Ontologie

Ontologie

In der Antike war die Metaphysik die philosophische Grundwissenschaft, die in verschiedene Lehrbereiche aufgeteilt wurde. Die Ontologie war darunter die „Lehre vom Seienden“. Sie bezog alle Phänomene der Welt auf den Menschen. Der Mensch wurde hier zum Endzweck jeder Weltordnung. Das zeitlos Allgemeine als das wahre Sein war ein Sein höherer Ordnung, war ein Reich der Vollkommenheit, das über die Abstraktion verselbständigt wurde. Bereits Kant sprach ihrem spekulativ-konstruktiven Denken jede Wirklichkeitskenntnis ab. Die Philosophie konzentrierte sich danach vorwiegend auf die Erkenntnisprinzipien und die Methoden der Einzelwissenschaften. Nach der Abkehr vom Neukantianismus bemühte man sich wieder, alle Wissenschaften auf eine gemeinsame Basis zu bringen und mit den Bemühungen der „Lebensreformbewegung“, um eine ganzheitliche Betrachtung der Wirklichkeit.

In einer neuen Ontologie entwickelte Nicolai Hartmann deshalb eine streng gegenständliche Seinsphilosophie und Matin Heidegger seine Fundamentalontologie. Man erweiterte den Realitätsbegriff, indem man dem Geist eine volle Realität, ein autonomes Sein zusprach und seine Beziehungen zum Sein der übrigen Welt darzustellen versuchte.

Hartmann, Nicolai (1882 – 1950):
Für Hartmann waren die Seinskategorien wichtiger als die Erkenntniskategorien. Er versuchte das Ansichseiende zu erfassen. Für ihn baute sich die Erscheinungswelt in verschiedenen Seinsschichten auf (anorganische, organische, geistige), die aufeinander aufbauten. Die Grundformen des Seins seien unerkennbar. Über ein Problemdenken gelange man zu einem Systemdenken, zur Ontologie. Man könne der Welteinheit keine „Idee“ (z.B. „Gott“) unterstellen.

Jede Erkenntnis behalte einen „Überschuss“ an nicht Erkennbarem. Es existiere eine von der subjektiven Wahrnehmung unabhängige Realität. Erkenntnisse beschränkten sich auf die im Bewusstsein eines Subjekts abgebildeten Objekte. Jede Erkenntnistheorie müsse auf metaphysische Voraussetzungen bauen. Erkennen sei sein „gedankliches Erzeugen“, das in drei Phasen ablaufe: Eine

  • Phänomenologie der Erkenntnis:
  • Analyse der gegebene Phänomene:
  • Rechtfertigung der phänomenologischen Betrachtung:

Zu den nicht restlos zu klärenden Fragen gehöre auch die nach der Stellung des Menschen in einer kausal determinierten Welt. Die Wirklichkeit sei in allem Seienden.

Es sei

Eine dialektische Gegenüberstellung von „Sein“ und „Nichts“ lehnt Hartmann deshalb ab und damit auch Heideggers Frage nach dem „Sinn des Seins“. Das Seiende sei nicht subjektbezogen, d.h. es sei unabhängig vom Subjekt. Es habe untrennbar miteinander verbunden ein Dasein und ein Sosein.

Aufbauend auf eine allgemeine Seinsanalyse entwickelte Hartmann eine allgemeine Kategorienlehre, in der er ein ideales und ein reales Sein unterschied und diese in aufsteigenden Schichten unterteilte (z.B. das reale Sein räumlich in das Unorganische und das Leben und das nicht-räumliche in die Seele und den Geist). Das ideale Seiende sei zeitlos und unveränderlich, reales Seiende zeitlich und konkret. Jede Schicht baue auf der nächsten auf. Für jede gelten Fundamentalkate- gorien, die aus Gegensatzpaaren und spezifische Kategorien bestehen. Diese Kategorien folgen Gesetzmäßigkeiten, an denen man die Fehler vieler Weltanschauungen erkennen könne.

In seiner Ethik versuchte Hartmann das „Gute“ zur Entfaltung kommen zu lassen und eine „materielle Wertethik“ zu entwerfen. Die Werte haben danach die Seinsweise eines „idealen Seins“. Sie seien nicht nur rational, sondern hätten auch eine intuitive Komponente. Für ihn war das Glück nicht der höchste Wert. Es gäbe dies auch ohne eine sittliche Grundlage. In seiner Ethik unterschied er

  • bei den sittlichen Werten:
    • Grundwerte
    • spezielle Werte, die im Laufe der Zeit verschieden betont wurden
  • bei den außermoralischen Werten: z.B.
    • personale Werte,
    • Güterwerte,
    • ästhetische Werte.

Die Willensfreiheit hinsichtlich der Werte beruhe auf rationalen Entscheidungen, werde aber von äußeren und inneren Gegebenheiten beeinträchtigt. Werte bedingten ein „Seinsollen“. Sie seien deshalb unabhängig vom Subjekt. Die Verantwortung des Einzelnen bestehe in den Möglichkeiten sie zu realisieren.

Durch die Existenzphilosophie und die analytische Philosophie wurden Hartmanns Gedanken im Bewusstsein der Öffentlichkeit bald wenig beachtet, doch bergen sie für den Bereich der Ontologie und die psychischen Prozesse in den Bewusstseinsphänomenen auch heute noch fruchtbare Ansätze.

Heidegger, Martin (1889 – 1976):
Heidegger entwarf über die Frage nach dem Sinn von Sein eine „Fundamentalontologie“. Die menschliche Existenz verwirkliche sich im „Dasein“, nachdem sie sich in ihrer „Geworfenheit“ vorfinde. Im „In-der-Welt-sein“ begegne einem das Leben als „Vorhandenes“ und theoretisches „Zuhandenes“. Der Mensch sei ein in der Welt seiendes Wesen (gebunden an seinen Tod, seine Mitmenschen, die Umwelt und den Kosmos).

Heideggers Grundfrage war, weshalb Seiendes überhaupt sei (und nicht Nichts). Als Grunderfahrung nannte er dafür die Angst als Befindlichkeit für das „In-der-Welt-sein“ geworfen sein. Sie zeige dem Menschen seine Existenz im Dasein. Sein Verhalten sei deshalb a priori von der Sorge bestimmt. Zum Dasein gehöre am Ende der Tod. „Das Dasein ist ein Sein zum Tod“.

Für Heidegger brachte „das Denken …. in seinem Sagen das ungesprochene Wort des Seins zur Sprache“ Das Denken sei ein „Ereignis des Seins“. Es bringe das Verborgene ans Licht.

Unser Zeitalter verwirkliche sich über die Technik (über das Gestell). In ihr verberge sich das Sein. Eine Gefahr bestehe darin, dass alles Seiende nur als Material verstanden wird und die anderen Weisen des Seins vergessen werden.

Heidegger schuf in seinem Werk eine eigene Terminologie, die zunächst einem das Lesen erschwert: u.a.

  • Dasein
  • Existenz
  • Existenzialien
  • Besorgung
  • Eigentlichkeit
  • Uneigentlichkeit
  • In-der-Welt-sein
  • Zeug
  • Mitsein
  • Fürsorge
  • Verfallenheit an das Man
  • Befindlichkeit
  • Geworfenheit
  • Rede
  • Sorge
  • Angst
  • Gewissen
  • Zeitlichkeit
  • Kehre
  • Lichtung des Seins
  • Unverborgenheit
  • Sprache
  • Technik
  • Gestell
  • Bestand
  • Man

Heidegger war einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jhs.. Einerseits als charismatische Persönlichkeit hochverehrt, andererseits wegen seiner „inhaltsleeren Terminologie“ und seiner Metaphysik heftig abgelehnt. Er habe die Voraussetzungen für einen neuen Irrationalismus geschaffen. Durch seine mystifizierende Sprache versuche er den Eindruck einer gedanklichen Tiefe zu erwecken. Er beeinflusste unmittelbar das Werk von Sartre, Gadamer und Foucault und wurde vom „Wienern Kreis“ und der „Frankfurter Schule“ abgelehnt. Carnap nannte Heideggers metaphysische Begriffe sinnlos und Adorno warf ihm vor, er stelle Geschichtliches ins Ungeschichtliche. Eine besonders starke Ablehnung erfuhr sein Spätwerk. Er deute die von ihm geliebten Autoren in seinem Sinne um (z.B. Hölderlin) und verenge in seinen seinsgeschichtlichen Interpretationen die Werke anderer Philosophen perspektivisch und einseitig.