Suche nach einer neuen Ethik (Orientierung auf dem Weg zu einer 4. Evolutionsstufe)

Als biologische Existenz ist der Mensch ein Teil der Natur, in seiner Evolution aus ihr hervorgegangen und auf sie hin programmiert. Seine Wahrnehmungsantennen sind auf sie hin abgestimmt. Das bedeutet, dass sie seine Reizwelt darstellt, auf die hin sein Nervensystem ausgerichtet ist und damit seine Botenstoff-, seine Transmittergleichgewichte. Das bedeutet, dass wenn der Mensch aus dieser seiner biologischen, auf ihn ausgerichteten Reizwelt nicht genügend Reize erhält, sein Transmitterhaushalt aus seinem natürlichen Gleichgewicht gerät und er deshalb psychisch krank wird. Wahrscheinlich dürfte dies für mehr oder weniger die meisten von uns zutreffen und hier wahrscheinlich die Ursache für den positiven Effekt von Naturspaziergängen oder dem sogenannten Waldbaden liegen. Geraten wir psychisch aus unseren Transmittergleichgewichten, werden wir oft nicht nur psychisch krank, sondern es gerät auch unsere Beziehung zur Sozialität, zur Gemeinschaft in Gefahr.

Als ein instinktreduziertes Wesen ist der Mensch existentiell auf zusätzliche Orientierungshilfen angewiesen. Zunächst hilft ihm dabei seine biologische Fortpflanzungsprogrammierung, die sich bei ihm als Säuger

  • bei den Männern in ihrem Statusgebaren und
  • bei den Frauen in ihrem Gefallenwollen

äußern. Beide Verhaltensweisen sind inzwischen kulturell abgewandelt, überhöht und haben ihre Ausdrucksweisen einerseits im Kapitalismus, den verschiedenen Statusinhalten, dem Sport und andererseits bei den Moden und dem sich Herausputzen gefunden. Danach bejaht er alles, was seine Serotonin-, Dopamin-, Oxytocin- und Endorphin-Ausschüttungen positiv beeinflusst. Hier sind es besonders seine Versuche, seinen grenzenlosen Individualismus auszuleben, der bei den Anforderungen unseres Lebensstandards wahrscheinlich immer zu Lasten der Natur geht. Als Drittes sind es seine

  • menschlichen Denkgrenzen,

die sich vorwiegend an kausalen Abfolgen in seiner weitgehend komplexen Umwelt orientieren, ihr dadurch nicht gerecht werden und sie dadurch, bei seiner Massenvermehrung, zunehmend zerstören.

In seinen Anfängen hat der Mensch sich wahrscheinlich weitgehend an seine Naturbeobachtungen gehalten. In einem zweiten Schritt hat er dann für Dinge, für die er keine Erklärungen finden konnte, Mythen geschaffen, die er in Prozessen sozialer Sinnsuche in seinen Erziehungs- und Reifeprozessen als Setzungen verinnerlichte und danach als unumstößliche Wahrheiten, Werte empfand. Sie sind genau genommen, da kulturabhängig, relativ beliebig austauschbar.

Unsere gesamte Existenz wird von Setzungen bestimmt, die in uns verinnerlicht, unsere gesamte Orientierung, unser gesamtes Dasein bestimmen. Dies erfolgt auf mehreren Ebenen:

  • der Ebene unseres körperlichen Erhalts

(unserer Flüssigkeits-, Energie- und weiteren chemischen Stoffzufuhr. Diese Ebene ist noch weitgehend archaisch. Hinter dem körperlichen Selbsterhalt stehen die von allen Kulturen als Werte anerkannten Vorstellungen vom „Guten, Schönen und Wahren“.

Auf die reale Umwelt bezogen bedeutet das

    • Gute: Freund oder Feind, essbar oder nicht essbar,
    • Schöne: das Auslösen positiver Transmitter, das Wecken positiver Glücksgefühle,
    • Wahre: die Übereinstimmung mit den verinnerlichten Orientierungssetzungen).
  • unserer Fortpflanzungsebene

(Auch sie wird noch weitgehend von den biologischen Triebkräften eines Säugers beherrscht. Über diese Ebene haben sich bereits weitgehend kulturelle Vorgaben gelegt).

  • unserer sozialen Ebene

(der Ebene unserer kulturellen Setzungen (Werte). Verinnerlicht stellen sie unsere „Wahrheiten“ dar. Manchmal staunt man, auf welcher unhinterfragter Basis sogar manche hochintellektuelle, wissenschaftliche Gedankengebäude gebaut sind. Wir alle können aber nicht anders. Alle unsere religiösen und wissenschaftlichen Aussagen sind nur zeitabhängige Orientierungsmodelle, – das eine Mal mehr emotional bestimmt, das andere Mal mehr rationalen, kausalen Logiksystemen folgend. So sind auch alle unsere Menschenrechte und alle unsere Theorien zum Quanten- oder dem Relativitätsdasein nur zeitabhängige Orientierungsaussagen. Alle unsere Werte folgen diesen Hintergründen und stellen reine soziale Setzungen dar, unabhängig davon, mit welchem großen philosophischen oder wissenschaftlichen Überbau sie begründet wurden).

Verinnerlicht halten wir z. B. unsere Individual- und Freiheitsrechte für unsere unumstößlichen Grundrechte, halten unsere Demokratievorstellungen für die idealen, sozialen Organisationsformen. Doch handelt es sich bei ihnen nur um zeitabhängige Setzungen, und wir sollten ihre langfristige Tragfähigkeit bei der sich abzeichnenden Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) ernsthaft überdenken und sie in Hinblick auf eine langfristige Arterhaltung des Homo sapiens selber einschränken.

Je weiter sich der Mensch von der Natur entfernt, umso stärker werden seine Setzungen von neurotischen oder machtorientierten sozialen Vorgaben bestimmt. Rational klingen sie zwar oft human, doch sind sie in der Realität, da naturfern, selbstzerstörerisch. Wir besitzen keine wirkliche Vorstellung von der psychischen Gesundheit eines Menschen, bzw. der Bandbreite, in der man sie noch als gesund tolerieren kann. Durch unsere kulturell bedingte Entfremdung von der Natur ist der natürliche Stoffwechsel unserer Botenstoffe aus seinen Gleichgewichten geraten und wir dadurch wahrscheinlich alle mehr oder weniger psychisch krank. Wir besitzen keine echten Maßstäbe, inwieweit man Abweichungen von der biologischen Norm noch als gesund tolerieren kann, bzw. muss. Mit Sicherheit dürfte eine Ablehnung des Kannibalismus allgemein sozial akzeptiert werden, obwohl Personen ihn in Einzelfällen bejahen und tätigen. Kant hat einmal den Maßstab gesetzt, dass man anderen etwas nicht antun soll, dass man selber an sich nicht erleiden will.

Grob vereinfacht besitzen wir drei große Orientierungsebenen:

  • zunächst die emotional-religiöse:

Sie ist die älteste und basiert vorrangig auf Anmutungen und Mythen. Kennzeichnend für viele Gläubige ist, dass sie für sich eine wissenschaftliche Realität völlig ausblenden und z. B. den Text der Bibel für das niedergeschriebene Wort Gottes halten. Sie erziehen ihre Kinder in einer Welt von gestern und blenden ihnen gegenüber die digitale Zukunft völlig aus. Sie meinen es gut mit ihnen. Doch müssen sie sie irgendwann auf ihrem Weg in ihre unbekannte Zukunft alleine lassen. Mit ihnen erscheint heute ein tragfähiger Zukunftskonsens kaum möglich. Oft ist ihr Verhalten auch von einer großen Heuchelei umgeben, erkennbar z. B. an der brutalen Tierhaltung in unserer Landwirtschaft oder den niedrigen Löhnen und der Leiharbeit  (moderne Sklavenhaltung) in unserer Wirtschaft.

  • danach kommen die sozialen:

Hervorgegangen aus dem sozialen Angewiesensein des Menschen auf ein Miteinander. Er ist anders gar nicht existenzfähig. Über die Familie, die Sippe, die Stammesgemeinschaft endete sie im Nationalen und dann dort an den daran kulturell aufgehängten Werten.

  • Heute sind es primär wissenschaftliche Orientierungsvorgaben.

Hervorgegangen sind sie aus der rational-kausalen Denkweise des Menschen. Er versucht so über seinen anthropogenen Logiksystemen in Form von Orientierungsmodellen die Welt zu verstehen.

Der moderne Mensch stückelt sich heute als Individuum, je nach seiner frühen Prägung, mit unterschiedlicher Gewichtung seine Orientierungswelt aus diesen drei Orientierungsebenen in der Regel selber zusammen. Innerhalb von Gemeinschaften ist es deshalb oft schwer, ihn zu einer gemeinsamen Haltung zu bewegen. Über seine Prägungen sucht er sich seinen Lebenssinn. In wenigen Jahren wird er vor der Situation stehen, dass er mit der Hilfe von Algorithmen, angelehnt an seine Werte (hoffentlich einem Wertekonsens) die neu entstehende KI anthropogen so anstößt, dass sie sich menschfreundlich entwickeln wird.

Orientierungsmodelle können vorrangig emotional oder rational, eng oder entgegenkommend angelegt sein, was jeweils zu einem großzügigen oder fanatischem Verhalten führen kann. Da diese Grundprägungen in den einzelnen Menschen tief angelegt sind, kann man sie nicht schnell ändern, und man muss sich nicht wundern, wenn die Gegenüber bestimmte religiöse, wissenschaftliche, körperliche oder sexuelle Erscheinungen ablehnen. Bei Begegnungen wird dieser Umstand oft höflich nicht angesprochen, man muss sich aber nicht wundern, wenn z. B. ein stark gepiercter oder tätowierter Mensch von einem Arbeitgeber z. B. nicht eingestellt wird. Die Toleranzschwelle ist bei jedem und bezogen auf jeden Bezugspunkt verschieden ausgeprägt. Man kann sie zwar einfordern, aber die individuellen oder sozialen Orientierungsbezüge in ihrer Beziehung zu einem selbst nicht abstellen. Schwierig wird es, wenn sie in Fanatismus oder einer blindwütigen Begeisterung einmünden. Dann sind soziale Forderungen, die in ihrem Ansatz auf einen Konsens zielen, ergebnislos. Dies gilt besonders bei Neurotikern. Wie will man z. B. einem Grabbesitzer seine geistige Enge ausreden, der einen Beschwerdebrief an das Friedhofsamt schreibt, weil gelegentlich welke Rosenblätter vom Nachbargrab auf das seine fallen. Wie einem psychisch Kranken, dessen Frau ihn wegen seinen ständigen Übergriffen verlassen hat, der ihr daraufhin den Sohn raubte und der danach seinen einzigen Existenzsinn darin sah, sie in den Erinnerungen des Kindes auszulöschen. Wie eng muss seine geistige Welt gewesen sein?

Wir unterschätzen in der Regel die Bedeutung von Orientierungssystemen und deren prägende Einwirkung auf uns. Wir müssen ihre und danach unsere verschiedene Ausrichtung akzeptieren. Sie sind der Kern unserer genetischen, aber kulturell überlagerter Anlagen. Selbst wenn wir es wollen würden, könnten wir sie selbst bei deren großzügigen Auslegungen nur in einem kleinen Spielraum leben. So kann man kaum erwarten, dass z. B. ein stiller Introvertierter von einem lauten Ballermannbegeisterten emotional angesprochen werden kann. Das Problem in Bezug auf die angesprochenen Beispiele ist, dass es Millionen ähnlicher Menschen auf der Erde gibt, und es unwahrscheinlich ist, dass sie alle eines Tages einem rational sinnvollen Verhaltensaufruf folgen würden.

Alle unsere Werte sind nicht rational. Sie haben alle einen anthropozentrischen Hintergrund und sind alle Bezugsinhalte philosophischer Systeme, die das menschliche Verhalten, Handeln im Zentrum ihrer Überlegungen haben. Sie sind verinnerlichte Orientierungs-vorgaben und zugleich soziale Kontrollinstanzen. Ihre Resonanz finden sie in der positiven oder negativen Bestätigung durch ein Gegenüber. Damit sind sie ein entscheidendes Kriterium der Selbstfindung und darüber hinaus der Selbstverwirklichung. Philosophisch sind sie der zentrale Inhalt der Ethik, der „praktischen Philosophie“. Ihre Behauptungen entziehen sich letztlich rationalen Begründungen. Genau genommen stehen sie bei den Individuen für deren psychische Unfreiheit in ihrem freiheitsbezogenen Handeln. Sie können sich ihnen nicht entziehen. Ihre Werte sind bei ihnen zutiefst emotional angelegt. Erst in einem zweiten Schritt folgen sie rationalen, pragmatischen oder sozialen Überlegungen. In ihrem Zentrum stehen die Werte in einer Beziehung

  • zur „Lust“ = Hedonismus (so z. B. Epikur),
  • zum „Glück“  = Eudaimonismus (so z. B. bei Aristoteles),
  • zur „Nützlichkeit“ = Utilitarismus (so z. B. Hobbes, Mill).

Zurzeit erleben wir durch die technischen Veränderungen und die gesellschaftlichen Interessen in unserer Zivilisation einen starken Wertewandel. Allerdings bezieht er sich nicht auf den Verzicht von Freiheitsrechten, unseren Konsum und die Perspektive unserer individuellen Selbstverwirklichung. Aber damit auch nicht auf die Notwendigkeiten unseres zukünftigen Handelns. Diesem Verhalten stehen verschiedenen Kulturen, Machtinteressen und persönliche Glücksansprüche im Wege. Eine entscheidende Lenkungsfunktion käme dabei unseren Medien zu, doch befinden sich diese weitgehend in der Abhängigkeit von Interessengruppen.

Viele unserer Werte haben einen sakralen Hintergrund. Etwa zur gleichen Zeit der Menschheitsgeschichte entstanden in drei Weltreligionen dazu entscheidende philosophische Ansätze,

  • im Abendland durch die griechischen Philosophen,
  • in Indien durch Buddha,
  • in China durch Konfuzius.

Sie bestimmen noch heute das Denken der Menschen in diesen Regionen. Und wahrscheinlich wird die menschliche Zukunft über das Ringen des westlichen und des östlichen Denkens entschieden, einem individualistischen und einem gemeinschaftlich orientierten Denken. Wobei vieles dafür spricht, dass das östliche für eine positive Zukunft der Menschheit entscheidend sein wird, da der Mensch als Person zunächst ein Gemeinschaftswesen ist und die Zukunftsprobleme nur gemeinschaftlich gelöst werden können. In der westlichen Welt führte die Personalisierung der Schuld vor Gott durch den Protestantismus zum Hintergrund unseres heutigen Individualismus. Mit dem historischen Verlust der Religion als normgebende Institution für das Zusammenleben der Menschen, erhielt die Philosophie als orientierungsgebende Institution eine neue Bedeutung. In der Aufklärung entwarf sie ein umfassendes Gebäude der Menschenrechte, die dann zur Grundlage unserer Verfassungen, Rechtssysteme, unseres Denkens und unserer individuellen Ansprüche wurden. Es waren dann letztere, die mit dem Anwachsen der Bevölkerungszahlen und damit der Vielzahl der verschiedenen persönlichen Interessen im Westen Gemeinschaftskulturen fast unmöglich machten.

Heute haben wir in der westlichen Welt drei große geistige säkulare Strömungen:

  • Liberale mit der Betonung von Freiheit und Fortschritt. Soziale Regulierungen werden weitgehend abgelehnt.
  • Konservative mit der Betonung von Ordnung, Sicherheit und Patriotismus. Man orientiert sich stark an überkommenen Werten.
  • Soziale mit der Betonung von Gerechtigkeit, Gleichheit und Wohlfahrt.

Es gibt keine Partei, in denen sie rein vertreten werden. In allen befinden sich Vertreter der verschiedenen politischen Haltungen, die dort mit Hilfe von Gesprächen, Netzwerken und Intrigen um Einfluss ringen.

Für uns im Westen sind die Menschenrechte (Grundrechte) die entscheidenden Orientierungswerte. Sie gelten in unserer Kultur als unumstößliche Naturrechte, aus denen heraus sich das Wesen der Menschen gründet. Seit der griechischen Philosophie haben sie über die Stoa, das Christentum, die Aufklärung bis hin zu Kant unser Denken und über ihre Aufnahme in die historischen Verfassungen der USA (1776) und Frankreichs (1789) unsere Rechtssysteme bestimmt. Die bekanntesten Werte für uns sind die Losungsworte der französischen Revolution Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit (Liberté, Egalité, Fraternité), die in Deutschland oft durch die Worte „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“ ersetzt werden.

Freiheit: Wir verstehen darunter in der Regel die uneingeschränkte Möglichkeit des

Auslebens unserer Individualität und unserer unbegrenzten Mobilität. Mit ihrer Betonung beginnt der Artikel 1 der UN-Erklärung (1948). Biologisch ist sie ein Ergebnis unserer fehlenden Bindung an Instinkte. In unserer Gesellschaft ist sie zum wichtigsten Wert des Kapitalismus geworden, der Freiheit die Natur und den Schwächeren auszubeuten. Der freie Mensch der westlichen Ideologie ist der rationale Egoist, der rücksichtslose Hedonist, der nur seinem persönlichen Glücksstreben folgt. Wir alle verändern mit unseren Freiheiten negativ unsere Welt, wissen dies auch, können aber sozial durch unseren grenzenlosen Individualismus nichts dagegen tun. Wir führen ein ausgelassenes Leben der Freiheit auf dem Hintergrund einer uns ständig manipulierenden Unfreiheit. Die Pflicht von ihr keinen Gebrauch zu machen, ist uns weitgehend fremd. Über unsere Freiheitsbedürfnisse leben wir kulturell weitgehend unsere Statusbedürfnisse aus, und indem wir deren Möglichkeiten ausreizen, sind wir dabei, uns selber evolutionär auszuschalten. Ihren ausufernden Möglichkeiten steht die Forderung nach mehr Verantwortung für unser Handeln gegenüber, nach einer gesellschaftlichen Kontrolle unserer Freiheiten. Die Möglichkeiten einer verstärkten zukünftigen Datenkontrolle werden uns wahrscheinlich einen Weg dafür aufzeigen können. In den asiatischen Staaten stehen unseren Individualrechten deren Gemeinschaftsrechten gegenüber und damit auch deren einzuhaltenden Pflichten.

Gleichheit: Über diese Forderung wird ein zentrales Kennzeichen der Evolution ideologisch

ausgehebelt. Auch der Minderbegabte hat nach ihr das Recht das Abitur zu erhalten. Und wenn die Leistungen nicht ausreichen, dann müssen halt die Anforderungen gesenkt werden. Unser Problem bei dieser Haltung ist nur, dass andere Gesellschaften dieser Logik nicht folgen, wir aber mit ihnen global in einem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb stehen. Jeder weiß, dass wir Menschen genetisch verschieden sind, und es zumindest keine biologische Gleichheit gibt, das jeder physisch, psychisch und geistig verschiedene Stärken besitzt. Wohl können wir von einer Gleichwertigkeit aller Menschen ausgehen, die ist aber keine biologische Gegebenheit, sondern allein eine anthropogene Setzung, allein eine humanitäre Wertzuschreibung. Einst war sie eine zentrale Forderung der Arbeiterbewegung, die über dieses Schlagwort eine Verbesserung ihrer Lebensumstände einforderte. Durch den Wegfall ihres Einflusses auf ihre Arbeitsmöglichkeiten und einer durchschnittlichen Sicherung ihrer Existenzvoraussetzungen verlagerte sich die Gleichheitsforderung auf die der Geschlechter und über die Inklusion auf die aller Menschen an sich. Diese Verallgemeinerung führte von der evolutionär angelegten biologischen Ungleichheit zu dem Gedanken einer ideologisch angelegten kulturellen Gleichheit. Die ehemals sozialistischen linken Parteien mutierten zu sozialen Gleichheitsparteien (in Dt.: SPD, Grüne, Linke). Ihr Problem ist nur, dass sie über diesen kulturellen Gleichheitsschritt den Hintergrund, die Basis für den nächsten zivilisatorischen Evolutionsschritt, den zum Cyborg, der Überflüssigkeit des evolutionären, archaischen Menschen schaffen. Sein Weg innerhalb seiner in Jahrmillionen angelegten biologischen Evolution gab ihm in seiner Existenz eine gewisse Sicherheit. In einer fortgeschrittenen zivilisatorischen Evolution wird er mit seinen genetischen Fehlerbindungen, die einst Ergebnisse seiner biologischen Evolution waren, nur noch überflüssig sein. Die Überwindung der Ungleichheit über eine ideologische Gleichheit, z. B. über den Feminismus, wird den Weg für eine Evolution ohne den Menschen bereiten. Mit den Cyborgs und der KI am Horizont zeichnet sich bereits deren Beginn ab. Über die heutige Ideologisierung der Gleichheit wurde sie für viele Menschen (besonders jüngere) in unserer inhaltsleeren Überflussgesellschaft zu deren entscheidenden Orientierungswert und dadurch der  Kampf für sie zu ihrem wichtigsten Lebensinhalt.

Brüderlichkeit: Ihr Gedanke stammt aus der Stoa und wurde später vom Christentum

übernommen. Hier verstand man darunter deren Einswerden untereinander, dem Aufheben der trennenden Grenzen unter den Gläubigen. Gelebt wurde sie als Forderung der Nächstenliebe. In der französischen Revolution war sie eine der drei Kampfparolen und in der säkularen Arbeiterbewegung wurde sie zur Forderung der Solidarität. In der Menschenrechtserklärung der UN heißt es

„Alle Menschen ….. sollen sich zueinander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“.

Auf unsere heutige Welt bezogen, vertritt der Gedanke die Kernforderung des Pazifismus, den Gedanken einer weltweiten Freundschaft unter den Menschen. (Ideologisiert hat der Feminismus den Begriff durch den der „Schwesterlichkeit“, „Frauensolidarität“ ersetzt).

In der späteren Arbeiterbewegung wurde die Forderung nach Gleichheit durch den der

 „Gerechtigkeit“ und der nach Brüderlichkeit durch den der Solidarität ersetzt.

Gerechtigkeit: Sie gilt als ein Ausdruck der Fairness und der Unparteilichkeit. Damit ist sie

ein allgemeiner Maßstab für das menschliche Verhalten. Bei Platon vereinigten sich in ihr alle Tugenden. Sie war für ihn eine innere Einstellung, eine Kardinaltugend. In der Renaissance wurde die später allein auf das Göttliche bezogene Größe durch das Naturrecht ersetzt. Nach Kant handelt derjenige gerecht, der sein Handeln zu einem allgemeinen Gesetz erheben könne. Heute wird sie verstärkt gesellschaftlich als eine Grundnorm des menschlichen Zusammenlebens gesehen. Damit wird sie zu einer politischen Aufgabe, da in unserer Gesellschaft starke Gerechtigkeitsdefizite bestehen:

  • als normativer Begriff ist sie mit dem Sollen verbunden,
  • als Gebot der Sittlichkeit mit der Verantwortung.

Sie beinhaltet

  • eine Gleichheit vor dem Recht, dem Gesetz (so die Forderung der Französischen Revolution),
  • die soziale Gerechtigkeit (Gleichheit der Lebensverhältnisse; politisch betrifft sie besonders die sozialen Sicherungssysteme).

John Rawls (1921 – 2002) stellte für sie zwei Gerechtigkeitsgrundsätze auf:

  • alle Menschen haben das gleiche Recht auf Freiheit und Partizipation (Teilhabe),
  • alle Menschen müssen die gleichen Chancen haben. Für die weniger Begünstigten sollen dafür optimale Voraussetzungen geschaffen werden.

Seine Kritiker werfen ihm vor, dass

  • seine Sicht die Autonomie der Individuen infrage stellt (Robert Nozick),
  • eine gerechte Gesellschaft keine Zwangsregeln sondern einen Gerechtigkeitsethos benötige (Gerald Cohen),
  • es kein „einheitliches Ensemble“ von Prinzipien für die Definition einer Gleichheit gebe (Amartya Sen),
  • der Gerechtigkeitsgedanke die Voraussetzung einer gesellschaftlichen Koexistenz sei. Entscheidend dafür sei die Definition eines Handlungszweckes, bzw. eines Inhalts (Michael Sandel).

Der Gerechtigkeitsgedanke kann sich auf die Arbeit, gegenüber Handlungen, auf soziale Regeln oder auf die Beziehungen zwischen Menschen oder in der Gesellschaft beziehen. Besondere Probleme stellen dar

  • die Gerechtigkeit bei verschiedenen Leistungen,
  • zählen der Aufwand oder die Mühe,
  • die engen Grenzen der Nationalstaaten in einer global orientierten Wirtschaft.

Solidarität: Sie baut auf dem Gemeinschaftsgedanken. Nach dem römischen Recht war sie eine

besondere Form der Haftung (jeder für die Gesamtschuld). Im Christentum wurde sie dann zu einer Grundforderung des Gemeinwohls. Im 19. Jh. entwickelte sie die Arbeiterbewegung über den Kollektivgedanken zu einem Prinzip gegenseitiger Absicherung. So wurden u. a. Formen gegenseitiger Absicherung entwickelt (besonders bei Krankheit, Unfall, Altersvorsorge und Arbeitslosigkeit. Bismarck führte, um die damalige Sozialdemokratie zu schwächen, deshalb die Sozialversicherungen ein). Sie baut auf dem Engagement des Einzelnen. Auf ihren Gedanken baut der Sozialstaat. Liberale Gegengruppen führen gegen sie die Eigenverantwortung der Menschen an. Entscheidend für sie ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl, der Zusammenhalt bei gemeinsamen Interessen. Durch den zunehmenden Zerfall unserer Gesellschaft steht sie weitgehend im Widerspruch zu unserem gelebten Individualismus, durch den sich viele unserer Lebensbereiche der sozialen Kontrolle entziehen.

Keine Gesellschaft kann ohne Werte bestehen, da sie auf sie für ihre Orientierung angewiesen ist. Dabei sind sie nur willkürliche anthropogene Setzungen, die anthropozentrisch ausgerichtet, in der Neuzeit in der westlichen Kultur das Individuum in den Mittelpunkt ihrer ethischen Überlegungen gestellt haben. Wie tief sie in den Menschen verankert sein können, kann man an den Umständen erkennen, dass diese bei deren Verletzung bereit waren, für sie zu morden, sich in Kriege hetzen zu lassen oder wenn es nicht anders ging, sie abgewandelt in die eigene Orientierungswelt  integrierten, wie es z.B. das Christentum mit den Gedanken Platons (u. a. seiner Seelenlehre) oder mit den römischen und germanischen Hauptfeiertagen (Weihnachten, Ostern, Pfingsten) gemacht hat, weil man sie bei der Bevölkerung nicht verdrängen konnte, indem man ihnen einen anderen, jetzt christlichen Bezugshintergrund gab.

Ein Hauptproblem unserer heutigen Philosophie ist deren anthropozentrische Ausrichtung. Sie ist deshalb zurzeit nicht in der Lage, uns für unsere Zukunft eine neue, unserer Zivilisation entsprechende ethische Orientierungsvision zu entwerfen. Wir bewegen uns dafür zu tief in unseren biologischen und historischen Denkgrenzen. Früher bezogen sich unsere Werte weitgehend auf einer sozialen Aufwertung unserer instinktiven Überreste, danach weitgehend auf den Interessen verschiedener sozialer Gruppen. Es gab ein klares „oben“ und „unten“. Die sozialen Hierarchien bauten sich vertikal auf. Heute besteht dieses Prinzip nicht mehr. Auch gleichen sich die einzelnen Individuen nicht mehr so stark wie in früheren geschlossenen Gesellschaften. Ihre heutige Privatheit besaßen sie in früheren Zeiten nie. Die historische Ethik bezog sich auf eine Welt, die es heute nicht mehr gibt. Das Neue ist:

  • Unsere Gesellschaften sind nicht nur viel komplexer geworden, sondern sie sind auch gezwungen, über ihre frühere anthropozentrische Begrenztheit die gesamte Natur, unseren gesamten habitablen Existenzhintergrund in ihr Denken einzubeziehen. Dafür wird sie gezwungen sein, viele ihrer früheren Positionen neu zu überdenken, bzw. aufzugeben.
  • Der einzelne Mensch kann in unserer globalen Welt, die vor uns stehenden Probleme nicht lösen. Sein geistiger Blick ist für die bestehende Problematik viel zu eng. Er kann nur in einem sehr engen Rahmen gezielt handeln und besitzt nur eine beschränkte Vorstellung vom Rest der Welt.
  • In unserer individualisierten Welt ist der Einzelne in rivalisierenden Gruppen in einem losen Nebeneinander organisiert. Alle diese Gruppen sind auf ihren jeweiligen Vorteil bedacht.
  • Globale Finanzmärkte und globale Interessengruppen manipulieren die Einzelnen in ihrem Sinne. Die einzelnen Individuen denken und fühlen in ihrer manipulierten Privatheit, doch ist diese bei genauer Betrachtung nur eine interessenabhängige Fiktion. Dies alles bedeutet, dass wenn wir den Homo sapiens für die Zukunft erhalten wollen, wir für eine Orientierung ein neues Wertekonzept benötigen, dass uns
    • wegführt von den westlichen Individualideologien. Sie sind Geschichte, wenn die Menschheit nicht untergehen soll,
    • wegführt von seinen Freiheitsvorstellungen, seinen heutigen Beglückungsansprüchen, seinem Konsum.
    • hinführt zu einer Wertwelt, die die gesamte Natur und unsere habitable Welt im Blick hat und die auf der Verantwortung diesen gegenüber aufbaut.
    • ein klares globales Zusammenwirken von Mensch und KI im Auge hat

Wir Menschen können nur über Werte fühlen und denken. Wir definieren uns über sie. Verinnerlicht empfinden wir sie als unseren Besitz und damit als Recht sie einzufordern. In ihrer Gesamtheit stehen sie für die Kultur einer Gesellschaft. Sie sind deren gelebte Ausdrucksformen. Und weil sie diese Bedeutung haben, benutzen ihre Begriffe die Politiker ständig als Worthülsen, die bei ihnen viel versprechen aber eigentlich wenig halten. Sie sind Ideale, Wunschbilder, die für unsere Rechtsorientierung zwar eine sinnvolle Bedeutung haben, die aber mit dem psychischen Menschen unserer Kultur wenig gemein haben. Dieser ist in seiner Mehrheit zunächst ein auf seinen Vorteil bedachter Egoist. So fordern Politiker z. B. Radwege. In Hinblick auf die Reduzierung unseres mit Verbrennungsmotoren laufenden Autoverkehrs und die Förderung der Gesundheit ihrer Nutzer ist dies einsichtig. Doch die häufige Rücksichtslosigkeit der Radfahrer gegenüber den Fußgängern macht die Radfahrer oft auch zu einer Plage. So rühmt sich Norderney des Besitzes von 80 km Wanderwegen (aus Kostengründen oft schmalen Wanderwegen). Wenn an manchen Wochenenden hunderte Radfahrer hintereinander sie benutzen, besteht für die Fußgänger immer wieder nur die Möglichkeit ihnen auszuweichen. Münster nennt sich die „Stadt der Radfahrer“, man kann sie auch als eine Stadt der rechtlosen Fußgänger ansehen. Das Verhalten vieler Menschen während der Corona-Pandemie wäre ein weiteres Beispiel. Die Idealforderungen werden ständig angeführt, aber oft nur im Anspruchsbereich für das eigene Verhalten als Maßstab angesehen. Ansonsten sind sie für die Betroffenen nur abstrakte Größen, die sie nicht auf sich beziehen.

Der gesamte westliche Individualismus baut auf zwei Kriterien:

  • zunächst auf dem persönlichen Wohlergehen, d. h. einer möglichst häufigen, bzw. ständigen Ausschüttung von Wohlfühlbotenstoffen,
  • dann aber, da der Mensch eigentlich zunächst ein Sozialwesen ist, auf seine persönliche Stellung in einem sozialen Verband, seinen Status, den Wert, der einem zugesprochen wird, bzw. den man auf sich bezieht. Er ist entscheidend an einen Existenzsinn gebunden, den man sich gibt, bzw. innerhalb dem man sich bewegt.

Während das 1. Kriterium weitgehend an den Konsum und damit heute weitgehend als ein Belastungsfaktor für die Umwelt zu sehen ist, findet das 2. heute kaum noch einen befriedigenden Inhalt. Oberflächlich zur Möglichkeit der Selbstverwirklichung deklariert, erweist er sich bei näherem Hinsehen oft weitgehend als eine sozial vermittelte Form des Selbstbetruges. So konnte sich früher eine Hausfrau bei ihrer Tätigkeit viel mehr verwirklichen als heute eine Verkäuferin. Die heute oft nicht befriedigenden finanziellen Erwartungen weiblicher „Kunst“, sind oft auch ein Hinweis auf deren Massencharakter und nicht auf deren einmaligen Sinnbezug.

Unser Gedanke der Selbstverwirklichung ist ein Gedanke unserer Überflussgesellschaft. Er setzt die Existenz eines gewissen sozialen Wohlstands voraus. In früheren Gemeinschaften stand der Selbsterhalt und der seiner Nachkommen an erster Stelle. Jetzt ist es die Förderung der glücksverheißenden Botenstoffe und Formen des Konsums als neue Formen des Statusdarstellung und der Selbstdarstellung, beides zu Lasten der begrenzten Ressourcen und zu Lasten der Natur, die wir damit als unsere Existenzgrundlage zerstören. Alle unsere Formen der Selbstverwirklichung sind Wohlstandsformen. Wir empfinden unsere Gesellschaft als eine Summe von Individuen, die alle ihre eigene Würde und ihre (Freiheits-) Rechte besitzen. Ihr sozialer Bezug wird dabei jeweils offen gelassen, ihre Abhängigkeiten, Bindungen verdrängt. Es kommt für den Einzelnen nur darauf an, sich zu verwirklichen. Es reicht in einem engen Rahmen, wenn man sich orgastisch ausleben kann, bzw. den ständigen Fluss seiner Glücksbotenstoffe mobilisieren kann. Zwar soll sich im Sinne dieser Ideologie jeder sich selbst verwirklichen können, doch wie soll das bei Milliarden Menschen möglich sein? Wie sollen die Gesellschaften dabei jede extreme Verhaltensabweichung auffangen können?

Ein gepflegter Individualismus ist oft nichts anderes als ein gepflegter Egoismus. Ein Individualist

  • hat im Prinzip immer Recht.
  • Seine Ansprüche bauen auf
    • Freiheitsrechten, die er wiederum als
    • Teil seiner allgemeinen Menschenrechte ansieht.

Er versteht sich in seiner Einmaligkeit und nicht im Widerspruch zu seiner genetischen Ausgangsprogrammierung als Homonide, als Teil, bzw. als Mitglied einer Sippe, in die er sich einzuordnen hat. Jedes individuelle Weltbild ist genau genommen immer nur eine Illusion, eine Illusion zusammengesetzt aus den Bewegungen seiner genetischen und epigenetischen Proteine, d. h. seiner biologischen Reaktionen auf seine Wahrnehmungen, seine Prägungen, d. h.

  • den Auslösern seiner Botenstoffe,
  • seinen kausalen Logiksystemen,
  • seinen hirngemäßen, kulturellen Kommunikations- und Problemlösungsformen.

Mit seinem Individualismus und seinen Ansprüchen auf eine möglichst weitgehende Befriedigung seiner Bedürfnisse wurde der Mensch zu einem Krebsgeschwür der Natur. Er lebt sein existentielles Dasein im Spannungsfeld mit der Gesellschaft. Dabei war einst das Individuum das Ergebnis einer offen agierenden Summe von Genen in Hinblick auf einen möglichen evolutionären Fortschritt, während die Gesellschaft über ihre Systeme ihn instituierte.

Wahrscheinlich ist, biologisch gesehen, jeder moderne Mensch neurotisch krank. Drei Umstände tragen dazu bei:

  • Seine Entfremdung von der Natur, d. h. das Fehlen natürlicher Reize auf seine Wahrnehmungssysteme und damit das Fehlen harmonischer Reaktionen auf seine Botenstoffe, auf die hin er in seiner Evolution genetisch programmiert worden ist.
  • Seine falsche Ernährung, d. h. die Unter- und Überversorgung seines Körpers und seines Mikrobioms mit Proteinen und Enzymen, die er für seine Existenz tatsächlich benötigt.
  • Die Diskrepanz zwischen seinem individuellen Selbstverständnis und seiner Realität, die er psychisch zu bewältigen hat. In der Regel erfolgt dies über Schuldzuweisungen und Realitätsfluchten und nicht über eine Einsicht der persönlichen Mängel, der mangelnden sozialen Einbindung oder den überzogenen Vorstellungen.

Eine Folge davon ist, dass der westliche Individualist in seinem kollektiven Verhalten kaum von seiner Gemeinschaft her denkt. Neurotische Verhaltensweisen, wie z. B. der Feminismus, werden hochgespielt und immer wieder neue Schuldzuweisungen für die bestehende existentielle Situation gefunden. Dabei bleiben in seinem Stoffwechsel seine drei biologischen instinktiven Vorgaben für ihn existenzbestimmend, sein geschlechtsbezogenes Statusverlangen, sein Empathie- und Pflegetrieb und sein Angewiesensein auf eine kulturell vermittelte Orientierung. Kennzeichnend für alle Neurotiker ist, dass sie ihren Individualismus betonen.

Alle unsere Entscheidungen, Wahrheiten hängen von zwei Kriterien ab:

  • Zunächst von unserer gefühlsmäßigen Ausrichtung, d. h. von dem Botenstoffcocktail in uns, der weitgehend von unseren Wertausrichtungen bestimmt wird, die wir besonders in unserer Kindheit erhalten haben.
  • Dann auch von unserer Gehirnausformung, den Kontaktbahnen der elektrischen Signale entlang unserer Axone (d. h. weitgehend durch die in uns verinnerlichten kausalen Logiksysteme, unserer rationalen Vorgehendweise).

Beide beruhen auf dem Abrufen der Proteine durch unsere DNA und deren Ausrichtung im neuronalen Netz, – teilweise bereits im Mutterleib angelegt und danach in der Folgezeit über das von der Person besitzende Mikrobiom und die persönliche Ausrichtung. Wir nennen beide gemeinsam dann unsere Individualität. Unsere Freiheit ist dann der Verhaltensspielraum innerhalb der Summe der möglichen Verhaltensweisen. Ihre Grenzen werden dann sozial entweder durch deren Mehrheiten festgelegt oder relativ willkürlich durch die Macht von Interessenträgern. Unser heutiges Problem ist, dass durch die massive Förderung der Individualinteressen, die weitgehend auf der Förderung von glücksverheißenden, individuellen Botenstoffen beruhen, wir dabei sind, unsere habitablen Existenzgrundlagen, unsere Umwelt, die Natur, deren Teil wir sind, zu zerstören.

Die Identität eines Menschen stellt eine erste entscheidende Grundprägung dar, die das soziale Milieu vermittelt, aus dem der Betroffene kommt. Es gibt keinen Menschen ohne eine Identität, wie es auch keinen Menschen ohne vorangegangene Hirnprägungen gibt. Unser heutiges Problem dabei ist nur, dass große Kreise der Bevölkerung im Rahmen eines „Modern“-sein-wollens diese Tatsache verdrängen, den Durchschnittsmenschen seine Heimat nicht mehr lieben lassen, die Sprache seiner Mutter oder den Duft der Welt, in der er groß geworden ist, oder das soziale Gefüge in das er hineinwuchs, seine Vereine, Arbeitsstellen, Zugehörigkeiten (z. B. seine Arbeitsorganisationen). Ein Wähler der früher eine bestimmte Partei gewählt hat, die z. B. heute seine nationale Identität verachtet, d. h. ein für ihn wesentliches Zugehörigkeitsgefühl, wählt jetzt eine andere, die ihm dieses noch zugesteht

Im Mittelpunkt unserer Orientierung steht unser Identitätsbewusstsein. Im Laufe unserer Entwicklung als Prägung entstanden, beherrscht es in einem jeweils unterschiedlichen Umfang unsere Transmitterausschüttungen und damit wahrscheinlich unsere verschiedenen Gehirnpartien. In Schalen legt es sich zwiebelartig um unser „Ich“, ist wahrscheinlich noch einmal in sich differenziert und nimmt über seine verschiedenen Statuszuweisungen Einfluss auf unser Selbstwertgefühl. Als Identitätsschalen kann man vielleicht unterscheiden:

  • die Familie, die die ersten Prägungen vermittelt,
  • die lokale Gemeinschaft,
  • die nahe Kulturgemeinschaft (z. B. Religion, Region),
  • die Sprachgemeinschaft (z. B. die Nation),
  • die große Kulturgemeinschaft (z. B. Europa),
  • die Wirtschaftsgemeinschaft,
  • die Artgemeinschaft (z. B. die Menschheit).

Sie alle bestimmen in einem jeweils verschiedenen Umfang unser Identitätsbewusstsein. Dabei haben die sogenannten Globalisten ihre teilweise gestörte Identität zugunsten einer globalen Wirtschaftsgemeinschaft getauscht, die zurzeit weitgehend eine amerikanische Hegemonialdominanz darstellt, oder sich lokal für Detailidentitäten entschieden (z. B. die Ernährung oder den Naturschutz). Dabei hilft es ihnen, im Sinne der amerikanischen Interessen, die anderen sozialen Identitäten zu zerstören. Es ist auffallend, dass in Deutschland große Bevölkerungskreise eine nationale Identität ablehnen, während diese bei den ehemaligen Siegermächten des 2. Weltkrieges besonders hoch gehalten wird. Das sollte zu denken geben.

Eine Nation bildet den Raum für ein soziales Zusammengehörigkeitsgefühl, für einen kulturellen Kommunikationsraum. Einerseits fördert sie darüber die demokratische Partizipation, d. h. den Demokratiegedanken. Einst verstand man darunter primär eine Schicksalsgemeinschaft, die die Möglichkeiten von Massenmobilisierungen schuf, in Deutschland z. B. im Befreiungskrieg gegen Napoleon. Als Solidaritätsgemeinschaft förderte sie hier stark den folgenden Staatsbildungsprozess. Das heutige Problem des Nationengedankens ist, dass

  • die Urbanisierung, die frühere Familienbezüge und Dorfgemeinschaften zunehmend auflöst,
  • es die früheren Stände (Handwerk, Handel) zunehmend nicht mehr gibt,
  • durch die Industrialisierung und Automation die Arbeitsprozesse immer unpersönlicher wurden,
  • sie zunehmend Solidar- und Wertegemeinschaften aus der Politik drängt,
  • sie sich modern verstehende Gesellschaften ablehnen.

(Als Begründung dafür,

    • wird deren Ablehnung von Ethnien genannt (auch wenn sich diese nicht in die rechtlichen Solidargemeinschaft einordnen wollen, z. B. durch die Überrepräsentation von Milieus oder die Clan-Kriminalität),
    • die nationale, deutsche „Schuld“ am 2. Weltkrieg genannt (dessen tatsächliche Entstehungshintergründe nicht hinterfragt werden).

Wahrscheinlich ist der Nationalstaat des 19. Jh. heute tatsächlich überholt. Dabei braucht jedoch der Mensch für seine Orientierung eine Identitätswelt auf die er sich innerlich beziehen kann. Früher nannte man sie Heimat. Heute könnte es eine deutsche Identität in einer europäischen Kulturgemeinschaft sein, einer deutschen Identität, die auf der deutschen Sprachgemeinschaft beruht. (Ein Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz wurde allerdings im Bundestag u.a. von der CSU und den Grünen abgelehnt). Ein Patriotismus bedeutet auch ein besonderes Eintreten für die bestehende Rechts- und Staatsform in den Grenzen seiner nationalen Gesellschaft. Er steht für die politische Einheit, der man sich zugehörig fühlt.

Unsere heutige Gesellschaft droht auseinanderzufallen. Es fehlt eine Akzeptanz gemeinsamer Werte und Tugenden, die dann den Hintergrund einer jeweiligen persönlichen Identität bilden könnten. Gesellschaften können nur über eine Kultur zusammengehalten werden. Eine gespaltene Gesellschaft ist alles andere als dasjenige, das wir für unseren großen anthropogenen Zukunftskonsens gegenüber der KI gebrauchen können. Das Problem ist, dass die Identitätsverneiner ihre positiven Botenstoffe dann auf andere Weisen mobilisieren, in der Regel über den Konsum und kurzfristige Eventerlebnisse (z. B. Shoppen, Reisen), alles was sie zu kurzfristigen Aktivitäten, befrachtet mit einem positiven Wert für sie, befähigt. Dies sind aber letztlich oft naturschädigende Verhaltensweisen.

Als wichtigstes  Lebensziel wird heute oft das „Glück“ genannt. Es gibt Schulen, in denen es sogar als Unterrichtsfach unterrichtet wird. Sein Problem ist, dass es vom Vorhandensein bestimmter Botenstoffe in unserem Gehirn abhängt und diese von uns über unser Verhalten oder dem Einnehmen von Chemikalien (Drogen) gesteuert werden können. Nach Alfred Adler (1870 – 1937) wird man glücklich, wenn

  • man nach seinen eigenen Werten lebt

(sich frei macht von den Urteilen anderer),

  • bereit ist, die Konsequenzen für sein Leben zu übernehmen

(unabhängig von Anerkennungen und Belohnungen wird),

  • sich um andere sorgt

(man sich nicht selber in den Mittelpunkt der Welt stellt. Man ist immer nur ein Teil einer Gemeinschaft),

  • sich für die Gemeinschaft engagiert

(weil man darüber seinen Selbstwert erfährt),

  • sich akzeptiert, wie man ist

(man sich auf seine eigene Identität konzentriert).

Erst wir geben unserer objektiven Welt ihre subjektive Bedeutung. Damit entscheiden wir weitgehend darüber, wie wir sie erleben. Am schlichtesten ist ein ungezwungenes, freudevolles Dasein. Man benötigt dafür in seiner Existenz nur sich in seiner Beziehung zur Ganzheit des Seins, die glänzenden Augen eines Kindes, einen Sonnenaufgang, den Blick über die Majestät der Berge oder seine entrückte Hingabe im Tanz. Man erlebt sein Leben immer dann positiv, wenn man seinen nicht aggressiven Emotionen freien Lauf lassen kann.

Unsere Erwartungen bestimmen unsere Zufriedenheit mit unserer Gegenwart. Hilfreich sind dabei eine positive Grundeinstellung. Glück ist als Hochgefühl ein flüchtiger Zustand. Eine Zufriedenheit ist nachhaltiger. Das Empfinden dafür ist weitgehend genetisch vorgegeben (nach David Lykken zu ca. 50 %, später vermutete er sogar zu 80 %).

  • Die Kriterien dafür sind Optimismus, Harmonie, Verbundenheit, Fürsorge und ein seelisches Gleichgewicht.
  • Eine Voraussetzung ist ein sich Befreien von psychischen Störungen, von Neid, Ärger, einem ständigen Mehrwollen.
  • Belastend sind auch Stress, Angst, Wut oder Trauer.
  • Unser Glück ist ein Ergebnis unserer Biochemie in unserem Körper. Da es damit von verschiedenen Zentren in unserem Gehirn abhängig ist, kann der Wunsch nach deren Zufriedenstellung, bzw. Sättigung süchtig machen (z. B. nach Drogen, Konsum, Glücksspiel, digitalen Angeboten). Über unsere Botenstoffe ist unser Gehirn auch unser persönliches Belohnungszentrum, d. h. dass es ständig auf sein Fluten mit Endorphinen, Dopamin, Serotonin oder Oxytocin ausgerichtet ist.

Nach Roth bedeutet Glück

    • ein „positives Abweichen vom individuellen Zufriedenheitslevel“,
    • seine Dauer hängt vom grad der Zufriedenheit ab,
    • materielle Belohnungen verursachen nur ein vergängliches Glücksgefühl (aktivieren den Nucleus accumbens),
    • soziale Belohnungen wirken länger

(aktivieren Hirnareale, „wo auf bewusster Ebene positive und negative Erfahrungen verarbeitet werden“),

    • „Intrinsisches Glück“ (von innen her) ergibt sich aus dem eigenen Tun, der Freude, die wir daran haben

(hier verbinden sich die Glücksmomente mit der eigenen Zufriedenheit und dauern deshalb länger).

Seine höchste Steigerung erfährt das Glück nach einer schweren körperlichen Anstrengung oder einer disziplinierten geistigen Anstrengung. 1776 wurde das Recht auf ein „Streben nach Glück“ in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung geschrieben. Gemeint war damals das Recht auf eine Kultivierung der eigenen Person. Heute wird unter einem Recht auf Glück allgemein nur das Recht auf Konsum verstanden. Vielleicht kann man zusammenfassend sagen: Glück, ein erfülltes Leben, bedeutet in unserer Zivilisation bei einer materiellen Sicherheit

  • gute soziale Beziehungen,
  • Möglichkeiten der Selbstentfaltung,
  • der Besitz eines Lebenssinns.

Zumindest sind diese drei Kriterien hilfreich.

Die vielleicht wichtigste Entscheidung in einem anthropogenen Dasein in unserer Wohlstandszivilisation ist die persönliche Sinnfindung. Einst bestand sie in der Existenzsicherung der Sippe, später in der Qualität seiner Arbeit in einem erlernten Beruf. Heute können es die eigenen Kinder, soziale Funktionen, kreative Tätigkeiten oder die Lebensfreude, der Lebensgenuss sein, persönliche Setzungen denen man seinen höchsten Orientierungswert zuspricht und die als Leitsysteme verinnerlicht positiv den jeweiligen Transmitterhaushalt eines Menschen bestimmen. So problematisch vielleicht eine solche Forderung ist, vielleicht sollte man in den letzten Schulklassen das Unterrichtsfach „Sinnfindung“ einführen. (Nicht von Religionslehrern unterrichtet). Die Zerstörung unserer habitablen Umwelt durch unsere Zivilisation und die zukünftige Übernahme unserer Lebenswelt durch die KI lassen es vielleicht neben den MIN-Fächern, der Digitalisierung und dem Sport vielleicht zum wichtigsten Unterrichtsfach werden. Was soll in der Zukunft aus den vielen Milliarden Menschen auf der Erde werden? Welchen Lebenssinn will man ihnen dann noch geben? Auf diese Fragen muss unsere heutige Gesellschaft eine Antwort finden, da die digitale Evolution in unserer Welt bereits eingeleitet worden ist.

Oft stellt sich die Sinnfrage bereits nach der Schule. Was soll man danach machen, welchen Beruf erlernen, was studieren? Manche schieben in ihrer Unsicherheit ein „freiwilliges“, soziales Jahr vor die eigentliche Berufsbildung als Findungspuffer. Andere wollen zunächst die Welt bereisen. Der bestehende Individualismus empfiehlt Berufe der mögliche „Selbstverwirklichung“, doch Selbstverwirklichung wozu, in welchem Bereich? Über sie glaubt man seiner Existenz einen Sinn geben zu können, doch kann man einen solchen ohne ein übergeordnetes Wertesystem für seine Orientierung nur schwer finden. Früher halfen seinem seine Religion, seine nationale Zugehörigkeit, heute ist es oft allein das persönliche Glück – doch das wirft einen letztlich wieder auf die Frage nach dem eigentlichen Lebenssinn zurück.

Kierkegaard (1813 -1855) nannte einst drei Formen menschlicher Existenz: Eine

  • ästhetische. Sie konzentriere sich auf das Hier und jetzt und ist auf den Selbstgenuss und die Sinnlichkeit ausgerichtet. Sie ist im Extrem die Ballermannkultur als Ausdruck überschäumender Lebensfreude (zumindest empfinden dies einige so). Hier kann, wie einst im Karneval in Venedig, die soziale Kluft zwischen den Menschen aufgehoben werden. Entspannt werden mit Hilfe des Alkohols die persönlichen Verkrampfungen und Neurosen ausgelebt. Ein erfülltes Leben heißt hier, trinken bis zum Umfallen. Man muss nicht verstehen, was der Gegenüber am Tisch sagt. Es reicht, wenn man das Kreischen vom Nachbartisch als dasjenige von Frauen heraushört und das laute Getöse als das von Männern, die später nach dem Abend lallend ihren Betten entgegen streben. Hier wird im Extrem der Individualismus ungehemmt ausgelebt mit allen seinen persönlichen Macken, Übertreibungen und Rücksichtslosigkeiten. Soziale Beschränkungen werden nicht beachtet. So wird trotz Corona-Pandemie gefeiert. Die Menschen wollen spielen, feiern und unterhalten werden. Der einzige Lebenssinn ist ein möglichst ekstatisches, dionysisches Leben. Das Problem ist, auch diese Menschen bei einer zukünftigen Beschränkungskultur mitzunehmen.
  • ethische: Sie verschreibt sich der Verantwortung, d. h. Orientierungswerten, die auf die Zukunft gerichtet, rational Antworten zu geben und umzusetzen versucht. Dafür müssen wir unser heutiges Gesamtverhalten radikal ändern und versuchen uns wieder zurück in die Natur einzuordnen. Wenn wir die biologische Menschheit erhalten wollen, haben wir gar keine andere Wahl. Wir sind ein Teil der Natur und sollten reuig wieder zu ihr zurückkehren. Wir sollten unsere Orientierungsträume wieder auf eine realistische Basis stellen. So ist z. B. eine Besiedlung des Mondes oder des Mars eine Schnapsidee. Für wie viele Menschen käme sie in Frage? Wir sind Milliarden. Das Problem aller unserer Parteien ist, dass sie alle keine echten zukunftsbezogenen Perspektiven besitzen. Keine ist zurzeit in der Lage, eine sinnvolle Aussicht für eine zukünftige Existenz der Menschen aufzuzeigen. Es werden
    • historische Werte betont, bei einer zivilisatorisch völlig veränderter Gesellschaft,
    • die individuellen und wirtschaftlichen Freiheiten ohne deren Grenzen aufgezeigt,
    • die sozialen Bedürfnisse befriedigt, ohne bereit zu sein, zukünftige Verzichtnotwendigkeiten aufzuzeigen,
    • der Schutz der Umwelt als abstrakte, unverbindliche Größe durch die Beschränkungen bei anderen angemahnt und mit dem Verlust von Arbeitsplätzen gedroht.

Aber wie soll das geschehen in unserer global vernetzten Welt? Wer ist bereit, auf seinen Lebensstandard zu verzichten, nur damit in Afrika ein unbekanntes Kind nicht verhungert? Solange alle Wirtschaften dieser Welt auf Wachstum programmiert sind, sind alle Deklarationen nur Lippenbekenntnisse, nur Heuchelei.

  • religiöse: Kierkegaard vertrat diese Lebensform erst am Ende seines Lebens als einen Übergang zu einem Weltbezug an den man glauben muss. Erst sie schafft die Freiheit für persönliche Entscheidungen. Sie seien der ideale Ansatz für den es sich zu leben lohnt.

„Erst indem man sich selbst in den Dienst von Familie, Glaube, Partei, Gesellschaft oder Planeten stellt und die eigenen Existenz als Teil von etwas Größerem begreift, findet man zu sich selbst“.

Der Kern unseres heutigen Weltverständnisses ist dagegen das Leben in seiner ganzen Intensität auszukosten, in einer ständigen Steigerung unserer Gefühle, unserer Freuden und unserer Körperleistungen. Es ist das individualistische Lebensgefühl, dem ideologisch seit seiner Kindheit keine Grenzen gezeigt wurden. Unsere heutigen Antworten auf die Sinnfrage sind weitgehend Wohlstandsantworten aus einer Überflussgesellschaft.

Da alle unsere Werte nur anthropogene Setzungen sind, wissen wir nicht, was wirklich zählt. Wenn wir von unserer Natur als Säuger ausgehen, sind es zunächst die kulturellen Überlagerungen unserer

  • Statusinhalte: Heute sind ihre wichtigsten Ausdrucksformen der Konsum und der Luxus. Sie zeigen nach außen am deutlichsten die soziale Stellung seiner Repräsentanten, bzw. deren finanziellen Möglichkeiten. Sie sind es auch, die am leichtesten über die tatsächliche Stellung eines Menschen zu täuschen vermögen, ihren Ausdruck in der Mode finden und damit einen antreibenden Wirtschaftsfaktor darstellen. Die Mode verbindet sich mit dem Individualismus und dieser wird dann zum hemmungslosen Verbraucher der vorhandenen natürlichen Ressourcen. Das menschliche Statusstreben wird damit, so wie es heute gelebt wird, weg von seiner ursprünglichen evolutionären Fortpflanzungsfunktion zum wichtigsten Zerstörer der zukünftigen menschlichen Existenz.
  • Brutinstinkte: Sie bestehen weitgehend für die Empathie und für soziale Tätigkeiten. Sie sind vorwiegend weibliche Instinkte. Wenn die Frauen sich in unserer Gesellschaft nicht so stark an den männlichen Statusinhalten, sondern an Sozialfunktionen orientieren würden, wären sie vielleicht in der Lage, gegenüber der KI tatsächlich eine neue Gesellschaftsorientierung aufzubauen. Neurotisch verblendet, wie sie innerhalb unserer Zivilisation sind, verbauen sie sich mit ihrer bestehenden feministischen Haltung diese große Chance.

 Über diese beiden archaischen Evolutionsinstinkte haben wir unsere kulturellen Orientierungssetzungen geschoben. Ihre zivilisatorischen Ergebnisse sind unsere Wasser- und Luftverschmutzung, Bodenzerstörungen, Artenvernichtung, Kunststoffmüll und Klimaveränderungen. Um ihnen erfolgreich begegnen zu können, müssen wir bereit sein, uns selber zu verändern, evtl. bereit sein, uns zu Cyborgs machen zu lassen. Unser Problem ist, dass wir zwar um alle diese Negativergebnisse wissen, wir in Moden auch bereit sind, gegen sie vorzugehen, – sie aber fast alle ineinandergreifen, weil bei ihnen allen gleichzeitig im Mittelpunkt der Mensch steht, – und fast alle unsere Maßnahmen, solange wir selber nicht bereit sind, uns existentiell grundsätzlich zu verändern, nur gut gemeinte Deklarationen darstellen, ohne eine tatsächliche Auswirkung auf unsere wahrscheinlich negative Zukunft. Die KI wird eine anthropozentrische Zukunft der Erde nicht zulassen.

Was die Menschheit (außer den endogenen Völkern) braucht, ist eine völlige geistige Umorientierung. Es ist die Aufgabe unserer Meinungsbildner dies zu leisten. Am wichtigsten sind hier die Wissenschaften. Sie liefern kausale Erklärungsmodelle für je einen Lebensbereich. Sie verlagern die Orientierung von den Unsicherheiten einer individuellen Ebene auf eine rationale, soziale. Die meisten ihrer Inhalte sind zeitabhängig und oft auch interessengeleitet. Als wissenschaftlich korrekt gilt (allgemein als kulturelle Wahrheiten angesehen), was

  • den jeweils gültigen Paradigmen  und kulturellen Logiken entspricht,
  • als Beobachtung im Experiment wiederholt werden kann,
  • über ein Literaturverzeichnis und ein möglichst häufiges Zitiertwerden untermauert wird

(oft nur Unterstützungsformen der eigenen Wissenschaftsschule),

  • von Interessengruppen als wissenschaftlich gewollt wird

(gezielt durchgesetzt über ausgewählte Informationen, eine intensive Medientätigkeit, Lobbyarbeit und politische Regelungen. So z. B. wahrscheinlich fast alle Schuldzuweisungen von „Siegern“).

Allgemein soll es eine allgemeine „Freiheit der Forschung und Lehre“ an den Hochschulen geben. Doch werden in Deutschland unliebsame Wissenschaften zunehmend moralisch diskriminiert, sozial ausgegrenzt und institutionell bestraft. Unliebsame Themen werden deshalb auf Druck gemieden. Dies gilt besonders für Genderthemen (wer z. B. gegen die Quote ist oder Genderthemen ablehnt). So wird moralisch ein Konformitätsdruck ausgeübt. Über Kartellbildungen werden dann von Gutachtern und Entscheidern keine Drittmittel vergeben (gelten als Indikatoren für wissenschaftliche Leistungen). Unliebsame Wissenschaftler werden besonders in den Kulturwissenschaften isoliert, erhalten seltener Einladungen zu Konferenzen und ihre Forschungsanträge werden abgelehnt. In anderen Staaten sind Genderlehrstühle nicht erlaubt. Bei uns sind sie als ideologische Spaltungslehrstühle tätig, gegen deren Einfluss sich langsam über dem „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ auch an den Hochschulen ein Widerstand entfaltet. Auch mit statistischen Werten können leicht, mathematisch korrekt, falsche Eindrücke geschaffen werden. So kann ein Durchschnittseinkommen von ca. 500.000 Euro statistisch auch ausgewiesen werden, wenn eine Person 1 Mio. Euro verdient und eine zweite nur 1000 Euro

Parteien versuchen über eine Mitsprache bestimme Ziele zu erreichen. Dafür versuchen sie u. a. in staatliche Institutionen Führungspositionen zu erlangen. Innerhalb ihres staatlichen Systems tragen sie mit der Verbreitung ihrer Meinungen in Konkurrenz zu anderen Parteien entscheidend zur politischen Willensbildung der Bevölkerung bei. Damit sind sie die tragenden Säulen eines demokratischen Staates.

  • Sie artikulieren die Interessen ihrer Mitglieder und versuchen über deren Bekanntgabe Wähler zu gewinnen.
  • Sie stellen Regierungen, bzw. nehmen Einfluss auf diese.
  • Aus ihren Reihen rekrutiert sich das Personal für die Besetzung politischer Ämter.

Inhaltlich stehen sie oft Interessengruppen oder Wertegemeinschaften nahe. Von hierher haben sie die Möglichkeit auf Meinungen in der Bevölkerung Einfluss zu nehmen. In der Regel meiden sie dabei nach außen unliebsame Themen, weil sie Angst haben, über sie Wähler zu verlieren. Damit sind sie für eine geistige Umorientierung einer Bevölkerung relativ ungeeignet.

Die heutigen Parteien in Deutschland sind in der Regel Vereinigungen verschiedener geistiger Strömungen, und es ist eine Hauptaufgabe ihrer Führungen diese so miteinander zu einen, dass es zu einem Meinungskonsens kommt. Gelingt dies nicht, gewinnt eine Gruppe die Oberhand, fühlen sie sich die anderen übergangen und ihre Mitglieder verlassen sie. Die ehemaligen „Volksparteien“, die einst in sich viele Strömungen vereinten, sind dabei besonders gefährdet. Ein Beispiel dafür ist die SPD, wo der bürgerlich-liberale Flügel sie nach und nach verließ, weil dort der Gewerkschaftsflügel zu dominant geworden war und die dann bei den „Grünen“ die „Macht“ übernahmen, indem er die Altgrünen zur Seite drängte, oder ihr linker Flügel, der sich mit ehemaligen DDR-Vertretern zur „Linken“ vereinigte. Zurück blieb ein relativ einflussloser Gewerkschaftsflügel, der unter veränderten sozialen Bedingungen nur noch von seiner ehemaligen Größe träumen konnte. Aber gerade er könnte, da er den stärksten Arbeitsbezug besitzt, seine Mitglieder in die neue digitale Arbeitswelt führen, nur hat er dafür anscheinend weder das geistige Potential noch die Kraft, sie visionär auf eine neue Zukunft vorzubereiten.

Bei den anderen Parteien ist es ähnlich. Wählerorientiert nehmen sie ihren meinungsbildenden Auftrag nicht wahr. Dafür sind die bevorstehenden Zielsetzungen zu unangenehm, und sie könnten Wähler verlieren. Oft sehen sie es nur als ihre Hauptaufgabe an, den konkurrierenden Parteien möglichst zu schaden. Vielleicht das offensichtlichste Beispiel der letzten Zeit dafür: Die CDU hatte auf einem Parteitag beschlossen, die deutsche Sprache über die Verfassung zu schützen. Eine andere Partei (AfD) griff taktisch klug diesen Gedanken auf und stellte einen entsprechenden Antrag im Bundestag, und nun lehnte ihn die erste Partei ab, um der zweiten nicht den Antragserfolg zu ermöglichen. Es ging hier also nicht um ein sachliches Verhalten, sondern um ein möglichst schädigendes. Für solche Spielchen ist die vor uns stehende zivilisatorische Situation zu ernst. Es besteht kaum die Aussicht, dass sich alle Parteien auf eine Zukunftsvision verständigen können. Das wäre aber die Voraussetzung für einen menschenfreundlichen Algorithmus, der uns dann in unsere digitale Zukunft führen könnte.

Die stärkste meinungsbildende Kraft in Deutschland sind zurzeit die Feministen. An über 200 Genderlehrstühlen arbeiten wahrscheinlich über 1000 Menschen an Genderthemen und wirken über zigtausende ihrer Schülerinnen in alle Bereiche unserer Gesellschaft hinein. Einst war der Feminismus über seine Betonung der Gleichheits- und Freiheitsrechte ein Ergebnis der Aufklärung gewesen (als Begriff seit Mitte des 19. Jhs. bekannt). Mit der industriellen Revolution, dem Hineinwachsen in eine Überflussgesellschaft der sozialen Mittelschichten ermöglichte er auch zunehmend eine Emanzipation der Frauen und wurde über eine Gleichstellungsbewegung zu einer Frauenbewegung. Damit wuchs das Problem, dass sie im Rahmen ihrer eingeforderten Selbstverwirklichung einerseits die traditionelle bürgerliche Familie zerstörte, auf deren Bestand letztlich noch unsere heutigen Demokratieforderungen beruhen, aber andererseits ihrer Biologie, die auf Fortpflanzung angelegt war und ist, nicht entweichen konnten. So wurden ihre Emanzipationsforderungen zu einem Krampf, zu einer sozialen Neurose, auf deren Hintergrund heute viele individuelle Neurosen ausgelebt werden. Ihr aktuelles politisches Problem ist, das nach dem Scheitern der Forderungen des Sozialismus als soziale Hauptforderung, weil ihm heute durch die Digitalisierung unserer Wirtschaft eine tragfähige Utopie fehlte, von den ihm nahe stehenden Parteien der Feminismus für sich entdeckt wurde (in DT.: Grüne, SPD, Linke) und nun über sie versucht wird, dessen Forderungen schleichend durchzusetzen (aktuelle Forderung, die Genderisierung der deutschen Sprache).

Einst waren die Bemühungen um eine soziale Gleichberechtigung durchaus berechtigt. Heute sind sie zu einem Kampfhintergrund persönlicher Machtansprüche pervertiert. Soziale Neurotikerinnen begannen hier, besonders im sexuellen Bereich, ihre Neurosen auszuleben. Heute stellt der Feminismus in Deutschland sich als eine soziale Machtbewegung psychisch nicht ausgeglichener Frauen dar, die je nach seiner psychischen Interessenlage dabei ist, unsere gesamte Gesellschaft in seinem Sinne umzupolen (eine Leistung unserer vielen Gender-Lehrstühle). Da dies oft aus einem psychisch kranken Hintergrund heraus erfolgt, sind ihre Forderungen oft entsprechend. Man könnte dies als eine banale, wahrscheinlich zeitbegrenzte Erscheinung westlicher Überflussgesellschaften abtun, wenn sie uns mit ihren Forderungen nicht immer weiter von der „echten“ Natur entfernen würden, und das in einer Zeit, in der das Menschsein als solches gefährdet erscheint. Verbunden mit den Forderungen nach dem Ausleben ihrer individuellen Freiheitsrechte, ihrer Selbstverwirklichung (und das bei in Zukunft 10 Mrd. Menschen) bedeutet dies kräftemäßig nur, sich unseren anderen Problemen nur noch begrenzt oder gar nicht mehr stellen zu können. Seine herausgehobenen Probleme in Deutschland sind die

  • die Quote (als Karrierehilfe für das Mittelmaß),
  • die Sexualität (im Extrem in Schweden und in Dänemark, wo eine nachweisbare Einverständniserklärung der Beteiligten gefordert wird, da der Sex dort nachweisbar nur „einvernehmlich“ erfolgen darf),
  • das Gendern (die geschlechtsspezifische Umorientierung der Sprache):

Sie ist unser wichtigstes Kulturgut. Über den zunehmenden feministischen Einfluss in unserer Gesellschaft, besonders bei den Medien, ist man dabei, sie in deren Sinne zu vereinnahmen. Ihren größten Erfolg hat sie zurzeit über die Duden-Redaktion erreicht, deren Redaktionsleiterin über ihre Neuerungen zwar jetzt ihren Stellenwert in der feministischen Szene erhöht hat, die Bedeutung des Dudens aber als wichtigstes sprachliche Regelwerk mit ihrer Maßnahme zugleich für große Teile der Bevölkerung aufgehoben hat. Der Einfluss der Gender-Akademikerinnen wirkt sich besonders in den Geistes-, den Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften aus, und über ihre Netzwerke haben sie einen zunehmenden Einfluss in den Medien. Wie wenig es den Feministen tatsächlich um demokratische Vorstellungen geht, beweist ihre Genderisierung der Sprache, indem sie dort über die Vielzahl ihrer Schülerinnen gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit in ihrem Sinne Fakten schaffen.

(„Der Spiegel“, Nr. 10/21: „Behörden, Firmen und auch der Duden schaffen Fakten, obwohl es für den Wandel keine Mehrheit gibt“).

Aus persönlichen psychischen Verwerfungen und Machtinteressen zerstört unser heutiger Feminismus organisch gewachsene soziale Strukturen, die aus der menschlichen Grundprogrammierung heraus im Laufe der Zeit gewachsen sind. Entgegen kam ihm die industrielle Entwicklung des 19. Jhs., in der man verstärkt an Frauen als billige Arbeitskräfte interessiert war und der 1. Weltkrieg, in dem sie große Bereiche der Wirtschaft aufrecht erhielten, da ihre Männer an der Front waren. Heute sind es weitgehend die gewachsenen Lebensansprüche in den Familien, die die Männer allein oft nicht befriedigen können und das Älterwerden der Menschen. Nachdem die Kinder ihre Familien verlassen haben, suchen die Frauen für ihre Existenz einen neuen Lebenssinn und der wird ihnen über Angebote der Selbstverwirklichung versprochen. Auf diesem Hintergrund verändern sich unsere historischen Familienstrukturen. Mit der Zerstörung des bürgerlichen Familiengedankens verabschieden wir uns allerdings auch vom romantischen Liebesgedanken. Durch neue Verhütungsmöglichkeiten und staatliche Stätten der Kinderpflege verlor sie außerdem auch weitgehend ihre Funktion als biologische Fortpflanzungsgemeinschaft. Das Ausleben von Lustgefühlen erhielt jetzt einen völlig neuen Stellenwert, verbunden mit einer Vielzahl nicht erfüllbarer Erwartungen, einerseits noch nach dem alten archaischen Muster des Gefallenwollens sich verhaltend, – unsere ganze Modewelt, große Teile unserer Wirtschaft leben davon -, andererseits pervertiert prüde., Ein positives Kompliment, kann bereits als übelster Sexismus ausgelegt werden. Eine Folge davon ist, dass die bereits allgemeine Unsicherheit in unserer Wertwelt durch den heutigen Feminismus noch zusätzlich verstärkt wird und die eigentliche, vorhandene große weibliche Substanz in eine biologisch falsche Richtung gelenkt wird. Wir brauchen sie einerseits für einen weltweiten Konsens über unser naturnahes menschliches Dasein und andererseits für einen Konsens in unserer zukünftigen Stellung gegenüber der Künstlichen Intelligenz.

Nach ihrer Prägung in der Kindheit und ihrer geistigen Ausrichtung in der Schule erhalten die meisten Menschen in unserer Gesellschaft ihre Orientierungsinhalte über die Medien. Demokratien sind sogar existentiell auf sie angewiesen, da ihnen die Funktion sozialer Wächter zugesprochen wird. Andererseits sind sie in unserer Gesellschaft auch diejenigen, über die Interessengruppen die Bevölkerung in ihrem Sinne zu manipulieren versuchen. Einerseits wird ihnen für ihre Wächterfunktion eine Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit zugesprochen, andererseits versuchen Regierungen, Interessenverbände, Unternehmen und Parteien ständig auf sie einzuwirken. Dass die Berichterstattung die öffentliche Meinung beeinflusst, ist unstrittig, dass die Medien aber auch ein Teil der Wirtschaft sind, in der  Eigner verdienen wollen und Journalisten nach ihrer Gefälligkeit gefördert werden aber auch. Beeinflussungen von Journalisten lassen sich selten nachweisen, obwohl sie ständig stattfinden, bzw. es durch mediale Filter gar nicht zu Veröffentlichungen kommt. So wurde ein Bericht des WDR bekannt, in dem ein Journalist Aussagen des NRW-Ministerpräsidenten publizierte, nach dem dieser für die Räumung des Hambacher Forstes von Aktivisten einen Vorwand gebraucht hätte. Zweieinhalb Stunden nach der Veröffentlichung wurde der Beitrag aus dem Programm genommen und der verantwortliche Journalist zu einem anderen Kanal versetzt. Er ist heute kaum noch zu hören und darf keine Dienstreisen mehr machen („Der Spiegel“, Nr.6/21).

Allgemein bekannt ist die Einwirkung der Lobbyisten (Lobby = engl. „Vorhalle des Parlaments“) auf die Medien. Sie vertreten Interessenverbände oder Großunternehmen auf Landesebene und versuchen Regelungen durchzusetzen, die nicht den Interessen der Bevölkerung entsprechen. Sie pflegen persönliche Kontakte zu den Entscheidungsträgern und lancieren Informationen in ihrem Sinne in die Öffentlichkeit. Das Problem ist, dass es für ihre Arbeit keine feste Regeln und auch keine Transparenz gibt. Bisher ist es ihnen gelungen, in Deutschland verbindliche Regeln für ihre Arbeit zu verhindern.

(Man schätzt, dass in Berlin 630 Bundestagsabgeordneten (2017) etwa 5000 Lobbyisten gegenüberstehen.

Auch die EU-Kommission weigert sich, ein verpflichtendes Lobbyregister einzuführen (ähnlich den der USA). Es werden dort 15.000 – 25.000 Lobbyisten (2014) vermutet. Sie vertreten dort internationale Großkanzleien und Lobbyingfirmen nach US-Vorbild (oft mit Hilfe von Ex-Politikern oder spezialisierten Anwälten). Abgeordnete werden dort mit großen Gratisangeboten angefüttert (bis zu 10.000 Euro pro Woche)).

Ihre Vorgehensweise ist: Informationsbeschaffung – Einflussnahme. Sie nehmen Kontakt zu ihnen „nahestehenden“ Abgeordneten auf und sprechen mit Vertretern der Parlamentsausschüsse. Über ihre Informationen können sie wahrscheinlich auf manche Abgeordnete auch Druck ausüben. Ihre Öffentlichkeitsarbeit besteht in der gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung über die Medien. Der normale Leser kann gar nicht unterscheiden, welche Interesseninhalte er jeweils liest. Die Geschichte der Bundesrepublik ist ohne die Einflüsse der Lobbyvertreter kaum zu verstehen, besonders durch die Einflüsse der Landwirtschaft und der Automobilindustrie. Manche Parteien sind kaum von ihren Verbindungen zu Interessenvertretern zu trennen. In  letzter Zeit wurde ihre Tätigkeit besonders offensichtlich bei:

  • Folgen der Corona-Pandemie: Neben häufigen persönlichen Vorteilsnahmen bei der Impfung wurden die vielen Einflussversuche der Interessenverbände für eine Aufhebung von Kontaktverboten bekannt.

Trotz vielen allgemeinen gesellschaftlichen Schwierigkeiten wollten einige Gruppen an ihr kräftig verdienen. So  z. B. die Apotheker: Für die Verteilung der FFP2-Masken zahlte ihnen die Bundesregierung 2,45 Mrd. Euro. (6 Euro pro Maske). Als bekannt wurde, dass diese im Einkauf nur 60 – 70 Cent kosten würden, wollte die Regierung die Erstattungskosten auf 3,30 Euro pro Maske senken, was bei dem Apothekerverband zu einem Sturm der Entrüstung führte („Herforder Kreisblatt“, 4.2.21).

  • Aus Brüssel wurde bekannt:
    • Verhinderung eines geringen CO2-Ausstoßes der Autos pro km besonders im Interesse der deutschen Automobilindustrie),
    • Verhinderung einer stärkeren Kontrolle der Finanzmärkte,
    • Verhinderung die Tabakrichtlinien zu verschärfen

(der damalige Gesundheitskommissar soll für die Verhinderung 60 Mio. Euro Schmiergeld gefordert haben),

    • Verhinderung eines Verbots von Glyphosat (Unkrautvernichtungsmittel).

Gerade die Coronakrise zeigte das Grundproblem unserer menschlichen Gesellschaften. Zwar ist die große Mehrheit der Bevölkerung gegenüber sachlichen Erläuterungen einsichtig und bereit ihnen zu folgen, doch gleichzeitig gibt es immer wieder Personen, die nur auf ihren persönlichen Vorteil bedacht sind. Unsere ideologische Erziehung zum Individualismus, zu uneingeschränkten Freiheiten, zu einer egoistischen Selbstverwirklichung fördert diese Haltung. Unser Problem ist, wir können sie als Grundrechte tolerieren und nehmen dafür in Kauf, dass dies durch die KI eines Tages nicht mehr der Fall sein wird, oder wir versuchen durch soziale Einflussmaßnahmen einen solchen gesellschaftlichen Orientierungskonsens zu schaffen, der uns gegenüber der KI als Daseinspartner anerkennt.

Den vielleicht größten unbekannten Einfluss auf unser Denken nehmen vielleicht die Geheimdienste (neutral ausgedrückt: Nachrichtendienste). Wahrscheinlich sind viele Informationen die wir lesen, Ergebnisse ihrer Tätigkeit. Selbst die Journalisten, die ihre Nachrichten verbreiten, werden sich oft dessen nicht bewusst sein. Ihnen werden Informationen zugespielt, und sie publizieren dann diese. Jedes Land besitzt sie. Sie sammeln Informationen und versuchen in anderen Staaten deren Handlungen im eigenen Sinne zu beeinflussen. Einerseits haben sie dabei die Sicherheit ihres eigenen Landes im Auge (z. B. die Sicherheit der eigenen Infrastruktur), andererseits versuchen, sie die anderen Staaten evtl. zu schwächen, indem sie dort z. B. Unruhen fördern. Auch die Wirtschaftsspionage kann zu ihren Arbeitsbereichen gehören (dies besonders durch große Unternehmen. So kannte der Autor früher einen Industriemanager, der eine Informationskartei besaß, die genaue persönliche Angaben über seine Besucher enthielt – bis hin zu deren sexuellen Neigungen und Fraueninteressen). Bei ihrer Tätigkeit sind die Geheimdienste oft wenig rücksichtsvoll. Neben der Lenkung von Informationen gehören dazu auch Erpressungen, Bestechungen, Sabotagen und die Ermordung gegnerischer Repräsentanten. Über ihre negative Tätigkeit erfährt man in der Regel nur von deren gegnerischen Staaten, so z. B. entsprechende Maßnahmen durch

  • Russland:

1978 – Ermordung eines bulgarischen Schriftstellers in London,

2018 – Ermordung von Alexander Litwinenko in London,

2019 – Tiergartenmord an einem Georgier in Berlin.

  • USA (nur bekannt geworden über die Veröffentlichung geheimer CIA-Berichte durch Wikileaks (2014), beschönigend heißen dort die Ermordungen „gezielte Tötungen“):
    • allein 2010 über 750 Menschen in Pakistan mit Hilfe von Drohnen,
    • Ermordung von Osama bin Laden,
    • Ermordung einer peruanischen Führungsgruppe des „Leuchtenden Pfades“,
    • Ermordung der irakischen Führungskader um Mugtada-as-Sadrs.
  • Israel:

Sein Geheimdienst soll 2018 etwa 7000 Mitarbeiter gehabt haben. Bis zu dieser Zeit soll er mindestens 3000 Menschen getötet haben (nach Angaben von Ronen Bergman, Israeli).

  • Saudi-Arabien:

Bekannt wurde 2018 die Ermordung von Jamal Khashoggi in deren Konsulat in Istanbul.

Diese Beispiele zeigen, wie im Geheimen gearbeitet wird. So hatten die USA vor wenigen Jahren (bis 2013) keine Hemmungen gehabt, die Telefongespräche der Bundeskanzlerin abzuhören, ihres vielleicht wichtigsten westlichen Verbündeten. Welchen Stellenwert dort die Geheimdienste haben, lässt deren jährlicher Etat von 80 Mrd. US-Dollar erkennen. Wir in Deutschland haben 19 Nachrichtendienste (3 Bundesdienste und 16 Länderdienste). Sie unterliegen der Kontrolle parlamentarischer Gremien. Man kann davon ausgehen, dass große Teile unserer politischen Informationen interessengesteuert sind. So z. B. unsere Informationen über die Gas-Pipeline von Russland durch die Ostsee. Abgelehnt wird sie besonders von der Ukraine und Polen, die danach Russland und Deutschland mit einer Lieferunterbrechung nicht mehr erpressen können und die USA, die dadurch ihre eigenen Gaslieferungen begrenzt sehen. Eine besondere Rolle dürfte bei uns auch der israelische Geheimdienst spielen. Seine Agenten tragen dem Mossad Informationen zu, israelkritische Stimmen werden niedergedrückt und als antisemitische Gedanken zu ihrem Vorteil instrumentalisiert, – sehr oft – indem sie die Keule der deutschen Schuld erfolgreich nutzen. Viele antisemitische Handlungen dürften auch auf seine gezielten Inszenierungen zurückzuführen sein.

Politische Provokationen scheinen sich besonders leicht in religiösen Gruppen mobilisieren zu lassen. So wurde der Biafra-Krieg in Nigeria (1967 – 1979) immer als ein Krieg des dortigen christlichen Südens gegen den muslimischen Norden dargestellt. Beide Bevölkerungsgruppen waren daran auch beteiligt. Hinter den Menschen standen aber bei genauerem Hinsehen nicht die Religionen sondern die Ölinteressen zweier verschiedener ausländischer Staaten. Millionen Menschen mussten dafür ihr Leben lassen. Auch hinter dem Nahost-Krieg dürften letztlich ausländische Staatsinteressen weitgehend stehen. Indem man dort die verschiedenen Stämme gegeneinander aufhetzt, die Sunniten gegen die Schiiten in Position bringt, schwächt man diese Länder, so dass sie für Israel eine geringere Gefahr darstellen,  sichert sich bei den korrupten Fürsten seine Öllieferungen und straft den Iran, der vor Jahren seinen Ölbesitz von der westlichen Ausbeutung befreite.

Was hat dies alles mit der KI zu tun? Die Beschreibungen zeigen, dass wir von religiösen, wirtschaftlichen und staatlichen Interessengruppen informationsmäßig ständig manipuliert werden. Alle sind auf ihre Vorteile bedacht und im Zweifelsfall dafür sogar bereit, zu morden. Und dies in einer Situation, wo es im besten Falle nur noch kurzfristig um deren Einflussmöglichkeiten geht. Die KI wird zwar im Wettkampf der Hegemonialmächte immer weiterentwickelt, ihnen auch zunächst wahrscheinlich gewisse Vorteile verschaffen, aber dann über sie global hinauswachsen. Ihre aktuellen wertbezogenen Orientierungssysteme werden ihre Existenzdauer beschränken. Wir besitzen zurzeit noch keine tragfähige Wertekultur gegenüber der KI und kein Gesellschaftssystem, das ein solches global durchsetzen und dann vertreten könnte.

Wenn wir in unserer westlichen Kultur an ein ideales Gesellschaftssystem denken, fällt uns in der Regel nur die Demokratie ein. Wahrscheinlich ist sie es auch trotz aller offensichtlicher Mängel. Ihr Gedanke ist eine Idealutopie, die bei genauerer Betrachtung tatsächlich noch nie verwirklicht wurde:

  • Die Demokratie im antiken Athen lebte auf Kosten der Sklaven.
  • Die Revolution in Frankreich (1789 – 1799) endete im Kaisertum Napoleons.
  • Die Verfassung der USA von 1787 baute weitgehend auf dem Betrug an den Indianern und der Sklavenarbeit der Afrikaner.

(Heute wird ihr Anspruch eine Demokratie zu sei, oft den USA abgesprochen. Sie sei eine Regierung der Reichen, die Milliarden für ihre Wahlkämpfe, Lobbying und politische Tricksereien ausgeben. Nach Marcuse ist ihr Hintergrund eine konturlose Masse und ihre Regierung von Korruption durchsetzt).

Die Anfänge des Demokratiegedankens entstanden im antiken Griechenland des 5. Jh. v. Chr. mit der attischen Demokratie. Es handelte sich dabei einerseits um relativ überschaubare, relativ kleine Stadtstaaten, in denen noch jeder jeden kannte und andererseits handelte es sich um Probleme, zu deren Lösung es nur ein begrenztes Wissen gab. Die für die demokratischen Entscheidungen allein zuständige Oberschicht (etwa 10 % der Bevölkerung) war noch kleiner, da die notwendigen Arbeiten von nicht stimmberechtigten Sklaven ausgeführt wurden. D. h., unsere Demokratievorstellungen beziehen sich auf völlig andere Sozialgebilde mit einem viel geringeren Entscheidungshintergrund und einem viel geringeren komplexen Wissensbedarf. Bereits

  • Platon kritisierte an ihr
    • ihre „Unersättlichkeit nach Freiheit“ („Politeia“),
    • dass der Anspruch darauf zur Anarchie und zur Zügellosigkeit führe.
  • Aristoteles,
    • dass hier die Regierenden nur ihrem Eigennutz dienen, die Freien über die Tüchtigen regieren,
    • er forderte, dass die Regierenden sich primär um das Gemeinwohl kümmern sollten und
    • knüpfte die Freiheit an drei Bedingungen:

* Selbstgesetzgebung (nur tun, was man für gut erkennt),

* Selbsterdigkeit (im Land geboren sein),

* Selbstversorgung (Verzicht auf Dinge, die abhängig machen).

Von der römischen Republik haben wir dann den Rechtsstaatsgedanken übernommen und von der germanischen Volksversammlung (Thing) unsere neuzeitliche Parlamentarismus-vorstellungen.

Unsere heutigen Demokratievorstellungen bauen weitgehend auf den liberalen Erkenntnissen der Aufklärung, den Menschenrechten. Auch das waren Kinder einer anderen Zeit. Seit der Industrialisierung und dem danach möglichen Massenkonsum eines Jeden wurden diese zur ideologischen Begründung unseres Individualismus. Jeder sollte sich über seine Identität selbst verwirklichen können. Doch das damit verbundene Problem heute ist, dass es für die Mehrzahl der Menschen diesen identitätsschaffenden Arbeitshintergrund und damit diese Form der Selbstverwirklichung in unserer Arbeitswelt kaum noch gibt. Was übrig bleibt, ist nur noch ein statusschaffender Konsum, dessen Anrecht als Freiheitsrecht postuliert wird. Und dieser Konsum wiederum ist weitgehend eine der Hauptursachen, der die Menschheit in ihr Verderben führt.

Unsere viel beschworene Demokratie ist in der Theorie ein großes Ideal, in der Praxis scheitert der Gedanke aber an der gelebten Realität. Die Voraussetzung ihrer tatsächlichen Verwirklichung wären eine gleiche Machtverteilung unter den Entscheidungsträgern, doch ist diese fast nie gegeben. Gegen den Demokratiegedanken in unserer deutschen Gesellschaft sprechen:

  • Der Besitz der Medien und die Besetzung der Informationspositionen. Über ihr Habe werden unsere Meinungen beeinflusst und wir können uns ihrem manipulativen Einfluss nicht entziehen.
  • Die Besetzung der Schlüsselpositionen in unserer Gesellschaft. Sie erfolgt weitgehend über Interessenvertreter. Gewählt wird in der Regel derjenige, der die meisten Netzwerke hinter sich hat. Deren Aufbau erfolgt weitgehend nach taktischen Überlegungen.
  • Quotenregelung: In unserer Gesellschaft weitgehend geschlechtsbezogen festgelegt.

Dabei stände es allen Frauen frei, selber in die Parteien einzutreten, selber Parteien zu gründen. Mit dem gleichen Recht hätten auch die verschiedenen Landsmannschaften, Religionen, Berufsgruppen u. a. einen entsprechenden Anspruch. Manche dieser Regelungen sind der breiten Bevölkerung unbekannt (So z. B., dass der Vorsitzende bei den Grünen immer eine Frau sein muss. Kaschiert wird diese Situation nach außen durch die Propagierung einer sogenannten „Doppelspitze“.

  • Die Stellung der Lobbyisten: Gekonnt verschleiert, wird ihre Tätigkeit als ein Einbringen von Sachwissen und damit als ein Beitrag zu rationalen Entscheidungen deklariert. In der Regel sind es aber reine Interessenvertretungen, deren Vorstellungen oft im Gegensatz zu den Interessen der Gesamtbevölkerung stehen.
  • Das geringe Wissen des Einzelnen über die komplexen Zusammenhänge in einer globalen Welt. Als Wähler und Abgeordneter soll er Entscheidungen fällen, deren Tragweite er nicht überblickt. In der Regel folgt er deshalb den Erwartungen der Interessengruppen, denen er nahe steht.
  • Die Macht globaler Finanzmärkte. Gegen sie kann national oft nicht entschieden werden.
  • Das Wirken von Netzwerken, indem diese mit Hilfe ihrer Verbindungen Entscheidungen beeinflussen, für die sie danach keine Verantwortung besitzen. Besonders negativ ist auch ihr Einfluss auf die Besetzung von Spitzenpositionen.
  • Behörden, Ministerien entpuppen sich oft als Stätten organisierter Verantwortungslosigkeit. Bei vielen staatlichen Projekten sind die Verantwortlichkeiten völlig undurchsichtig (so z. B. in Deutschland im Verkehrsministerium beim Maut-Debakel. Der zuständige Minister handelte verantwortungslos, log, verdrehte Tatsachen und wurde nicht entlassen).
  • Die Neigung vieler Unternehmer, den Staat finanziell auszubeuten. Der oft mangelnde Sachverstand staatlicher Stellen und deren Schwerfälligkeiten werden dabei extrem ausgenutzt. Beispiele in Deutschland dafür sind
    • der Berliner Flughafen,
    • die teilweise katastrophale Ausrüstung der Bundeswehr, deren Flugzeuge, Hubschrauber, U-Boote und Panzer weitgehend veraltet und nicht einsatzfähig sind. Ein typisches Beispiel:

* Der Neubau des Segelschulschiffes „Gorch Fock“ hat einst ca. 9 Mio. D-Mark gekostet.

* Für seine Überholung und Reparatur veranschlagte man 135 Mio. Euro (dafür hätte man vielleicht zwei neue Schiffe erhalten können).

  • Manche politischen Entscheidungen müssen schnell erfolgen. Für parlamentarische Entscheidungen braucht man dagegen oft viel Zeit, manchmal Jahre, besonders dann, wenn die Folgen nicht eindeutig sind und die Opposition sich profilieren will.
  • Viele demokratische Mehrheitsentscheidungen erweisen sich im Nachherein als katastrophal, so in Deutschland einst die Wahl Hitlers (1933) oder die in jüngster Zeit erfolgte Wahl Trumps in den USA oder Johnsons in Großbritannien.
  • Vom Ideal her entscheiden vernunftgeleitete Stimmen der Bevölkerung über die Zusammensetzung der Parlamente. In der Realität ist es oft das Geld der Parteien, das hinter diesen steht. So erhalten diese z. B. in den USA für ihre Wahlen Milliardenspenden. Dafür werden die Interessen der Spender bei der zukünftigen Gesetzgebung und der Besetzung von Ämtern berücksichtigt.
  • Oft entscheiden über politische Situationen nicht das allgemeine Gemeinwohl, sondern die Machtinteressen der einzelnen Politiker und Parteien. So ist z. B. die seit Jahren als notwendig erkannte Parlamentsreform in Deutschland bisher aus parteitaktischen Überlegungen nicht möglich gewesen (so hat das relativ kleine Deutschland nach China das zweitgrößte Parlament).
  • Zu einer Demokratie gehören die Informationsmöglichkeiten und die Meinungsfreiheit. Doch zunehmend verschiebt sich das Sagbare. Kritische Bemerkungen gegenüber dem Feminismus, spezifische Geschlechtsneigungen, der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik gegenüber den Palästinensern, bestimmte Erziehungsmethoden werden mit moralischen Sanktionen belegt und ihre Vertreter nicht mehr publiziert.

Wir wissen zwar, was alles zu einer idealen Demokratie gehört, doch wird dieses Wissen immer stärker zunächst individualistisch und dann als Meinungsströmung unterlaufen. Zu einer Demokratie gehören danach

  • unveräußerliche Grundrechte (Werte; sie sind genau genommen austauschbare soziale Setzungen),
  • eine Informations- und Meinungsfreiheit (sie wird bei uns zunehmend ausgehöhlt),
  • die Akzeptanz einer Opposition,
  • freie Wahlen (die Legitimation der Repräsentanten durch Wahlen),
  • eine Gewaltenteilung (u. a. der Rechtstaatlichkeit, Bindung der Staatsgewalt an das Recht),
  • ein möglicher Regierungswechsel durch Volksabstimmungen (ohne Revolutionen).

Ausgegangen wird dabei von folgenden Setzungen:

  • der Gleichheit aller Menschen,
  • ihrer Vernunftorientierung,
  • dem Gerechtigkeitsgedanken.

Dies sind großartige Gedanken, doch in unserer Gesellschaft kaum gegeben.

Was heute autoritäre Regime am meisten von „demokratischen“ unterscheidet, ist neben

  • der Art ihrer jeweiligen Entscheidungsfindung,
  • die Art ihres Umgangs mit den „Verlierern“.

Besonders beim letzten Kriterium ist es, das eine Mal vorwiegend die Gewalt der Mächtigen und das andere Mal die Art der Versuche der Mitnahme mit der man den „Verlierern“ begegnet. Da in der Regel den „Siegern“ immer eine größere Zahl an Verlierern gegenübersteht, besteht in jedem Sieg bereits auch der Hintergrund einer möglichen zukünftigen Niederlage.

Unsere heutige Gesellschaft ist gekennzeichnet durch

  • den Zerfall der biologisch programmierten Familie

(einst entsprechend den Säugern status- und brutorientiert füllte sie den Lebensinhalt der beiden Geschlechter),

  • dem Individualismus (und damit dem Zerfall des Sozialen). Dabei ist der Mensch primär ein soziales Wesen. Er ist auf ein soziales Miteinander angewiesen, das gilt bereits für den Erhalt seiner Orientierungs- und Kommunikationsinhalte,
  • der sozialen Gleichschaltung der biologisch Anderen

(z. B. der anders Geschlechtsorientierten und der körperlich, geistig und psychisch Anderen durch die Inklusion).

Das alles sind Formen, die uns von unserer evolutionären Natur wegführen, weg von unserem mehr oder weniger einst ausgeglichenen Transmitterhaushalt hin zu einer unausgeglichenen Ausschüttung der Botenstoffe, hin zu unserer mehr oder weniger kranken Individualität, hin zu uns als einer neurotischen Persönlichkeit.

Mit seiner Instinktreduzierung begann der menschliche Ausstieg aus seiner biologischen Evolution hin zu seiner künftigen technischen Evolution. Dadurch erhielt der Mensch in der Natur seinen Sonderstatus. Sein zweiter Schritt war seine Sesshaftwerdung. Von der Nahrungssuche verlagerte er nun seine Tätigkeiten auf deren Produktion. Innerhalb seiner Produktionsbemühungen wechselte er dann von seinen zunächst mechanischen Hilfen über die industriellen zur heutigen digitalen. Damit war, begleitet vom Zerfall seiner Sippenstrukturen, der zunehmenden Arbeitsteilung, eine zunehmende Überproduktion verbunden. Sie erlaubte, besonders in Verbindung mit medizinischen Erkenntnissen, eine explosionsartige Zunahme der Bevölkerungszahlen und schuf eine übermäßige Ausbeutung der begrenzten Naturreserven.

Heute stehen wir vor der Situation, dass wir damit zunehmend unsere uns gemäßen Sozialstrukturen zerschlagen. Durch die kulturelle Überformung unseres biologisch in uns angelegten Statusbewusstseins tragen wir zu drei Entwicklungen bei:

  • unserem Machtstreben bis hin zu staatlichen Hegemonialentwicklungen,
  • unserem Kapitalismus in Form des Finanzkapitals. Seine Gewinnorientierung macht reale umweltbezogene Rücksichtsnahmen praktisch unmöglich,
  • unserer Überproduktion (die in unserer global orientierten Welt immer mit der Sicherung unserer Arbeitsplätze verteidigt wird).

Sie basiert weitgehend auf der Ausbeutung der Naturressourcen und der sozial schwach gestellten Menschen. Zu ihren Nebenerscheinungen gehört dann auch unsere biologisch nicht mehr menschengemäße Zivilisation, zu deren Folgen die psychische Überforderung und das Zerschlagen unserer Sozialstrukturen gehören, deren beiden wichtigsten Ausdrucksformen unser überbordende Individualismus und unser Feminismus sind, den wir nach seinen früheren durchaus berechtigten Forderungen (z. B. gleicher Lohn bei gleicher Arbeit) heute weitgehend nur noch als Sozialneurose und weibliche Vorteilnahme erleben.

Das Ziel der industriellen Gesellschaft war einst die Ausbeutung der Natur, das jetzige Ziel der digitalen Gesellschaft ist die Ausbeutung des Menschen. Damit geben wir der Entwicklung ihren Weg zur KI frei. Mit dem Internet zeichnet sich das Ende des bürgerlichen Bildungsbürgertums ab. Während zuvor noch der Bücherschrank als dessen statusbildender Ausdruck galt, ist heute an dessen Stelle die kurzfristige Informationsbefriedigung getreten. Während früher noch das humboldtsche Bildungsideal galt, nach dem man sich seine geistige Orientierung erarbeiten musste, ist an dessen Stelle heute die leicht manipulierbare kurzfristige Orientierungsinformation getreten. Diese Entwicklung folgte auf einer Reihe zunehmender Emanzipationsprozesse:

  • zunächst der des Bürgertums im 18. Jh.,
  • dann der der Arbeiter und Juden im 19. Jh.,
  • ihnen folgten die Frauen und Farbigen im 20. Jh.,
  • heute sind es die homosexuellen und diversen Minderheiten im 21 Jh.

Immer schneller lösen sich dabei über lange Zeit gewachsene Strukturen auf. Die Orientierungsinhalte der Menschen werden immer beliebiger und sind immer weniger konsensfähig. Heute sind es vor allem die Abgehängten, die mit ihrem Schicksal unzufrieden sind, da die Medien ihnen täglich zeigen, wie angenehm die Wohlhabenden leben können. Autoren entdecken neue „Rechte“, die gegen die Globalisierung sind und neue „Linke“, die gegen den Neoliberalismus argumentieren. Man macht für die großen sozialen Meinungsdifferenzen die asymmetrischen Sozialstrukturen verantwortlich und ist in allen Lagern argumentativ sehr abstrakt. Naheliegende, für die menschliche Orientierung unmittelbar wichtige Orientierungsebenen wie die traditionelle Familie, die Heimat werden diffamiert, obwohl die Betroffenen hier ihre innere Sicherheit fanden, ihren Freundeskreis, Nachbarn, ihre Arbeitskollegen; in denen sie ehrenamtlich tätig menschliche Nähe verspüren konnten. Stattdessen wird ihnen eine globale, emanzipierte Gesellschaft als Vorbild genannt, die Netzwerke des Internets als ein neues Zuhause. Das Problem ist hier nur, dass sie für eine menschengemäße Identität zu weit entfernt sind, ihr Orientierungsgehalt nur einen abstrakten Wert darstellt, keine nachbarliche „Wärme“ bietet. In Deutschland gibt es jährlich ca. 9750 Volksfeste. Traditionell vermitteln sie zwar Althergebrachtes, aber sie dienen unbestreitbar auch der Gemeinschaftspflege, und sie stabilisieren die Gesellschaft auf ihrer unteren Ebene. Damit sind sie für das Demokratieideal unverzichtbar. Es ist richtig, dass wir für unseren Zukunft eine rationale, emanzipierte Gesellschaft brauchen, die weiß, dass ihr Schicksal von globalen Beziehungssystemen abhängt, aber es ist auch richtig, dass der einzelne Mensch in dieser Welt auch seinen Ort findet, der ihm seinen geistigen und emotionalen Boden unter seiner Existenz verschafft. Das ist nun einmal seine Familie, seine Heimat, das Althergebrachte. Wenn wir uns darüber hinwegsetzen, zerstören wir die Hintergrundfundamente unserer Zivilisation. Wir können uns zwar anthropozentrisch aus der Natur herausheben, doch folgen wir damit nur einem anthropogenen Selbstbetrug.

Es ist unsere Zivilisation über die wir die habitablen Hintergründe unserer Existenz zerstören. Wir wissen es. Wir wissen auch, dass wir biologisch Kinder einer Jahrtausende langen Evolutionsfolge sind. Doch zerstören wir

  • das Land auf dem und von dem wir leben,
  • das Wasser, auf das wir existentiell angewiesen sind und aus dem wir weitgehend bestehen,
  • die Luft, auf deren spezifische Zusammensetzung wir angewiesen sind,
  • das Klima, das die Voraussetzung für unsere habitablen Lebensraum ist,
  • die Natur, auf die wir sinnen- und energiemäßig hin programmiert sind,
  • die Nahrungsmittel, von denen unser Stoffwechsel abhängt.

Wir kennen alle die Schäden, die wir ständig unserer Umwelt zufügen. In Moden wird in unseren Medien, bzw. gesellschaftlichen Gruppen, der eine oder andere Schaden aus seinen tatsächlichen, oft globalen Zusammenhängen herausgerissen, diskutiert und werden Verbesserungsvorschläge gemacht, doch sind dies alles nur kurzatmige Erscheinungen, herausgerissen aus ihren tatsächlichen Zusammenhängen unseres Fehlverhaltens. Wir alle müssten uns in allen unseren Lebensbereichen tatsächlich verändern, bescheidener werden und die Natur, für die wir uns einmal entwickelt haben, wieder zu ihrem Recht kommen lassen. „Moderne“ Menschen können zwar sagen, dass wir uns mit Hilfe der neuen zivilisatorischen Möglichkeiten in Zukunft besser auf die veränderte Umwelt werden einstellen können, doch kann niemand den Preis für eine solche Entwicklung zum Cyborg sagen, – und wollen wir das überhaupt? Unsere Gesellschaften sind jetzt bis an eine Grenze geraten, hinter der es kein Zurück mehr gibt. Die Status- und Glücksinteressen der einzelnen Individuen, die Machtbestrebungen des Kapitalismus (der Finanzmärkte) und die Hegemonialintentionen der Großmächte lassen eine realistische Umkehr sehr unwahrscheinlich erscheinen.

Die Rollenverteilung in unserer Gesellschaft entspricht nicht unserer biologischen Natur. Diese wurde in uns über hunderttausende von Jahren in unseren Genen festgelegt. Sozial kann nur etwas erreicht werden, wenn übernational alle Staaten zusammenhalten und gemeinsam etwas gegen die Fehlentwicklungen unternehmen würden. Überlebensfähig sind nur solche Gruppen, in denen sich deren Mitglieder für ihr Tun verantwortlich fühlen. Unser Problem ist, dass sich allerdings niemand für Allgemeinheiten verantwortlich fühlt und seine Empathie sich bestenfalls auf überschaubare Größen bezieht. Die Menschheit ist zu groß geworden und verbraucht zu viel. Doch wer will sich einschränken? Welcher Politiker darf sich für weniger Wachstum einsetzen? Wer kann es sich leisten, für weniger Lebensqualität zu plädieren? Alle sozialen Reformen haben heute auf die Dauer nur eine Chance, wenn sie auf breiten Sozialleistungen bauen, auf Institutionen des Gemeinwohls bei gleichzeitiger Beachtung des  Schutzbedürfnisses der Menschen, der öffentlichen Verwaltung, der Investitionen in die Infrastruktur zur Sicherung ihrer Mobilität und des Bildungswesens, um die Teilhabe der Individuen an ihrer Gesellschaft zu sichern und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihrer Existenz in unserer Zivilisation einen Sinn zu geben. Vielleicht würde uns ein Orientierungsmodell gegenüber der KI helfen, in dem wir uns wieder in die Natur als deren Mitglied einordnen und dann als letztes Glied der biologischen Evolution in eine neu auszurichtende Partnerschaft mit der digitalen Evolution eintreten.

Um der KI erfolgreich begegnen zu können, brauchen wir einen globalen Konsens für einen zukünftigen Menschheitsentwurf. Einen Konsens über

  • seine zukünftige Stellung auf der Erde,
  • die Möglichkeiten seiner Arterhaltung,
  • seine Stellung gegenüber der KI,
  • eine mögliche Sinngebung für den Einzelmenschen,
  • ein weltweites soziales Organisationssystem.

Dies erscheint bei unserer heutigen globalen Zerstrittenheit fast unmöglich zu sein, denn es würde zunächst bedeuten, dass die Nationen

  • all ihre Hegemonialbestrebungen aufgeben müssten,
  • die verschiedenen Religionen und Kulturen sich auf ein gemeinsames anthropogenes Erhaltungsziel verständigen können

(u. a. die radikalen Evangelikalen und extremen Moslems),

  • die in ihnen bestehenden individuellen Statusbestrebungen kulturell aufgefangen werden,
  • sie ihre Ausbeutungsbestrebungen schwächerer Staaten und der Natur in Zukunft unterlassen.

Zu diesem sozialen Aspekt kommen individuelle Schwierigkeiten. Bei der großen Verschiedenheit menschlicher Persönlichkeitstypen erscheint es fast unmöglich zu sein, sich auf einen von allen anerkannten Konsens zu verständigen – dabei liegt die Betonung auf einen von allen anerkannten Konsens. Die vielen negativen Reaktionen auf die Corona-Anordnungen 2020 scheinen das zu belegen. So erscheint es unwahrscheinlich, dass ein Extravertierter, ein Ballermanntyp, der in seinem Lautsein seine Lebensbejahung sieht, sich mit einem stillen Introvertierten verständigen kann, unabhängig davon, wie rational vernünftig dessen Vorschläge sind. Für die mögliche Chance einer menschlichen Zukunft müsste dies aber in Hinblick auf einen Konsens der Fall sein. Eine Forderung wäre, die biologischen Hintergründe der verschiedenen Persönlichkeitstypen genau zu erforschen. Schon in der Antike ging man davon aus, dass sie körperliche Hintergründe hätte. Während Empedokles (495 – 435 v. Chr.) von den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde ausging, die das Wesen der Menschen unterschiedlich bestimmten, erkannte bereits Hippokrates, dass dafür Körpersäfte verantwortlich seien. Er unterschied danach:

  • Sanguiniker (rotes Blut; Verhalten: aktiv, heiter),
  • Choleriker (gelbe Gallenflüssigkeit; Verhalten: reizbar, erregbar),
  • Melancholiker (schwarze Gallenflüssigkeit; Verhalten: nachdenklich, traurig),
  • Phlegmatiker (weißer Schleim; Verhalten: passiv, schwerfällig).

Diese Vorstellung wurde später mehrmals modifiziert, u. a. von Aristoteles und dann noch von Kant verwendet.

Im 18. Und 19 Jhrdt. hat man dann eine Fülle körperlich oder  psychisch ausgerichteter Typenlehren entwickelt. So unterschied Ernst Kretschmer (1888 – 1964) vier Körperbautypen, denen er die Neigung zu bestimmten Psychosen zusprach:

  • Pykniker (breit – rundlich gebaut; Psychose: manisch-depressiv),
  • Athletiker (knochig – muskulär; Psychose: Epilepsie),
  • Leptosom (lang – schmal; Psychose: schizophren),
  • Dysplastiker (atypisch – missgebildet; Psychose: Epilepsie).

In der Psychologie unterschied Carl Gustav Jung (1875 – 19611) acht Typen nach ihrer Grundeinstellung extravertiert und introvertiert und deren vier Bewusstseinsfunktionen Denken, Fühlen, Empfinden und Intruieren (anleiten, anweisen). Sein gedanklicher Ansatz wurde in der Folgezeit aufgegriffen und bereichert. Zu diesen kommen noch viele andere Typenlehren.

Heute verwenden viele Psychologen das sogenannte „Big-Five-Modell“ (hervorgegangen aus einer Verdichtung von 18.000 Beschreibungen bezogen auf fünf kennzeichnenden Eigenschaften):

  • Offenheit: aufgeschlossen, fantasievoll, erfinderisch. Sie suchen Aufregung und Abwechslung,

Gegengruppe: einseitig interessiert, bodenständig, setzen auf Bewährtes.

  • Gewissenhaftigkeit: gut organisiert, zuverlässig, arbeitet strukturiert, ehrgeizig, besitzt Durchhaltevermögen,

Gegengruppe: unvorsichtig, nachlässig, leichtsinnig, wenig gewissenhaft, meidet Verantwortung.

  • Extraversion: kontaktfreudig, begeisterungsfähig, aktiv, handeln spontan, lieben Spaß,

Gegengruppe: ruhig, gern allein, schweigsam, stark auf die innere Erlebniswelt bezogen.

  • Verträglichkeit: kooperativ, freundlich, warmherzig, hilfsbereit, großzügig, harmoniebedürftig,

Gegengruppe: kalt, streitsüchtig, undankbar, misstrauisch, aggressiv.

  • Neurotizismus: ängstlich, nervös, labil, schnell gekränkt, bemitleidet sich, empathisch,

Gegengruppe: emotional stabil, zufrieden, selbstsicher.

Nach dem Verständnis der Psychologen lässt sich jeder Mensch diesen fünf Kriterien, in Verbindung mit einer Skala „schwach ausgeprägt“ bis „stark ausgeprägt“, zuordnen. Da diese Kriterien miteinander kombinierbar sind, kann man so 3125 verschiedene Persönlichkeitsbilder erhalten.

Die heutigen Neurowissenschaften gehen davon aus, dass sich der Hirnstoffwechsel der Menschen von einander unterscheidet und damit zu verschiedenen Charakteren führt. Verantwortlich sind dafür verschiedene Botenstoffe: u. a.

  • Kortisol: Reguliert unsere Reaktionen auf körperliche und psychische Belastungen,
  • Dopamin: Wirkt zentral auf das körpereigene Belohnungssystem, macht Menschen geselliger,
  • Oxytocin: Fördert die zwischenmenschlichen Beziehungen,
  • Serotonin: Wirkt geschlechtsverschieden, lässt bei niedrigem Spiegel Männer aggressiv und Frauen ängstlich, depressiv werden.

Wie genau ihr Zusammenwirken ist, weiß man noch nicht. Wir wissen nur, dass das Zusammenwirken von Dopamin, Serotonin und Oxytocin darüber entscheiden, wie sozial wir uns verhalten. Um der KI erfolgreich begegnen zu können, werden wir viele unserer heute gelebten Freiheiten aufgeben müssen. Das Wissen um das Zusammenspiel der Botenstoffe kann uns evtl. helfen, ein sinnerfülltes, konsensfähiges Menschsein zu erhalten.

Der Hirnforscher Gerhard Roth geht davon aus, dass

  • bereits im Mutterleib Gene und die Hirnentwicklung zu ca. 40 – 50 % die spätere Persönlichkeit eines Menschen bestimmen,
  • weitere 30 % werden von den frühen Prägungen (Erfahrungen) in der Kindheit bestimmt,
  • nur noch 20 % in der späten Kindheit und Pubertät.

Zu diesen psychisch bedingten Verschiedenheiten kommen noch biologische und soziale. Wir haben weitgehend vergessen, dass wir nur ein Teil der Natur sind und uns in unserer Evolution auf diese bezogen entwickelt haben, d.h. auf sie bezogen als unserer Wahrnehmungswelt und auf sie bezogen in unserer Ernährung und damit unserem Stoffwechsel. Alle unsere Sinne sind auf eine „intakte“ Natur bezogen, auf deren Farben, Geräusche und Gerüche. Doch wo haben wir sie in unserem Kulturkreis noch heute in unseren Räumen zwischen unseren Betonwänden? Ihr Fehlen wirkt sich auf unsere natürliche Botenstoffharmonie aus. Sie geraten aus ihren Gleichgewichten, und wir werden neurotisch krank. Eine Gesundung erhoffen wir im Urlaub am Meer oder einem Spaziergang durch den Wald beim Waldbaden. Sie sind erholsam, aber da nur kurzzeitig in ihrer Wirkung, nur befristet. Die Persönlichkeitsstörung wird in den meisten Fällen bestehen bleiben. Im sozialen Bereich handelt es sich um eine kulturelle Fehlentwicklung  unseres archaisch angelegten Statusstrebens und unseres Gefallenwollens. Sie haben zu unseren heutigen Wirtschaftssystemen, Ressourcenverbrauch und Konsum geführt. Sie zementieren die sozialen Ungleichheiten und ernährungsmäßigen Fehlentwicklungen in unserem Stoffwechsel. Letzterer ist mit leichten Abweichungen bei jedem Menschen verschieden. Wahrscheinlich werden Genanalysen in Zukunft für jeden die optimale Nahrungszuführung feststellen können, wobei gelegentliche Ausschläge wahrscheinlich notwendig sein werden. Unsere Medizin arbeitet bereits in diese Richtung. Der soziale Unterschiedsaspekt in unserer Gesellschaft wird sich dagegen nur schwer auf ein „gesundes“ Maß zurückführen lassen. Dagegen stehen die Interessen der Hegemonialmächte und der einzelnen Individuen. Die Machtinteressen der Staaten und die zurzeit globalen Finanzmärkte werden sich kaum eingrenzen lassen. Was interessiert den champagnertrinkenden Jachtbesitzer in der Karibik das Elend der hungernden Flüchtlinge? So ist nun einmal die menschliche Welt. Wir Satten können dies abnicken, doch damit, mit unserem fehlenden anthropogenen Konsens, überlassen wir der KI die Zukunft unserer Enkel.

In den gesellschaftlichen Meinungsverschiedenheiten und der evolutionär bedingten menschlichen Verschiedenheit steht einem anthropogen globalen Konsens die Vielzahl der Menschen im Wege. Wir sind heute 7,8 Mrd. (2020) und werden wahrscheinlich in wenigen Jahren die 10-Mrd.-Grenze überschreiten. Unsere Zunahme erfolgt explosiv:

  • 5000 v. Chr. betrug die gesamte Weltbevölkerung ca. 5 Mio. Menschen.

(Durch Mythen, Rituale, Musik und Künste bestand in den Gruppen ein Zusammenhalt. Überlebensfähig machte das Wissen über die Natur und in der Heilkunde).

  • 1000 v. Chr. betrug sie ca. 50. Mio.

(Verantwortlich für das Anwachsen war der Übergang der Lebensweise vom Jäger und Sammler zur produzierenden Wirtschaftsweise mit Ackerbau, Viehzucht und Vorratshaltung = Neolitische Revolution).

  • Heute sind wir arbeitsteilig vernetzt, global von der Weltwirtschaft abhängig. Die Ressourcenausbeutung ist kollektiv organisiert. Das ehemalige Naturwissen jeder Person ist verlorengegangen. Bei einer Fortsetzung der bisherigen Entwicklung kommt es zu einem Verlust unserer Lebensgrundlagen. Der Überlebenskampf findet zunehmend innerhalb der menschlichen Gemeinschaften statt. Wir brauchen für unsere zukünftige Existenz einen radikalen Paradigmenwechsel, gekoppelt an Werte wie Verantwortung und Schuld. Unser großes Problem ist, dass mit der Zahl der Weltbevölkerung ihre Zahl enorm größer ist, als die Zahl der jeweils entscheidenden Subjekte, egal ob es sich dabei um Demokraten oder Diktaturen handelt. In den großen Zukunftskonsens müssen sie sich alle einordnen.

Ein solcher Paradigmenwechsel muss die persönliche Verantwortung eines jeden zum entscheidenden Orientierungskriterium der Menschen machen. Dafür muss das Verhalten eines jeden danach gemessen werden, wie es zur allgemeinen Arterhaltung beiträgt. Da es sich darauf einstellt, dürfte ein solches System sich im Laufe der Zeit selber regulieren. Ein Fehlverhalten muss dabei öffentlich benannt werden, wie auch die Waren nach ihrer Auswirkung auf die Arterhaltung zu bewerten sind. Für den Ressourcenverbrauch muss es neue Prioritäten geben, die oft auf eine Mangelverwaltung hinauslaufen werden. Natürlich werden die heutigen Vorteilsnehmer mit aller Kraft eine solche Neuorientierung zu verhindern versuchen. Beschränkungen und Sanktionen sind bei Interessengruppen immer verpönt.

  • Egal ob es die Brutalität der Tierhaltung in unserer industriellen Landwirtschaft ist,
  • die donnernde Fahrt der Motorradliebhaber durch Wohngebiete oder Naturschutzregionen,
  • die rücksichtslose Fahrt einiger Radfahrer über schmale Fußgängerwege oder durch städtische Fußgängerpassagen,
  • die lärmenden Zechtouren bis tief in die Nacht auf städtischen Plätzen oder in Lokalen,
  • ganz zu schweigen von vielen unserer Tourismusformen.

Immer wird man gegen die Beschränkungen im Namen der Freiheit, der Menschenrechte Einwände finden.

Hans Jonas (1903 – 1993) hatte bereits 1979 für unsere technologisch ausgerichtete Zivilisation eine neue Ethik gefordert. Die bisherigen hätten sich zu stark auf die unmittelbaren Bereiche des menschlichen Handelns bezogen (so u. a. Kants Ethik). Aber das Leben als solches hätte auch einen eigenen intrinischen (inneren) Wert, den es zu erhalten gelte. Da wir uns zunehmend auf eine ökologische Krise hin bewegen, müssten wir zu deren Bewältigung verstärkt wieder asketische Ideale wiederbeleben. Für eine Gefahrenabwehr seien Einschnitte berechtigt bei den

  • Grundfreiheiten,
  • Teilhabemöglichkeiten (Partizipationsmöglichkeiten),
  • Teilhaberechten.

Die Verantwortung würde sich beziehen auf

  • Gegenstände (als moralische Pflichtbereiche),
  • Formen eines anderen Seins,
  • kausale Bezüge.

Da in den Wissenschaften die Grenzen zwischen Theorie und Praxis zunehmend schwinden, forderte er für diese eine Selbstbeschränkung. Seine zentrale Empfehlung war eine radikale Ethik der ökologischen Verantwortung. Anstelle der bisherigen Beziehung zwischen Mensch und Natur als ein Herrschaftsverhältnis forderte er als Pflicht ein neues Verantwortungsverhältnis.

In unserer Alltagswelt kennen wir keine Transparenz mehr, auf die wir uns beziehen können. Wir benötigen deshalb für unsere Orientierung neue Bezugsgrößen für unsere Setzungen. Damit diese nicht willkürlich sind, bleibt uns dafür einerseits nur die Welt aus der wir in unserer Evolution gekommen sind, die Natur als Maßstab und damit deren Erhalt als Voraussetzung für unseren Eigenerhalt und andererseits die Aufgabe all der Verhaltensformen, die sie überfordern und damit den Hintergrund unserer Selbstvernichtung darstellen, das wäre primär unser Ressourcenverbrauch und unser Konsum auf dem Hintergrund unserer Selbstverwirklichung, unseres Individualismus und all unserer anthropozentrischen Menschenrechte, auf die wir glauben ein unbeschränktes Anrecht zu haben.

Eine Verantwortung setzt verinnerlichte soziale Orientierungsinhalte voraus. Deren Voraussetzung sind soziale Handlungsfreiheiten. Damit muss die Verantwortung zum Zentralbegriff eines künftigen sozialen Gesellschaftslebens werden. Verinnerlicht ist ihre Instanz das Gewissen, sozial sind es die Moral und das Gesetz. Genau genommen ist sie immer auf einen verinnerlichten geistigen Hintergrund bezogen. Durch das ihr nicht Nachkommen entsteht die „Schuld“

  • durch das Nachkommen die Erfüllung eines möglichen Lebenssinns.
  • Sozial gefordert wird sie zu einer Folge von Pflichten, deren Begründung dann z. B. auch sein kann:
    • die Pflicht sich geistig weiterzubilden (Humboldtsche Ideal),
    • als Politiker seinen Wählern gegenüber gerecht zu werden,
    • die Beherrschbarkeit von wissenschaftlichen Ergebnissen,
    • die Korrektheit journalistischer Berichte.

Kant ging einst vom autonomen, selbstbestimmten Menschen aus, für dessen Handeln sein Gewissen, sein moralisches Selbstbewusstsein die entscheidenden Orientierungsgrößen sein sollten. Da wir uns nach der Säkularisierung unserer Welt nicht mehr auf einen Gott berufen können, sind wir jetzt für unser Handeln selbst verantwortlich.

  • Nietzsche erhoffte sich deshalb einen neuen Menschentyp, den Übermenschen, der eine völlig neue Wertwelt schafft in Form höchster Selbstbesinnung auf die Menschheit.
  • Für Albert Schweitzer sollte sie sich im Ideal der Humanität, an einer „Ehrfurcht vor dem Leben“ orientieren, an einer Lebensbejahung in einem Dienst für andere.
  • Für Sartre ist der Mensch zur Freiheit verurteilt und trägt damit die Verantwortung für alle seine Handlungen. Durch seine Geworfenheit in die Welt muss er diese als sein eigenes Produkt anerkennen. Indem er dies tut, fordert er von den Handelnden deren Verantwortung ein. Damit wird diese zum zentralen Inhalt einer menschlichen Existenz.

Die Größe der Quanten und des Universums entziehen sich unserer Vorstellungswelt. Wir wissen von ihnen nur über Theorien, mathematischen Berechnungen und experimentellen Beobachtungen. Sie sind Wirklichkeiten außerhalb unserer realen Daseinsbezüge. Ähnlich verhält es sich mit der Welt der Neutrinos, die unsere Erde durchqueren können, ohne dabei wesentlich abzunehmen. Hierfür haben wir aus unserer kausalen Vorstellungswelt noch eine Erklärung, ihre fehlende Wechselwirkung. Anders verhält es sich dagegen aber bei der Teleportation, bei der Photonen ihre Übertragung von Informationen ermöglichen, ohne dass sie zwischen einem Sender und einem Empfänger einen Weg zurücklegen, d. h. Raum und Zeit durch direkte unmittelbare Übertragung überwinden. Einstein nannte dieses Phänomen „spukhafte Fernwirkung“. Schrödinger „Verschränkung“. Bis heute entzieht sich dieses Phänomen unseren physikalischen Vorstellungen und alle Überlegungen hierzu werden gerne der Welt der Science-Fiction oder Esotherik zugeordnet. Unsere „reale“ Welt ist eine solche überlagerter und verschränkter Quantenwirklichkeiten. Unser Problem ist, dass wir sie nur kausal erfassen können. Die Grenzen des Universums werden von unseren persönlichen Grenzen gebildet. Vielleicht ist das Universum ein gewaltiger Körper nach einem uns unbekannten Gesetz verschränkter Photonen. Für unser Verständnis sind sie nur „Lichtteilchen“.

Wir beobachten im Quanten- und Universumbereich Dinge, die wir nur mit Hilfe unserer kausalen Logiksysteme zu verstehen versuchen. In vielen Bereichen kommen wir vielleicht im Rahmen unseres Anschauungsvermögens den „Wahrheiten“ nahe (wobei dies bereits ein gedanklicher Ansatz innerhalb der anthropogenen Grenzen ist). Wahrscheinlich können wir bei dem allen von zwei für uns feststehenden Gegebenheiten ausgehen.

  • Zum einen, dass das Universum eine Einheit darstellt, in der alles mit allem zusammenhängt und alles mit allem kommuniziert.
  • Welche Rolle wir darin als Ergebnis einer dritten Evolutionsstufe tatsächlich spielen, wissen wir nicht, vielleicht als eine Zwischenstufe zu einer vierten.

Unsere menschliche Hauptaufgabe wird es sein, für uns als Art und für deren Milliarden Individuen einen echten, befriedigenden Lebenssinn zu finden, wenn unsere Art für die Zukunft noch einen eigenen Existenzsinn besitzen soll. Anderenfalls braucht uns die Natur nicht mehr und wird von sich aus einen neuen Ansatz für ihre digitale Bewegung in die Zukunft finden.

Jede neue Evolutionsstufe scheint aus einer Übergangsphase des Chaos hervorgegangen zu sein, so z. B. die

  • physikalische aus dem Chaos nach dem sogenannten Urknall,
  • chemische aus dem Chaos der physikalischen Situation,
  • biologische aus dem Chaos der chemischen Situation.

Dabei wissen wir gar nicht, was eigentlich „Leben“ ist. Wir besitzen dafür keine allgemeine, verbindliche Definition (nach Eigen). Seine Merkmale sind u. a.

    • eine individuelle Vielfalt auf der molekularen Ebene,
    • die Komplexität der Strukturen von den Nukleinsäuren (DNA und RNA) bis hin zu den Proteinen (Eiweißen).

Jedes Lebewesen wird durch einen Bauplan genetischer Informationen repräsentiert, den es durch seine Fortpflanzung weiterzugeben versucht. Am augenblicklichen Ende dieser Entwicklung scheint der Mensch zu stehen, dessen kultureller Orientierungsüberbau ihn über seinen Individualismus, seine Selbstverwirklichung und seinen Konsum zwar zur bestimmenden Kraft auf der Erde machte, der sich aber durch seine gleichzeitige Entfremdung von der Natur über die Zerstörung ihrer Gleichgewischte selber ins Abseits stellte.

  • digitale Phase aus dem Chaos nach dem menschlichen Instinktverlust und die dadurch entstandene Orientierungslosigkeit gegenüber der Natur.

Durch drei seiner biologischen Vorgaben gefährdet der Mensch seine irdische Existenz:

    • seinen persönlichen Existenzwillen, ausgelebt in seinen Egoismen, bzw. seinem Individualismus (als solcher bereits in seiner Evolution angelegt),
    • seinem Fortpflanzungsdrang (ausgelebt in allen seinen Statusformen, seinen Machkämpfen, Kriegen, seinen Moden, seinen Vorteilsnahmen. Auch dieser ist in ihm in seiner DNA biologisch angelegt),
    • seinem begrenzten Umweltverständnis (nur befähigt die Welt kausal und nicht komplex zu sehen, entwickelte er seine Kultur linear hin zu einer digitalen Evolutionsstufe, die sich verselbständigend dabei ist, über ihre Eigenexistenz ihn selbst zunehmend zu verdrängen, ihn als einst notwendigen Initiator und Bediener auszuschalten und als neue Evolutionsstufe ein Eigenleben zu führen. Bei dem bereits einsetzenden Erkennen der sich abzeichnenden Gefahren, ist ein radikales Umdenken zum Erhalt der eigenen Art notwendig. Das bedeutet in erster Linie eine radikale Beschränkung unserer aktuellen Freiheitsrechte und unseres Konsums. Da wir diese kulturell zu unserer wichtigsten sozialen Orientierungsgröße gemacht haben (und der Mensch ist von seiner Natur her in erster Linie ein Sozialwesen), fällt es uns schwer, sie zu korrigieren. Zum einen aktivieren sie in uns unsere glücksverheißenden Botenstoffe und zum anderen stehen sie sozial für unseren Status, einem psychischen Orientierungsinhalt, dessen Anlage in uns biologisch vorgegeben ist und den wir in der Form unseres Konsums nur kulturell überhöht haben.

So ungern wie wir das hören, werden wir für den zukünftigen Erhalt der Menschheit

  • weitgehende Kontrollen des Individualverhaltens einführen müssen

(vielleicht wie heute bereits in China, verbunden mit einem zukunftsfreundlichen Belohnungssystem. Es dürfte in jedem Fall unsere heutigen Freiheiten und Konsumgewohnheiten erheblich einschränken).

  • unsere hormonellen Belohnungssysteme völlig neu ausrichten müssen

(u. a. durch eine entsprechende mediale Informationspolitik).

  • unsere Sanktionsformen völlig neu ausrichten müssen

(begleitet von Formen der Selbstkontrolle und des Verzichts, den Autorasern z. B. für eine längere Zeit den Führerschein entziehen).

  • Wirtschaftsunternehmen auch eine Ausrichtung auf das Gemeinwohl einfordern.
  • die persönliche Sinnfindung in einem neuen meditativen Erleben aufgehen lassen.

Weil sie oft in Widerspruch zu unseren sozialen, kulturabhängigen Wertsetzungen sind, klammern wir bei unseren Zukunftsüberlegungen unsere vorgegebenen, evolutionsbedingten Grundprägungen weitgehend aus. Wir verhalten uns so, als ob es sie gar nicht gibt. Dabei sind sie es, die unser Verhalten und damit unsere Zukunft letztendlich bestimmen. Sie sind unsere Natur und all unser Verhalten gegen sie bringt uns unserer Selbstvernichtung näher. Unser vielleicht größter Irrtum ist der Umstand, dass wir genau genommen, ein Gemeinschafts- und kein Individualwesen sind. Einerseits haben uns die Vielfalt der verschiedenen menschlichen Leistungen zwar zu unseren großartigen Zivilisationen geführt, andererseits aber auch durch unsere archaische Wettbewerbsprägung zu den vielen Ausdrucksformen menschlicher Ungleichheit, zu Kriegen und zu unserer heutigen weitgehend globalen Unregierbarkeit. Unser biologisches Platzhirschverhalten wurde durch einen hegemonialen Machtanspruch ersetzt und die psychischen Mängel der Herrschenden zu global bestimmenden Entscheidungsgrößen – Entscheidungsgrößen, die uns – trotz unseres rationalen Besserwissens – direkt in unseren Untergang führen.

Das Dasein besteht aus Bewegungen in einem Gleichgewicht von Kräften. Das gilt vom Kleinsten bis zum Größten, vom Atom bis zum Universum, in unserem Habitat von der atmosphärischen Zusammensetzung, vom Gleichgewicht in den Biotopen bis hin zur sozialen Welt. Es ist der Mensch, der letztere zunehmend zerstört und damit auch seine Existenzgrundlagen. Letztlich kann er nicht erfolgreich gegen die Kräfte der Natur agieren. Dafür ist sie zu stark. Er kann in seiner Existenz gegen sie am Ende nur verlieren. Das heißt zum Beispiel:

  • sie im Klimabereich in großen Bereichen für die Menschenmassen unbewohnbar machen

(durch seinen Konsum, sein Gewinnstreben, die Abstrahierung seiner Statusbemühungen, über die Formen des Kapitalismus (z. B. den Finanzmärkten). Dabei sieht er relativ ohnmächtig zu, wie sich sein Umfeld radikal zu seinen Ungunsten verändert und dies zu einem Zeitpunkt, an dem die KI an der Schwelle zur beherrschenden Kraft auf der Erde wird).

  • bei der Zerstörung der Biotope, über die er seine biologischen, physischen Bezugswelten und seine Nahrungsgrundlagen vernichtet.
  • im sozialen Bereich durch seine Entfernung von seiner genetischen Programmierung durch eine weitgehend unbegrenzte Förderung von Egoismen und Machtkonzentrationen

(über die Förderung des Individualismus unter dem Postulat der Menschenwürde und der Freiheit. Auf der einen Seite gewaltige Vermögen einiger Weniger (vielleicht keiner 1000 Milliardäre) und auf der anderen Milliarden Menschen im Elend. Sich selbst verwirklichend, wird sehr wahrscheinlich irgendein „Individualist“ irgendwann das Feuer an eine Lunte der menschlichen Existenz legen).

Neben der Naturzerstörung ist die Existenz des Menschen auch noch durch mehrere andere Gefahren bedroht: z. B. durch

  • physische Umstände:
    • Kriege: Zurzeit halten die Hegemonialmächte die kleinen Länder mit Hilfe ihrer Drohnen und ihren digitalen Möglichkeiten am Boden. Gegenüber biologischen Waffen sind aber auch diese relativ hilflos,
    • Einbringung naturfremder Verbindungen in die Umwelt (z. B. Müll, Kunststoffe),
    • unser Energieverbrauch,
    • die Zerstörung der Lebensbedingungen für andere lebenswichtige biologische Existenzen (z. B. Insekten, Pflanzen),
    • Vulkanismus,
    • größere Kometeneinschläge,

(Sie alle können sehr unwahrscheinlich sein, können aber auch nicht ausgeschlossen werden. Die Existenz auf der Erde hat sich bereits mehrmals durch ihren Einfluss verändert).

  • psychische, geistige Umstände:
    • die Zerstörung des heutigen Individuums durch manipulierende chemische und mediale Einflussnahmen,
    • den Raub seiner Freiheiten durch interessengezielte Verhaltenssteuerungen,
    • digitale Eingriffe.

Unsere heutige existentielle Realität stellt die Globalisierung eines weltweiten Systems der Ausbeutung dar, der Ressourcen und der Arbeitskräfte. Hilfreich ist dabei der Finanzbereich, die geschaffenen wirtschaftlichen Abhängigkeiten, die Herrschaft über die digitalen Techniken, die Informations- und Unterhaltungsmedien und die Sprache der jeweiligen Hegemonialmächte.

Da die Religionen als normgebende Institutionen für das Zusammenleben der Menschen zunehmend ihren sozialen Stellenwert verloren haben, brauchen wir als Ersatz für sie eine neue orientierungsgebende Ethik, die in der Lage ist, bestimmte Werte, Errungenschaften konsensfähig in eine zukünftige Kultur hinüberzuretten. Dazu würden aus unserer Sicht als geschichtliches Erbe gehören:

  • Humanität (als Antwort auf die Fähigkeit zur Empathie und damit unserem evolutionären Erbe),
  • Gerechtigkeit (als Antwort auf unsere sozialen Grundbindungen, kulturell losgelöst von einem statusgeprägten Testosteronverhalten),
  • Freiheit (als Ausdruck der persönlichen Autonomie sich in die Natur einzuordnen und in die soziale Gemeinschaft einzubringen),
  • Toleranz (als Akzeptanz der genetisch bedingten Verschiedenheit eines jeden Menschen),
  • Verantwortung (als wichtigsten sozialen Orientierungswert).

Hinzu käme die Aufgabe, für die vielen Individuen dieser Welt einen von ihnen akzeptierten Lebenssinn aufzuzeigen. Wahrscheinlich wird er aus einer meditierenden Naturnähe kommen müssen,

  • aus einer Naturnähe, weil wir uns wieder zurück zu unserer evolutionären Herkunft bewegen müssen,
  • meditierend, weil nur so für die Vielzahl der Menschen eine bereichernde Daseinserfahrung wahrscheinlich möglich ist

(Vielleicht werden dafür verschiedene Wege aus dem Buddhismus aufgezeigt. Durch das Aufgehen in der Natur und die psychische Verbindung mit ihr, einem inneren Erleben der Weite eines Sternenhimmels, des monotonen Plätschern von Wellen oder dem Rauschen der Wälder).

Psychisch wird ein Mensch von drei Welten bestimmt, zwei evolutionären und einer kulturellen. Alle drei steuern in seinem Gehirn seine Botenstoffe.

  • Die beiden Revolutionären sind seine
    • Glücksbemühungen: Belohnungen innerhalb unserer Hormonausschüttungen. Man kann danach süchtig werden. Wir fördern sie durch Bestätigungen oder durch Drogen. Auf den Bemühungen danach kann jede Vernunft durch sie verdrängt werden. In einem Konflikt zwischen einer Sucht und einer Vernunft siegt in der Regel die Sucht.
    • Ängste: Eigentlich als ein persönlicher Schutzmechanismus vorgesehen, können sie einen Menschen als Phobien in den verschiedensten Situationen oder den verschiedensten Inhalten gegenüber beherrschen. Bekannt z. B. sind Spinnenphobien. Es können sich aber auch völlig unerklärlich Ängste zeigen, z. B. Weinkrämpfe nach einem Gruppenbeschluss eine banale Gemäldeausstellung zu besuchen.
  • Die kulturelle Welt wird von den Setzungen eines Menschen bestimmt, d. h. hauptsächlich seinen Werten und seinen Zielsetzungen. Sie können ihn völlig beherrschen. An ihnen sind die Formen der Selbstbestätigung und der Selbstverwirklichung gebunden. Über die durch die aktivierten Botenstoffe und verinnerlichten Synapsenkontakte können sie bei den einzelnen Personen einen Zwangscharakter besitzen, z. B. bei Fanatikern. Am bekanntesten waren sie früher im religiösen oder nationalen Bereiche, heute in oft obskuren Selbstverwirklichungsprogrammen. Setzungen bestimmen dann die Träume, und die Verwirklichung der Träume müssen entgegen aller Vernunftargumente angestrebt werden. Eine Individualität bedeutet dann einen spezifischen chemischen Ablauf in einem Körper. Ihren Hintergrund bildet das jeweils persönliche Hormonsystem. Dazu gehören neben Suchtmitteln wie Drogen, Alkohol oder Zigaretten auch regelmäßig konsumierte, uns glücklich machende Nahrungsmittel und was allgemein verdrängt wird – als Zielsetzungen auch unsere Fantasien. Die regelmäßige Beschäftigung mit ihnen beeinflusst unsere hormonellen Gleichgewichte in unserem Gehirn. Sinken sie, entsteht in uns ein Verlangen, einen beglückenden Zustand wieder herzustellen. Das kann der Kauf eines Konsumartikels sein, bestimmte Lebensansprüche, aber auch bestimmte soziale Vorstellungen, die Erfüllung bestimmter Werte oder Ideologien. Das gilt z. B. für alle ideologischen oder politischen Fanatiker. Ausgehend von dieser Grundsituation muss es über eine breite Informationspolitik möglich sein, menschliche Prägungen auf einem neuen weltweiten Humankonsens auszurichten.

Wahrscheinlich werden wir im Westen in Zukunft verstärkt eine Synthese mit der östlichen Kultur anstreben müssen, unser griechisches Erbe mit den Denken von Konfuzius (551 – 479 v. Chr.). Durch ihn wird dort, anders als bei uns, die Gemeinschaft in den Vordergrund des Denkens gerückt:

  • sich selbst nicht wichtig nehmen,
  • sich um die eigene Verbesserung bemühen,

(durch das Lernen sich selbst kultivieren und dadurch praktisch edler werden),

  • in Not anderen helfen,
  • die Mächtigen sollen moralische Vorbilder sein,
  • wichtig für den Einzelnen ist dessen persönliche Verantwortung,
  • geistig, nicht materiell reich werden.

Wichtige Persönlichkeitsmerkmale für ihn waren:

Geduld, Ausdauer, Höflichkeit, Loyalität, Respekt, Pflichtbewusstsein, Fleiß, das Führen eines schlichten, einfachen Lebens.

Die oberste Norm für ihn bildete das Tao (auch Dao, der Ursprung des Seins, der „rechte Weg“ = die transzendente höchste Wirklichkeit) und die Gerechtigkeit.

  • Wichtig für ihn waren das Tun und das Handeln in der Praxis.
  • Sein Lebensziel waren eine geistige Vollkommenheit und eine wahre Sittlichkeit.

Vielleicht hilft uns eine solche Synthese, einen realistischen Weg aus unseren sich abzeichnenden Schwierigkeiten zu finden.