungssysteme benötigen. Ausgehend vom Gleichheitsgedanken und diesen ideologisierend weiterentwickelnd, übernehmen diese Aufgabe in unserer Gesellschaft zurzeit als Sozialpsychosen z. B. der Feminismus und die Identitären. Sie beherrschen zunehmend unseren gesellschaftlichen Diskurs und verbannen jeden im Namen ihres Demokratieverständnisses, die anderer Meinung sind als sie. Eine echte Meinungsfreiheit an unseren Hochschulen und in den Medien ist kaum noch gegeben (so ist heute selbst die banalste Gesprächsrunde quotiert besetzt). Vereint mit unserem zunehmenden Individualismus, aufgegliedert in viele Kleingruppen, machen sie unsere Gesellschaft in Hinblick auf einen notwendigen menschheitserhaltenden Konsens praktisch unregierbar.

Da wir auf eine soziale Orientierungshilfe angewiesen sind, stellt sich die Frage, wie eine solche im Ideal aussehen könnte. Es müsste eine große, erstrebenswerte Utopie sein, die die Menschen in eine neue Zukunft weist, eine Utopie, die ihn zu einer globalen Weltgesellschaft führt,

  • in der die Völkergemeinschaften ihren Weg in die Zukunft gemeinsam festlegen,
  • in der die Kulturgemeinschaften sich zu Völkergemeinschaften vereinen (z. B. zu einer tatsächlichen europäischen Völkerunion, nicht zu einer Fortsetzung der heutigen Europäischen Union, in der jeder nur auf seinen Vorteil bedacht ist.

Vielleicht könnte diese eine Ausgangsbasis bilden, aber dann in dieser die einzelnen Länder mit verschiedenen Geschwindigkeiten einer tatsächlichen europäischen Völkerunion entgegenstreben. Ein idealer Ansatz wäre, wenn Frankreich und Deutschland sich zu einem Staat vereinen würden, alle Institutionen gemeinsam hätten, jeder der beiden vorrangig die Sprache des anderen erlernte. Und dies bei einer gemeinsamen Verfassung, in der niemand versucht, den anderen zu übervorteilen, sondern vom Ideal einer gemeinsamen optimalen Zukunft ausgeht. Den anderen europäischen Staaten stände es dann frei, sich dem anzuschließen. Beim Entwurf einer gemeinsamen Verfassung müsste dies berücksichtigt werden.

Jede menschliche Gruppe besitzt ihr Orientierungskonzept, ihre Kultur. Wird dieses zerstört, tritt an ihre Stelle kein neues. Mit dem Verlust ihrer Traditionen wird sie weitgehend orientierungslos. Die unterdrückten indigenen Völker gelangen dadurch z. B. häufig in Slums, wir in unserer Kultur in die geistige Abhängigkeit der ehemaligen Siegermächte. Sie „befreiten“ uns von allen unseren historischen Werten, weil auch die Nationalsozialisten sie benutzt haben. An die Stelle unserer jahrhundertealten Volkslieder trat z. B. das amerikanische Liedgut, in den internationalen Gemeinschaften (NATO, EU) trat an die Stelle der deutschen Sprache, der in Europa am meisten gesprochenen Muttersprache, das Englische der Siegermächte. Jedes deutsche nationale Denken war verpönt. Die Siegermächte pflegten in ihren Heimatländern das ihre, in Deutschland trat an dessen Stelle die Pflege der Erinnerungskultur der deutschen Schuld, die nach 70 Jahren immer noch gepflegt wird.

Mehrere Tendenzen bestimmen zurzeit die unmittelbare Entwicklung der Menschheit:

  • Zunächst eine bestimmte Herrschaft der Wirtschaft. Sie ist das Hauptmerkmal unserer Zivilisation. Mit ihrer Globalisierung steuert sie in ihrem bisherigen Zuschnitt auf ihre Endphase zu. Ihre Zukunft übernimmt der Finanzkapitalimus in seiner abstrakten Form.
  • Dann ist es unsere jeweilige personale Vereinzelung, die wir als Individualisierung erleben. Auf diese Weise wird der Mensch, der von seiner biologischen Evolution her ein Sozialwesen ist, zum leicht manipulierbaren Subjekt. Er verfolgt jetzt zwanghaft jede seiner Neurosen als Selbstverwirklichungsprogramm, über das er seine Individualität auszuleben glaubt. Sozial wird die Menschheit als Ganzes dadurch aber immer weniger steuerbar, zumal archaisch statusorientierte Machtinteressen sie immer noch beherrschen.
  • Mit dem Verlust ihrer Stellung als orientierungsbestimmende Institution in Europa konnten sich nach der Kirche die Wissenschaften entfalten.
  • Mit den Wissenschaften entwickelte sich die Technik, mit der Technik eine verstärkte Ausbeutung der Natur und mit deren Ausbeutung vergrößerte sich der aktuelle allgemeine soziale Wohlstand.
  • Mit dem Wohlstand der Gesellschaft gewann der Individualismus neue Möglichkeiten seines Auslebens. Er bezog sich jetzt nicht mehr religiös aus dem Vertreten einer Schuld vor Gott, sondern vom Ausleben seiner persönlichen Einmaligkeit, seiner Selbstverwirklichung.
  • Mit dem in Europa gelebten Individualismus zerfielen allerdings auch die sozialen Bindungen, die Gesellschaften partikulierten sich. Sie zerfielen. Damit wurde ein sozialer Konsens immer schwerer erreichbar.
  • Das Problem der Neurotiker ist der Umstand, dass sie in der Regel die Mauern, in denen sie sich bewegen, nicht sehen. Sie empfinden ihre Gehirnschaltungen, über die sie sich in ihrer Welt orientieren, als das „Normale“. Für sie ist es die Außenwelt, die sich  nicht richtig verhält.

Während unsere Werte in der Zeit der Religionen noch göttliche Orientierungsvorgaben waren, wurden sie in der Zeit der klassischen Philosophie über die Ethik zu höheren menschengemäßen Inhalten. Heute sehen wir sie nur noch als beliebig austauschbare anthropogene Setzungen, die uns rational ein optimales, humanes Zusammenleben ermöglichen sollen.

Unsere Religionen werden ihre Orientierungskonzepte (Werte) radikal verändern müssen, da sie sich historisch auf gestrige soziale Gegebenheiten beziehen. So ist die Nähe des Christentums zur heutigen industriellen Landwirtschaft nur noch ein Ausdruck der Heuchelei, ihre industrielle, gewinnorientierte Form nur noch brutalste Tierquälerei und ihre Feldbestellung weitgehend nur noch eine Vorgehensweise der Naturzerstörung. Wenn Parteien sich zurzeit christlich nennen und zugleich die Hauptstützen dieser Landwirtschaft sind, dann ist dies auch mehr als hinterfragenswert. Ein anderes Beispiel ist das Schächten der Tiere bei ihrer Schlachtung oder das Beschneiden der Knaben im Judentum. Einst letzteren als Recht unter dem moralischen Druck der Holocaustschuld zugestanden, entbehren sie heute jeder moralischen Legitimation. Einst mag die Beschneidung ein Merkmal der Gruppenzugehörigkeit gewesen sein. In einer heutigen Gesellschaft sollte ein derartiges identitäres Merkmal aber keine Bedeutung mehr haben, zumal die Beschneidung von Mädchen ja auch verboten ist. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

Vielleicht braucht jeder Mensch neben einem positiven Bezugspunkt auch einen negativen für seine Orientierung, von dem er sich absetzen, dem er alles Negative zuschreiben kann. Er kann ihm psychisch bei seiner Kompensation helfen. Auch Feindbilder sind Orientierungsgrößen, ideal und bequem, wenn sie einem sozial vermittelt wurden und man die Betroffenen gar nicht kennt.

Die kommende Aufgabe einer europäischen Gesellschaft wird es sein, eine europäische Nation, einen europäischen Staat aufzubauen, eine Aufgabe, die schon bei deren Nennung viele Menschen zurückschrecken und andere in Abwehrpositionen bringen lässt.

  • Eine Gesellschaft ist eine bestimmte Gruppe von Menschen, die sich für die Erreichung eines gemeinsamen Zieles zusammenschließen (so das deutsche bürgerliche Recht), nach einer anderen Definition: Menschen, die gemeinsame    Merkmale kennzeichnen: z. B. Werte, Sprache, Erziehungsmethoden oder Fortpflanzungsregeln. Nach Tönnies sind sie auf einen Zweck hin ausgerichtet im Gegensatz zu Gemeinschaften, die dieses nicht sind. Auf eine europäische Vereinigung bezogen, könnte eine Europäische Union als eine solche gelten, da sie in ihrem Orientierungshintergrund ein Grundgerüst gemeinsamer Werte und eine gemeinsame Geschichte besitzt. Das gemeinsame Ziel könnte nach einer langen Zeit gegnerischer Kämpfe eine zukünftige staatliche Vereinigung sein, um gemeinsam die auf uns zukommenden Probleme lösen zu können, ein gemeinsamer innerer Frieden, den es bisher in dieser Region nie gegeben hat.Das Problem, das in modernen Gesellschaften auftritt, ist der Umstand, dass ihre Individuen aus ihren unmittelbaren sozialen Umfeldern herausgelöst agieren, ihnen dadurch einerseits zwar neue Spielräume zur Verfügung stehen, sie aber andererseits sehr viel schwerer auf ein abstraktes Gemeinschaftsziel hin ausrichtbar sind.
  • Eine Nation ist eine geschlossen siedelnde Gemeinschaft mit gemeinsamen Merkmalen, wie Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur. Ursprünglich        verstand man darunter allein eine Geburtengemeinschaft (nasci = geboren werden). In der vorbürgerlichen Zeit bildete sie an den ersten Universitäten die Studentengemeinschaften. In der französischen Revolution (1789) konstituierte sich die Nationalversammlung anstelle eines ethnischen Hintergrundes unter dem Ideal „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ zu einem Staat und vereinte damit Nation und Staat zum Nationalstaat. Seit dem 19. Jh. diente die       Nation häufig als Religionsersatz und war dafür bereit jedes Opfer zu bringen. Der deutsche Nationalsozialismus war ein Ergebnis dieser Entwicklung. Der heutige osteuropäische Nationalismus macht zurzeit eine wirkliche europäische Vereinigung unmöglich. Er ist gekennzeichnet durch eine besondere Pflege des      Andenkens an Nationalhelden, die Pflege von Nationaldenkmälern und besonderen Identifikationsmerkmalen (z. B. der eigenen Literatur). Noch immer ist hier die Flüchtlingspolitik ethnisch bestimmt. Eine europäische Union wäre eine Staatsbürgernation, in der sich alle betroffenen Menschen zu einer kulturellen Gemeinschaft, einer Wertegemeinschaft vereinigen würden. (Oft wird der Begriff der Nation mit dem des „Volkes“ synonym verwendet).
  • Ein Staat ist ein „auf Legitimität gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen“ (Max Weber). Nach der sogenannten 3-Elementenlehre (nach Georg Jellinek) ist er gekennzeichnet durch
    • ein Staatsvolk (eine stabile Kernbevölkerung),
    • ein Staatsgebiet (ein Territorium gekennzeichnet durch Grenzen und Gesetze),
    • das Besitzen des Gewaltmonopols (der Ausübung von Macht).

Er ist eine mit „Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes“ (Jellinek). Dazu gehören

    • eine politische Instanz, die für Recht und Ordnung sorgt, bzw. die Gesamtheit der Institutionen, die das soziale Zusammenleben regelt,
    • ein Staatsapparat, der sie durchsetzen kann.

Nach innen stellt er sich über seine Herrschaftsformen dar (z. B. Demokratie, Oligarchie, Diktatur, Monarchie), nach außen mit Hilfe von Symbolen (z. B. Hymne, Flagge, Wappen). Verinnerlicht können letztere einen sehr großen psychischen Orientierungswert besitzen.

2008 wurden von der UN 192 Staaten anerkannt. Sie gilt es, trotz gegensätzlicher Interessen in Hinblick auf die auf uns zukommenden Probleme zu einen. Wie schwer, vielleicht aussichtslos, dies ist, wird bereits deutlich, wenn man nur die beiden Staaten Deutschland und Frankreich vereinen will.

Eine große Bedeutung bei einem möglichen Einigungsversuch kommt wegen seinem Stellenwert für die Orientierung dem jeweiligen Milieu zu, aus dem die Menschen kommen. Hier werden die einen Menschen prägenden Werte verinnerlicht und waren bisher in den verschiedenen Gesellschaften nur schwer zu überwinden. In Deutschland konnte man dies sehr gut an der Religionszugehörigkeit in den verschiedenen Regionen beobachten. Heiraten zwischen einem katholischen und einem evangelischen Menschen waren bis in die zweite Hälfte des 20. Jhs. sogar verboten. Erst durch die Flüchtlingsströme und den durch den Krieg entstandenen Männermangel ließ sich diese Situation nicht aufrechterhalten. Noch 1970 weigerte man sich, ein Kind zu taufen, wenn die Ehepartner verschiedenen Religionen angehörten. (so beim Sohn des Autors). In Zukunft gilt es viele der historischen Wertvorgaben rational zu hinterfragen. Allerdings sind sie noch oft stark vom Bildungsgrad und Einkommen der Menschen bestimmt, und auch der Freundeskreis kann auf sie einen starken Einfluss ausüben. Sie alle müssen aber auf dieses gemeinsame große Ziel hinarbeiten, d. h., dass für sie alle dessen Wert deutlich sein muss. Bei der starken Individualisierung unserer Gesellschaft scheint das fast unmöglich zu sein. Sie orientiert sich aus Ermangelung eines anderen Lebensinhaltes, in ihrer Existenz zunehmend über ihre Freizeitgestaltung, das Unterhaltenwerden und in Einzelfällen über die Selbstverwirklichung.

Unser Problem ist das fehlende Bewusstsein für bestehende Bindekräfte, unser fehlendes Bewusstsein für die Orientierungsinhalte, die eine Vereinigung geradezu erzwingen. Da ist es

  • zunächst unsere gemeinsame Geschichte, die allerdings oft von gegenseitigen Kriegen, Überfällen, Wortbrüchen und Bevormundungen bestimmt war. Gerade sie könnte eine zukünftige  Vereinigung verhindern, und Europa stände keine friedfertige Zukunft bevor,
  • dann sind es unsere gemeinsamen Werte, die von der griechischen Philosophie ausgehend, über deren Übernahme durch die Römer und dann deren Interpretation durch das Christentum zu unserer bestimmenden Leitkultur wurden.  Bei den verschiedenen Völkern entstanden davon nur verschiedene Varianten, die sich in der europäischen Mitte kreuzten und sich dadurch hier besonders befruchteten. Das Problem der europäischen Grenzen ist der Umstand, dass wir diese Varianten in uns verinnerlicht und zu Grenzen unserer inneren Welt gemacht haben. Wir befürchten, dass wir mit der Realisierung einer Europäischen Union unseren Bezug zu der uns prägenden sinnlichen Welt, dem früh erfahrenen Licht, den frühen Gerüchen, der Familie, den uns lieb gewordenen Gemeinschaften und Bräuchen, unserer Sprache verlieren. Doch gerade sie werden wir nur bei einer entsprechenden Organisation der Vielfalt innerhalb der Gemeinschaft             wahrscheinlich retten können. Zurzeit versuchen wir diese prägenden Wertträger über den Selbstbetrug eines sich selbst verwirklichenden Individualismus und über unseren Wohlstandskonsum unbefriedigend zu verdrängen.
  • Vielleicht am wichtigsten ist unsere gemeinsame zivilisatorische Zukunft, wie sie sich bereits heute abzeichnet, von der wir aber in der Regel noch relativ unberührt sind und deshalb von ihr wenig merken. Die digitalen Möglichkeiten zeichnen sie aber für uns überall sichtbar ab, und die Vormachtplanungen der Hegemonialmächte werden die Entwicklung beschleunigen. Die Wirtschaft wird die KI als eine rationale Forderung des Marktes in jedem Fall fördern, und wir wissen, dass wir ihr in unserer Handlungsfähigkeit unterlegen sind. Nur vereint werden wir ihr als ernst zu nehmende Partner begegnen können. Unser heutiger Individualismus führt uns über seine billige, weitgehende Orientierungslosigkeit in eine Kultur der Entgrenzung. Wie wir in dieser unsere Algorithmen setzen werden, wird uns wahrscheinlich nach einer gewissen Entwicklungszeit innerhalb unseres zugewiesenen Existenzraumes die KI sagen.

Alle drei Ansätze erfordern zunächst eine europäische und dann eine weltweite Einigung der Menschheit, die nur gelingen kann, wenn sie bereits in ihren Ansätzen versucht hat, sich in Europa als deutsch-französische Einheit zu verbinden, unabhängig davon, was sich beide Länder in ihrer Geschichte einander angetan haben. Wir können die zukünftigen Herausforderungen nur vereint meistern. Zwar erscheint zurzeit eine bürgernahe Vereinigung Deutschland-Frankreichs, der EU fast aussichtslos, doch bleibt sie trotzdem die zentrale Aufgabe der deutsch-französischen Politik, und dafür müssen wir zunächst ein deutsch-französisches Zusammengehörigkeitsgefühl, eine europäische Identität schaffen.

Heute wird unsere deutsche Existenz von vier Kriterien bestimmt, der

  • weitgehenden Zerstörung eines deutschen Nationalgefühls nach dem Kriege durch die Umerziehungsmaßnahmen der Alliierten. Das Problem dabei ist, dass daran auch viele andere kulturelle Werte hingen, die damit auch ihren Orientierungswert verloren haben und durch amerikanische Kulturinhalte ersetzt wurden. Eine Haltung, der die Siegermächte in ihren eigenen Ländern nicht folgten. Die Deutschen öffneten sich völlig fremden Wertwelten und begannen schuldbeladen, geschichtsfremd eine Erinnerungskultur aufzubauen, die von den anderen Staaten je nach Bedarf für ihre Zwecke instrumentalisiert werden kann (so z.B. die Entdemokratisierung der eigenen Bevölkerung durch den Bundestag, indem er jede Kritik an der israelischen Siedlungspolitik zum Antisemitismus erklärte).
  • Globalisierung der Wirtschaft.

Besonders die Corona-Pandemie zeigte, wie abhängig die deutsche Wirtschaft inzwischen vom Weltmarkt geworden ist. In der globalisierten Welt spielt Europa zurzeit keine Rolle mehr, zumal die einzelnen Staaten untereinander völlig uneins sind.

  • liberalen Wertorientierung,
  1. h., einer Orientierung, die auf Freiheitsvorgaben aufgebaut ist und für die sie kaum Kontrollmechanismen besitzt. Überall herrscht das Kapital als wichtigster Statusgeber. Sie gibt den Kapitalbesitzenden die Möglichkeit, die schwächeren weitgehend nach Belieben auszubeuten, sie abhängig zu machen (z. B. über ihre Mietforderungen) und die begrenzten Ressourcen dieser Erde nach Gutdünken für die eigenen Interessen zu nutzen. Über ihre Interessenvertretungen besetzen sie politische Ämter und bestimmen das politische Geschehen. Ihre Einkommen schieben sie über die jeweiligen Grenzen, um möglichst keine, bzw. wenig Steuern zu zahlen (in sozial kriminelle Steueroasen).
  • Modernisierung der Technik:

Ihre Digitalisierung treibt die Wirtschaft voran. Sie ist als Schlüsseltechnologie ökonomisch existenzbestimmend. Der Rohstoff der Zukunft sind Daten. Für ihren Verkehr benötigen wir eine europäische digitale Ökosphäre. Dafür             müssten die Europäer ihre Kräfte bündeln und ihren Wirtschaftsstandort für sich stärken. Wir brauchen eine eigene neue digitale Ordnung mit eigenen Regeln für die algorithmengesteuerte Öffentlichkeit im Netz und eine persönliche Sicherheit der Daten. Zurzeit besteht auf dem digitalen Weltmarkt eine Spaltung zwischen den USA und China. Eine europäische Regulierung der Betriebssysteme, Browser und der Suchmaschinen würde zwar zu mehr    Wettbewerb führen, aber wahrscheinlich zu Konflikten mit den USA, da sie deren globale Vormachtstellung begrenzen würde.

Die zentralen Inhalte der europäischen Vereinigung betreffen die Souveränität der heutigen Staaten und deren Solidarität untereinander. Durch ihre bisherige Geschichte, besonders im letzten Jahrhundert, fällt es ihnen aufgrund ihrer verinnerlichten Erfahrungen schwer, ihre Souveränität für die Gemeinschaft aufzugeben und solidarisch für einander einzustehen, zumal sie aufgrund ihrer Erfahrungen deren Missbrauch für die jeweiligen Eigeninteressen befürchten. Wie problematisch eine gegenseitige Aufgabe der eigenen Souveränität ist, mögen beispielhaft die deutsch-französischen Beziehungen seit dem 30-jährigen Krieg zeigen:

  • 1648 (Westfälischer Frieden): Frankreich nutzte den 30-jährigen Krieg für sich, um den Einfluss des Kaisers im Reich zu schwächen. Der Friedensvertrag wurde zum Vorbild späterer Friedenskonferenzen und schuf bis 1806 die Verfassungsordnung des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“. Der Erzbischof von Trier hatte sich zuvor unter den Schutz Frankreichs gestellt. Dieses brachte 1639 das deutschsprachige Elsass unter seine Kontrolle und erhielt im Friedensvertrag die Stadt Breisach, das Ober- und Unterelsass zugesprochen. Darüber hinaus wurden u. a. die Rechte der Reichsstände gegenüber dem Kaiser festgeschrieben. Deutschland wurde dadurch zu einem föderativ verfassten Gemeinwesen, und Frankreich stieg zur europäischen Hegemonialmacht auf. Durch den Friedensvertrag verstand es sich als Garantiemacht, die ein Interventionsrecht im Reich besaß und hier ständig nach Verbündeten für seine Interessen suchte.
  • 1681 – Ludwig XIV annektierte die restlichen Teile des Elsass (u a. Straßburg),
  • 1688 – 1697 – Pfälzer Erbfolgekrieg (wegen angeblicher Erbansprüche der Schwägerin Ludwig XIV, der Lieselotte von d. Pfalz). Ludwig XIV. verwüstete dabei viele Dörfer, ganze Städte, Burgen und Kirchen der Pfalz systematisch (u. a. Speyer, Mannheim und Heidelberg, dabei u. a. Zerstörung des Heidelberger Schlosses),
  • 1792 – 1815 – Besetzung großer Teile Deutschlands durch Frankreich. Nach der französischen Revolution erfolgte eine militärische Expansion.

1794 – Besetzung der linksrheinischen Gebiete (1. Koalitionskrieg), Annexion der linksrheinischen Gebiete (2. Koalitionskrieg, der mit dem Friedensvertrag von Lunéville endete),

  • 1806 Kontrolle der deutschen Fürsten durch Napoleon im Rheinland (damit Druckauf den Kaiser zur Auflösung des „Heiligen Römischen Reiches“; Errichtung französischer Vasallenstaaten für Napoleons Familienangehörige (Königreich Westfalen, Großherzogtum Berg), durch die „Franzosenzeit“ erhielt das deutsche Nationalbewusstsein seine entscheidende spätere Bindekraft.
  • 1870/71 – Deutsch-Französicher Krieg unter der Führung Preußens auf deutscher Seite. Auslöser war eine spanische Thronfolge und überhöhte französische Forderungen (u. a. auf Teile der preußischen Rheinprovinzen und eine zukünftige Verhinderung einer deutschen Vereinigung. Das Endergebnis war die deutsche Reichsgründung (der Sieg hatte den Einigungsprozess gefördert) und der Friedensvertrag von Versailles mit einer Rückkehr großer Teile des Elsasses wieder zu Deutschland (als Pufferzone gegenüber französischer Übergriffe) und eine Bezahlung der Kriegskosten (5 Mrd. Goldfranc bis 1874). Die demonstrative Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles und die hohen Reparationskosten bildeten danach den sozialpsychischen Hintergrund für den nachfolgenden französischen Revanchismus.
  • 1919 – Versailler Vertrag (nach dem Ende des 1. Weltkrieges 1914 – 1918):

Darin wurde Deutschland allein für den Ausbruch des Krieges verantwortlich gemacht. Der Vertragsentwurf erfolgte ohne eine deutsche Beteiligung, wurde als ein demütigendes Diktat empfunden und von deutscher Seite nur unter Protest unterzeichnet (nach der Androhung eines Einmarsches der Siegertruppen). Er enthielt  u. a.

    • große territoriale Verluste (13 % seines Gebietes, 10 % seiner Bevölkerung):

An

Polen: Westpreußen, Posen, oberschlesisches Kohlenrevier, kleinere Gebiete Schlesiens und Ostpreußens (für den Zugang Polens zur Ostsee erfolgte eine Abtrennung Ostpreußens vom Reich. Es gab in dem Polen zugeschlagenen Gebiet keine polnische Bevölkerungsmehrheit. Polens ethnischer Terror gegenüber der bisherigen deutschen Bevölkerung und seine Möglichkeiten, die bisherigen Verkehrsverbindungen nach Ostpreußen als Druckmittel gegenüber dem Reich einzusetzen, waren dann ein Anlassgrund für den 2. Weltkrieg). Frankreich: Elsass-Lothringen; außerdem wollte es sich auch das Rheinland einverleiben.

Belgien: Eupen-Malmedy (mit seiner deutschsprachigen Bevölkerung).

    • Verbot eines Zusammenschlusses mit Österreich,
    • Abtritt aller deutscher Kolonien.

(Damit verlor Deutschland 80 % seiner Eisenvorkommen, 28 % seiner Steinkohleförderung, 40 % seiner Hochöfen und 90% seiner Handelsflotte).

    • Reparationsleistungen:
  1. Rate 1921: 20 Mrd. Goldmark (zur Abdeckung der interalliierten Schulden, u. a. die von Frankreich an die USA; insgesamt wurden 21,8 Mrd. gezahlt),
    • Beschränkung der Berufsarmee auf 100.000 Mann,
    • weitgehende Industriedemontagen im Ruhrgebiet.

Frankreich (Georges Clemenceau) ging es vorrangig um eine möglichst umfangreiche Schwächung Deutschlands.

Das Problem, dass sich durch eine deutsche Schwächung ergab, war die einer Schwächung der europäischen Mitte. Sie ergab sich aus der besonderen Stellung Deutschlands in seiner zentralen geographischen Lage. Deutschland ist der Schnittpunkt und damit Treffpunkt aller hier stattfindenden geistigen und technischen Entwicklungen. Darin lag und liegt seine Stärke und Schwäche. Alle Hegemonialmächte versuchten es ständig durch Kriege, Teilungen und Einflussnahmen zu schwächen. Nach den beiden letzten europäischen Kriegen wurden die beiden deutschsprachigen Staaten deshalb zerschlagen, Österreich völlig, Deutschland über den Versailler Vertrag. Die deutschsprachige Bevölkerung in der Tschechoslowakei (u. a, Sudentendeutsche) und in Polen wurde terrorisiert und im Sinne einer ethnischen Staatsreinigung möglichst aus dem Land gedrängt. Polen hatte man, um ihm einen Zugang zur Ostsee zu verschaffen, deutsche Gebiete abgetreten und dadurch Ostpreußen von seinem Stammland getrennt. Eine Verbindung nach dort war danach nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich und damit letztlich ein Anlass für den späteren Beginn des 2. Weltkrieges. Deutschland hatte ihn zwar angefangen, es sah aber keine andere Möglichkeit mehr, das Problem anders zu lösen und den polnischen Erpressungsversuchen zu begegnen.

  • 1945 – Ende des 2. Weltkrieges:
    • Deutschland war weitgehend zerstört. Vollständig zerbombt waren Dresden, Berlin Hamburg, Kiel, Duisburg, Frankfurt und Kassel. Berlin bestand nur noch aus 55 Mio. m³ Schutt.

Das Verkehrs- und Transportsystem war weitgehend zusammengebrochen. (In der britischen Besatzungszone waren von ehemals 13.000 km Eisenbahnstrecke nur noch 1000 km befahrbar).

Die meisten Brücken über den großen Flüssen waren zerstört.

    • Ernährungskrise: ¼ der deutschen landwirtschaftlichen Nutzfläche war verloren gegangen (Deutschland konnte keine 60 % seines Nahrungsbedarfs selber erzeugen (durchschnittlich standen den Menschen nur noch 1451 Kalorien zur Verfügung, in der französischen Zone 1209, – der Völkerbund empfahl 3000).
    • Millionen Menschen hatten lange Zeit kein Wasser, Strom und Gas.
    • 1946 lebten in den vier Besatzungszonen 65.9 Mio. Menschen, davon waren 14. Mio. aus ihrer Heimat Vertriebene (u. a. 1,89 Mio. aus Ostpreußen, 1,47 Mio. aus Ostpommern, 3,2 Mio. aus Schlesien, der Rest aus den baltischen Staaten, aus Südosteuropa, der Sowjetunion, den Sudetengebieten, deutschen Sprachinseln in der Tschechoslowakei. Die Menschen wurden teilweise unter übelsten Schikanen in Viehwagen vertrieben. Der Autor erlebte selber, wie immer wieder beim Halt der Züge polnische Banden die Menschen schlugen und ihnen ihren letzten Besitz raubten, – einen alten Mann derart, dass er danach geistig nur noch wirr war. In seinem heutigen Wohnraum hängt heute noch sein Tornister, den er damals trug und retten konnte als Erinnerungsaccessoir. Bis 1950 wurden noch 4 weitere Mio. Deutsche vertrieben. Damit sind über ¼ der damaligen deutschen Bevölkerung Vertriebene gewesen. Ihnen gegenüber von ihrer Befreiung zu sprechen, ist kaum nachvollziehbar.
    • 5 Mio. deutsche Soldaten sind im Krieg gefallen, 600.000 Menschen starben bei der Flucht.
    • 7,75 Mio. Soldaten gerieten in Gefangenschaft (u. a. ca. 1 Mio. in französische, ihnen von den Amerikanern für ihren Wiederaufbau überlassen. Da Frankreich sie nicht versorgen konnte, verhungerten etwa 40.000 von ihnen, u. a. ein Vetter des Autors). 1 Mio. der Gefangenen wurde unter freiem Himmel, schutzlos dem Wetter ausgesetzt, bis September 1945 in Erdlöchern in den Rheinwiesen bewacht. Die Zahl der Toten ist umstritten und schwankt je  nach   Interessenlage zwischen 10.000 und 1 Mio.. Von den in russischen Lagern gefangenen 3,15 Mio. Menschen starben dort 1,1 Mio..
    • Viele Frauen waren von den alliierten Soldaten vergewaltigt worden:
      • im Osten mehrere 100.000 bis zu 2 Mio. von russischen Truppen,
      • allein in Stuttgart 1389  Frauen von französischen Soldaten,
      • in Bayern in alleinstehenden Höfen von amerikanischen Soldaten

(Auch sie dürften ihre Vergewaltigungen kaum als eine Befreiung verstanden  haben).

    • Zudem kamen die 9 Mio. ausgebombten Städter, die man zuvor auf das Land evakuiert hatte (45 % aller Wohnungen im Reich waren zerstört gewesen). In Kiel lebten von den einst 770.000 Einwohnern nur noch 40.000 in der Stadt.
    • die 7 Mio. einst vom Reich als Arbeitssklaven deportierten Ausländer zogen jetzt befreit oft in mordenden und plündernden Gruppen durch die Dörfer und widersetzten sich oft einer Rückführung.
    • Das Geld war relativ wertlos geworden. Die Nationalsozialisten hatten den Krieg mit Hilfe der Notenpresse finanziert. Die Folge war, dass zwar 300 Mrd. Reichsmark im Umlauf waren, ihnen aber kein Warenangebot gegenüberstand, was einen alles beherrschenden Schwarzmarkt zur Konsequenz hatte.

Im Potsdamer Abkommen (2.8.45) wurden dann von den drei Siegermächten (ohne Frankreich) festgelegt:

  • die von Deutschland zu leistenden Reparationen,
  • die politische und geographische Neuordnung Deutschlands,
  • die Entmilitarisierung,
  • der Umgang mit den Kriegsverbrechern.

Die Beschlüsse entsprachen den Arbeitsanweisungen für den „Alliierten Kontrollrat“ in Berlin:

  • Denazifizierung,
  • Demilitarisierung,
  • Dezentralisierung,
  • Demokratisierung (= politische Umerziehung),
  • Die Besatzungsmächte erhielten in ihren Zonen das Recht, ihre Reparationsforderungen einzufordern. Eine Folge davon war u. a.: Das französische Aussaugen seines Besatzungsgebietes (u. a. Entnahmen aus der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, Exzesse und Gewalttätigkeiten gegenüber der deutschen Bevölkerung. Man predige Demokratie und Zivilisation und beutete gleichzeitig seine Zone aufs Extremste aus. Das hörte erst auf, als die USA ihre politischen Interessen umorientierten, und da Frankreich militärisch, ökonomisch und politisch von ihnen abhängig war, es zwang, sich auch in die Bizone einzuordnen und in             seiner Zone eine größere deutsche Eigenverantwortlichkeit zuzulassen).

Im heutigen Rückblick ist es oft schwer, viele Angaben aus der damaligen Zeit zu überprüfen, da sie oft interessenbedingt stark voneinander abweichen. So kann man zur Zerstörung Dresdens (Februar 1945) lesen, als 773 britische Bomber dort 650.000 Brandbomben abwarfen und dabei 80.000 Wohnungen vernichteten (obwohl es dort keine kriegswichtigen Anlagen gab und die Stadt voller Flüchtlinge war). Die Zahl der Toten habe betragen

  • 200.000 (schwedische Presse),
  • 275.000 (Internationales Komitee vom Roten Kreuz, 1948),
  •   45.000 (DDR),
  •   18.000 – 25.000 (deutsche Historikerkommission, 2010).

Man weiß real nur, dass 1000de Menschen damals starben (hauptsächlich Frauen und Kinder) und ihre Leichname noch mehrere Tage in den Straßen lagen. Um Seuchen zu verhindern, hat man sie dann zu Tausenden gestapelt und verbrannt (allein auf dem Altmarkt 6865 Körper, allein auf dem Heidefriedhof wurden 10.430 Tote beerdigt). Augstein schrieb 1985 im „Spiegel“, dass nach den Maßstäben des  Nürnberger Prozesses, dem Kriegsgericht der Sieger, auch deren Staatsführer hätten gehängt werden müssen.

Als Verlierer war Deutschland aus der Sicht der Alliierten allein Schuld an dem Krieg gewesen:

  • der Versailler Vertrag als einer seiner Hintergründe wurde ausgeklammert

(u. a. Polens Ostseezugang durch ehemals deutsches Gebiet),

  • der nationale polnische und tschechische Terror gegenüber der deutschen Bevölkerung ausgeklammert,
  • die polnischen Erschwernisse für den Zugang zum abgetrennten Ostpreußen nicht genannt.

(Die Trennung war erfolgt, um Polen durch ein einst deutsches Gebiet einen Zugang zur Ostsee zu verschaffen. Besonders seit 1939 forderte die polnische Exilregierung zusätzlich noch deutsche Ostgebiete bis zur Oder-Neiße-Linie, ohne dass es dort ethnisch Polen gab).

Es ist diese verinnerlichte Schuldzuweisung, auf der unser heute in Deutschland bestehender Universalismus beruht. Der zweite Ansatz ist die Deutsche Schuld am Holocaust. Zweifellos liegt hier die Hauptschuld bei den Nationalsozialisten, da sie ihn organisiert haben. Er dürfte zu den großen Menschheitsverbrechen gehören. Doch der Antisemitismus war damals ein in ganz Europa verbreitetes Phänomen, und viele antisemitische Kolaborateure in den besetzten Ländern waren daran beteiligt. In vielen Staaten hat man sich schon lange vorher mit deren Aussiedlung beschäftigt (Madagaskar-Pläne). In keinem Land war damals der Antisemitismus so stark wie im katholischen Polen gewesen. Etwa 10 % seiner damaligen Bevölkerung waren Juden gewesen (ca. 3,5 Mio.)            . Polen hat sich im Rahmen seiner ethnischen Säuberungs-bemühungen zunächst mit deutscher  Hilfe von seinen Juden befreit und dann mit alliierter Hilfe von seinen Deutschen. Dies sind die Hauptursachen für die großen polnischen Menschenverluste durch den Krieg. Bekannt für den polnischen antijüdischen Terror wurde u. a. das Massaker von Jedwabne. Hier hatte die Bevölkerung zunächst die jüdischen Menschen auf dem Markt zusammengetrieben und misshandelt, sie danach in eine Scheune getrieben und bei lebendem Leibe verbrannt. Alles was damals von polnischer Seite geschah, wird heute negativ den Deutschen zugeschrieben. Schwierig ist dies allerdings bei den antisemitischen polnischen Prognomen nach dem Kriege. So wurden damals im Sommer 1945 allein in Kielcd von der dortigen Bevölkerung 40 Juden ermordet und 80 schwer verletzt. Eine Folge dieser Pogrome war, dass damals über 100.000 Juden nach Deutschland flüchteten (um dann in den meisten Fällen nach Palästina oder Amerika weiterzureisen). Heute werden die damaligen Vorfälle allein der deutschen Schuld zugeschrieben und besonders von Israel in seinem nationalen Sinne instrumentalisiert, um dadurch von seinen Übergriffen auf die Palästinensern abzulenken. Was in Auschwitz geschah, darf zwar nie wieder passieren, zur israelischen Siedlungspolitik sollen wir aber schweigen. Jüdische Autoren, die diese kritisieren, werden totgeschwiegen, wie z. B. Chromsky oder Yakow Rabkin, oder diffamiert (wie Hanna Arend, als Naziliebchen wegen ihrer einstigen Beziehung zu Heidegger). Über die großen, einstigen Vermögen in Polen, die früher jüdischen Menschen gehört haben, herrscht Schweigen. Wo sind sie geblieben? Heute leben etwa 8.000 – 12.000 jüdische Menschen in Polen und etwa 160.000 Menschen in Deutschland, von denen nur etwa die Hälfte ihre religiösen Riten pflegen sollen und von denen die anderen außerdem noch in verschiedene Glaubensströmungen gespalten sind. Es gibt deshalb nur wenige Personen hier, die überhaupt einen Juden kennen. Es liegt aber im israelischen Interesse, das Schuldbewusstsein in Deutschland aufrecht zu erhalten und für seine Interessen einzusetzen.

Tatsächlich von den Alliierten befreit wurden

  • die Gefangenen in deutschen Lagern,
  • die Menschen die zur Zwangsarbeit geholt worden waren,
  • die Menschen in den Konzentrationslagern,
  • die Menschen in den besetzten Gebieten.

Für die Deutschen selber war es aber die umfassendste Niederlage in ihrer Geschichte gewesen. Ein Problem für die Alliierten nach dem Ende des Krieges war, die Versorgung der Bevölkerung in ihren besetzten Gebieten gewesen. In einem Gutachterbericht im Auftrag des Präsidenten Truman schilderte der Earl G. Harrison (August 1945) folgende Notsituation:

„Wir scheinen die Juden genauso zu behandeln, wie die Nazis sie behandelt haben, mit dem einzigen Unterschied, dass wir sie nicht vernichten. Sie sind weiterhin in Konzentrationslagern untergebracht und werden nun anstelle von SS-Truppen von unseren Militärs bewacht“.

Nach dem Kriegsende übernahmen die Alliierten zunächst die Verwaltung in Deutschland. Zunächst bestand ein absolutes Fraternisierungsverbot gegen eine Annäherung von Amerikanern und Deutschen, von Soldaten zur Zivilbevölkerung. Selbst ein Händeschütteln war verboten. Deutschland wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Im Sommer war der US-Armee die Mitgliedskartei der NSDAP in Berlin in die Hände gefallen mit 10,7 Mio. Karteikarten. Eine Entnazifizierung und Umerziehung wurde als wichtigste Voraussetzung für eine zukünftige Demokratie angesehen. Im November 45 / Oktober 46 tagte der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg und urteilte nach dem neuen Strafbestand „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, zunächst gegen 24 Hauptkriegsverbrecher und später gegen 185 weitere Vertreter der NS-Elite. Eine Besonderheit war, dass die Angeklagten ihre Unschuld zu beweisen hatten.

Die Umerziehung erfolgte im großen Maßstab. Der CIA finanzierte Zeitschriften, Übersetzungen, Verfilmungen und förderte „moderne“ Kunstausstellungen. Ehemalige deutsche Emigranten, die einst für die psychologische Kriegsführung eingesetzt gewesen waren, übernahmen jetzt die Reeducation-Programme der Alliierten. Bei den Amerikanern leitete sie Hans Habe und bei den Franzosen Alfred Döblin. Neu gegründete Zeitungen wurden von den Alliierten kontrolliert. In Hans Habes Zeitung „Neues Deutschland“  sollten 2/3 der Autoren Amerikaner und nur 1/3 Deutsche sein. Wie stark diese Maßnahmen das Denken der Bevölkerung beeinflussten, wird besonders bei der Bildenden Kunst deutlich. Sie lenkte vom einstigen NS-Naturalismus in Westdeutschland zur abstrakten Kunst und in Ostdeutschland zum Realismus der Leipziger Schule. Die verschiedenen Interessen der Siegermächte führten dann zur Spaltung Deutschlands (und Europas). Die Londoner Konferenz führte zur Bildung eines westdeutschen Staates und in Ostdeutschland entstand ein Staat nach sowjetischem Vorbild.

1945  –  Nach der Kapitulation bestimmte der Alliierte Kontrollrat in Berlin das Geschehen in

Deutschland. Neben einer Aufteilung des Landes in Besatzungszonen organisierte er in den Kommunen und Ländern eine eigene Verwaltung. Die Reeducation-Programme der Amerikaner zerstörten zugleich das deutsche Nationalgefühl zugunsten eines postnationalen Universalismus. Mit der Zerschlagung einer deutschen Identität sollte auch das historische deutsche Selbstwertgefühl zerschlagen werden, obwohl die Siegermächte ihre eigene Identität besonders pflegten (der spätere Brexit ist nur einer seiner Ergebnisse). Die Bundesrepublik wurde in der Folge zu einem politischen Trabanten der USA, zu deren Unterstützern im Kalten Krieg gegen die UdSSR. Dafür durfte sie wieder ihre Wirtschaft aufbauen. Soweit bedeutende Wissenschaftler nicht bereits vorher emigriert waren, versuchten die Siegermächte, möglichst viele von ihnen für sich zu gewinnen (so u. a. von Braun durch die USA, Manfred von Ardenne durch die UdSSR).

1946/47  –  Entstehung der heutigen Bundesländer  (als Schwächung eines möglichen

zukünftigen Nationalstaates),

1947  –  Entstehung der Bizone aus der amerikanischen und britischen Besatzungszone,

Wiederherstellung der kriegszerstörten Verkehrsinfrastruktur in der amerikanischen und britischen Besatzungszone, scheitern der Londoner Außenministerkonferenz (damit begann der Interessenkonflikt zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion),

1948  –  Londoner Sechsmächtekonferenz (USA, Großbritannien, Frankreich, Niederlande,

Belgien und Luxemburg), Beschluss einen westdeutschen Staat zu gründen und einen Brüsseler Pakt:

Ein Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft erschien den Alliierten ohne eine deutsche Beteiligung nicht möglich. Zudem bestand die Befürchtung eines politischen Abgleitens der Bevölkerung zum Kommunismus.

    • Erhard wurde Chef des „Wirtschaftsrates“ der Bizone.

20.6.: Währungsreform,

24.6.: Die Sowjetunion reagiert darauf mit der Berlin-Blockade,

26.6.: Die Westalliierten antworten darauf mit der Luftbrücke.

    • In den „Frankfurter Dokumenten“ umrissen die Alliierten ihre Vorstellungen von einem künftigen deutschen Staat.
    • Der Parlamentarische Rat in Bonn (bestimmt von Mitgliedern der Landtage) arbeitete für die Bundesrepublik im Sinne der Westalliierten eine Verfassung aus (das „Grundgesetz“).
    • Bonn wurde als „vorläufiger“ Sitz für das Parlament und die Regierung bestimmt (vermutet werden Bestechungsgelder bei der Wahl),

1949  –  Ablösung der drei Militärregierungen in der Westzone durch eine Alliierte

Kommission,

  • Genehmigung des Grundgesetzes und Bonns als „vorläufiger Sitz“ des Parlaments und der Regierung durch die Militärgouverneure und danach durch die 11 Landtage (Bayern lehnte es wegen seines fehlenden Föderalismus ab, wollte aber seine Rechtsverbindlichkeit akzeptieren),
  • Wahl des ersten Bundestages und Aufbau der Bundesorgane,
  • Adenauer wird erster Bundeskanzler und betrieb eine strenge Westorientierung (bereits 1949 schlug er eine deutsche Beteiligung für eine europäische Armee vor).
  • Das Vertriebenenministerium regelt den Lastenausgleich zugunsten der Vertriebenen über eine Vermögensabgabe der Besitzenden.

1950   –  Schaffung des „Amtes Blank“ mit ehemaligen Wehrmachtsoffizieren als Berater,

1951   –  Deutschland wird Mitglied des Europarates,

1952   –  Stalin macht den Vorschlag einer deutschen Wiedervereinigung bei einer

nachfolgenden Neutralität.

  • Unterzeichnung des Vertrages zu einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (scheitert 1954 an einer Ablehnung Frankreichs),
  • Unterzeichnung des Luxemburger Abkommens mit Israel (regelt die Entschädigung der NS-Opfer),

1953  –  Juni-Aufstand in der DDR,

1955  –  Die Bundesrepublik wird in die NATO aufgenommen.

  • Aufbau der Bundeswehr mit Hilfe vieler ehemaliger Wehrmachtsoffiziere.
  • Aufhebung des Besatzungsstatuts. Die Bundesrepublik wird souverän (bei möglichen alliierten Vorbehalten),

1956  –  Aus der „Organisation Gehlen“ wird der Bundesnachrichtendienst.

1957  –  Vertrag von Luxemburg: Rückkehr des Saarlandes zur Bundesrepublik.

Römische Verträge: Damit wird die Bundesrepublik Mitglied der EWG

(= Vorgängerorganisation der EG und EU).

1961  –  Beginn des Berliner Mauerbaus,

1962  –  Wieder Vollbeschäftigung in der westdeutschen Wirtschaft,

1963  –  Élysée-Vertrag (= Aussöhnungsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland),

1970  –  Treffen des Bundeskanzlers Brandt mit dem Ministerpräsidenten der DDR Willi Stoph

in Erfurt, um die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Teilstaaten zu normalisieren.

1972  –  Misstrauensvotum gegen Brandt (einige Abgeordnete hatten wegen seiner Ostpolitik

die Koalition verlassen, aber einige CDU-Abgeordnete waren vom Ausland bestochen worden),

1973  –  Ölkrise (als Reaktion der OPEC-Staaten  auf den verlorenen Jom-Kippur-Krieg mit

Israel),

1979  –  NATO-Doppelbeschluss über die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen

in Europa. Massendemonstrationen dagegen durch eine Friedensbewegung (u. a. in Bonn mit 340.000 Demonstranten).

Intervention der Sowjetunion in Afghanistan.

Die Umweltprobleme führten zu einer Umweltbewegung, aus deren Reihen sich „die Grünen“ entwickelten.

1985  –  Schengener Abkommen (Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen

der beteiligten Staaten),

Mitterand und Kohl bekräftigen die deutsch-französischen Beziehungen

(Gründung eines Eurokorps und des Fernsehsenders Arte).

1990  –  Wiedervereinigung Deutschlands über die Zwei-plus-Vier-Gespräche

(Seit 1988 Auflösungserscheinungen im Ostblock. Die Ostblockstaaten folgten nicht mehr den DDR-Vorstellungen. Eine Folge waren Massenfluchten der DDR-Bürger. Wegen dem einsetzenden Druck musste die DDR ihre Grenzen öffnen. Danach begannen Gespräche über eine deutsche Einheit. Die Alliierten stimmten dem im Zwei-plus-Vier-Vertrag zu und entließen Deutschland in seine volle Souveränität. Damit erhielt es als europäischer Mittelstaat auch die Freiheit, sich im Sinne der auf uns zukommenden globalen Probleme verstärkt     um eine europäische Einheit zu bemühen. Dabei ist sein innenpolitischer Handlungsspielraum relativ klein. Durch die Globalisierung seiner Absatzmärkte in den 60iger und 70iger Jahren ist es als Exportnation sehr stark vom Ausland abhängig geworden, und alle Reformbemühungen im Inland können realpolitisch schnell mit der Drohung eines Verlustes von Arbeitsplätzen totgeschlagen werden. Andererseits kann Deutschland realistisch nur in einer europäischen Union eine Zukunft haben. Und da diese in der EU der 27 Staaten bei der Forderung nach einer Einstimmigkeit ihrer Beschlüsse unwahrscheinlich ist, kann sie nur in einer Förderung der Vereinigung zwischen diesen Einzelstaaten erfolgen,  in einer Vereinigung verschiedener Geschwindigkeiten, in Deutschland wahrscheinlich am ehestenin einer deutsch-französischen Union.

Der bisherigen europäischen Vereinigung sind eine Reihe von Verträgen vorausgegangen: 1948  –  Brüsseler Pakt (ein Militärbündnis von Frankreich, Großbritannien und den

Benelux-Staaten),

1952  –  Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS),

Beteiligten Länder: Deutschland, Frankreich, Italien und die Beneluxstaaten,

Ziel: Vergemeinschaftung der Kohle- und Stahlwirtschaft (nach dem Schuman-Plan),

1957  –  Vertrag von Rom (zwei römische Verträge und die Konstituierung der

 „Parlamentarischen Versammlung“):

    • Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG):
      • freier Personen- und Warenverkehr,
      • ausgewogener Handelsverkehr;
  • Abschaffung der Zölle,
      • Angleichung der Rechtsvorschriften,
      • engere staatliche Beziehungen,
    • Europäische Atomgemeinschaft (Euratom):
      • gemeinsame Forschung,
      • effektive Kernenergie.

1967  –  Vertrag von Brüssel (Fusionsvertrag):

  • Zusammenlegung der bisherigen drei europäischen Gemeinschaften,
  • Die „Parlamentarische Versammlung“ wird zum „Europäischen Parlament“,
  • Schaffung eines gemeinsamen Gerichtshofes, Wirtsschafts- und Sozialausschusses und eines eigenen Ministerrates.

1987  –  Einheitliche Europäische Akte (EEA):

  • Vollendung des europäischen Binnenmarktes (bis 1992),

(freier Waren-, Personen, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr),

  • Einstieg in die europäische politische Zusammenarbeit,
  • Institutionelle Reformen.

1992  –  Maastrichter Verträge (EU-Grundlagenvertrag):

Sie bestehen aus 55 Artikeln, den demokratischen Grundsätzen der EU

(Organe, gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik).

Die bisherigen europäischen Verträge sollten über eine europäische Verfassung zusammengefasst werden und zu einer europäischen Föderation führen. Diese sollte auf drei Säulen bauen:

  1. .EG (Europäische Gemeinschaft): u .a. Zollunion, Währungsunion, Sozialpolitik, Agrarpolitik,

Euratom: Zusammenarbeit im Bereich Kernenergie,

  1. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik,
  2. Polizeiliche und justiziable Zusammenarbeit.

Kriterien für den Beitritt eines Landes zur Währungsunion

(Vorgaben: Stabiles Preisniveau, stabile langfristige Zinssätze, stabile Wechselkurse und eine Obergrenze für ein öffentliches Defizit),

Maastricht-Defizit (für den Staatssektor):

    • Referenzwert für das Defizit (3 % des Bruttoinlandproduktes (BIP)).
    • Schuldenstand von 60 % des BIP, Zusatzprotokoll:
    • gemeinschaftliche Zuständigkeit für die Setzung arbeitsrechtlicher Mindestnormen,
    • Förderung des sozialen Dialogs.

2001  –  Vertrag von Nizza

(Er schuf die Voraussetzungen für die Osterweiterung der EU).

    • Änderung der bisherigen EU-Verträge,
    • Zusammensetzung und Funktion der Organe,
    • Proklamierung der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“.

(Der Vertrag wurde durch den Vertrag von Lissabon abgelöst).

2004  –  EU-Verfassungsvertrag

(Er sollte der EU eine Verfassung geben, die bisherigen EU-Verträge ablösen und 2006 in Kraft treten).

Er wurde von Frankreich und den Niederlanden abgelehnt.

(An seine Stelle trat der Vertrag von Lissabon).

2009  –  Lissaboner Verträge (EU-Grundlagenvertrag = Reformierung des EU-Vertrages und des EG-Vertrages):

  • Übernahme von Teilen des EU-Verfassungsvertrages (2005),
  • stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente,
  • Schaffung des Amtes eines „Präsidenten des Europäischen Rates“,
  • Weiterentwicklung des Wirtschaftsbündnisses zum Verteidigungsbündnis,
  • Einstimmigkeit aller Partner bei zukünftigen Beschlüssen.

Wegen der starken Hegemonialmächte spielen Europa und noch weniger seine Teilstaaten in der globalen Welt eine Rolle. Zurzeit ist es nur ein Kontinent der Illusionen, der von den internationalen Finanzkräften beherrscht wird. Es hat zwar eine gemeinsame Vergangenheit und stellt im gewissen Sinne eine Wertegemeinschaft dar. Zurzeit ist es aufgrund seiner EU-Verträge ein allein wirtschaftlich ausgerichteter Staatenverbund, der sich nicht selber zu schützen vermag und deshalb sich unter das Schild einer Hegemonialmacht (USA) gestellt hat, die aber eigene Interessen verfolgt. Sind die europäischen Staaten im Sinne dieser Interessen nicht willig, wird ihnen gedroht und werden sie unter Druck gesetzt (so z. B. bei der Ostseepipeline). Sein Markt stellt heute seine einzige Stärke dar. Ein künftiges Europa muss deshalb seine Probleme alleine lösen. Und dafür brauchen wir für unsere Zukunft eine realistische, gemeinsame Orientierung. Da diese zurzeit in der 27er-Gemeinschaft nicht zu erreichen ist, sollten verschiedene Verbindungen unter den betroffenen Staaten mit der langfristigen Perspektive eines europäischen Staates möglich sein, innerhalb dem zwar jeder Teilstaat sein besonderes kulturelles Erbe pflegen kann, aber ansonsten Europa einen Einheitsstaat mit einer gemeinsamen Verfassung darstellen sollte. Gemeinsam müssten u. a. sein:

  • ein repräsentatives Staatsoberhaupt,
  • ein gemeinsamer Schutz der Außengrenzen (Verteidigungsgemeinschaft),
  • ein gemeinsames Rechtssystem,
  • gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik,
  • eine gemeinsame Außenpolitik,
  • ein gemeinsames inneres Sicherheitssystem,
  • gemeinsame Symbole,
  • gemeinsame Sprache (französisch und deutsch).

(Englisch ist die Sprache einer fremden Hegemonialmacht. Die historische Verdrängung des Deutschen ist ein Ergebnis der alliierten Reeducation-Programme nach dem verlorenen Krieg. Deutsch ist aber weiterhin die verbreitetste Muttersprache in Europa.)

Da eine solche Vereinigung zurzeit in Europa nicht durchsetzbar ist, sollte sie zunächst binational zwischen Frankreich und Deutschland angestrebt werden. 2019 wurde bereits eine binationale „Parlamentarische Versammlung“ geschaffen, die helfen soll, zurzeit bestehende Blockaden aufzuheben. Bei der Gründung eines deutsch-französischen Staates sind die legitimen Interessen des jeweils anderen Partners zu berücksichtigen. An die Stelle der heutigen nationalen Perspektiven sollte eine gemeinsame europäische treten. Historisch haben sich bei den beiden Partnern verschiedene Mentalitäten entwickelt. Frankreich hatte sich zu einem starken Zentralstaat entwickelt, während Deutschland immer föderativ organisiert war (weitgehend im Interesse von Außenmächten, um es dadurch leichter im eigenen Sinne  beeinflussen zu können). Die Möglichkeit eines Beitritts der anderen europäischen Staaten zu diesem Neustaat müsste gleich bei seiner Gründung berücksichtigt werden (z. B. in einer gemeinsamen Verfassung. Emotional hätte die Vereinigung von französischen und deutschen Gruppen eine starke Signalwirkung (z. B. von Sportsvereinen, einer gemeinsamen Olympiamannschaft).

Wir können die auf uns zukommenden globalen Probleme in Europa nur gemeinsam lösen und dürfen dafür unsere bestehenden nationalen Interessen nicht gegen das Orientierungsziel ausspielen. Nur gemeinsam kann Europa eine Verantwortung für eine zukünftige Entwicklung der Welt übernehmen. Wir sind aufeinander angewiesen. Allerdings sind zurzeit die bestehenden nationalen Beharrungskräfte gegenüber wichtigen Reformen noch zu stark. Die Bürger der europäischen Mitgliedsstaaten lehnen eine Übertragung nationaler Kompetenzen an einen Zentralstaat ab. Sie fürchten, dass dadurch ihre nationale Identität verloren geht. Zurzeit erlauben die EU-Verträge nur kleine Schritte, und die Entscheidungsprozesse sind schwerfällig und intransparent. Außerdem erschweren sie die verschiedenen Teilstaaten ständig über ihre Blockaden. Aber die großen Aufgaben der zukünftigen Menschheit, die zukünftigen Technologien (besonders die KI), die Probleme des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit lassen sich dadurch nicht aufhalten.

Zurzeit besitzen wir in Europa keine gemeinsame Öffentlichkeit, kein gemeinsames Gesicht für eine Einheit Europas. Als der Kommunismus 1989 in Osteuropa scheiterte, trat an seine Stelle als Orientierungsideologie zum westlichen Liberalismus eine Verbindung mit dem dortigen Nationalismus. Die verschiedenen Mentalitäten öffneten unüberbrückbare Gräben. Dadurch wird es in absehbarer Zeit ein gemeinsames Europa kaum geben, sondern nur ein Europa mit „verschiedenen Geschwindigkeiten“. Realistisch ist vielleicht langfristig ein Europa

  • mit einem föderativen Staatsaufbau

(Wwbei man nicht die deutschen Fehler machen sollte. Einst stand er hier positiv für die Vielfalt seiner regionalen Kulturen, als fruchtbarer Boden für sich gegenseitig anregende neue Gedanken, neue Entwicklungen. Heute ist er hier weitgehend zu einem Sinnbild der Selbstblockaden verkommen

Kennzeichen dafür sind u. a. der Bau des Berliner Flughafens, die Bekämpfung der Corona-Pandemie und das bestehende deutsche Schulsystem).

  • einem europäisches Wahlrecht (zurzeit besteht ein jeweils nationales Wahlrecht),
  • mit zwei Kammern

(einem direkt gewählten Parlament und einem Länderrat, mit dem jeweiligen Entscheidungsrecht qualitativer Mehrheiten),

  • einer gemeinsamen Regierung mit einem Kommissionspräsidenten an der Spitze,
  • mit eigenem Steuer- und Budgetrecht.

Dabei müssen Kritiken an einer möglichen zukünftigen Vereinigung ernst genommen werden. Zunächst werden es die außereuropäischen Staaten sein, die durch sie ihren globalen Einfluss geschwächt sehen. Sie dürften in den einzelnen Staaten alles versuchen, um deren nationale Bewegungen zu stärken und dadurch eine tatsächliche europäische Vereinigung zu verhindern. Ein deutsch-französischer Beginn macht von daher durchaus Sinn. Aber auch innerhalb Europas gibt es viele Kräfte, die sich gegen eine starke Vereinigung stemmen würden. Sie verstehen ihr Identitätsverständnis im Nationalen und nicht in einer Union. Dabei wäre es gerade die Union, in die sie es bereichernd einbringen könnten. Sie befürchten

  • einen Verlust ihrer Souveränität, bei einem gleichzeitigen selbstherrlichen EU-Zentralismus, und des EG-Vertrages):
  • eine Förderung des Steuerbetrugs durch
    • Dumpingkonditionen für die Unternehmen und Reichen durch manche Staaten,
    • das Anbieten von Möglichkeiten der Steuerhinterziehung,
  • das Einstehenmüssen für die Machenschaften der Banken,
  • eine Überfülle an unnötigen und oft unübersichtlichen Verordnungen,
  • den großen Einfluss der Lobbyisten,
  • das Ersetzen der Demokratie durch die Marktwirtschaft,

(z. B. über eine Privatisierung der Wasserversorgung, des kommunalen Wohnungsbaus, der Sozialsysteme),

  • den Abbau von Selbstverwaltungsrechten auf den unteren Ebenen (z. B . in den Gemeinden),
  • das Durchsetzen von Interessen der Minderheiten über die der Mehrheiten.

Weitere große Negativposten belasten zurzeit die Gemeinschaft. Da ist die

  • Steuerflucht: Besonderes die großen Digitalkonzerne nutzen durch ihr Jonglieren mit ihrem Firmensitzes die unterschiedlichen Rechtssysteme zur Vermeidung von Steuerzahlungen. Auch Deutschland verhindert deren europäische Besteuerung, weil es sonst amerikanische Strafzölle für seine Exporte befürchtet.

Viele Steuerhinterzieher legen ihr Geld im Ausland an. Um das zu verhindern, sollten Whistleblower belohnt und nicht bestraft werden.

  • Korruption: In manchen Staaten ist sie stark ausgeprägt. Es gibt sie auch in Deutschland, wie es die Maskenaffäre während der Corona-Pandemie bewiesen hat. Das wichtigste Mittel gegen sie wären Transparenz und genaue Regeln für die Auftragsvergabe und die Ausführung von Tätigkeiten. Einen gewissen Schutz würden Lobbyregister und die Belohnung von Whistleblowern darstellen.
  • demokratiefeindliche Maßnahmen:
    • Polen: Beseitigt langsam den Rechtsstaat (laut EU-Kommission in mehr als 30 Gesetzen gegen seine Verfassung oder das EU-Recht). Es             schikaniert kritische Richter.
    • Ungarn: Es
      • schränkt den Spielraum demokratischer Unternehmen ein,
      • besetzt Unternehmen mit folgsamen Parteizugehörigen,
      • beseitigt unabhängige Medien,
      • versucht alle Entscheidungen in eine Hand zu bringen.
    • Zypern verkauft zyprische Staatsbürgerschaften (= EU-Staatsbürgerschaften). Zwischen 2017 – 2019  ca. 1.400 Pässe. Die Bewerber mussten dafür 2 Mio. Euro in Zypern anlegen. Bis 2013 hat Zypern so 7 Mrd. Euro erhalten.
    • Deutschland gilt als ideales Rückzugsgebiet für kriminelle Clans und die Mafia. Diese begehen Geldwäsche, Subventionsbetrügereien und handeln hier weiter mit Drogen und Erpressungen. Werden sie durch Polizeiermittlungen gefährdet, kann es passieren, dass die verantwortlichen Ermittler ohne eine Angabe von Gründen versetzt werden (als Grund für dieses Verhalten wird Datenschutz angegeben; so im „Fall Rahm“, Stuttgart, SZ. 2.10.20).

Außerdem handeln zunehmend protektionistischer die Niederländer, Baltenstaaten und die Skandinavier.

Einst sagte Macchiavelli (1469 – 1527), dass ein Reformer alle zum Feind habe, die von einer alten Ordnung profitieren. Seiner Meinung nach, sollte ein Herrscher alle seine Grausamkeiten zu Beginn seiner Herrschaft begehen, um die Menschen danach durch Wohltaten für sich zu gewinnen. Während der erste Satz auch heute noch uneingeschränkt gilt, können wir in unserer Zeit den zweiten nur noch begrenzt gelten lassen, da wir in einem demokratischen System die Menschen bereits am Anfang einer Entwicklung mitnehmen müssen. Seit Kant und Hegel haben wir in Deutschland eine idealistische Vorstellung von Politik, dabei wissen wir, dass jede Herrschaft auf Charisma, Netzwerken und Geld beruht. Dabei verstehen wir Macht als eine ausführende Repräsentanz von Orientierungsinhalten innerhalb einer Gruppe.

Wer in Europa eine Vereinigung anstreben will, muss dafür die betreffenden Orientierungs-inhalte pflegen und versuchen, in der Bevölkerung dafür eine positive Stimmung zu schaffen. Ein Problem stellt eine allgemeine Aversion gegen jede Führung dar. Jede Hierarchie wird dabei abgelehnt. Nur im Konsens getroffene Entscheidungen gelten als gut. Selbst Expertisen zählen nicht mehr. Dabei setzt jeder Führungsstil die Kenntnis eines Zieles und eine gewisse Entscheidungsstärke voraus. Eine Autorität ist allerdings heute etwas nicht mehr Selbstverständliches. Unsere heutigen westlichen Vorstellungen sind, dass Machtunter-schiede, soziale Asymmetrien etwas Falsches sind und Machtgefälle vermieden werden müssen. Unser Problem dabei ist, dass für Entscheidungen Autorität aber erforderlich ist und dass diese in Zukunft wahrscheinlich sachorientiert von der KI übernommen wird. Zwar spricht unsere angeborene, biologische Statusorientierung noch dagegen, doch werden wir dies mit der Weiterentwicklung unserer Zivilisation nicht verhindern können. Wir können nur versuchen, bis dahin für uns annehmbare anthropogene Voraussetzungen zu entwickeln und eine Europäische  Vereinigung als Teilgebiet einer globalen Menschheit zu schaffen. Wie hilflos sich unsere deutsche Demokratie im Augenblick verhält, wird besonders bei der Suche nach einem Endlager für ihre hoch radioaktiven Abfälle deutlich. Jeder erkennt deren Bedeutung und  jeder weiß, dass es sie irgendwo wird geben müssen, doch alle sagen, in meiner Nähe nicht. Man kennt einerseits dessen geo-wissenschaftlichen Anforderungen, doch andererseits versuchen die Politiker, sie weit von ihrem eigenen Territorium zu empfehlen. Mit der europäischen Einigung verhält es sich ähnlich. Man kennt und nutzt ihre Vorteile, man will sich aber in ein Zukunftssystem nicht einordnen.

Vereinfachend ausgedrückt kennt die Welt zwei Formen von Herrschaftssystemen: autoritäre oder liberale, in ihren Orientierungsvorgaben eng festgelegte oder relativ „offene“ (Popper). Für das erstere steht heute besonders China, für das zweite das Ideal der westlichen Demokratien. Dabei steht letztere der Natur näher, da es eher den sozialen Gesetzen der Evolution entspricht. Das Hauptmerkmal der liberalen Demokratie ist das legale Ersetzen von heutigen Positionen und der heutigen Macht durch Gegenargumente und durch Abwahl. Das Model ist ein Ideal, das zwar vom Westen für sich beansprucht wird, aber in der Realität alles andere als ihm entspricht. Seine Hegemonialmacht wird in seinem Inneren weitgehend von einer korrupten Finanzschicht beherrscht, die nach außen brutal ihre Interessen im Vietnamkrieg, im Überfall auf den Irak, in der Förderung Israels oder gegenüber Deutschland bei der Ostseepipeline vertrat, bzw. vertritt. Wir europäischen Staaten sind nicht besser. Unsere postulierten moralischen Werte werden gegenüber wirtschaftlichen Interessen zurückgestellt. Es gibt zwar Einzelstimmen die dieses monieren, aber die reagierenden Parteien sagen berechtigt, dass deren Befolgung Arbeitsplätze kosten würde (und sie sich dies nicht leisten können, da sie wiedergewählt werden wollen). Auch unter unseren Politikern gibt es korrupte (siehe Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie). Unser Problem ist, dass wir für die Mehrheit unserer Bevölkerung einerseits zwar klare Orientierungs-vorgaben benötigen, diese aber andererseits deren „Offenheit“ einschränken. Im Ideal streben wir nach

  • einer Kontrolle der Machtausübung

(vertreten durch Gewaltenteilung, freie Wahlen, Rechtstaatlichkeit, Grundrechte, Meinungsfreiheit, Schutz von Opposition und Minderheiten),

  • einem gelebten Pluralismus

(vertreten  durch die Meinungsfreiheit, freie Forschung, soziale Offenheit gegenüber bestehenden Paradigmen).

Man mag dies als die Ideale des Westens hinstellen. Doch gelebt werden sie weitgehend nur als brutaler Individualismus, als eine skrupellose Selbstverwirklichung ohne Rücksicht auf die soziale Seite des Menschseins. Aber dies entspricht neben den Gesetzen der Evolution der zweiten Seite der menschlichen Natur, und hier versagt der Westen weitgehend. Der Liberalismus wird hier weitgehend als das Ausleben von Freiheiten, letztendlich von Egoismen verstanden, denen kein verpflichtendes Soziales gegenüber steht. Die Ausbeutung der Natur und des schwächeren Mitmenschen sind hier zivilisatorische Selbstverständlichkeiten, die sogar religiös untermauert werden (Wirtschaftsethik des Calvinismus). Diese Haltung ist es, der wir u. a. in Zukunft den möglichen Untergang der bestehenden Menschheit verdanken. Um dies zu verhindern, müssten wir unsere bestehenden Freiheitsideale mit einer sozialen Begrenzung in Verbindung bringen. Und da kommt uns die östliche Philosophie entgegen, wie sie einst Konfuzius vertreten  hat. Die Zukunft der Menschheit liegt in der Vereinigung der westlichen Philosophie der Aufklärung mit der östlichen der Verantwortung gegenüber dem Sozialen. Nur so dürfen wir eine gewisse Chance eines Überlebens während einer vierten Evolutionsstufe haben.

Ein Problem stellen in unserer Kultur zurzeit verschiedene Sozialneurosen dar, die sozialfeindliche Interessen einzelner, engstirniger, durchsetzungsstarker Personen. Da ist

  • zunächst die Identitätspolitik, eine Bewegung die früher aus den USA kam und die heute von großen linken Gruppen vertreten wird (z. B. in der SPD, bei den Grünen und den Linken). Einst kämpfte man in ihnen gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft. Nachdem sich der ehemalige Einsatz für die Arbeiterschaft aber relativiert hat, verlagerte man die Gleichheitsforderungen auch auf andere benachteiligte Gruppen und machte diese zu neuen Hauptforderungen. Man versuchte für diese Gruppen eine größere soziale Beachtung durchzusetzen, deren gesellschaftlichen Einfluss zu stärken und verstand sich über seine neuen Forderungen als eine emanzipatorische Bewegung. Man fand diese benachteiligten Gruppen im
    • sexuellen Bereich (u. a. Feministinnen, schwule und lesbische Gruppen),
    • sozialen Bereich (u. a. Behinderte, Obdachlose),
    • ethnischen Bereich (u. a. Sinti, Flüchtlinge, Ausländer),
    • kulturellen Bereich (u. a. verschiedene religiöse Minderheiten).

Auch die gendergerechte Sprache ist ein Ergebnis dieser Bewegung. Obwohl die Bevölkerungsmehrheit sie ablehnt, werden überall Fakten geschaffen.Über ihre Unterscheidungsmerkmale beklagt man deren unterdrückende Opferfunktion in einem bestehenden hierarchischen System. Indem man sich für ihre Interessen einsetzte, glaubte man, parteipolitisch für sich eine neue soziale Aufgabe gefunden zu  haben, nach dem ihr Einsatz für die Arbeiterschaft keine angemessene Resonanz mehr zeigte. Das Problem dabei ist, dass sich hier jeder psychisch Geschädigte irgendwo wiederfinden kann, der sich durch seine Marotten von der Mehrheitsgesellschaft nicht anerkannt fühlt. Indem Flügel der linken Parteien in dem Einsatz für diese ihre neue Hauptaufgabe sehen, werden sie für deren tatsächliche große gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben zu einer kräftezehrenden Belastung. Wie kleingeistig in diesen Gruppen gedacht wird, mag ein Beispiel aus jüngster Zeit zeigen. Als in Deutschland der Text einer schwarzen Autorin übersetzt werden sollte, durfte dies nicht durch eine weiße Übersetzerin erfolgen. Dies entspricht einer Situation, dass ein katholischer Musiker nicht mehr Bach oder Händel interpretieren darf, bzw. ein protestantischer nicht mehr Bruckner.

  • dann ist es die „Identitäre Bewegung“.

Sie entstand einst als „Unité radicale“ in Frankreich und wurde dort 2002 als staatsgefährdend verboten. Ihre Nachfolgeorganisation wurde dann die „Genération identitäire“, die dort 2021 wegen ihrer Aufrufe zu „Diskriminierungen, Hass und Gewalt“ auch verboten wurde.

In Deutschland rechnet man zu ihr rechtsextreme, völkische Kreise, die u. a. Gruppen in der AfD nahe stehen. Sie stellen in einer unverfänglichen Art eine Ausweichform der Neonazis dar. Ihre zentrale Forderung ist die ethnokulturelle Identität. Sie

    • streben eine kulturelle Reinhaltung der Gesellschaft vor „fremden“ und „feindlichen“ Einflüssen an,
    • wollen den Charakter des eigenen Volkes schützen und warnen vor fremden Vermischungen,
    • lehnen Möglichkeiten eines gesellschaftlichen Wandels und den Wandel religiöser Überzeugungen ab,
    • kritisieren den demokratischen Parlamentarismus als Parteienstaat.

Wie fragwürdig einmal durchgesetzte Orientierungsvorgaben sein können, zeigt unsere jährliche Zeitumstellung in Europa. Eigentlich eine irrsinnige Idee, und alle wissen dies. Trotzdem kann sie wegen der Uneinigkeit der betroffenen Länder nicht aufgehoben werden. Dies ist ein Beispiel dafür, weshalb es auch mit einer weiteren Vereinigung innerhalb der EU nicht klappen kann und man deshalb zunächst mit zwei, bzw. mit einigen wenigen Staaten anfangen sollte.

In jeder freien Gesellschaft ergeben die Verschiedenheit der Menschen und deren Interessen verschiedene Parteien. Ihr Problem ist, dass je mehr sie sind, umso schwerer können sie sich auf einen Kompromiss einigen, bzw. können kleine Gruppen als Mehrheitsbeschaffer ihre Interessen über die der Allgemeinheit setzen (wie zurzeit z. B. in Deutschland die Gender-      bewegung im Sprachbereich). Das Problem der Verschiedenheit ist, dass sich daraus einerseits Privilegierungen und andererseits Diskriminierungen ergeben können, und dass bei Extrementwicklungen der soziale Zusammenhalt gefährdet ist. So bedeutet die dogmatische Identitätspolitik politische Intoleranz gegenüber anderen Meinungen und steht damit in einem Widerspruch zu unseren Demokratievorstellungen. Genau genommen ist sie bei den Linken das Ergebnis eines langen Prozesses, der im Osten einerseits zur kommunistischen Diktaturführte, aber andererseits im Westen auch zu einer schleichenden Bewegung über eine anfängliche Liberalisierung zu einer identitätsstiftenden, intoleranten Gleichheit. Dieser Prozess lässt sich sehr gut am Durchsetzen der sexuellen Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft durch die Sozialdemokraten nachvollziehen:

  • August Bebel brachte als erster eine Petition zur Abschaffung des § 175 ein,
  • Willy Brandt befreite dann die Homosexualität von ihrer vorhergehenden Diskriminierung,
  • unter Helmut Schmidt entstand das erste Transsexuellengesetz,
  • unter Gerhard Schröder wurde das Gesetz für eingetragene Lebensgemeinschaften geschaffen,
  • Später setzte die SPD dann gegen die CDU das Gesetz für eine „Ehe für alle“ durch.

(Damit zerstörte sie aber auch zugleich die bisherige gesellschaftliche Stellung der Familie. Eine „eingetragene Lebensgemeinschaft“ mit gleichen Rechten wäre richtiger gewesen. Die biologische Fortpflanzungssexualität hat damit ihren  bisherigen Stellenwert verloren.

Auch dieser Entwicklungsschritt führte uns von unserer evolutionären Natur fort. Hier führte die Gleichheitsideologie der Linken uns weg von der Gemeinschaft hin zum Individuum. Auf der anderen Seite stehen Gemeinschaftsideologien, die den sozialen Zusammenhalt verstärkt betonen. In einer „offenen“ Gesellschaft sollten beide Orientierungsstränge zusammengeführt werden. So öffnete sich 1959 die SPD über ihr Godesberger Programm von einer Arbeiterpartei zu einer Volkspartei, und es standen sich 1961 im Bundestag nur zwei Volksparteien gegenüber (CDU und SPD neben der FDP), die mit amerikanischer Hilfe Deutschland erfolgreich durch die Nachkriegszeit führten. Das ist heute anders. Wir haben im Bundestag keine Großparteien mehr. Alle sind auf Koalitionspartner angewiesen, in denen die Kleinparteien für ihre Wähler ein Optimum an Vorteilen herauszuschlagen versuchen. Eine große Zukunftsvision besitzt keine dieser Parteien mehr. Unsichtbar für die Bevölkerung, von Lobbyisten gesteuert, von den Medien interessengesteuert, sehen wir mehr oder weniger satt unserer künftigen  Entwicklung entgegen. Modisch ausgerichtet, diskutieren wir die Klimaentwicklung und machen uns Gedanken über unsere individuelle Selbstverwirklichung, unsere hedonistischen Vergnügungen (u. a. Lust und Genuss) und unsere Urlaubsreisen. Doch wie einst beim Gastmahl Belsazars zeichnet sich an der Wand unsere zivilisatorische Zukunft ab und diese kündet eine künftige vierte Evolutionsstufe an, der die Menschheit langfristig nur als Ganzes begegnen kann, und das bedeutet kurzfristig über beginnende Einigungen. Und so bietet sich die europäische Wertegemeinschaft zunächst als Zukunftsvision an, bzw. eine deutsch-französische Vereinigung als erster Schritt.

Wir haben zurzeit (2021) im Deutschen Bundestag sechs Parteien, in denen es jeweils verschiedene Flügel gibt, die sich innerhalb ihrer Parteien oft ziemlich brutal bekämpfen:

  • CDU  (Christlich Demokratische Union Deutschlands): Konservativ, stark von wirtschaftlichen Interessengruppen und Agrarverbänden durchsetzt. Die CSU ist eigentlich nur deren autonomer Landesverband, der der Vorteile halber auf seine Eigenständigkeit beharrt und deshalb früher immer das Finanzministerium besetzte und heute die für die Infrastruktur zuständigen Ministerien.
  • Grüne (Bündnis 90 / Die Grünen): Feministisch ausgerichtet; städtisch orientierte Akademiker als Realos und idealistische Fundis. Aus einer Protestbewegung gegen die Atomindustrie hervorgegangen. Vertritt den Klimaschutz als einen ihrer Grundgedanken.
  • SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands): Frühere Arbeiterpartei, stark von Gewerkschaftsvertretern beherrscht. Das führte dazu, dass ihre Mittelschichtwähler zu den Grünen wechselten. Vertritt heute oft stark identitätspolitische Ansichten.
  • FDP (Freie Demokratische Partei): Liberale Partei, enge Beziehungen zur Wirtschaft. Zwischen dem Problem der individuellen Freiheit und dem einer freien Wirtschaft (bzw. der Finanzwelt) schwankend.
  • Linke („Die Linke“): Aus einer kommunistischen DDR-Gruppe und einem westdeutschen Protestflügel der SPD hervorgegangen. Heute stark identitätsorientiert bestimmt.
  • AfD (Alternative für Deutschland): Einst von konservativen Wirtschaftsprofessoren gegründet, heute von innerparteilichen Grabenkämpfen beherrscht. Ein Flügel steht der „Identitären Bewegung“ nahe und wird deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wie schwierig eine Gesamtbevölkerung auf ein alles bestimmendes Ziel hin auszurichten ist, zeigt die im Augenblick bestehende Corona-Pandemie. Viele Menschen sind bereit, den Regierungsanordnungen zu folgen. Doch viele sind es auch nicht, und ihre Gruppen nehmen mit der Dauer der Maßnahmen ständig zu. Letztere werden immer weniger befolgt. Ihre Ablehner vereinen sich über Netzwerke und entwickeln als Querdenker Verschwörungstheorien. Das mag zunächst bei Kleingruppen gesellschaftlich verkraftbar sein, doch helfen auch diese dem Virus, sich genetisch weiterzuentwickeln und damit die Gesamtbevölkerung zu bedrohen. Außerdem sind sie ein Hinweis dafür, dass einzelne Personen bereit sind, technische Weiterentwicklungen zu verfolgen, die für die Menschheit eines Tages gefährlich werden können, ganz zu schweigen von den Hegemonialmächten in ihrer gegenseitigen Angst vor einander. Es ist dieser Hintergrund, der es unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass wir die Weiterentwicklung der KI aufhalten können.

In Frankreich stehen wir vor einer anderen Situation. Durch die früheren großen Einwanderungen aus den ehemaligen Kolonien haben sich an den Stadträndern viele Parallelgesellschaften entwickelt, so dass die übrige Bevölkerung um ihre nationale Identität fürchtet. Die Zuwanderer haben sich nicht in die bestehende Kultur integriert. Sie sind oft arbeitslos und besitzen keine Aufstiegschancen. Da viele Einwanderer islamisch sind, hat sich unter ihnen eine starke Aggressivität gegen den Westen entwickelt. Bei der fest verankerten Laizität in der Verfassung (Trennung von Staat und Religion) ergibt sich schnell ein starkes Konfliktpotential, das von politischen Interessengruppen aufgegriffen wird (u. a. dem „Front national“ von Marine Le Pen). Wie in Deutschland gestalten dort die politischen Parteien das politische Leben, vermitteln zwischen der Bevölkerung und der Regierung und üben die politische Macht aus. Es besteht ein absolutes Mehrheitswahlrecht, das dazu führt, dass kleinere Parteien nur über Bündnisse in die Parlamente gelangen. Die wichtigsten französischen Parteien sind:

  • PS (Parti Sozialiste): Vergleichbar der SPD in Deutschland,
  • UMP (Union pour un Mouvement): Vergleichbar der CDU in Deutschland,
  • FN (Front National): Rechtsextrem; das Wahlrecht verhindert in der Regel ihren Einzug ins Parlament (2011 = 18 % der Stimmen),
  • PG (Parti de Gauche):Vergleichbar mit der „Linken“ in Deutschland,
  • PCF (Parti Communiste Francais): Kommunistische Partei Frankreichs,
  • NC (Noveau Centre): Sozialliberal, europafreundlich,
  • EE (Europe Écologie): Parteienbündnis; vergleichbar mit den deutschen „Grünen“; auch in Frankreich nach den letzten Wahlen die dritte Kraft.

Bei den letzten Wahlen (2017) hat sich die französische Parteienlandschaft auf zwei neue Volksparteien reduziert:

  • LREM (La Republique en Marche): Bewegung von Emanuel Macron; steht für eine Erneuerung des bestehenden politischen Systems; früher verstärkt die Jugend ansprechend, heute eher die Konservativen.
  • RN (Rassemblement Nationale): Partei der Nationalisten und Europaskeptiker;  Bewegung von Marine Le Pen.

Das bedeutet, dass es zurzeit in Frankreich nur noch zwei wichtige politische Strömungen gibt, eine pro-europäische und eine europa-ablehnende. Vielleicht ist dies eine Entwicklung, wie wir sie in Zukunft überall in Europa werden beobachten können. Und es wäre für den europäischen Einigungsprozess vorteilhaft, wenn sich die europabejahenden Parteien vereinen und dann gemeinsam ein tieferes Europabewusstsein schaffen würden, vielleicht zunächst die Parteien von Frankreich und Deutschland.

Es ist zu erwarten, dass die heutigen Hegemonialmächte eine solche Entwicklung sehr genau beobachten werden und besonders die USA sie in ihrem Sinne zu steuern versuchen wird. Eine europäische Vereinigung würde auf eine verstärkte europäische Autonomie ausgerichtet sein und damit auf eine größere Unabhängigkeit von den USA, die diese nur begrenzt billigen würden.  Zurzeit

  • beherrschen sie die westliche Verteidigungspolitik über die NATO

(Noch kann Europa aus sicherheitspolitischen Interessen auf sie nicht verzichten. Einige der osteuropäischen Staaten interessieren sich nur für eine stärkere Westanbindung aus Angst vor den russischen Hegemonialbestrebungen. Insofern brauchen wir aus Sicherheitsgründen eine europäische Streitmacht, vielleicht zunächst eine deutsch-französische, vielleicht für einen festzulegenden Zeitraum zunächst eine solche unter einer französischen Führung).

  • sind sie die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt und in der Lage, ihren Interessen widersprechende wirtschaftliche Maßnahmen nach Belieben zu sanktionieren, wie z. B. deutsche Firmen, die sich am Bau der  „Gas-Pipeline Nord Stream 2“ beteiligen.
  • beherrschen sie die Finanzmärkte,
  • beherrschen sie die digitale Welt und das Internet,
  • beherrschen sie das westliche Kulturwesen über ihre Medien und die englische Sprache

(So haben sie einst nach dem Kriege die englische Sprache in den damaligen europäischen Institutionen als Leitsprache durchgesetzt, obwohl sie ihnen selber organisatorisch gar nicht angehörten und deutsch, die Sprache der damaligen Verlierer, die verbreitetste Muttersprache in Europa war).

  • beherrschen sie den wissenschaftlichen Fortschritt (besonders leistungsfähige Wissenschaftler werden gekauft, bzw. deren Arbeitsergebnisse vermarktet).

Die USA werden alles dafür tun, um die wichtigste Ordnungsmacht der Welt zu bleiben. Zwar werden sie ihre zukünftige Aufmerksamkeit verstärkt dem pazifischen Raum zuwenden, da Europa für sie keine Bedrohung darstellt. Einst schuf Franklin D. Roosevelt die amerikanische Dominanz in der bestehenden Weltordnung. Durch die Teilnahme am 1. Weltkrieg hatte sich das Kapital seine weltwirtschaftliche Stellung durch seine Verlagerung in die USA gesichert. Hier war es vor den europäischen Querelen sicher und konnte sich zur alles bestimmenden Zivilisationskraft entfalten. Repräsentiert von einer kleinen Oberschicht treibt es uns über sein Wachstumsdiktat in unsere unbekannte Zukunft.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben nach dem Krieg (1945) vier Phasen durchlaufen:

  • In den ersten beiden Jahrzehnten wurde innerhalb der Ost-West-Konfrontation (Kalter Krieg) die deutsche Westbindung festgelegt. Die Bundesrepublik war politisch von den USA vollständig abhängig.
  • Seit der zweiten Hälfte der 60iger Jahre entstanden wegen dem Vietnam-Krieg erste Distanzierungen. Den USA wurden zunehmend imperiale Interessen zugesprochen.
  • Seit der Wiedervereinigung begann eine schrittweise Lockerung der Bindungen,             ohne sie zu lösen.
  • Zurzeit besteht gegenüber den USA als Verbündeter durch Trump eine starke Skepsis. Er hatte sich zu stark als Großmachtvertreter nationalistisch verhalten.

Durch die G7 und die Nato besteht aber eine weitere Zusammenarbeit.

Für die zukünftige europäische Entwicklung wird die deutsch-französische Zusammenarbeit entscheidend sein. Deutschland befindet sich in der Mitte Europas und beeinflusst allein schon durch seine geografische Lage seine Nachbarstaaten. Zudem ist es wirtschaftlich relativ stark. Zwar ist es durch seinen umfangreichen Außenhandel global von der Entwicklung der Weltwirtschaft abhängig, doch konnte es bisher dortige Krisen relativ gut wegstecken. Frankreich ist ein stolzer, kulturbewusster Nationalstaat, in dem sich durch den Zuzug aus seinen ehemaligen Kolonien an den Stadträndern starke moslemische Parallelgesellschaften gebildet haben. Es besitzt als einziger europäischer Staat Atomwaffen. Eine binationale Vereinigung, unter Wahrung der jeweiligen kulturellen Eigenarten, würde die politische Stellung beider Länder in der Welt erheblich stärken. Dafür sollten beide versuchen, mögliche bestehende Gräben zuzuschütten und möglichst viele gemeinsame Verbindungen herzustellen. Günstig wäre eine gegenseitige Förderung der Sprache des jeweils anderen. Bis 1915 hatte an den französischen Gymnasien noch 60 % der dortigen Schüler Deutsch als erste Fremdsprache gewählt. In der Fremdenlegion war Deutsch die meistgesprochene Sprache gewesen. Für eine nationale Verbindung sollte Deutsch dort auch von allen gelernt werden, während in Deutschland an allen Schulen Französisch als erste Fremdsprache unterrichtet werden sollte. Nach einer Studie der Investmentbank Natixis soll Französisch bis 2050 durch die Geburtenraten der französisch sprechenden Völker in Afrika zur meistgesprochenen Weltsprache werden (vor Mandarin und Englisch, man geht von ca. 750 Mio. Menschen aus). Für den Anfang einer zukünftigen Vereinigung wäre eine gemeinsame deutsch-französische Olympiamannschaft ein großartiges Symbol.